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Wettstein Estelle, SUI, West Side Story, 165Olympic Games Tokyo 2021© Hippo Foto - Stefan Lafrentz25/07/2021
Dressur

Nur Knatsch in der Dressur?

16 Juli 2018 16:42

Ein offenes Gespräch über die Zukunftsperspektiven einer aufstrebenden Disziplin und die Herausforderungen eines krisengeschüttelten Leitungsteams. Peter Christen, der nebst seinem Amt im Vorstand als Chef Wettkampfsport beim Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) interimistisch die Funktionen des Disziplinleiters und des Chefs Sport für die Disziplin Dressur ausübt, gewährt tiefe Einblicke und weist den Weg in eine optimistische Zukunft.

«Bulletin»: Peter Christen, welchen Stellenwert hat die zahlenmässig eher kleine Disziplin Dressur überhaupt für den SVPS?

Peter Christen: Der SVPS hat grosses Interesse am Dressursport. Man kann darüber streiten, ob «Dressur» der richtige Name ist, schliesslich geht es nicht darum, ein Pferd abzurichten. Die Dressur dient vielmehr dazu, das Pferd zu gymnastizieren, es rittig zu machen. Das braucht jedes Pferd in jeder Disziplin, damit wir es reiten können, ohne dass es Schaden nimmt. Genauso braucht jeder Reiter die Dressur; sie ist der Grundstein für gutes Reiten. Die Disziplin Dressur ist einfach die Spezialisierung, bei der am Turnier diese Rittigkeit überprüft wird.

Aber auch Dressurpferde brauchen eine vielseitige Ausbildung - deshalb appelliere ich immer wieder an die Dressurreiter: Reitet eure Pferde auch im Gelände, damit sie ausgeglichen sind, ihr Gleichgewicht schulen können und die Adaptationsfähigkeit an unebene Böden usw. nicht verlieren. Dressurpferde sollen nicht nur im Bergauf-Galopp brillieren, sondern auch einmal einen Berg hinaufgaloppieren können. Auch die gymnastizierende Arbeit mit Cavalletti und kleinen Sprüngen kommt Dressurpferden sehr zugute.

Deshalb, liebe Dressurreiter, schnallt die Bügel auch einmal kürzer und legt eine normale Trense ein, um einen zügigen Ritt über die Wiese zu geniessen. Auch solche Inputs liegen in unserer Verantwortung als Leitungsteam. Über die Equipenchefs und den Chef Sport versuchen wir, in diese Richtung auf die Reiter einzuwirken.

Aus welchen Funktionen setzt sich das Leitungsteam denn überhaupt zusammen?

Ganz kurz zusammengefasst - und es ist immer auch die weibliche Form einbezogen: Der Disziplinleiter - oder auch die Disziplinleiterin - trägt die Gesamtverantwortung und überwacht die Strategie und Planung, der Chef Sport ist verantwortlich für die Equipenchefs der verschiedenen Kader, der Chef Technik ist zuständig für die Betreuung und Ausbildung von Offiziellen, Richtern usw. wie auch für die Reglemente, der Chef Administration beaufsichtigt das Budget und andere administrative Belange und der Disziplintierarzt vertritt die Interessen der Pferde und berät das Leitungsteam in veterinärmedizinischen Belangen.

Wie sieht denn so eine strategische Planung aus?

Wir setzen auf eine langfristige Planung im 4-Jahres-Rhythmus. Dieser ist durch Olympia vorgegeben. Das heisst, im Jahr 1 nach Olympia wird die Zeit bis zu den nächsten Olympischen Spielen geplant, so ist Tokio (JPN) 2020 das nächste grosse Ziel mit den Weltreiterspielen in Tryon (USA) diesen Herbst als ersten Meilenstein, gefolgt von der Europameisterschaft in Rotterdam (NED) 2019 als weiteren Gradmesser.

