Seit dem 1. Januar steht ein neuer Wirkstoff auf der Dopingliste der FEI: Synephrin.
Es handelt sich dabei um eine verbotene Substanz (banned substance), jedoch mit dem Vermerk, dass diese meist nicht be-
wusst zur Leistungsbeeinflussung verabreicht wird, sondern eher über Verunreinigungen von Futtermitteln ungewollt in das Pferd gelangt (specified substance). Was steckt also dahinter: Viel Aufhebens um eine unbedeutende Kontaminationsquelle oder berechtigter Grund zur Sorge?
Synephrin kommt natürlicherweise in Orangen vor. (Foto: A. Heimgartner)
Synephrin kommt natürlicherweise in Zitrusfrüchten vor und wird bei Menschen mit Übergewicht als Schlankheitsmittel und bei einigen Athleten zur Leistungssteigerung eingesetzt. Obwohl seine Wirksamkeit mit Fragezeichen zu versehen ist, wird es verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln zugesetzt.
Handlungsbedarf wegen Gesundheitsrisiken
Die unerwünschten Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, das oftmals durch das Übergewicht geschwächt und durch die sportliche Betätigung oder die Einnahme von Medikamenten-Cocktails stark belastet ist, sind jedoch so gross, dass einige Länder sich veranlasst sehen, die Anwendung von Synephrin gesetzlich zu regeln. Bisher ist keine sichere Dosierung bekannt, weder als Einzeldosis noch bei wiederholter und dauerhafter Einnahme.
Doping beim Pferd
Die FEI verbietet nun das Vorhandensein von Synephrin in den Körperflüssigkeiten des Pferdes; der Wirkstoff gilt somit als Doping!
Seit Jahresbeginn wurden elf Pferde positiv auf die Substanz getestet, und zwar in Mexiko (total 9 Fälle auf 4 Turnieren) und in Spanien (2 Fälle auf 1 Turnier). Der gemeinsame Nenner liegt hier sicher in der milden Klimazone, die sich besonders für den Anbau von Zitrusfrüchten eignet und wo deren Verzehr beliebt ist.
Verunreinigungen sind schnell passiert
Synephrin lässt sich jedoch nicht nur in Zitronen, Mandarinen und Bitterorangen feststellen, sondern auch in weiter verbreiteten Pflanzen wie Binsengewächsen, Zypergräsern oder Hirsearten. So kann der Stoff leicht in Einstreu oder schlimmer noch in Ergänzungsfuttermittel für Pferde-Athleten gelangen.
Es gilt also, die Augen offen zu halten, auch wenn eine unbewusste Kontamination trotz strikter Kontrollen leider nicht vollständig ausgeschlossen werden kann.
Die FEI schlägt auf ihrer Clean-Sport-Website verschiedene präventive Massnahmen vor, wie beispielsweise die Kontrolle von Angestellten, die die Substanz selbst einnehmen könnten. Sie empfiehlt zudem, Heu- und Futterproben aufzubewahren, um den Wirkstoff im Falle eines positiven Dopingtests dort nachweisen zu können.
Vorsicht ist besser als Nachsicht
Die Risiken der sogenannten specified substances sind nicht geringer als jene von verbotenen Substanzen. Sie sollten im Pferdesport daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden, auch wenn eine positive Probe allenfalls weniger hart geahndet werden könnte.
Wie immer im Zusammenhang mit Futtermittelkontaminationen stellen sich zwei grosse Fragen: Sind alle Labors gleich gut darin, gewisse Substanzen festzustellen, bzw. ist die Gleichbehandlung aller Athleten beim Dopingtest gewährleistet? Ab welcher Dosierung einer gegebenen Substanz kann man von einer Leistungsbeeinflussung des Pferdes ausgehen bzw. wirkt schon ein gefressenes Mandarinenblatt leistungssteigernd auf das Pferd?
Wie dem auch sei - bei der Wahl von Ergänzungsfuttermitteln ist grösste Vorsicht geboten. Auf die Auflistung der Inhaltsstoffe ist nicht zwingend Verlass, und sie schützt nicht vor bösen Überraschungen, deren unangenehmen Konsequenzen wir im Falle eines Falles zu tragen haben.
Dr. med. vet. Pierre-Alain Glatt
Vorsitzender der Veterinärkommission