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Godel Robin, SUI, Grandeur de Lully CHFEI EventingEuropean Championship Avenches 2021© Hippo Foto - Dirk Caremans 25/09/2021
Concours Complet
Dossier: Interviews

«Die Sicherheit und das Pferdewohl stehen beim Geländeparcoursbau immer an erster Stelle!»

20 September 2021 09:00

Wenn am 23. September 2021 die Europameisterschaft in der Königsdisziplin des Reitsports in Avenches eröffnet wird, fiebern die Zuschauer und Teilnehmenden insbesondere dem Höhepunkt des Events entgegen: dem Cross. Dieses wird die Handschrift von einem der erfahrensten Geländeparcoursbauer überhaupt tragen: Mike Etherington-Smith. Das «Bulletin» traf sich mit dem Briten nur wenige Wochen vor dem Startschuss in Avenches zum Gespräch.

Nur als Team kann der Geländeparcoursbau gelingen (v. l. n. r.): Mike Etherington-Smith, Heinz Scheller, Martin Plewa. | SVPS/Cornelia Heimgartner Nur als Team kann der Geländeparcoursbau gelingen (v. l. n. r.): Mike Etherington-Smith, Heinz Scheller, Martin Plewa. | SVPS/Cornelia Heimgartner

An diesem Sommermorgen war das Gras nach den nächtlichen Regenfällen noch feucht, als wir uns mit Mike Etherington-Smith und seinen beiden Assistenten, dem Deutschen Martin Plewa und dem Schweizer Heinz Scheller, auf eine Besichtigungstour über das Gelände des Institut Equestre National Avenches (IENA) aufmachten. Die ersten kräftigen Sonnenstrahlen versprachen jedoch einen heissen Tag, und die aufwendig gepflegten Rasenflächen des Hippodroms von Avenches strahlten in saftigem Grün. Zumindest auf den ersten Blick - doch dem geschulten Auge des international gefragten Geländeparcoursbauers von so renommierten Events wie den legendären Badminton Horse Trials (GBR) und den Luhmühlen Horse Trials (GER), den Olympischen Spielen von Sydney (AUS) 2000 und Beijing (CHN) 2008, den Weltreiterspielen von Lexington (USA) 2010 und vielen, vielen grossen Turnieren und Meisterschaften mehr entgeht nichts. Mike E.-S., wie er in Eventing-Kreisen gerne genannt wird, scheint das Gelände durch eine Brille zu betrachten, als würden die imaginären Hindernisse direkt vor seiner Nase entstehen. Jeder Blick, jede Geste ist fokussiert und zielgerichtet - die Zeit drängt, und nichts darf dem Zufall überlassen werden.

 

«Bulletin»: Mike Etherington-Smith, wie ist Ihr Eindruck vom Gelände im IENA?

Mike Etherington-Smith: Das abwechslungsreiche Gelände im IENA ist nicht nur idyllisch, sondern bietet auch viele Möglichkeiten, die wir nun alle im Detail anschauen. Der Innenbereich der Rennbahn, der früher für Jagdrennen verwendet wurde, können wir für das Cross umnutzen. Und auch das Terrain darum herum können wir kreativ für unsere Zwecke einbinden. Aber die Zeit drängt, und ich selbst bin nur noch ein einziges Mal hier in Avenches vor Ort, bevor die Europameisterschaft startet.

Es ist grossartig, dass wir trotz COVID-19 diese Europameisterschaft auf die Beine stellen können.

Bei der Geländebesichtigung werden Distanzen nochmals nachgemessen. | © SVPS/Cornelia Heimgartner Bei der Geländebesichtigung werden Distanzen nochmals nachgemessen. | © SVPS/Cornelia Heimgartner

Wie ist das zu schaffen in so kurzer Zeit?

