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Dossier: Pferdezucht

Kantonale Umsetzung der Raumplanungsgesetzgebung: Manchmal lohnen sich Verhandlungen!

14 März 2016 08:00

Nachdem der Bund eine Gesetzgebung betreffend Pferdehaltung in der Landwirtschaftszone herausgegeben hatte, haben etliche Kantone eigene und oftmals strengere Umsetzungsbestimmungen festgelegt – so auch der Kanton Waadt. Doch die Vertreter der Pferdebranche liessen es nicht dabei und kämpften um bessere Bedingungen. Erfolgreich, wie sich nun herausgestellt hat.

Foto: Agroscope/Schweizerisches Nationalgestüt Foto: Agroscope/Schweizerisches Nationalgestüt

10 Jahre nach der Einreichung einer parlamentarischen Initiative zur Lockerung der Bestimmungen für die Pferdehaltung in der Landwirtschaftszone traten im Mai 2014 neue Bestimmungen in Kraft. Dass diese Neuerungen tatsächlich einer Lockerung gleichkamen, war das Resultat einer gesamtschweizerischen Mobilisierung der Pferdebranche Ende 2013, inklusive breit getragener Petition, Grossaufmarsch vor dem Bundeshaus und intensiver Verhandlungen zwischen Branchenvertretern, Politikern und der Verwaltung.

Bundesrecht eröffnet neue Möglichkeiten
Der gefundene Konsensus, welcher schliesslich in die Gesetzgebung aufgenommen wurde, eröffnet vor allem den landwirtschaftlichen Gewerben, aber auch kleineren Betrieben und Hobbypferdehaltern neue Möglichkeiten. Künftig können bestehende Landwirtschaftsbetriebe so viel Pensionspferde aufnehmen, wie sie mit überwiegend betriebseigenem Raufutter ernähren und – im Falle der kleineren Betriebe – in bestehenden Gebäuden unterbringen können. Landwirtschaftliche Gewerbe dürfen gar neue Pferdeställe bauen, wenn sie den Bedarf nachweisen. Den Bauern ist es auch möglich, ganz auf die Pensionspferdehaltung umzustellen.

Neu können wesentlich grosszügigere Allwetterausläufe befestigt werden als bisher, unter gewissen Voraussetzungen bis zu 150 m2 pro Pferd. Zudem haben landwirtschaftliche Gewerbe die Möglichkeit, Reitplätze für ihre Pensionspferde zu erstellen. Nichtlandwirtschaftliche Hobbypferdehalter in der Landwirtschaftszone dürfen gemäss Bundesrecht so viele Tiere halten wie sie selber betreuen und in bestehenden Gebäuden tiergerecht unterbringen können.

Der Bund legt mit Gesetz und Verordnung aber nur die Grundsätze der Raumplanung fest. Es sind die Kantone, welche für den Vollzug zuständig sind. Wenn das Bundesrecht unbestimmte Begriffe verwendet, ist der Spielraum der Umsetzung durch die Kantone gross.

Hier helfen in der Regel sogenannte Vollzugshilfen des verantwortlichen Bundesamtes, welche unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisieren, um eine einheitliche Vollzugspraxis zu fördern. Die Kantone können davon ausgehen, dass sie bei Berücksichtigung dieser Hilfen – auch als Wegleitung, Richtlinie, etc. bezeichnet – das Bundesrecht rechtskonform vollziehen.

Strengere kantonale Umsetzungsbestimmungen
Erst über ein Jahr nach Inkrafttreten der revidierten Raumplanungsverordnung, nämlich im Juli 2015, publizierte des Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) eine Vollzugshilfe: Die aktualisierte Wegleitung «Pferd und Raumplanung», welche das neue Recht und den dort gewährten Spielraum erläutert. Leider arbeiteten in diesem Zeitraum diverse Kantone bereits ihre eigenen kantonalen Umsetzungsbestimmungen aus. Diese nutzen die erweiterten Möglichkeiten gemäss Bundesrecht in keiner Weise aus, sondern legen es teilweise noch enger aus als vor 2014. Hierzu gehören beispielsweise neu ausgearbeitete Vollzugsbestimmungen der Kantone Zürich, Aargau, Zug und Luzern. Ein Reitplatz wird in Zürich, strenger als im Bundesrecht, erst ab 8 Pferden bewilligt. Sowohl in Zürich als auch in Luzern sind kaum grössere Ausläufe als die Mindestmasse gemäss Tierschutzverordnung möglich, also zwischen 16 und 36 m2 pro Pferd. Der Kanton Zug verlangt, ganz im Gegensatz zum Bundesrecht, dass das Einkommen aus der bäuerlichen Pensionspferdehaltung ein Nebeneinkommen bleibt und kein zusätzliches Personal angestellt werden darf. Die Anzahl Hobbypferde für Nichtlandwirte wird von den meisten Kantonen auf 2 bis 4 Tiere beschränkt.

