Eigentlich müssten wir im August 2020 in japanischen Olympiaerinnerungen schwelgen und den internationalen Meisterschaften des Spätsommers und Frühherbsts entgegenfiebern. Doch dieses Jahr ist alles anders.
Die einzigen Championate, die diesen Sommer stattfinden – sofern sie nicht doch noch von einer zweiten Pandemiewelle überrollt werden – sind die Europameisterschaften der Nachwuchsdressurreiter im ungarischen Budapest. Und die Schweiz ist mit einer hoch motivierten Delegation mit von der Partie!
Lars Bürgler tritt in Budapest mit Remember Passion in der Kategorie Junge Reiter an.
(Bild: SVPS/Cornelia Heimgartner)
Fiebermessen statt Turnierfieber
Für Spitzensportler sind die jährlichen Meisterschaften Saisonhöhepunkte, auf die sie ihr Training und die Turnierplanung ausrichten. Was aber, wenn ein Virus alles auf den Kopf stellt, Turniere der Reihe nach abgesagt werden und auch die kontinentalen Championate ins Wasser fallen? Dann herrscht zunächst einmal grosse Unsicherheit, eine Art luftleerer Raum. Keine Wettkämpfe, keine Ziele. Das war beim Dressurnachwuchs diesen Frühling nicht anders. Ursprünglich sah der FEI-Kalender vor, dass die Europameisterschaft der Ponyreiter in Strzegom (POL) und die Europameisterschaft der Junioren und Jungen Reiter in Hartpury (GBR) ausgetragen werden sollten. Diese Veranstaltungen mussten jedoch aufgrund der Coronapandemie abgesagt werden. Glücklicherweise stellte Budapest (HUN) jedoch in kurzer Zeit eine Ersatzveranstaltung verteilt auf drei Daten auf die Beine – endlich ein Ziel, auf das man hinarbeiten konnte!
Sichtungsreiten statt Qualifikationsturniere
Nachdem dieses Jahr aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie kaum internationale und nationale Turniere veranstaltet wurden, setzte die Selektionskommission der Disziplin Dressur des SVPS auf ein Sichtungsreiten, um einen Eindruck der aktuellen Verfassung der einzelnen Nachwuchspaare zu erhalten. Dieses Format wurde insbesondere gewählt, um für alle Kandidatinnen und Kandidaten die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen für eine EM-Selektion zu schaffen. So präsentierten sich die Reiterinnen und Reiter im NPZ Bern zum Aufgabenreiten vor einem internationalen Richtergremium bestehend aus Katrina Wüst (GER, FEI- 5*-Richterin), Dr. Dieter Schüle (GER, FEI-5*-Richter i. R.) und Hans Voser (SUI, FEI-4*-Richter), das eine Einschätzung der Leistung und des Potenzials der einzelnen Paare abgab.
Die Verantwortliche der Nachwuchskader Heidi Bemelmans und der renommierte Dressurrichter (i.R.) Dr. Dieter Schüle. (Bild: SVPS/Cornelia Heimgartner)
Ein vielversprechendes Paar bei den Ponys: Valentina Bona und Douglas de Luxe. (Bild: SVPS/Cornelia Heimgartner)
Spannende Einsichten auch für die Heimtrainer
Das Sichtungsreiten war eingebettet in einen Förderlehrgang, der über die NASAKNutzungsbeiträge des Bundes (siehe «Bulletin» 07/2020) und von der UBS als Förderin des Dressurnachwuchses finanziert wurde. So konnten auch die Heimtrainer der Dressurreiterinnen und -reiter des nationalen Nachwuchskaders von der Anwesenheit von Katrina Wüst profitieren, um Inputs für die weitere Arbeit mit den Jugendlichen mitzunehmen. Im Anschluss an das benotete Aufgabenreiten pickte die renommierte internationale Richterin jeweils einzelne Elemente des gezeigten Programms heraus und erarbeitete mit den Reiterinnen und Reitern individuell konkrete Ansätze, wie die Lektionen verbessert werden können. Das fundierte Hintergrundwissen der in Süddeutschland beheimateten Katrina Wüst gepaart mit ihrem pädagogischen Hintergrund sowie ihrer Erfahrung als Dressurreiterin und ehemaliger Trainerin ihrer Tochter Caroline, die einst süddeutsche Pony-Dressurmeisterin war, zeigt sich in den kurzen Coaching-Einheiten auf eindrückliche Art und Weise. Alle Pferd-Reiter- Paare konnten sich in den zehn Minuten Einzeltraining deutlich verbessern. Die problematischen Lektionen wurden nicht einfach wiederholt, sondern mit Vorübungen gezielt und logisch aufgebaut. Auch die Heimtrainer waren sichtlich beeindruckt, wie die FEI-Richterin ihr Vorgehen – auf Deutsch und Französisch – erläutern und ihnen Anregungen für das Training zu Hause mitgeben konnte.
