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Aarauer Schachen als vollendetes Werk

13 Februar 2023 09:00

Aarau ist während Generationen das eigentliche Herz des Schweizer Pferdesports gewesen, geht aus dem kürzlich erschienenen Buch «100 Jahre Aargauischer Rennverein» hervor. Denn die Kavallerieschulen brachten alljährlich neue Pferdesportler heraus: Von den Dragonern wie den Offizieren wurde die Teilnahme an Pferdesportveranstaltungen erwartet, um sich und die Pferde in kriegstauglicher Verfassung zu halten.

Bis zur Abschaffung der Kavallerie im Jahre 1972 genoss Aarau den Nimbus als Schweizer Reiterstadt. Bedeutend war sie nicht nur als Ausbildungsplatz der berittenen Truppen, über Jahrzehnte hinweg wurde von hier aus der Pferdesport im Land geprägt. Die Dragoner bildeten die Existenz der damals noch von Männern dominierten Sportreiterei. Denn Bundesrat wie Armeeführung waren der Meinung, dass nur ausserdienstliches Reiten dem Land die Kriegstauglichkeit von Mann und Pferd garantiere.

Der Blick von der Tribüne über den landschaftlich reizvollen Schachen lässt schnell erkennen, weshalb Aarau als schönster Rennplatz der Schweiz gilt.
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 Der Blick von der Tribüne über den landschaftlich reizvollen Schachen lässt schnell erkennen, weshalb Aarau als schönster Rennplatz der Schweiz gilt. (Bild: Archiv ARV)

Neue Wege für den Pferdesport

Pferderennen wurden in Aarau erstmals 1921 ausgetragen. Der Aufstieg des Schachens zur Pferdemetropole der Schweiz erfolgte Anfang der 1940er-Jahre mit dem Anlegen einer Sandbahn, wo die Kavallerie-Instruktoren mit den jungen Dragonern das Galoppieren trainieren wollten. Eine Sandbahn allein, war man überzeugt, vermochte das reiterliche Können nicht genügend zu fördern. Dank dem Einsatz von Internierten wurde der einfach angelegte Reitplatz während des Zweiten Weltkriegs zur 5-Sterne-Arena erweitert. Bei der Eröffnung am 15. Oktober 1944 lobte General Henri Guisan die «Grosszügigkeit und Zweckmässigkeit eines vollendeten Werkes».

Was für einen unschätzbaren Wert dieser Platz mit Springgarten, Sternhindernissen, Dressurviereck, Couloir und Sandbahn vorerst für die militärische Ausbildung und später für den zivilen Pferdesport darstellen würde, ahnten gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wohl noch die wenigsten. Eine Anlage wie der Schachen habe in der Schweiz bisher gefehlt und stelle das dar, wurde in der Fachzeitschrift «Schweizer Kavallerist» festgehalten, was ein Kavallerie-Waffenplatz neben den Reitbahnen und dem Exerzierplatz brauche und dem Schweizer Pferdesport neue Wege eröffne.

Zu viel prognostiziert war das nicht. Der Ausbau veranlasste nämlich den 1923 gegründeten Aargauischen Rennverein, den Schachen zur ersten permanenten Rennbahn der Schweiz auszubauen. Die geglückte Premiere im Jahre 1947 beflügelte und rief in den folgenden Jahren das Jagdrennen um den Grossen Preis der Schweiz und die Meisterschaft der Traber ins Leben. Zu Rennen und Springkonkurrenzen - unter anderem mit einem Jagdspringen um den
Aarauer Coupe, um den Mitglieder der Schweizer Armee und Besitzer der schweizerischen Herrenreiterlizenz ritten - kam es ein Jahr später.

1951 wurde mit einem Concours Hippique nochmals eine neue Ära eingeläutet. Der ständige Reitplatz im Aarauer Schachen verfügte über alle Vorzüge, die ihn für Konkurrenten und Besucher zum nationalen Aushängeschild machten. 1960 bewährte er sich bei den Militaryreitern denn auch als Ausscheidungsplatz für die Olympischen Spiele. Die S-Prüfung brachte die besten Paare an die Spitze, in Rom gewannen Anton Bühler mit Gay Spark, Hans Schwarzenbach mit Burn Trout und Ruedi Günthardt mit Atbara Mannschaftssilber und Bühler noch Einzelbronze.

