Da die Basis für spätere Erfolge im Pferdesport mit einer soliden Grundausbildung gelegt wird, nimmt die stufengerechte Förderung junger Talente einen hohen Stellenwert ein. In der Disziplin Springen werden selektierte Nachwuchsreiterinnen und -reiter sorgfältig und durchdacht trainiert. Trotz sehr guten Resultaten der jungen Schweizerinnen und Schweizer bleibt mittelfristig die grösste Herausforderung, nicht hinter die internationale Konkurrenz zurückzufallen.
Parcoursbesichtigung der Pony-Equipe in Begleitung von Coach Reto Ruflin am CSI Fontainebleau (FRA) | © Conny Notz
Das leistungsorientierte Förderungskonzept des Schweizerischen Verbands für Pferdesport (SVPS) sieht eine solide Grundausbildung auf allen Stufen vor, um ein breites Nachwuchskader sicherzustellen. Der Nachwuchsbereich im Pferdesport wird in die Altersklassen «Children» (bis 14 Jahre), «Pony» (bis 16 Jahre), «Junioren» (bis 18 Jahre) und «Junge Reiter» (bis 21 Jahre) unterteilt. Dabei sollen die «Children», die jeweils auf Pferden antreten, keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zum Ponysport sein.
Die Breite im Sport ist wichtig
Conny Notz ist seit zwei Jahren Nachwuchsverantwortliche der gesamten Disziplin Springen. Ihre Philosophie ist inspirierend: Jede Reiterin und jeder Reiter, der durch das Förderprogramm des Verbandes geht, ist ein Gewinn. Zwar hat nicht jede junge Reiterin bzw. nicht jeder junge Reiter die Möglichkeit, den Reitsport auf höchstem Niveau zu bestreiten. Trotzdem ist es das Ziel, alle talentierten Nachwuchsreiterinnen und -reiter optimal zu fördern. «Unsere wichtigsten Partner sind die Pferde, die entscheidend zu unseren Erfolgen beitragen. Diesem Aspekt wollen wir jederzeit Rechnung tragen. Den Pferden gebührt unser ganzer Respekt», hebt Conny Notz hervor. Mit dieser Denkweise bringt die Nachwuchsförderung nicht nur einzelne Reiterinnen und Reiter, sondern im Endeffekt den gesamten Springsport weiter.
Reto Ruflin ist neuer Coach der Pony- und der Children-Kader
Seit 2022 hat Reto Ruflin, der selbst aktiv im internationalen Springsport unterwegs ist, die Betreuung der Pony- und der Children-Equipe der Schweiz übernommen. Ruflin trainiert gerne mit jungen, aufstrebenden Talenten und musste deshalb nicht lange überlegen, als ihm die Nachfolge von Jürg Notz angeboten worden ist. In seinem Amt möchte er nahtlos an die Arbeit seines Vorgängers anknüpfen und die Teams möglichst konstant weiterbringen. «Betrachtet man die aktuelle Situation nach den zwei letzten Turnieren in Gorla Minore (ITA) und Fontainebleau (FRA), so sieht es gut aus für den Schweizer Nachwuchs. Bei den Children sind wir aktuell wirklich sehr gut dabei, im Ponyteam stehen wir vor der Herausforderung, Reiterinnen und Reiter für die Europameisterschaft zu stellen, wenn auch nicht um jeden Preis», meint Reto Ruflin.
Den Sprung vom Pony aufs Grosspferd geschafft: Leon Hänzi, Schweizermeister 2021 der Kategorie Children | © Soraya Exquis Gloor
Ponysport soll wieder vermehrt gefördert werden
Die Ponyprüfungen sind in den vergangenen Jahren vor allem in der Deutschschweiz etwas vergessen gegangen. Entgegen verbreiteten Vorurteilen ist der Ponybereich mindestens so anspruchsvoll wie jener mit Grosspferden und bereitet Kinder ideal auf den Einstieg in den Sport vor. Um im Ponysport mit der starken, internationalen Konkurrenz mithalten zu können, besteht in der Schweiz Nachholbedarf. «Wir dürfen auf einzelne, sehr gute Reiterinnen und Reiter zählen. Was noch fehlt, ist die Routine in grossen Prüfungen. Zu meiner Freude glaube ich, dieses Jahr zwei vielversprechende Paare im Team zu haben. Es ist ein Ziel in meiner Amtszeit, die Schweiz in Zukunft an Children- und auch an Ponychampionaten erfolgreich vertreten zu können», so Reto Ruflin.