Dabei darf man nicht vergessen: Bei uns ist nicht nur der Reiter Athlet, sondern auch das Pferd. Ein geeignetes Pferd zu finden, das bis ganz nach oben gefördert werden kann, ist nicht selbstverständlich und braucht sehr viel Zeit. Ein Grand-Prix-Pferd auszubilden, dauert mindestens sechs Jahre. Ein Pferd, das wirklich fit ist, kann vielleicht bis 18-jährig auf diesem Niveau eingesetzt werden. Wenn das Pferd also vierjährig angeritten und dann sechs Jahre lang ausgebildet wird, ist es bei Grand-Prix-Reife zehnjährig. Wenn es dann acht Jahre im Spitzensport sein kann, ist das ein absoluter Glücksfall. Das muss der Verband in die Planung mit einbeziehen. Die Gesunderhaltung der Pferde und die stufengerechte Ausbildung - auch mit viel Abwechslung - sind hier ganz entscheidende Aspekte. Wenn Pferde mal ein Zwischentief haben, muss man ihnen etwas Ruhe gönnen. So kann man die Leistung wieder abrufen, wenn sie wieder fit sind. Auch das ist ein Abwägen, das mit einfliessen muss in die strategische Planung. Unsere Ziele müssen auch ethischen Grundsätzen standhalten. Zu sagen, dieses Pferd ist zwar erst achtjährig, aber wir nehmen es trotzdem mit nach Tryon, weil wir es dort noch brauchen in der Mannschaft, auch wenn es danach vielleicht einbricht - solche Gedanken gibt es bei uns nicht. Das wäre dem Pferd gegenüber nicht korrekt und ethisch nicht vertretbar.

Es ist wichtig, dass die Pferde nicht verheizt werden. Sie müssen nach ethischen Grundsätzen gefördert werden. Am schönsten wäre, wenn ein erfolgreiches Dressurpferd am Ende seiner Karriere im Spitzensport entweder in die Zucht gehen oder als Lehrpferd für junge Reiter eingesetzt werden könnte, um so für zwei- und vierbeinigen Nachwuchs in der Disziplin zu sorgen. Das Pferd darf niemals Material sein, sondern ist ein Athlet im Team. Auch die Pferde brauchen eine Karriereplanung. Und diese soll über den Spitzensport hinausgehen, damit sie auch im nächsten Lebensabschnitt noch eine sinnvolle Beschäftigung und Aufgabe haben.

Spielen also auch die Pferdebesitzer eine Rolle bei der Planung?

Auf jeden Fall! Oft sind die Spitzenpferde nicht im Besitz der Reiter, und Pferdebesitzer sind gewissermassen Mäzene. Wir stehen in engem Kontakt mit ihnen, denn als Verband müssen wir wissen, was die Besitzer mit den Pferden vorhaben. Wenn die Pferde sportlich erfolgreich sind, haben sie auch den höchsten Wert, zum Beispiel nach erfolgreichen Weltreiterspielen. Bis ein Jahr vor Olympia können Pferde noch im Hinblick auf dieses Championat gehandelt werden, danach nicht mehr. Da müssen wir wissen, ob Pferde zum Verkauf stehen oder ob wir langfristig mit diesen vierbeinigen Athleten planen können. Manchmal findet man private Sponsoren, die Freude am Sport haben und das Pferd der Schweiz zur Verfügung stellen möchten. Da können wir als Verband versuchen zu vermitteln. Viele dieser Spitzenpferde sind mehrere Millionen Wert. Das muss sich ein Besitzer natürlich gut überlegen. Ein Pferd kann sich morgen verletzen und deutlich an Wert verlieren. Da muss jeder Besitzer für sich entscheiden, ob er gewillt ist, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Es gibt Besitzer, die haben ihr Pferd sehr gerne und nehmen dieses Risiko in Kauf, andere wiederum möchten, dass ihr Pferd von Spitzenreitern geritten wird, und verkaufen. Deshalb ist der Austausch mit den Besitzern wichtig.

Ist es schwierig, Pferdebesitzer als Mäzene des Dressursports zu gewinnen, gerade wenn man nicht zu den Topnationen gehört?

Um Pferdebesitzer anzulocken, muss man die Strategie erklären. Man muss aufzeigen können, dass der Weg nach oben zeigt und die Erfolge da sind. Dazu braucht es eine geschickte Saisonplanung. Zu Beginn der Saison stehen eher 3*- oder 4*-Turniere im Vordergrund, und dann kann man sich steigern. Manchmal muss man den Pferden auch eine Wettkampfpause gönnen, oder man lässt sie eine Stufe tiefer antreten, je nachdem, was gerade nötig ist. Dafür braucht es aber das Vertrauen der Besitzer, dass sie sich überzeugen können: Wir als Verband machen das gut. Hier spielt die Equipenchefin eine zentrale Rolle. Sie ist das Bindeglied zu den Reitern und oft auch zu den Pferdebesitzern, mit denen man beispielsweise auf einem Turnier ins Gespräch kommen kann.