Das klappt nur im Team. Martin Plewa ist sozusagen meine rechte Hand als Geländeparcoursbauer, und er wird öfters hier sein als ich. Er ist auf diesem Gebiet einer der Erfahrensten weltweit. Absolut unverzichtbar ist auch Heinz Scheller, der dafür sorgt, dass unsere Wünsche und Anliegen auch umgesetzt werden. Er ist dafür verantwortlich, dass am Ende alles zur rechten Zeit am rechten Ort ist.

Natürlich braucht man normalerweise viel mehr Zeit, um ein solches Cross vorzubereiten, aber die haben wir nun einmal nicht. Also packen wir es an und machen das Beste daraus. Es ist grossartig, dass wir trotz COVID-19 diese Europameisterschaft auf die Beine stellen können. Dafür lohnt es sich, die Ärmel hochzukrempeln. Wir tun das für den Sport, für all die begeisterten Reiterinnen und Reiter, die sich seriös und mit viel Engagement auf dieses Championat vorbereiten.

Am Tag X wird alles bereit sein. Man wird sehen, dass gewisse Elemente neu erstellt wurden und sich optisch vielleicht noch nicht ganz so harmonisch integrieren. Aber das macht nichts

Zum Zeitpunkt des Interviews sind einige Hindernisse noch in Arbeit, aber bis zur EM wird alles bereit sein. | © SVPS/Cornelia Heimgartner Zum Zeitpunkt des Interviews sind einige Hindernisse noch in Arbeit, aber bis zur EM wird alles bereit sein. | © SVPS/Cornelia Heimgartner

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Geländeparcoursbauer auf Weltklasseniveau kann ich aber gut einschätzen, was möglich ist und was nicht.

Welches sind die grössten Herausforderungen für das Cross im IENA?

Die grösste Herausforderung ist der Boden. An manchen Stellen ist er hervorragend, an anderen muss er noch verbessert werden. Der Boden ist mir immer ein ganz besonderes Anliegen, denn er ist ein zentrales Sicherheitselement. Normalerweise braucht Gras viel Zeit, um optimal zu wachsen und sich zu festigen. Diese haben wir nun aber nicht. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Geländeparcoursbauer auf Weltklasseniveau kann ich aber gut einschätzen, was möglich ist und was nicht. Das muss ich bei der Planung des Streckenverlaufs mit einbeziehen.

Ein anderes Thema sind die Hindernisse selbst. Uns bleibt keine Zeit, alle Hindernisse selbst anzufertigen. Dank unseren gut vernetzten weltweiten Kontakten können wir aber zusätzlich zum vorhandenen Material auch Hindernisse anderer internationaler Geländeplätze, beispielsweise in Saumur (FRA), für die Europameisterschaft ausleihen.

Glücklicherweise haben wir hier in Avenches ein sehr motiviertes und engagiertes Team um OK-Präsident Jean-Pierre Kratzer. Sie verstehen, dass kurzfristig und unbürokratisch Investitionen getätigt und Arbeiten in Angriff genommen werden müssen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass alles klappen wird!

Er überlässt nichts dem Zufall: Mike Etherington-Smith prüft den Kern des Buschhindernisses. | © SVPS/Cornelia Heimgartner Er überlässt nichts dem Zufall: Mike Etherington-Smith prüft den Kern des Buschhindernisses. | © SVPS/Cornelia Heimgartner

Das Cross soll für die Pferde eine positive Erfahrung sein.

Wie arbeitet eigentlich ein Geländeparcoursbauer? Entstehen die Streckenführung und die Hindernisse am Computer?

Jeder Geländeparcoursbauer hat seinen eigenen Stil und eine individuelle Vorgehensweise. Ich selbst arbeite viel mit Handskizzen. Ich gehe mit dem Distanzmessrad ins Gelände, sehe mir die Varianten und Möglichkeiten an, die sich mir bieten. Spezielle Computerprogramme mit integrierten Satellitenbildern helfen mir dann, diese Skizzen, Ideen und Gedanken zu ordnen und festzuhalten.

