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«Die Routine gibt mir Sicherheit»

15 April 2019 07:00

Nadja Büttiker gehört seit Jahren weltweit zu den besten Einzelvoltigiererinnen. Der Sieg im Weltcup blieb ihr aber bisher verwehrt. Doch diesen Winter gewann sie ihre drei Qualifikationsturniere in Paris, Salzburg und Offenburg souverän und reist als Topfavoritin an den Final in Saumur (FRA).

Nadia Büttiker mit Acardi van de Kapel an den Weltreiterspielen in Tryon 2018. Nadia Büttiker mit Acardi van de Kapel an den Weltreiterspielen in Tryon 2018. Foto: D. Kaiser

Viele Jahre lang war die vierundzwanzigjährige Nadja Büttiker eine wichtige Stütze im Team von Voltige Lütisburg Senioren I und hat viele Erfolge mit der Gruppe gefeiert. Aber auch als Einzelsportlerin hat sie sich einen Namen gemacht und gehört zu den Weltbesten. Dieses Jahr konzentriert sie sich nun ganz aufs Einzel. Aktuell bereitet sie sich auf das erste grosse Saisonziel vor, den Weltcupfinal. Bulletin hat die Toggenburgerin im Training in Lütisburg besucht.

«Bulletin»: Nadja Büttiker, Sie haben alle drei Weltcup-Qualifikationsturniere gewonnen, zwei auf Ihrem Paradepferd Keep Cool III und eines auf Acardi van de Kapel. Wie haben Sie diese Erfolge erlebt?

Nadja Büttiker: Der Beginn war speziell. Ich trat in Paris mit Acardi an, auf dem ich nicht ganz so sicher turne wie auf Keep Cool, mit dem ich die meisten Turniere bestreite. Aber ich hatte nur zwei Konkurrentinnen und gewann leicht. Allerdings wusste ich danach nicht wirklich, wo ich stand, weil die Konkurrenz so klein war. In Salzburg war ich dann mit Keep Cool am Start, dafür nicht wie üblich mit Monika Winkler-Bischofberger an der Longe, sondern mit Nienke de Wolff. Und die Konkurrenz war wesentlich stärker als in Paris. Dieser Wettkampf lief für mich perfekt, und da spürte ich, dass ich wirklich auf sehr hohem Niveau turnte, und freute mich sehr über den Sieg. Als ich am dritten Turnier in Offenburg sogar die amtierende Weltmeisterin Kristina Boe schlagen konnte, war der Jubel noch grösser.

Gab es während der Qualifikationen ein spezielles Erlebnis, positiv oder negativ?

Speziell ist für mich immer das Turnier in Salzburg. Da sind die Wettkämpfe der anderen Disziplinen sehr sehenswert und spannend. Zudem besuchen wir abends jeweils den Salzburger Weihnachtsmarkt, der eine wundervolle Atmosphäre bietet. Der Sport steht natürlich im Mittelpunkt, aber Salzburg ist immer auch ein bisschen Erholung vom Alltag und bleibt mir jedes Jahr am stärksten in Erinnerung.

Sie waren in den Qualifikationen überlegen. Wird es da schwieriger, sich zu motivieren und fokussiert zu bleiben?

Nein, denn nach Paris wusste ich nicht, was dieser Sieg wert war. In Salzburg ging es dann zwar überraschend gut, und ich fühlte, dass meine Leistung stimmte. Aber ich wusste, dass ich in Offenburg gegen die Weltmeisterin antreten würde. Also durfte ich mich keinesfalls auf den Lorbeeren ausruhen. Zudem werden wir im Voltige von Richtern bewertet. Diese wechseln von Turnier zu Turnier, und wenn man von den einen sehr wohlwollend bewertet wird, heisst das nicht, dass die nächsten es genauso tun. Auch nach all den Jahren im Sport werde ich von den Noten ab und zu überrascht. Positiv oder negativ. Zudem sind Pferde keine Maschinen. Wenn Keep Cool oder Acardi mal eine Unregelmässigkeit zeigen, muss ich damit zurechtkommen.

Nun fahren Sie als grosse Favoritin an den Final im französischen Saumur. Macht der Erwartungsdruck die Sache schwieriger?

Natürlich sind die Erwartungen von meiner Trainerin Monika Winkler-Bischofberger, von meinen Vereinskolleginnen und -kollegen und auch von meinem privaten Umfeld nach der erfolgreichen Qualifikation hoch. Zudem möchte ich selber den Weltcup wirklich gerne gewinnen. Aber von Druck zu reden, wäre falsch. Denn wir kämpfen im Voltige nur um Ruhm und Ehre, nicht um Geld und Sponsoren. Die kleinen Preisgelder decken nicht einmal die Reisekosten, und Sponsorengelder fliessen kaum in unsere Randsportart. Sollte ich einen schlechten Tag erwischen und unter den Erwartungen bleiben, ist das zwar ärgerlich, aber es zieht keine Konsequenzen nach sich.

Am Weltcupfinal müssen Sie auf den Punkt genau ihre Bestleistung abrufen können. Bereiten Sie sich mental darauf vor, vielleicht sogar mit einem Mentaltrainer?

Nein, gar nicht. Zwar bin ich keine, die vor Selbstbewusstsein strotzt, aber anhand meines Leistungsausweises weiss ich, was ich kann. Und ich habe verlässliche Pferde. Für mich sind meine üblichen Routinen wichtig. Meine Vorbereitungen laufen an jedem Wettkampf gleich ab, egal, ob es ein nationales Turnier oder ein internationaler Titelkampf ist. Meine langjährigen, fast schon automatisierten Routinen geben mir Sicherheit.