Hat der SVPS denn keine Möglichkeit, gute Pferde zu sichern?

In anderen Länder kommt es vor, dass die Föderation einen Anteil an einem Pferd erwirbt. Diese Verbände können sich nicht vorstellen, dass es bei uns in der Schweiz anders läuft. Aber so ist es tatsächlich. Wir zahlen keinen Rappen an Pferde. Dafür haben wir schlicht kein Budget. Unser System ist ein typisch schweizerisches föderalistisches System auf privater Basis.

Ist unsere Dressurelite breit genug, dass man auch wirklich eine Auswahl hat bei der Selektion für Championate?

Mehr wäre immer besser! Aber wir haben für Tryon eine Longlist von sieben Pferd-Reiter-Paaren. Schliesslich werden vier davon in die USA reisen. Es findet also wirklich eine Selektion statt. Aber beispielsweise bei den Jungen Reitern haben wir unlängst beschlossen, dass wir nicht an die EM gehen, weil zu wenig Leistungsdichte vorhanden ist in diesem Kader. Was fehlt, ist eine breitere Basis beim Nachwuchs. Wir haben zwar eine Spezialisierung, die früher einsetzt, aber viele, die sich für die Dressur entscheiden, wollen einfach zu ihrer Freude auf einem gewissen Niveau reiten, ohne spitzensportliche Ambitionen.

Was wir aber bräuchten, ist ein Nachwuchs, der der Elite einheizt. Druck von unten nach oben ist im Sport das Beste. Daran arbeiten wir. Tatsache ist aber, dass der Nachwuchs in allen klassischen Reitsportdisziplinen (Dressur, Springen, Concours Complet) zahlenmässig stagniert. Jugendliche haben heute ein so breites Sport- und Freizeitangebot, dass nur noch wenige sich auf eine einzige Sportart konzentrieren. Und Dressurreiter sind hier vergleichbar mit Pianisten: Sie müssen jeden Tag für sich alleine an sich arbeiten. Das braucht viel Disziplin und das über Jahre hinweg. Das ist in unserer Gesellschaft nicht mehr sehr gefragt.

Ein weiterer Aspekt ist, dass das Dressurreiten heute eine absolute Frauendomäne ist. In den tieferen Klassen der Dressur reiten weit über 90% Frauen. Sie fangen jung an und entscheiden sich dann irgendwann für den Beruf oder die Familie oder beides, und der Sport hat keinen Platz mehr. Und wenn man mit 40 wieder einsteigen will, kommt man sicher nicht mehr in den Spitzensport. Daran ist nichts Schlechtes! Aber das ist eine Herausforderung, die der hohe Frauenanteil in dieser Disziplin mit sich bringt.

Ein anderer Aspekt sind die Junioren-Reiter, die von ihren Eltern gestossen werden, obwohl der Spitzensport vielleicht gar nicht so sehr der Traum und das Reiten nicht die ganz grosse Leidenschaft dieser Jugendlichen ist. Wenn diese Reiter dem Einfluss der Eltern entwachsen sind, steigen die manchmal auch aus dem Sport aus. Das ist aber nicht ein rein pferdesport-spezifisches Problem, das sieht man auch in anderen Sportarten immer wieder. Oder es fehlt plötzlich das richtige Pferd, weil das Umfeld irgendwann nicht mehr die Mittel hat, um ein solches zu finanzieren.

Die Schweiz war einst eine erfolgreiche Dressurnation. Wie ist es seit jener Zeit zu dieser Leistungslücke gekommen?

Zu EMPFA-Zeiten waren die Schweizer Dressurreiter hoch erfolgreich mit Henri Chammartin oder Hans Moser. Dann kam die Ära Stückelberger. Aber danach sind die Schweizer Dressurreiter vorwiegend ins Mittelfeld und hintere Mittelfeld abgedriftet. Diese Lücke entstand, weil zu wenig Nachwuchsförderung betrieben wurde. Es fehlte das Bewusstsein, dass wenn die Spitzenreiter abtreten, neue gute Reiter gebraucht werden. Zu jener Zeit gab es plötzlich keine professionellen Reiter mehr. Die Kavallerie wurde immer kleiner, und die zivile Reiterei musste erst aufgebaut werden. Die Dressur wurde zum Freizeitvergnügen von Individualisten und zum Einzelsport. Doch Spitzensport muss man professionell betreiben, um mithalten zu können.