Ich möchte mit meinem Cross gewissermassen eine Geschichte erzählen. Die ersten drei, vier Efforts sollen dem Pferd helfen, seinen Rhythmus zu finden. Im Mittelteil stelle ich den Konkurrentinnen und Konkurrenten dann meine «Fragen», das sind die echten Herausforderungen. Auf den letzten rund 700 Metern will ich die Pferde vor allen Dingen im Fluss halten und mit den Hindernissen ihre Konzentration bewahren. Auf diesem abschliessenden Streckenabschnitt möchte ich den Pferden ins Gesicht sehen und darin lesen können, dass sie eine grosse Anstrengung vollbracht haben und mit sich selbst zufrieden sind. Das Cross soll für die Pferde eine positive Erfahrung sein.

Als Geländeparcoursbauer muss man sich bei jedem Hindernis überlegen: «Was ist der Mehrwert von diesem Hindernis?» Sie müssen alle einen guten Grund haben, weshalb sie in genau dieser Form an genau dieser Stelle stehen. Insbesondere der Fluss der Geländestrecke muss immer erhalten bleiben.

Avenches wird eine tolle Europameisterschaft, davon bin ich überzeugt!

Mike Etherington-Smith ist einer der besten und erfahrendsten Cross-Parcours-Bauer überhaupt | © SVPS/Cornelia Heimgartner Mike Etherington-Smith ist einer der besten und erfahrendsten Cross-Parcours-Bauer überhaupt | © SVPS/Cornelia Heimgartner

Wie wichtig sind Sicherheitsaspekte beim Geländeparcoursbau?

Die Sicherheit und das Pferdewohl stehen beim Geländeparcoursbau immer an erster Stelle! Das hier ist ein risikoreicher Sport, da gibt es keinen Zweifel. Aber wir müssen den Pferden gegenüber immer fair sein. Dabei geht es nicht nur um die körperliche Leistungsfähigkeit der Pferde, sondern auch um die mentale Wirkung, welche die Hindernisse auf die Pferde haben. Wir dürfen nicht vergessen: Die Reiterinnen und Reiter besichtigen den Parcours vor dem Ritt. Die Pferde aber sehen die Hindernisse während der Prüfung zum ersten Mal.

Ausserdem müssen wir bedenken, dass jeder Reiterin bzw. jedem Reiter einmal ein Fehler unterlaufen kann. Für diesen Fall müssen wir beim Geländeparcoursbau vorausdenken, um die Pferde möglichst zu schützen.

Hier in Avenches will ich ein Cross bauen, dass einer Europameisterschaft in allen Belangen würdig ist. Die Weltklassereiterinnen und -reiter sollen auf ihre Kosten kommen und gefordert sein, aber auch Reiterinnen und Reiter, die zum ersten Mal bei einem solchen Championat mit dabei sind, sollen nicht wortwörtlich auf der Strecke bleiben.

Avenches wird eine tolle Europameisterschaft, davon bin ich überzeugt! Die Organisation und die Durchführung sind und bleiben eine Herausforderung im aktuellen Umfeld. Aber ich bin zuversichtlich und freue mich darauf, die kontinentale Elite am Ende meiner Geländestrecke zufrieden ins Ziel reiten zu sehen.

Das Gespräch führte
Cornelia Heimgartner

Facts & Figures zur Geländestrecke der EM in Avenches

Gesamtlänge: ca. 5800 m
Anzahl Hindernisse: ca. 30 auf direkter Linie
Anzahl Efforts: ca. 40 auf direkter Line
Tempovorgabe: 570 m/Min.

Vor dem geistigen Auge von Mike Etherington-Smith entsteht ein Geländeparcours. | SVPS/Cornelia Heimgartner Vor dem geistigen Auge von Mike Etherington-Smith entsteht ein Geländeparcours. | SVPS/Cornelia Heimgartner

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