Und wie sehen Ihre Trainingseinheiten vor dem Weltcupfinal aus? Trainieren Sie allgemein mehr, oder werden einzelne Dinge wie Kraft oder die Kür auf dem Pferd intensiver geübt als sonst?

Jetzt, rund einen Monat vor dem Weltcupfinal, trainiere ich wie sonst auch vier- bis fünfmal pro Woche. Davon drei Einheiten auf dem Pferd. Wir fahren aber kurz vor Saumur mit allen Wettkampfgruppen von Voltige Lütisburg ins alljährliche Trainingslager. Da werde ich dann sehr intensiv trainieren, sowohl am Boden und am Fass als auch auf dem Pferd, und versuchen, meine Kür zu perfektionieren.

Zeigen Sie in Saumur die gleiche Kür wie in den Qualifikationsturnieren oder eine ganz neue?

Grundsätzlich bin ich bei der Kür vom letzten Jahr geblieben. Allerdings musste ich die schon für die Qualifikationen etwas ausbauen, da sie im Weltcup eine Minute zwanzig lang sein muss. An den anderen Turnieren dauert sie nur eine Minute. Daher habe ich weitere Elemente eingebaut und den Schwierigkeitsgrad ein bisschen erhöht. Für den Final werde ich wohl noch ein oder zwei Elemente verändern. Die Musik und der Dress sind aber gleich geblieben. Nach dem Weltcupfinal wird die Kür im Hinblick auf die Europameisterschaften in Ermelo (NED) wahrscheinlich nochmals angepasst.

Wie wird das verlängerte Finalwochenende bei Ihnen aussehen? Reisen Sie zusammen mit Ihrem Pferd Keep Cool nach Saumur?

Genau weiss ich das noch gar nicht, denn in Saumur findet neben dem Weltcupfinal noch ein normales CVI-Einzelturnier statt. An dem nehmen noch andere Lütisburger Voltigierer teil. Wir reisen also als Team und mit mehreren Pferden nach Frankreich. Da ist die Aufgabenverteilung anders, als wenn nur ich allein starte. Vom Wettkampfablauf her ist es so, dass am Donnerstag tagsüber der Vetcheck für die Pferde stattfindet. Am Abend habe ich eine Vorrunde zu absolvieren. Diese zählt zwar nicht zum Final, aber die Rangliste der Vorrunde wird in umgekehrter Reihenfolge die Startliste des Finals sein. Am Freitag- und Samstagabend finden dann die zwei Finaldurchgänge statt. Tagsüber werde ich aber nicht auf der faulen Haut liegen. Da Keep Cool sehr gross ist, braucht er viel Bewegung, um locker zu bleiben. Daher gehe ich mehrmals täglich mit ihm spazieren. Und ich werde auch die anderen Lütisburger Teilnehmer unterstützen, denn deren Wettkämpfe finden tagsüber statt.

Die Chancen für Ihren ersten Weltcupsieg stehen sehr gut. Was ist das grösste Hindernis auf dem Weg zum Sieg?

Es sind die unberechenbaren Faktoren Richter und Pferd. Diese kann ich nicht beeinflussen. Die grösste Konkurrentin ist sicher die Weltmeisterin Kristina Boe. Sie wie in Offenburg nochmals zu schlagen, ist alles andere als einfach. Und natürlich kann ich mir selber im Weg stehen. Im letzten Jahr führte ich nach dem ersten Finaldurchgang. Im zweiten patzerte ich, stürzte, und aus war der Traum. Daher konzentriere ich mich nicht gross auf die Konkurrentinnen und auf die Eventualitäten, die eintreffen könnten. Ich fokussiere mich nur darauf, in allen Durchgängen meine Bestleistung abzurufen.

Wie geht die Saison 2019 nach dem Weltcupfinal für Sie weiter?

Ich voltigiere sicher noch ein Jahr. Das Hauptziel 2019 sind die Europameisterschaften in den Niederlanden, wo ich als Einzelvoltigiererin die Schweiz vertreten möchte, und im kommenden Winter wieder der Weltcup. Wie es danach weitergeht, weiss ich noch nicht. Ich bin in einem Alter, in dem ich jedes Jahr neu entscheide, ob ich noch eine Saison anhänge oder aufhöre.

Haben Sie auch schon Pläne für die fernere Zukunft? Werden Sie dem Voltigesport nach Ihrer aktiven Karriere erhalten bleiben?

Auf jeden Fall. Ich kann mir ein Leben ganz ohne Voltige und Pferde nicht vorstellen. Wenn es meine Zeit zulässt, assistiere ich bereits jetzt Monika Winkler-Bischofberger beim Training der Senioren I und meiner Schwester Martina, die ein Juniorenteam leitet. Und ich habe auch schon mehrfach Anfragen von ausländischen Teams erhalten, sie zu unterstützen. So war ich letztes Jahr als Trainerin in einem Voltigelager in Dänemark und habe Lehrgänge bei anderen Schweizer Teams geleitet. Es stehen mir also einige Türen offen.

Barbara Würmli

Keep Cool III ist das Lieblingspferd von Nadja Büttiker. Auf ihm turnt sie ihre Kür am sichersten. Keep Cool III ist das Lieblingspferd von Nadja Büttiker. Auf ihm turnt sie ihre Kür am sichersten.

Wenn Nadja Büttiker ohne zu wackeln ein Kürelement mit einem erwachsenen Mann auf dem Rücken übt, ist das mehr als eindrücklich. Wenn Nadja Büttiker ohne zu wackeln ein Kürelement mit einem erwachsenen Mann auf dem Rücken übt, ist das mehr als eindrücklich.

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