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Hohe Anforderungen auf dem Weg zum Titelkampf in der Endurance

09 November 2020 09:00

Auch das Endurancejahr war geprägt von Corona, und manches lief anders als geplant. Die Titelkämpfe wurden abgesagt beziehungsweise verschoben. So ist die Weltmeisterschaft 2021 in Pisa (ITA) für Mai 2021 geplant, und im gleichen Jahr soll im September in Ermelo (NED) die Europameisterschaft der Elite und Jugend ausgetragen werden.

Lea Kehlhofer hat die Voraussetzungen für eine Qualifikation für die Titelkämpfe des kommenden Jahres bereits erfüllt. | © Claudia A. Spitz Lea Kehlhofer hat die Voraussetzungen für eine Qualifikation für die Titelkämpfe des kommenden Jahres bereits erfüllt. | © Claudia A. Spitz

Für die Planung der Saison sowie für die Selektionen ist diese Ausgangslage eine besondere Herausforderung. Die Sportchefin Gaby Ginesta wird die Sportlerinnen und Sportler im Januar oder am Enduranceday - sofern dieser in Anbetracht der Pandemielage stattfinden kann - über die Modalitäten für die Qualifikation und Selektion informieren. Für die Sportchefin liegt der Fokus auf der Europameisterschaft im Herbst. Gemäss der geltenden FEI-Regelung sind im Moment zwei Schweizer Pferde für dieses Championat qualifiziert. Weitere drei Reiter haben die Hälfte der Qualifikationskriterien erfüllt und sollen im Frühling einen weiteren Ritt absolvieren können, um im Herbst bereit zu sein. Lea Kehlhofer, eine der Athletinnen, welche die Voraussetzungen für eine Qualifikation für die Titelkämpfe erfüllt hat, plant im nächsten Jahr, wenn alles normal läuft, einen Formtest im März und hat die Weltmeisterschaft im Frühjahr als erstes Ziel vor Augen. Bereits früh in der Saison 2020 entschied sie, ihrem Spitzenpferd eine längere Pause zu gönnen, damit die Stute fit ist für kommende Einsätze.

 

Anspruchsvolle Nachwuchsförderung

Auch sonst geht dem Leitungsteam die Arbeit nicht aus. Im August fand ein erstes Training für den Nachwuchs statt, an dem zehn Reiterinnen und Reiter ab der Stufe EVG 2 teilnahmen. Der Tag war ein voller Erfolg, sodass bereits eine Fortsetzung angedacht ist, um die Reiterinnen und Reiter zu motivieren, auch anspruchsvollere Aufgaben in Angriff zu nehmen.

Auch die Jugendförderung wird aktiv betrieben, aber der Pferdesport ist in diesem Bereich kein einfaches Terrain, denn so mancher Jugendliche hat keinen Zugang zu einem passenden Pferd und ist auf grosszügige Pferdebesitzer angewiesen. So waren an der diesjährigen Schweizermeisterschaft zwei Teilnehmer am Start, denen Pferde zur Verfügung gestellt wurden, da sie ansonsten gar nicht hätten starten können.

Die Jugend-Reiterinnen Anouka Vielhauer, Lisa Burri und Seline Unternährer kurz vor dem Ziel an der SM 2020 (v. l. n. r.) | © Claudia A. Spitz Die Jugend-Reiterinnen Anouka Vielhauer, Lisa Burri und Seline Unternährer kurz vor dem Ziel an der SM 2020 (v. l. n. r.) | © Claudia A. Spitz

Hohe Hürden für Veranstaltungen

Um motivierten Reiterinnen und Reitern die Chance zu geben, sich weiterzuentwickeln, braucht es natürlich Startgelegenheiten - auch über längere Distanzen. In der Schweiz werden in normalen Jahren sechs bis acht Veranstaltungen angeboten, was nicht genug ist, um das Überleben der Sportart auf Dauer zu sichern.

Es ist aber seit Jahren sehr schwierig, neue Veranstalter zu finden, denn der Aufwand ist beachtlich, und die bürokratischen Hürden sind im Distanzreitsport besonders hoch, da Wettbewerbe nicht auf einem überschaubaren Reitplatz, sondern im offenen Gelände ausgetragen werden. An vielen Orten müssen deshalb je nach Kanton bei jeder Gemeinde oder verschiedenen Behörden entsprechende Bewilligungen eingeholt werden, wobei es immer öfter passiert, dass die zuständigen Stellen diese Bewilligungen verweigern oder strenge Auflagen erteilen betreffend die Teilnehmerzahl. Die Verbände unterstützen Veranstalter in vielen Bereichen, aber es kommt dazu, dass es immer schwieriger wird, Freiwillige zu finden, die diese ganze Arbeit auf sich nehmen - denn man möchte natürlich am liebsten selbst starten. So kann sich die Distanzreitszene glücklich schätzen, dass es einige langjährige Veranstalter gibt, die weder Zeit noch Aufwand scheuen, um tolle Anlässe durchzuführen und so dem Sport in der Schweiz eine gute Basis zu bieten.

