Auch das Endurancejahr war geprägt von Corona, und manches lief anders als geplant. Die Titelkämpfe wurden abgesagt beziehungsweise verschoben. So ist die Weltmeisterschaft 2021 in Pisa (ITA) für Mai 2021 geplant, und im gleichen Jahr soll im September in Ermelo (NED) die Europameisterschaft der Elite und Jugend ausgetragen werden.
Lea Kehlhofer hat die Voraussetzungen für eine Qualifikation für die Titelkämpfe des kommenden Jahres bereits erfüllt. | © Claudia A. Spitz
Für die Planung der Saison sowie für die Selektionen ist diese Ausgangslage eine besondere Herausforderung. Die Sportchefin Gaby Ginesta wird die Sportlerinnen und Sportler im Januar oder am Enduranceday - sofern dieser in Anbetracht der Pandemielage stattfinden kann - über die Modalitäten für die Qualifikation und Selektion informieren. Für die Sportchefin liegt der Fokus auf der Europameisterschaft im Herbst. Gemäss der geltenden FEI-Regelung sind im Moment zwei Schweizer Pferde für dieses Championat qualifiziert. Weitere drei Reiter haben die Hälfte der Qualifikationskriterien erfüllt und sollen im Frühling einen weiteren Ritt absolvieren können, um im Herbst bereit zu sein. Lea Kehlhofer, eine der Athletinnen, welche die Voraussetzungen für eine Qualifikation für die Titelkämpfe erfüllt hat, plant im nächsten Jahr, wenn alles normal läuft, einen Formtest im März und hat die Weltmeisterschaft im Frühjahr als erstes Ziel vor Augen. Bereits früh in der Saison 2020 entschied sie, ihrem Spitzenpferd eine längere Pause zu gönnen, damit die Stute fit ist für kommende Einsätze.
Anspruchsvolle Nachwuchsförderung
Auch sonst geht dem Leitungsteam die Arbeit nicht aus. Im August fand ein erstes Training für den Nachwuchs statt, an dem zehn Reiterinnen und Reiter ab der Stufe EVG 2 teilnahmen. Der Tag war ein voller Erfolg, sodass bereits eine Fortsetzung angedacht ist, um die Reiterinnen und Reiter zu motivieren, auch anspruchsvollere Aufgaben in Angriff zu nehmen.
Auch die Jugendförderung wird aktiv betrieben, aber der Pferdesport ist in diesem Bereich kein einfaches Terrain, denn so mancher Jugendliche hat keinen Zugang zu einem passenden Pferd und ist auf grosszügige Pferdebesitzer angewiesen. So waren an der diesjährigen Schweizermeisterschaft zwei Teilnehmer am Start, denen Pferde zur Verfügung gestellt wurden, da sie ansonsten gar nicht hätten starten können.
Die Jugend-Reiterinnen Anouka Vielhauer, Lisa Burri und Seline Unternährer kurz vor dem Ziel an der SM 2020 (v. l. n. r.) | © Claudia A. Spitz
Hohe Hürden für Veranstaltungen
Um motivierten Reiterinnen und Reitern die Chance zu geben, sich weiterzuentwickeln, braucht es natürlich Startgelegenheiten - auch über längere Distanzen. In der Schweiz werden in normalen Jahren sechs bis acht Veranstaltungen angeboten, was nicht genug ist, um das Überleben der Sportart auf Dauer zu sichern.
Es ist aber seit Jahren sehr schwierig, neue Veranstalter zu finden, denn der Aufwand ist beachtlich, und die bürokratischen Hürden sind im Distanzreitsport besonders hoch, da Wettbewerbe nicht auf einem überschaubaren Reitplatz, sondern im offenen Gelände ausgetragen werden. An vielen Orten müssen deshalb je nach Kanton bei jeder Gemeinde oder verschiedenen Behörden entsprechende Bewilligungen eingeholt werden, wobei es immer öfter passiert, dass die zuständigen Stellen diese Bewilligungen verweigern oder strenge Auflagen erteilen betreffend die Teilnehmerzahl. Die Verbände unterstützen Veranstalter in vielen Bereichen, aber es kommt dazu, dass es immer schwieriger wird, Freiwillige zu finden, die diese ganze Arbeit auf sich nehmen - denn man möchte natürlich am liebsten selbst starten. So kann sich die Distanzreitszene glücklich schätzen, dass es einige langjährige Veranstalter gibt, die weder Zeit noch Aufwand scheuen, um tolle Anlässe durchzuführen und so dem Sport in der Schweiz eine gute Basis zu bieten.
