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Dossier: Portraits

Pferdeballerina im Hoch

16 April 2018 06:00

Mit dem Team von Voltige Lütisburg I wurde Nadja Büttiker schon zweimal Vizeeuropameisterin, Vizeweltmeisterin und 2012 sogar Weltmeisterin. Und obwohl sie auch im Einzel mit der EM-Bronzemedaille 2017 bereits einen grossen Erfolg feiern durfte, fehlt der ganz grosse Coup als Einzelsportlerin noch.

Die 23-jährige Toggenburgerin voltigiert seit über 15 Jahren. Seit der fünften Klasse trainiert sie intensiv in der ersten Mannschaft von Voltige Lütisburg. Während die Teamkolleginnen und die Pferde wechselten, ist ihre Trainerin Monika Winkler-Bischofberger immer noch an ihrer Seite und hat sie auf dem Weg von der pferde- und turnbegeisterten Schülerin zur Weltklasse-Pferdesportlerin begleitet. Nadja Büttiker erzählt: «Ich habe von meiner Trainerin Monika von klein auf gelernt, dass nur diejenigen eine Chance bekommen, es ganz an die Spitze zu schaffen, die das Voltigieren als ernsthafte Arbeit sehen und nicht nur als Spiel. Obwohl Voltigieren eine Randsportart ist und man kein Chance hat, Profi zu werden, schafft sie es, uns eine Art Spitzensportlermentalität zu vermitteln.» Nadja betont aber, dass die Trainerin auch immer darauf achte, dass die schulischen - und bei den älteren Teammitgliedern die beruflichen - Leistungen nicht unter dem Sport leiden, eben weil es nicht möglich ist, in dieser Sportart Geld zu verdienen.

Ich habe von meiner Trainerin Monika von klein auf gelernt, dass nur diejenigen eine Chance bekommen, es ganz an die Spitze zu schaffen, die das Voltigieren als ernsthafte Arbeit sehen und nicht nur als Spiel.

Nadja und ihr vierbeiniger Partner Keep Cool III - mit 1.85 m Stockmass ein Pferderiese - sind ein eingespieltes Team, das schon viel zusammen erlebt hat. (Bild: Barbara Würmli) Nadja und ihr vierbeiniger Partner Keep Cool III - mit 1.85 m Stockmass ein Pferderiese - sind ein eingespieltes Team, das schon viel zusammen erlebt hat. (Bild: Barbara Würmli)

Weltmeisterin zu sein, ist schwer

Das Thema Randsportart beschäftigt Nadja Büttiker auch, wenn sie vom Teamweltmeistertitel 2012 erzählt: «Uns ging es nach dem Sieg wie allen Sportlern, der ganze Druck fiel ab, wir feierten und wussten, dass wir in unserer Sportart die Besten der Welt waren. Gleichzeitig merkten wir aber, dass davon ausser unserem engen Umfeld niemand Kenntnis nahm. Wo Springreiter oder noch extremer Fussballer weltweit gefeiert werden, Mittelpunkt in Sportsendungen sind, Siegprämien einheimsen und Sponsoren gewinnen, bekamen wir nur in den Pferdefachzeitschriften und den Lokalzeitungen Präsenz und als Lohn der Arbeit nichts weiter als unsere Medaille und die Erinnerungen an den Event.» «Dass kaum jemand von unserer Leistung Notiz nahm, war ernüchternd und auch frustrierend.

Aber in der kalten Jahreszeit ist es manchmal hart.

Mich danach weiter zu motivieren, war nicht ganz einfach. Ich musste mich auf meine Liebe zu den Pferden und meine Freude am Training berufen», erklärt sie weiter.