Aber es gibt auch heute Reiter, die ein entsprechendes Umfeld haben und bereit sind, unseren Sport «teilprofessionell» zu betreiben. So zum Beispiel Jugendliche, die Ausbildung und Sport unter einen Hut bringen können, aber auch andere Reiter, die die nötige Zeit schaffen können. So sind die Zeichen denn auch positiv, gerade bei den Junioren. An einem Glückstag können wir hier Medaillen machen, was doch sehr optimistisch stimmt. Aber es gibt natürlich keine Garantie, dass wenn wir heute bei den Junioren stark sind, dass wir das in zwei oder drei Jahren noch immer sind. An dieser Kontinuität müssen wir sicher noch arbeiten. Unser Ziel ist jetzt, den Anschluss an das gute Mittelfeld, das heisst Platz 4 bis 10 in der Nationenwertung, zu schaffen. Es ist nicht realistisch, in den nächsten zwei bis drei Jahren um Medaillen kämpfen zu wollen.

Gibt es weitere Rahmenbedingungen, die den Schweizer Spitzensport in der Dressur fördern können?

Wir hätten beispielsweise gerne wieder ein, zwei internationale Prüfungen in der Schweiz. Für dieses Jahr war ein internationales Turnier in Andermatt angekündigt, das dann aus verkehrstechnischen Gründen auf das nächste Jahr verschoben werden musste. Ausserdem sind wir bemüht, einen oder zwei FEI-Richter zu stellen, damit wir auch dort am Ball bleiben, was auf internationaler Ebene läuft, und entsprechende Kontakte pflegen können. Um im Spitzensport erfolgreich zu sein, muss man an vielen Fronten ansetzen und breit abgestützt sein. Es braucht das Zusammenspiel aller Beteiligten in ganz unterschiedlichen Bereichen.

Es beginnt bei einer soliden, gut ausgebildeten Basis, um Talente zu erkennen und diese erst in regionalen und später in nationalen Kadern fördern zu können. Dazu gehört auch, dass schon beim Nachwuchs jedes Jahr der Reiter, das Pferd und das Umfeld genau analysiert werden, um darauf aufbauend Empfehlungen für die Zukunft abgeben zu können. Auch die Trainerfrage ist insbesondere bei den privaten Trainern nicht immer einfach. Sie muss man auf eine Linie mit unserer Strategie und der Stossrichtung des technischen Beraters bringen. Letzterer übt die Funktion eines Nationaltrainers aus. Mit Gareth Hughes aus Grossbritannien haben wir einen sehr fähigen Reiter und Technischen Berater im Boot. Mit ihm wird einmal im Monat trainiert und besprochen, wie der Aufbauplan aussieht.

Hier kommt zum Ausdruck, dass der Teamgedanke in dieser Disziplin noch etwas fehlt, daran müssen wir noch arbeiten. Dieser Teamgedanke muss im Leitungsteam vorgelebt werden und von dort aus in die Kader und deren Umfeld fliessen. Nur so können wir erfolgreich sein. Es ist klar: An 300 Tagen im Jahr reiten diese Reiter für sich allein. Es ist nun mal kein Mannschaftssport. Im Idealfall ist der private Trainer bei den monatlichen Zusammenzügen mit dem Nationaltrainer auch dabei und erklärt, woran das Pferd-Reiter-Paar gerade arbeitet. Dieser Austausch zwischen beiden Trainern ist sehr wichtig.

Der Teamgedanke ist also auch im Dressursport wichtig, um erfolgreich zu sein?

Auf dem Turnier wollen die Reiter in erster Linie ein gutes Einzelresultat, um beispielsweise dem Pferdebesitzer die Erfolge aufzeigen zu können oder um eine Selektion für ein Championat zu schaffen. Aber ist ein Reiter einmal selektioniert, muss er zwingend für die Mannschaft da sein und als Team ein gutes Resultat erreiten wollen. Das ist manchmal nicht so einfach.

Unser nächstes grosses Ziel ist, für die Olympischen Spiele von Tokio 2020 eine gute Mannschaft stellen zu können. In dieser Perspektive sind die Weltreiterspiele in Tryon eine Art Gradmesser. Dann wollen wir nächstes Jahr an der Europameisterschaft ein Team für Olympia qualifizieren können. Und an Olympia wollen wir schliesslich beweisen, dass wir den Anschluss an das gute Mittelfeld gefunden haben. Damit wollen wir allen Freunden des Dressursports auch zeigen, dass es mit konsequenter und zielorientierter Arbeit als Team auch in der Schweiz wieder möglich ist, in der Dressur tolle Resultate zu erzielen. Dies soll auch widerspiegeln, dass die olympische Disziplin Dressur in der Schweiz im Aufwärtstrend liegt.