Grösste Herausforderung ist der internationale Vergleich
Obwohl die Schweiz mit den Aushängeschildern Fuchs oder Guerdat als Springreitnation gilt, muss der Nachwuchs im Hinblick auf den internationalen Vergleich wachsam bleiben. Gerade zu starken Ländern wie Deutschland, Irland, Belgien, Frankreich, Grossbritannien oder Italien, die teilweise auch Zuchtländer sind, darf man hierzulande den Anschluss nicht verpassen. Selbstverständlich ist gutes Training zu Hause notwendig, aber noch wichtiger ist das Turnierreiten. «Wir sollten so oft es geht die Chance nutzen, um unsere Reiterinnen und Reiter im Ausland starten zu lassen. Sie müssen sich mit dem hohen Niveau vergleichen können, die grossen Plätze fühlen und dabei auch lernen, mit dem Druck umzugehen», sagt Conny Notz. Das ist die bedeutendste Vorbereitung für alle zukünftigen Aufgaben, zum Beispiel für den Übertritt in das Junioren-, das Junge-Reiter- oder das Elite-Team.
Das Silbermedaillen-Team der Junioren-EM 2021 in Vilamoura (POR): Sind das die Champions von morgen? | © Vilamoura Equestrian Center
Eltern sind wichtige Bezugspersonen
In der Regel sind die Mitglieder der Nachwuchskader noch schulpflichtig oder absolvieren eine berufliche oder akademische Erstausbildung. Sie sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern sie so weit es geht unterstützen. Dazu gehören nicht nur der emotionale und der finanzielle Support, sondern auch weitergehende Verpflichtungen wie die Organisation aufwendiger Reisen oder das Tagesmanagement. «Die Eltern sind wichtige Bezugspersonen und werden in die Abläufe der Trainings und Turniere miteinbezogen. Auf diese Zusammenarbeit legen wir besonders viel Wert, denn die wirklich grossen Erfolge können wir nur als Team erreichen», betont Reto Ruflin.
Teamwork makes the dream work
Gerade bei Nationenpreisen muss Teamspirit auch zwischen den einzelnen Athletinnen und Athleten gelebt werden. Darauf legt die Nachwuchsverantwortliche Conny Notz seit Jahren viel Wert. Das ist nicht immer einfach, wenn in Situationen wie bei ersten CSIO-Einsätzen, Meisterschaften und Selektionsturnieren mentale Stärke von den Reiterinnen und Reitern verlangt wird. Das Saisonziel für den Verband ist es, mit den leistungsstärksten Paaren an die Europameisterschaft zu fahren und hoffentlich Medaillen zu erreiten - was aber bedeutet, dass es Reiterinnen oder Reiter geben wird, die nicht selektioniert werden. «Eine offene Kommunikation und gute Zusammenarbeit mit den Privattrainerinnen und -trainern ist uns in allen Zusammenhängen extrem wichtig», erklärt Conny Notz.
Bei ihr laufen die Fäden der Nachwuchsförderung der Disziplin Springen zusammen: Conny Notz, hier an der Eröffnungsfeier des CSIO Gorla Minore (ITA). | © Gianluca Sasso
Sportliche Ziele und liebevoller Umgang mit dem Partner Pferd
Der Schweizer Springsport-Nachwuchs durfte in den vergangenen Jahren eine Steigerung verzeichnen. Für ein kleines Land mit einer eher begrenzten Auswahl an Turniermöglichkeiten ist die Schweiz international vielversprechend unterwegs und kann aktuell auf sehr gute Pferd-Reiter-Kombinationen zählen. Nun gilt es, am Ball beziehungsweise im Parcours zu bleiben! Die Konkurrenz aus den anderen Nationen muss der Schweizer Nachwuchs positiv interpretieren. Je mehr sich die jungen Talente messen, desto besser können sie im internationalen Feld bestehen. Die starke Position der Schweizer Springreiterinnen und -reiter zu halten, ist mittel- und langfristig das Ziel der Kaderverantwortlichen der Disziplin wie auch des Schweizer Dachverbands. Dabei ist der Nachwuchs auf dem richtigen Weg! Es werden junge Talente ausgebildet und gefördert, die ehrgeizig die sportlichen Ziele verfolgen und gleichzeitig fair und liebevoll mit ihren Pferden umgehen.
Olga Kuck
Coach Reto Ruflin gibt den Ponyreiterinnen und -reitern wichtige Tipps mit auf den Weg. | © Conny Notz