Voltigetrainings finden nicht nur auf dem Pferd statt. Kraftraining und Dehnübungen stehen oft auf dem Programm. Nicht selten muss Nadja Büttiker dabei auch ein bisschen leiden. (Bild: Voltige Lütisburg) Voltigetrainings finden nicht nur auf dem Pferd statt. Kraftraining und Dehnübungen stehen oft auf dem Programm. Nicht selten muss Nadja Büttiker dabei auch ein bisschen leiden. (Bild: Voltige Lütisburg)

Weltcup-Finalsieg avisiert

Dass Nadja ihren Weg weiterging, hat sich bezahlt gemacht. Denn aktuell reiht sie auch als Einzelsportlerin Erfolg an Erfolg. Im letzten Jahr durfte sie sich an der Europameisterschaft in Ebreichsdorf die Bronzemedaille umhängen lassen, und im Dezember erreichte sie in Salzburg den ersten Weltcupsieg. Die Weltcupturniere wurden zu einem regelrechten Triumph der Toggenburgerin. In Leipzig folgte der zweite Sieg, und in Offenburg war es der zweite Rang.

Mein Freund hat mich als Voltigiererin kennengelernt und wusste, auf was er
sich einlässt. Er hat viel Verständnis für meinen dichtgedrängten Terminplan.

Damit qualifizierte sich Nadja Büttiker souverän als Qualifikationserste für den Weltcupfinal Ende März in Dortmund. Allerdings war der Druck relativ gross, denn nach den genialen Resultaten ging die erfahrene Voltigiererin mit ihrem vierbeinigen Partner Keep Cool III und ihrer Trainerin Monika Winkler-Bischofberger an der Longe als klare Favoritin an den Start. Nach der ersten Runde führte die Toggenburgerin das Klassement noch an. Nach einem Patzer in der zweiten Runde gab es schliesslich Weltcupsilber für Nadja Büttiker, die zwar nicht den ganz grossen Coup landen konnte, aber ihrer Favoritenrolle gerecht wurde.

Nicht nur im Sport sondern auch auf den Baustellen geht es für die vielseitig talentierte Toggenburgerin hoch hinaus. (Bild: Barbara Würmli) Nicht nur im Sport sondern auch auf den Baustellen geht es für die vielseitig talentierte Toggenburgerin hoch hinaus. (Bild: Barbara Würmli)

Von der Baustelle in die Reithalle

Um sowohl im Team- wie auch im Einzelvoltigieren an der internationalen Spitze dabei zu sein, nimmt die junge Dame vieles auf sich. Sie trainiert unter der Woche an drei Abenden nach der Arbeit sowie am Samstag tagsüber und, wenn Intensivtrainings anstehen, auch noch am Sonntag. Wer denkt, dass Nadja Büttiker neben dem Sportpensum einen körperlich wenig anstrengenden Job macht, täuscht sich aber. Denn die gelernte Topfpflanzengärtnerin absolviert eine zweite Ausbildung zur Maurerin. Auf die Frage, wie es zu dieser, für eine Frau eher ungewöhnlichen Berufswahl kam, erzählt Nadja: «Ich wechselte nach meiner ersten Lehre von der Topfpflanzen- zur Landschaftsgärtnerin und war bei meinem jetzigen Lehrbetrieb, der Oberhänsli Bau AG in Mosnang, tätig. Wenn es im Winter für mich wenig Gartenarbeit gab, setzte mich mein Chef für Hilfsarbeiten im Hochbau ein. Dadurch begann ich mich für dieses Metier zu interessieren und entschloss mich schliesslich, die zweite Lehre zu machen.» So steht Nadja tagsüber auf den Baustellen ihren Mann und mutiert abends und an den Wochenenden zur filigranen Pferdeballerina. Sie sieht diese Abwechslung zwischen der Männerdomäne Bau und dem Mädchensport Voltige - in Lütisburg trainieren gerade mal zwei Jungs - als idealen Ausgleich. «Aber in der kalten Jahreszeit ist es manchmal hart» erklärt Nadja. «Da bin ich schon während der Arbeitszeit mehrheitlich im Freien, und wenn meine Kollegen heim in die warme Stube gehen, fahre ich ins Training und friere mir in der kalten Reithalle die Füsse ab. Wenn es allerdings bei den Weltcupstarts so gut läuft wie diesen Winter, ist es viel einfacher, motiviert zu bleiben, als wenn man sein Wintertraining ohne spezielles Ziel absolviert.»