Das klingt jetzt alles ganz logisch und überzeugend. Aber weshalb gab es dann im Leitungsteam so viel Unruhe in letzter Zeit?

Es war schwierig, gemeinsame Ziele festzusetzen und zu verfolgen und sich mit einer gewissen Weitsicht zu einigen, wann man von kurzfristigen Zielen abrücken muss. Die Konsensfindung war zu schlecht. Es fehlte an gegenseitigem Vertrauen innerhalb des Leitungsteams. Entscheide wurden nicht bis in die letzte Konsequenz getragen. Diese Problematik hat man vielleicht auch nicht früh genug erkannt, sodass an einem gewissen Punkt eine Konsensfindung nicht mehr möglich war. Es hätte nicht so weit kommen müssen, dass Leute sagen, wir wollen oder können nicht mehr.

Es wurden in der Zwischenzeit aber viele Dinge geklärt, sodass ich zuversichtlich bin, dass ich meine Ad-interim-Ämter als Disziplinleiter und Chef Sport in gute Hände übergeben kann. Wir führen derzeit Gespräche und suchen nach neuen Leuten. In den anderen Disziplinen ist man sich auch nicht immer einig und trotzdem rauft man sich zusammen. Ich bin sicher, das ist auch in der Dressur möglich.

Was müssen die neuen Amtsinhaber also mitbringen, damit es klappt mit dem Leitungsteam Dressur?

Was in einer solchen Position meines Erachtens besonders wichtig ist, ist, dass man auch in unruhigen Zeiten Ruhe bewahrt. Natürlich gibt es verschiedene Führungsstile. Aber man kann ein solches Team nicht leiten, indem man Mehrheitsmeinungen einfach durchdrückt. Man muss das Gespräch mit allen suchen und Überzeugungsarbeit leisten. Man braucht also Führungserfahrung und Managementkompetenzen. Gerade Dressurreiter sind sehr feinfühlige Menschen, die ihr Pferd mit viel Gefühl führen. Solche Menschen wollen auch entsprechend feinfühlig geführt werden. Daneben ist aber insbesondere die Teamfähigkeit von zentraler Bedeutung. Wir sind hier im Vereinswesen und nicht in der Privatwirtschaft. Die Amtsinhaber sind für vier Jahre gewählt, mit ihnen muss man auskommen, die kann man nicht entlassen.

Man darf auch nicht unterschätzen, dass diese Freiwilligenämter sehr viel Engagement fordern. Es ist in allen Disziplinen nicht einfach, diese im Milizamt zu führen. Wenn man beruflich engagiert ist - und wir wollen ja gute Leute, also Leute die meist auch beruflich verantwortungsvolle Posten haben -, kann man nicht ohne Weiteres so viel Zeit ehrenamtlich zur Verfügung stellen. Wenn man Beruf und Ehrenamt, allenfalls vielleicht sogar noch Familie, aneinander vorbeibringen möchte, braucht das eine sehr gute Organisation und viel Disziplin im Leben. Da muss auch das Umfeld mitziehen.

Sollten diese Positionen nicht von «Profis» besetzt werden?

Das können wir uns in unserem kleinen (Pferde-)Land nicht leisten. Ein professioneller Disziplinleiter wäre nicht ausgelastet, da zu wenige Reiter vorhanden sind. Der müsste daneben noch eine andere Tätigkeit ausüben. Und auch finanziell ist das nicht denkbar. In Deutschland haben Disziplinleiter Managerlöhne. Aber die haben auch eine ganz andere Menge an Reitern zu «verwalten».

Da kann man sicher von mehr als dem Zehnfachen sprechen. In England und Frankreich sind die Zahlen ähnlich hoch. Der SVPS finanziert sich zu 90% selbst. Wir haben Swiss Olympic als Sponsor, seine Leistungen hängen von den Resultaten ab. Das hat den Vorteil, dass wir nicht vor tiefen Löchern stehen, wenn ein Sponsor abspringt. Aber wir müssen unsere Ziele und Projekte den verfügbaren Mitteln und Möglichkeiten anpassen.