Die Schweizer Veranstalter wollen sich im November zu einem Meeting treffen, um über diverse Probleme zu diskutieren.

 

Qualifikationsweg für internationale Ritte

Die Qualifikationen für internationale Wettkämpfe sind im Endurancesport sehr anspruchsvoll: Man muss sich Stufe um Stufe hocharbeiten, um am Schluss an Titelkämpfen teilnahmeberechtigt zu sein. Die Basisqualifikation bis zum Start an den ersten internationalen Rennen (CEI) kann noch an nationalen Ritten erfolgen, wenn diese gewisse Voraussetzungen erfüllen. Danach müssen aber CEI bestritten werden, nationale Rennen werden von der FEI nicht als Qualifikation akzeptiert.

In der Schweiz wurde der letzte CEI vor zwei Jahren ausgetragen, anlässlich der Schweizermeisterschaft in Lyss (BE).

Die Austragung eines internationalen Ritts ist entsprechend aufwendiger, denn es müssen internationale Offizielle eingesetzt werden. Diese reisen bei Einsternprüfungen zwar nicht unbedingt aus dem Ausland an, brauchen aber zwingend einen entsprechenden FEI-Status. In der Schweiz besitzen derzeit neben einigen Tierärzten nur eine Richterin und ein Steward einen aktiven FEI-Status. Die Anforderungen an die Offiziellen sind hoch, und es müssen regelmässig Weiterbildungen und Tests absolviert werden. Nichtsdestotrotz ist das Leitungsteam bestrebt, weitere Interessenten für die internationale Laufbahn zu begeistern.

Aus diesen Gründen ist ein weiteres Ziel des Leitungsteams Endurance für die nächste Saison, Veranstalter zu motivieren und sie dabei zu unterstützen, CEI1*-Ritte auszuschreiben, trotz dem Risiko, dass sich viele ausländische Reiterinnen und Reiter von den strengen Zollbestimmungen der Schweiz eventuell abschrecken lassen und auf einen Start verzichten. Zentral ist es, den Schweizer Reiterinnen und Reitern überhaupt die Möglichkeit zu geben, Qualifikationen im eigenen Land zu absolvieren, um die doch viel teureren Reisen ins Ausland zu reduzieren.

Die amtierende Schweizermeisterin der Elite Annina Rohner-Cotti | © Claudia A. Spitz Die amtierende Schweizermeisterin der Elite Annina Rohner-Cotti | © Claudia A. Spitz

Schweizermeisterschaft 2020

Die diesjährige Schweizermeisterschaft konnte dank flexibler Organisatoren im Oktober im Rütihof oberhalb von Gränichen (AG) als nationaler Ritt ausgetragen werden. Das Rennen über 106 Kilometer mit fast 3000 Höhenmetern war gut besetzt und bot spannenden Sport mit dem Sieg von Annina Rohner-Cotti, die sich in der letzten Runde absetzte. Sie distanzierte Stefanie Eichenberger und Melania Vanina am Schluss klar.

Da der Ritt aber nur national ausgeschrieben war, verzichteten einige Kadermitglieder auf den Start, um ihre Pferde nicht unnötig zu belasten und diesen Herbst im Ausland noch einen Qualifikationsritt absolvieren zu können. Das ist durchaus nachvollziehbar, auch weil 2021 schon früh im Jahr internationale Titelkämpfe geplant sind.

Doch auch wenn die Schweizermeisterschaft, wie letztes Jahr, im Ausland ausgetragen wird, sind die Startfelder kaum grösser, da manche Reiterinnen und Reiter den Reiseweg oder den Aufwand für den Grenzübertritt scheuen. Zudem muss ein Veranstalter gefunden werden, der den Ritt dann ausschreibt, wenn es in den internationalen Kalender passt, da Distanzpferde nicht jedes Wochenende an den Start gehen können.

All das zeigt, dass es schwierig ist, eine nationale Meisterschaft zu organisieren, die allen gerecht wird. Dennoch ist es das erklärte Ziel des Leitungsteams, auch in Zukunft attraktive Titelkämpfe zu haben und die Veranstalter bei deren Organisation zu unterstützen.

Das Leitungsteam Endurance ist nach wie vor bestrebt, diese wundervolle und traditionsreiche Sportart - eine der ältesten Pferdesportdisziplinen überhaupt - weiteren Kreisen bekannt zu machen und viele neue «Distänzler» dazu zu gewinnen.