Auch viele Heimtrainer der Schweizer
Nachwuchsdressurreiterinnen und
-reiter waren in Bern vor Ort: Klaus
Balkenhol (links) und Christian Pläge. (Bild: SVPS/Cornelia Heimgartner)
Am Sichtungsreiten besprachen die
Richter jeden Ritt und gaben Inputs
für das weitere Training zu Hause:
Katrina Wüst und Hans Voser. (Bild: SVPS/Cornelia Heimgartner)
Tallulah Lynn Nater und De Vito W am Sichtungsreiten in Bern. Sie werden an der EM bei den Junioren antreten. (Bild: SVPS/Cornelia Heimgartner)
Auf nach Ungarn!
Sofern die weltweite Pandemielage dies erlaubt, werden die Europameisterschaften des Dressurnachwuchses an drei verschiedenen Daten in Budapest (HUN) stattfinden:
- Junioren und Children: 9.–14. August 2020
- U25, Jungen Reiter: 17.–21. August 2020
- Pony: 26.–30. August 2020
Die folgenden Paare werden in Budapest die Schweizer Farben vertreten:
Junge Reiter
- Lars Bürgler, Kölliken (AG), mit Remember Passion, Besitzerin: Marianne Bürgler
- Carl-Lennart Korsch, Wolfhausen (ZH), mit Fantasy, Besitzerin: Tallulah Lynn Nater
Junioren
- Tallulah Lynn Nater, Meilen (ZH), mit De Vito W, Besitzerin: Tallulah Lynn Nater
- Renée Stadler, Grüningen (ZH), mit Danzador, Besitzer: Carol und Josef Stadler
- Noemi Zindel, Grüsch (GR), mit Delphino, Besitzer: Sandra und Arno Zindel-Weber
Pony
- Valentina Bona, Wilen b. Wollerau (SZ), mit Douglas de Luxe FC, Besitzerin: Dagmar Bona
- Robynne Graf, Dielsdorf (ZH), mit Dallas IV, Besitzer: Simone und Markus Graf
- Layla Schmid, Château (FRA), mit Ashen Dew Drop, Besitzer: Daniel von Arx-Schmid
Ein Paar, das am Sichtungsreiten auf der ganzen Linie überzeugte: die Juniorin Renée Stadler mit Danzador. (Bild: SVPS/Cornelia Heimgartner)
Auf eine mögliche Selektion verzichtet haben die Junge Reiterin Laura Maria Grunder, Rüegsauschachen (BE), mit GB Rapace, Besitzer: Sandra Bauen Grunder und Hans Grunder, sowie die Juniorin Meilin Ngovan, Subingen (SO), mit Dream of Night Fluswiss CH, Besitzer: Urs Flury. Charlotta Rogerson aus Meggen (LU), die mit der Stute Famora (Besitzer: James Rogerson) in der Kategorie U25 selektioniert worden war, verzichtet auf eine EM-Teilnahme.
Die mit ihrem Pferd Kelly Sue selektionierte Junge Reiterin Ramona Schmid aus Meinisberg (BE) musste die Reise nach Budapest aus gesundheitlichen Gründen absagen. Die Paare werden vor Ort von der Kaderverantwortlichen und Equipenchefin Heidi Bemelmans begleitet und betreut. Für die veterinärmedizinische Betreuung der Pferde ist für die Kategorien Junge Reiter und Junioren Dr. med. vet. Christoph Kühnle zuständig, für die Kategorie Pony Dr. med. vet. Stephanie Weber-Schön.
Cornelia Heimgartner