Was müssen Bewerber sonst noch mitbringen?

Der Disziplinleiter muss eine Führungspersönlichkeit sein und ein guter Kommunikator. Natürlich muss er den Dressursport kennen, aber er muss nicht gerade selbst an Olympia geritten sein.

Zu den Aufgaben des Chefs Sport gehört es, zusammen mit den Equipenchefs zu planen, welche Lehrgänge durchgeführt werden, wie der Saisonaufbau mit Turnieren aussieht, welche Turniere als Selektion für Championate genutzt werden usw. Wer diese Funktion ausübt, muss also ein Organisationstalent und sehr teamfähig sein, denn er arbeitet eng mit den beiden Equipenchefs zusammen. Er muss gut organisieren und kommunizieren können, um mit den Equipenchefs die strategische Richtung wählen und verfolgen zu können.

Der Chef Sport muss den Dressursport kennen. Er muss wissen, wie die Mechanismen laufen, welche Anforderungen an die Leistungsklassen gestellt werden usw., und er muss einschätzen können, wie viel Zeit eine solche Entwicklung braucht. Er muss wissen, wo welche Turniere stattfinden. Er muss auch die Organisatoren der Turniere kennen, damit man beispielsweise eine Einladung zu einem grossen internationalen Turnier erhält. Diese Organisatoren wollen nur die Besten. Wenn man also noch nicht ganz zur Weltspitze gehört, muss man sein Netzwerk spielen lassen, um Startmöglichkeiten zu erhalten. Man muss den Stellenwert der einzelnen Turniere einschätzen können. Der Chef Sport braucht also «Branchenkenntnis». Eine geeignete Person ist nicht zwingend selbst (ehemaliger) Spitzenreiter, aber sicher jemand, der schon lange dabei ist. Das kann ein Richter sein, ein Coach usw. Da gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten.

Bis wann können sich Interessenten melden?

Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 1. August. Interessenten können sich also gerne noch melden. Ich habe schon gewisse Kontakte und bin überzeugt, dass wir gute Lösungen finden, sowohl für die Position des Disziplinleiters als auch für den Chef Sport. Ziel ist, bis Ende Jahr das neue Leitungsteam zusammen zu haben.

Interview: Cornelia Heimgartner

Bilder: Geneviève de Sepibus

Fragen zu den bevorstehenden Weltreiterspielen

«Bulletin»: Mitte September finden bereits die Weltreiterspiele statt. Was sind die Ziele für Tryon?

Peter Christen: Mit der Mannschaft möchten wir im besten Viertel zu liegen kommen. Es soll eine Standortbestimmung sein. Die Teamleistung steht im Vordergrund, schliesslich wollen wir in zwei Jahren mit einem Team nach Tokio reisen. Natürlich würden wir uns aber auch sehr über herausragende Einzelleistungen freuen.

Wann findet die definitive Selektion statt?

Die Schweizer Meisterschaft ist nochmals ein wichtiger Prüfstein, und dann wird Anfang August definitiv entschieden, welche vier Paare in die USA reisen. Diese Selektion ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Dabei darf man nicht vergessen, dass es auch für die nicht selektierten Paare weitergeht Richtung Tokio. Nach den Weltreiterspielen fängt man nicht wieder von vorne an, sondern geht den eingeschlagenen Weg weiter. Wer nicht nach Tryon mitreisen kann, hat immer noch alle Chancen, nächstes Jahr an der EM dabei sein zu können, um sich zu bewähren.

Wer trifft die Entscheidung?

Die Selektionskommission, die sich aus Equipenchefin, Disziplinleiter, Chef Sport, Disziplintierarzt, Chefin Technik und Chefin Administration zusammensetzt. Jeder beurteilt die Paare aus seiner Warte. Die Equpienchefin zeigt die sportlichen Resultate auf, der Tierarzt gibt seine Beurteilung der Pferde ab usw. All diese Meinungen fliessen zusammen und führen zu einem gemeinsamen Entscheid.

Die Anzahl der Nachwuchsreiter stagniert. Bild: das SM-Podest der Kategorie Pony (v.l.n.r.): Tallulah Lynn Nater, Robynne Graf und Renée Stadler. Die Anzahl der Nachwuchsreiter stagniert. Bild: das SM-Podest der Kategorie Pony (v.l.n.r.): Tallulah Lynn Nater, Robynne Graf und Renée Stadler.

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