Privatleben gibt es kaum

Nadja ist zwar seit fünf Jahren mit ihrem Schatz Fabian liiert, wohnt aber noch bei ihren Eltern. Sie erläutert: «Wir wohnen in Mosnang, also im Dorf, wo ich auch arbeite. Das ist praktisch. Zudem wäre es für mich sehr schwierig, neben der Arbeit und dem Training noch einen Haushalt mit allem Drum und Dran zu führen. Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie ihre erwachsene Tochter weiterhin umsorgen und unterstützen.»

Die Aussicht auf eine Amerikareise und die Chance nochmals auf einem Weltmeisterschaftspodest zu stehen, lassen es gar nicht zu, dass ich jetzt ans Aufhören denke.

Auf ihr Privatleben angesprochen meint sie: «Mein Freund hat mich als Voltigiererin kennengelernt und wusste, auf was er sich einlässt. Er hat viel Verständnis für meinen dichtgedrängten Terminplan. Und wenn wir zwischendurch mal drei Tage wegfahren können, geniessen wir es umso mehr.» Längere Ferien liegen für die Weltcupdominatorin aber nie drin, denn fast alle bezahlten Ferien gehen für Reisen an die internationalen Voltigeturniere drauf.

Unterstützung vom Arbeitgeber

Sie betont aber, dass ihr Chef Damian Oberhänsli ihr wenn immer möglich entgegenkommt. So verwundert es nicht, dass ihr Arbeitgeber auch ihr Sponsor ist. Fast schon ein Privileg, denn im Voltigesport kann kaum jemand auf Sponsoren zählen. Dieser Zustupf kommt Nadja Büttiker persönlich zugute, nicht Voltige Lütisburg. Sie sagt dazu: «Es handelt sich um sehr überschaubare Beträge. Trotzdem ist es eine willkommene Unterstützung, um die Reisekosten an die Turniere zu mindern und von Zeit zu Zeit neue Kostüme nähen zu lassen.»

Ausblick

Auf die Frage, ob sie nach über 15 Jahren im Voltigesport noch langfristig plane oder ob sie langsam an Rücktritt denke, schmunzelt die sympathische Sportlerin: «Die Teilnahme am Weltcupfinal war das erste Highlight der Saison und war die ideale Motivation für die weiteren Aufgaben. Mein nächstes Ziel ist die Team- und die Einzelqualifikation für die World Equestrian Games WEG in Tryon/USA. Die Aussicht auf eine Amerikareise und die Chance nochmals auf einem Weltmeisterschaftspodest zu stehen, lassen es gar nicht zu, dass ich jetzt ans Aufhören denke.»

Barbara Würmli

Ihre wichtigsten Stationen und Erfolge

Gruppenpferd: Rayo de la Luz, Westfale, Jahrgang 2005

Ersatzpferd: Acardi van de Kapel, Belgisches Warmblut, Jahrgang 2006

Einzelpferd: Keep Cool III, Deutsches Sportpferd, Jahrgang 2005

Einzel

- Junioren-Schweizermeisterin 2011

- Erste EM-Teilnahme, Aachen, 2015, 12. Platz

- Teilnahme Weltcupfinal, Dortmund, 2015 und 2016

- 1. Rang CVI, Bern und Moorsele, 2016

- 6. Platz WM, Le Mans, 2016

- EM-Bronze, 2017

- Weltcupsieg Salzburg, 2017

- Weltcupsieg Leipzig, 2018

Gruppe

- Vizeeuropameister 2009, 2011, 2015 und 2017

- Weltmeister 2012

- Vizeweltmeister 2014

- Schweizer Meister 2007-2012 und 2014-2017

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