Die Schweizer Veranstalter wollen sich im November zu einem Meeting treffen, um über diverse Probleme zu diskutieren.
Qualifikationsweg für internationale Ritte
Die Qualifikationen für internationale Wettkämpfe sind im Endurancesport sehr anspruchsvoll: Man muss sich Stufe um Stufe hocharbeiten, um am Schluss an Titelkämpfen teilnahmeberechtigt zu sein. Die Basisqualifikation bis zum Start an den ersten internationalen Rennen (CEI) kann noch an nationalen Ritten erfolgen, wenn diese gewisse Voraussetzungen erfüllen. Danach müssen aber CEI bestritten werden, nationale Rennen werden von der FEI nicht als Qualifikation akzeptiert.
In der Schweiz wurde der letzte CEI vor zwei Jahren ausgetragen, anlässlich der Schweizermeisterschaft in Lyss (BE).
Die Austragung eines internationalen Ritts ist entsprechend aufwendiger, denn es müssen internationale Offizielle eingesetzt werden. Diese reisen bei Einsternprüfungen zwar nicht unbedingt aus dem Ausland an, brauchen aber zwingend einen entsprechenden FEI-Status. In der Schweiz besitzen derzeit neben einigen Tierärzten nur eine Richterin und ein Steward einen aktiven FEI-Status. Die Anforderungen an die Offiziellen sind hoch, und es müssen regelmässig Weiterbildungen und Tests absolviert werden. Nichtsdestotrotz ist das Leitungsteam bestrebt, weitere Interessenten für die internationale Laufbahn zu begeistern.
Aus diesen Gründen ist ein weiteres Ziel des Leitungsteams Endurance für die nächste Saison, Veranstalter zu motivieren und sie dabei zu unterstützen, CEI1*-Ritte auszuschreiben, trotz dem Risiko, dass sich viele ausländische Reiterinnen und Reiter von den strengen Zollbestimmungen der Schweiz eventuell abschrecken lassen und auf einen Start verzichten. Zentral ist es, den Schweizer Reiterinnen und Reitern überhaupt die Möglichkeit zu geben, Qualifikationen im eigenen Land zu absolvieren, um die doch viel teureren Reisen ins Ausland zu reduzieren.
Schweizermeisterschaft 2020
Die diesjährige Schweizermeisterschaft konnte dank flexibler Organisatoren im Oktober im Rütihof oberhalb von Gränichen (AG) als nationaler Ritt ausgetragen werden. Das Rennen über 106 Kilometer mit fast 3000 Höhenmetern war gut besetzt und bot spannenden Sport mit dem Sieg von Annina Rohner-Cotti, die sich in der letzten Runde absetzte. Sie distanzierte Stefanie Eichenberger und Melania Vanina am Schluss klar.
Da der Ritt aber nur national ausgeschrieben war, verzichteten einige Kadermitglieder auf den Start, um ihre Pferde nicht unnötig zu belasten und diesen Herbst im Ausland noch einen Qualifikationsritt absolvieren zu können. Das ist durchaus nachvollziehbar, auch weil 2021 schon früh im Jahr internationale Titelkämpfe geplant sind.
Doch auch wenn die Schweizermeisterschaft, wie letztes Jahr, im Ausland ausgetragen wird, sind die Startfelder kaum grösser, da manche Reiterinnen und Reiter den Reiseweg oder den Aufwand für den Grenzübertritt scheuen. Zudem muss ein Veranstalter gefunden werden, der den Ritt dann ausschreibt, wenn es in den internationalen Kalender passt, da Distanzpferde nicht jedes Wochenende an den Start gehen können.
All das zeigt, dass es schwierig ist, eine nationale Meisterschaft zu organisieren, die allen gerecht wird. Dennoch ist es das erklärte Ziel des Leitungsteams, auch in Zukunft attraktive Titelkämpfe zu haben und die Veranstalter bei deren Organisation zu unterstützen.
Das Leitungsteam Endurance ist nach wie vor bestrebt, diese wundervolle und traditionsreiche Sportart - eine der ältesten Pferdesportdisziplinen überhaupt - weiteren Kreisen bekannt zu machen und viele neue «Distänzler» dazu zu gewinnen.
Claudia A. Spitz
Kavalleriemajor Treytorrens de Loys, Sieger im Distanzritt Zürich - Luzern - Zürich von 1899 | © Archiv Max E. Ammann