Claudia A. Spitz

Kavalleriemajor Treytorrens de Loys, Sieger im Distanzritt Zürich - Luzern - Zürich von 1899 | © Archiv Max E. Ammann Kavalleriemajor Treytorrens de Loys, Sieger im Distanzritt Zürich - Luzern - Zürich von 1899 | © Archiv Max E. Ammann

Frühe Distanzritte

Der erste verbürgte Distanzritt führte 1678 von Wien über 28 Kilometer nach Wiener Neustadt. 1892 erregte der «Doppelte Kaiserritt» Wien - Berlin respektive Berlin - Wien Aufsehen: Jeweils rund 600 Kilometer bei freier Wegwahl, mit Siegerzeiten von 71½ respektive 73 Stunden. 1902 kam es zum berüchtigten Raid Brüssel - Ostende, bei dem sechzehn Pferde umkamen. Er führte über 134 Kilometer - der Sieger brauchte knapp 7 Stunden. Unter den 61 Startern aus acht Nationen befand sich auch ein Schweizer: Der Artilleriehauptmann Senn aus Basel mit dem 10-jährigen Irländer Diego. Er traf in Ostende als Fünfundzwanzigster ein - 29 der 61 wurden klassiert - und erhielt ein Diplom. Damit ist der Basler Hauptmann wohl der erste Schweizer Pferdesportler, der von einem internationalen Anlass mit einer Platzierung zurückkam.

1899 lud der Reitklub Zürich zu einem 306-Kilometer-Ritt von Zürich über Luzern, Sarnen, den Brünigpass, Brienz, Bern, Sursee zurück nach Zürich. Die eine Hälfte der zwölf Starter musste diese Route nehmen, die andere Hälfte, nach Losentscheid, ritt in umgekehrter Richtung. Nur fünf Reiter wurden klassiert, vier in der schweren Kategorie, einer, der Berner Oblt. Ernest Neher, in der leichten Kategorie. Die Unterteilung erfolgte nach dem Gewicht des Reiters, ohne Säbel, Ersatzeisen und Pferdeausrüstung. In der schweren Kategorie, über 75 Kilometer, siegte der Thuner Kavalleriemajor und Instruktionsoffizier T. de Loys vor Oblt. Adolphe Stoffel von Schloss Arbon. Der 83 Kilogramm schwere de Loys, mit dem aussergewöhnlichen Vornamen Treytorrens, ritt den 8-jährigen, in England gezogenen Beano. Stoffel, ganze 90 Kilogramm schwer, die 12-jährige Ostpreussenstute Margaretha. Oblt. Neher ritt den Vollblüterwallach Belisaire, der nur 61½ Kilos tragen musste. Die Siegerzeit von de Loys betrug 37 Stunden, 7 Minuten. Es heisst, dass der Major während 58 Kilometern neben dem Pferd marschierte. Sein Pferd frass 16 Kilogramm Hafer, 8 Kilogramm Heu, 4 Kilogramm trockenes Brot und 1 Kilogramm Zucker.

1905 siegte Lt. Edwin Schwarzenbach im vierten Schweizer Distanzritt Bern - Sursee - Basel über 168 Kilometer in zwei Teilstücken. Die erste Etappe führte von Bern nach Sursee, die hundert Kilometer mussten in mindestens zehn Stunden, im Maximum in zwölf Stunden zurückgelegt werden. Die zweite Etappe, von 68 Kilometern, über den Jura nach Basel, nach zweistündiger Pause in Sursee, war frei. Am Start waren 24 Pferde - 23 kamen ans Ziel. Das Siegerpferd Blonde war eine 11-jährige, nur 1,54 m grosse Stute, die Schwarzenbach 1898 als Rekrut für 600 Franken gekauft hatte.

Bleibt als letzte Distanzleistung vor dem Zweiten Weltkrieg ein Ritt von Bern nach Morges am 7. Juni 1936, über 120 Kilometer in sechs Etappen, wie folgt: Nach 19 Kilometern Halt in Laupen, nach weiteren 32 Kilometern in Payerne, nach 22 Kilometern in Moudon, nach 18 Kilometern in Echallens, nach 13 weiteren Kilometern Halt in Cossonay und schliesslich noch 16 Kilometer bis Morges. Bei jedem Kontrollposten musste abgestiegen und das Kontrollblatt unterzeichnet werden. Organisator war die «Société Hippique du Léman». Start der 21 Teilnehmer war im Depot in Bern, der erste Reiter ritt um 2 Uhr morgens los, darnach ging es in 5-Minuten-Abständen weiter. Das Siegerpferd, die 11-jährige Irländerstute Modestie, vom bekannten Rennreiter Beat Frey geritten, brauchte 6 Stunden, 38 Minuten und 25 Sekunden. 18 der 21 Pferde kamen ans Ziel, der letzte Teilnehmer in zehn Stunden. Von diesen 18 wurden jedoch nur 11 klassiert. Sieben wurden eliminiert - zu schlecht war ihr Zustand. Modestie, im Besitz von Oberstleutnant von Wattenwyl, hatte am Ziel einen Puls von 96 und einen Gewichtsverlust von 13 Kilogramm.

Auszug aus dem Jubiläumsbuch «120 Jahre Pferdesport Schweiz»
Bestellungen: www.fnch.ch/120jahre

Lt. Edwin Schwarzenbach auf Blonde, Sieger im Distanzritt Bern - Sursee - Basel von 1905 | © Année Hippique Lt. Edwin Schwarzenbach auf Blonde, Sieger im Distanzritt Bern - Sursee - Basel von 1905 | © Année Hippique

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