Auch der Kanton Waadt teilte im Juni 2015 mit, dass eine neue kantonale Richtlinie betreffend Pferdehaltung in der Landwirtschaftszone in Kraft sei. Diese lehnte sich stark an die Aargauer Vorlage an. Obwohl vom Bundesrecht her 150 m2 möglich wären, sollten künftig nur 40 m2 befestigte Auslauffläche pro Pferd erlaubt sein. Hobbypferdehaltern sollte eine Maximalanzahl von 4 Pferden oder 6 Ponys erlaubt werden.

Verhandlungen im Kanton Waadt
Die Mitteilung der Waadtländer Behörden löste prompt heftige Reaktionen im ganzen Kanton aus. Die Waadt ist immerhin der Kanton, der über den drittgrössten Pferdebestand in der Schweiz verfügt. Unter der Federführung der Gruppe «Sauvegardons la filière équine suisse» bildete sich ein Expertengremium mit Vertretern kantonaler Pferde- und Tierschutzvereinen sowie dem Schweizer Rat und Observatorium der Pferdebranche (COFICHEV), welches bei den Kantonsbehörden vorstellig wurde. Die Anliegen der Pferdehalter wurden zusätzlich unterstützt durch eine parlamentarische Interpellation an den Staatsrat des Kantons Waadt.

Dank offenbar sachlich dargelegten und fundierten Argumenten gelang es dem Expertengremium, die Amtsvertreter und die für die kantonale Raumplanung zuständige Staatsrätin von ihrer Sache zu überzeugen. Ein für alle Seiten akzeptabler Kompromiss konnte gefunden werden, in dem sich der Kanton Waadt bereit erklärte, seine kantonalen Umsetzungsbestimmungen per sofort aufzuheben und sich stattdessen künftig auf die Vollzugshilfe des Bundes, also auf die aktualisierte Wegleitung «Pferd und Raumplanung» zu stützen. Dies liege zudem auch im Sinne einer administrativen Vereinfachung und einer einheitlicheren Vollzugspraxis.

Die Beamten im Kanton Waadt, welche Baugesuche für die Pferdehaltung in der Landwirtschaftszone zu beurteilen haben, können also in Zukunft den gesamten Spielraum des Bundesrechtes ausnützen, ohne durch kantonale Verschärfungen eingeschränkt zu werden. Dies beinhaltet unter anderem die Bewilligung von grosszügiger bemessenen Auslaufflächen. Selbstverständlich sind aber auch gemäss Bundesrecht in jedem Falle Güterabwägungen vorzunehmen. Viele Wünsche und Pläne werden weiterhin nicht vollständig umgesetzt werden können. Es darf nicht vergessen werden, dass bei Bauvorhaben in der Landwirtschaftszone nicht nur das Tierwohl und wirtschaftliche Interessen zu berücksichtigen sind, sondern der Kulturlandschutz von grosser Bedeutung ist und die Bewahrung unseres ländlichen Raumes ein Anliegen darstellt, welches zweifelsohne auch der Pferdebranche ein Anliegen sein muss.

Fazit
Die Erfahrung im Kanton Waadt ist ein schönes Beispiel dafür, dass dank gemeinsamem und gut durchdachtem Einsatz, dank stichhaltiger Argumente und konstruktiver Vorschläge und mit allseitig vorhandener Kompromissbereitschaft pragmatische Lösungen gefunden werden können. Bleibt abzuwarten, ob dieses Beispiel eine gewisse Signalwirkung erzielt.

Iris Bachmann
Agroscope, Schweizer Nationalgestüt

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