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Springen

«Es war eine tolle Zeit»

21 Dezember 2020 09:00

Während über zehn Jahren betreute der leidenschaftliche und renommierte Tierarzt Thomas Wagner die Schweizer Springreiterequipe als Mannschaftstierarzt. Nun gibt er sein Mandat ab, um etwas kürzerzutreten. Im «Bulletin»-Interview blickt er auf eine spannende Zeit zurück.

Thomas Wagner freut sich mit Janika Sprunger über die Bronzemedaille und den Olympiaquotenplatz des Schweizer Teams an der EM 2015 in Aachen (GER) | © SVPS/Nadine Niklaus Thomas Wagner freut sich mit Janika Sprunger über die Bronzemedaille und den Olympiaquotenplatz des Schweizer Teams an der EM 2015 in Aachen (GER) | © SVPS/Nadine Niklaus

«Bulletin»: Thomas Wagner, wie sind Sie Mannschaftstierarzt der Schweizer Springreiter geworden?

Thomas Wagner: Schon vor zehn Jahren gehörten einige Reiter der Schweizer Springreiterequipe zu meinen Kunden. Sie waren es, die mich anfragten, ob ich mich nicht als Mannschaftstierarzt engagieren wollte. Damals waren es vier Tierärzte, die sich diesen Job teilten, um den Aufwand dieser zeitintensiven Aufgabe zu verteilen. Also sagte ich zu. Wir sprachen uns jeweils Anfang Jahr ab, wer welchen Concours betreuen würde. In den letzten Jahren habe ich diese Aufgabe dann allein wahrgenommen und nebenbei aber weiterhin meine Praxis geführt.

 

Fällt Ihnen der Abschied schwer?

Es war eine tolle Zeit! Ich begann mein Engagement zu Zeiten von Equipenchef Urs Grünig, der sein Amt dann an Andy Kistler übergab. Beide setzten sich dafür ein, mit den Schweizer Springreiterinnen und -reitern ein echtes Team zu bilden, zu dem auch die Grooms und wir anderen Betreuer gehörten. Für den Schweizer Springsport waren diese Jahre eine sehr erfolgreiche Zeit. Da macht es natürlich besonders Freude, als Mannschaftstierarzt mit dabei zu sein.

Es war schon länger geplant, dass ich mein Amt nach den Olympischen Spielen von Tokyo 2020 abgeben würde. Deshalb haben wir vor zwei Jahren damit begonnen, meinen Nachfolger Fabian Huwiler einzuführen. Mein letztes Amtsjahr war nun Corona-bedingt doch sehr traurig. Man hat mir angeboten, das Mandat um ein Jahr zu verlängern, aber ich habe abgelehnt. Das gute am Coronajahr war: Es hat mir gezeigt, dass es auch ruhiger geht. Und Fabian Huwiler wird einen hervorragenden Job machen - da kann ich gut loslassen.

 

Was genau sind die Aufgaben eines Mannschaftstierarztes?

Als Mannschaftstierarzt betreut man die an einem Turnier eingesetzten Pferde vor Ort. Man arbeitet eng mit den Reiterinnen und Reitern, dem Equipenchef, dem Coach und den Grooms zusammen. Vor allem mit Andy Kistler hatte ich eine unglaublich gute Zusammenarbeit. Auch mit den Reiterinnen und Reitern hat sich mit den Jahren ein sehr gutes Vertrauensverhältnis entwickelt - das ist unerlässlich für diesen Posten. Mir war es immer auch extrem wichtig, eine gute Zusammenarbeit mit den Grooms zu pflegen. Sie kennen ihre Pferde in- und auswendig und merken sofort, wenn bei ihnen etwas nicht stimmt.

 

In welchen Fachgebieten muss sich ein Mannschaftstierarzt besonders gut auskennen?

Der Mannschaftstierarzt muss ein guter Allgemeinmediziner sein und sicher auch viel Erfahrung in der Sportmedizin haben. Natürlich muss man sich auch im Antidopingbereich sehr gut auskennen und mit den Veterinärreglementen der FEI vertraut sein. Auch bei den verkehrs- und tierschutzrechtlichen Auflagen im Zusammenhang mit dem Pferdetransport muss man immer auf dem neusten Stand sein. Wenn man sich mit manuellen Therapien wie Chiropraktik auskennt, ist das natürlich ein Plus.

 

Welche charakterlichen Voraussetzungen muss man als Mannschaftstierarzt mitbringen?

Man muss sicher ein Teamplayer und ein guter Kommunikator sein, um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen Beteiligten aufbauen und pflegen zu können. Die zwischenmenschliche Komponente ist nicht zu unterschätzen. Im Spitzensport liegen Erfolg und Niederlage nahe beieinander. So kommt es vor, dass man auch als Tierarzt mal die Reiterinnen und Reiter aufmuntern und mental unterstützen muss.

Natürlich muss man auch gerne unterwegs sein und Freude am Springsport haben.

 

Wie hat sich der Sport während Ihrer Amtszeit entwickelt?

Was die Pferde angeht, würde ich sagen, dass sie in den letzten zehn Jahren tendenziell sensibler geworden sind. Die Parcours wurden technisch anspruchsvoller, da braucht es blutgeprägte, feinfühlige Pferde. Das muss man auch im Management dieser Topathleten berücksichtigen.

 

Was sind die schönsten Erinnerungen an Ihre Zeit als Mannschaftstierarzt?

Wie schon gesagt war es eine sehr erfolgreiche Zeit für den Schweizer Springsport. Insofern nehme ich viele schöne Erinnerungen an sportliche Höhepunkte mit, beispielsweise den Gewinn der olympischen Goldmedaille von Steve Guerdat mit Nino des Buissonnets in London 2012 oder die zahlreichen Medaillen an internationalen Championaten und Weltcupfinals.

 

Gab es auch brenzlige Situationen und schwierige Entscheide, die Sie treffen oder mittragen mussten?

Es gibt auf den internationalen Turnierplätzen immer wieder schwierige Situationen, in denen man wichtige Entscheidungen treffen muss. Beispielsweise wenn ein Pferd eine Kolik hat oder akut lahm geht. Da muss man unter Umständen mit den Kliniken vor Ort zusammenarbeiten und in Rücksprache mit der Reiterin bzw. dem Reiter und dem Equipenchef entscheiden, ein Pferd aus dem Wettkampf zu nehmen. Das sind immer unangenehme Momente, aber die gehören eben auch dazu.

Glücklicherweise habe ich aber keine wirklich schwerwiegenden oder dramatischen Situationen erleben müssen.

 

Bleiben Sie dem Pferdesport weiterhin verbunden?

Natürlich werde ich als Tierarzt weiterhin meine Kunden in der ganzen Schweiz und im angrenzenden Ausland betreuen. Auch die Schweizer Equipe und mein Nachfolger Fabian Huwiler werden bei mir weiterhin eine offene Türe finden. Aber ich bin jetzt 61 Jahre alt und möchte beruflich etwas kürzertreten. Ich freue mich darauf, mehr Zeit für meine Familie zu haben, insbesondere für mein fünf Monate altes Enkelkind Amalya.

Den Springsport werde ich natürlich weiterverfolgen. Es war eine unvergessliche Zeit als Mannschaftstierarzt, und ich wünsche dem Schweizer Team auch in Zukunft viel Erfolg an der Weltspitze!

Das Gespräch führte
Cornelia Heimgartner

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