Das Aarauer Derby war während Jahrzehnten ein Highlight im Jahreskalender der Springreiter. Das Aarauer Derby war während Jahrzehnten ein Highlight im Jahreskalender der Springreiter. (Bild: Elisabeth Weiland)

Springderby als Krone

Als Turnierplatz reihte sich der Schachen während Jahrzehnten auf nationaler Ebene ein. Die Springreiter kämpften im Schweizer Cup oder an der Meisterschaft um Ehren oder lieferten spannende Ritte im legendären und mehr als 1000 Meter langen Aarauer Derby mit 14 Hindernissen und 23 Sprüngen. 1965 wurde es erstmals ausgetragen und vom Seoner Pferdehändler Max Hauri gewonnen. Eine gute Vorbereitung für angehende Cracks musste das Derby allemal gewesen sein: Heidi Hauri gewann 1980 mit der siebenjährigen Jessica die Prüfung und vier Jahre später die Bronzemedaille an den Olympischen Spielen in Los Angeles. Prüfungen bis auf Stufe S oder die Durchführung der Championate brachten bis in die 1990er-Jahre die Spitzenpaare aus der Dressur in den Schachen. Nach dem Gewinn des EM-Titels 1975 von Christine Stückelberger mit Granat stand im «Schweizer Kavallerist»: «Noch nie hatte man in der Reiterstadt Aarau an einem Concours Hippique so viel gespannte Aufmerksamkeit erlebt, und es war überwältigend festzustellen, wie mäuschenstill rund 4000 faszinierte Zuschauer sein können.» Nach der Junioren-EM im Springreiten von 1981 rühmte die britische Equipenchefin J.B. Taylor
Aarau als die bisher am besten organisierte Europameisterschaft.

Neue Reithalle für den Reitverein

Eng verbunden mit dem Schachen ist der Reitverein Aarau, der erst 2014 mit der militärischen Vergangenheit abschloss und per Generalversammlungsbeschluss auf den Zusatznamen «Kavallerie» verzichtete. Ein neues Kapitel in der Vereinsgeschichte schlug 2008 der Umzug aus den alten Reithallen in der Stadt in den Neubau im Schachen auf. Seit Ende 2021 ist die Halle abbezahlt, sodass sich Reitvereinspräsident Thomas Bellmont beruhigt über eine der vielfältigsten Sportanlagen für sämtliche Pferdesportdisziplinen freuen kann. Nebst der 27×80 Meter grossen Halle steht der schon in militärischen Zeiten hochgelobte Aussenplatz mit Allwetterplatz und Dressurviereck sowie einer unvergleichlichen Vielfalt an Naturhindernissen im Innenraum der Rennbahn zur Verfügung.

Der Aufwand für den Unterhalt des einzigartigen Naturhindernis-Ensembles lohnt sich für den Reitverein, geniesst doch die Sparte Concours Complet nach wie vor besten Zuspruch. Als Springplatz allerdings ist der einst so beliebte Schachen nicht mehr gefragt. «Gras ist vorbei, die Reiterinnen und Reiter kommen nicht mehr», erklärt Thomas Bellmont. Aufs richtige Pferd gesetzt hat der Reitverein mit dem Bau der neuen Reithalle, die tagtäglich rege genutzt wird. Die grosszügige Reitfläche lässt sich sogar unterteilen. Dank der Halle bleibt dem Schachen der Wettkampfsport erhalten: An den Indoor-Spring- und Dressurtagen werden stets volle Felder verzeichnet.

Thomas Frei
Kavalleriemuseum Aarau

Die Durchquerung des beim Ausbau angelegten Teichs stellte für die Kavalleristen eine genauso grosse Herausforderung dar wie heute für die CC-Reiterinnen und -Reiter. Die Durchquerung des beim Ausbau angelegten Teichs stellte für die Kavalleristen eine genauso grosse Herausforderung dar wie heute für die CC-Reiterinnen und -Reiter. (Bild: Kavalleriemuseum Aarau)

100 Jahre Pferdesportgeschichte

Die Geschichte des Aargauischen Rennvereins (ARV), der dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, ist eng mit dem Schachen verknüpft. Aarau nahm dank den hier zentral durchgeführten Kavallerieschulen während Jahrzehnten eine dominante Stellung ein im Schweizer Pferdesport. Grund genug für den ARV, zum 100-Jahr-Jubiläum diese grosse Vergangenheit in einem reich illustrierten Buch darzustellen. Auf gut 200 Seiten wird nicht nur die Entwicklung des Vereins sowie des Galopp- und Trabrennsportes beschrieben - wie bedeutend der militärische Exerzierplatz für den Schweizer Pferdesport über Jahrzehnte gewesen ist, wird ebenso sorgfältig in Text und Bild dargestellt. Im Rückblick verstehen es die beiden Autoren Rolf Gfeller und Thomas Frei eindrücklich aufzuzeigen, wie der Schachen gesamtschweizerisch zu seiner einmaligen Popularität gekommen ist: dank seinen Funktionen als Exerzierplatz, Kursort und Pferdesportarena, bereichert von prägenden Persönlichkeiten und ausserordentlichen Pferden.

«100 Jahre Aargauischer Rennverein»,
Rolf Gfeller und Thomas Frei, 206 Seiten, 321 Bilder s/w und farbig.
Preis: Fr. 38.-.
Bezug:
Aarau Info oder Aargauischer Rennverein,
Schwimmbadstrasse 18, 5000 Aarau,
Tel. 062 824 80 40,
info@aarauturf oder
www.aarauturf.ch

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