Das ehrwürdige Bauernhaus mit seinem üppig blühenden Garten wirkt wie eine Oase der Ruhe. Die Katzen räkeln sich genüsslich in der Sonne, die Glöckchen der Ziegen bimmeln den Besuchern fröhlich entgegen und weisen den Weg zum Stall. Hier im bernischen Brüttelen auf dem kleinen Pferdebetrieb von Sascha Etter scheint die Corona-Krise weit weg. Doch die Idylle täuscht.
So wird die Materialhygiene zum Kinderspiel! © SVPS/C. Heimgartner
Als der Bundesrat die Massnahmen zum Schutz vor COVID-19 erstmals wieder lockerte, war die Erleichterung bei Sascha Etter, der Betreiberin des Begegnungszentrums für Mensch und Pferd «Equibalance», gross. Die Wochen des Lockdowns waren für die alleinerziehende Mutter von drei Kindern im Homeschooling und der Betreuung der neun Pferde und Ponys des Therapie- und Reitschulbetriebs neben der Teilzeitanstellung als diplomierte Reittherapeutin in einem nahe gelegenen therapeutischen Wohnheim eine eigentliche Zerreissprobe. Für sie war klar: Der Betrieb musste so schnell wie möglich wiederaufgenommen werden!
Reitbeteiligungen als Rettungsanker
Während des Lockdowns fehlte es Sascha Etter an allen Ecken und Enden: «Ich hatte keine Einnahmen aus der Reittherapie, dem Ponyreiten und den Kinderevents. Ausserdem waren meine drei Kinder zu Hause für das Homeschooling. Es blieb kaum Zeit und Geld für die Pferde und Ponys!»
Doch die zweisprachige Agraringenieurin mag nicht Trübsal blasen, sondern sucht und findet Lösungen: Sie vergibt bezahlte Reitbeteiligungen für ihre gut ausgebildeten Schulpferde - Etter selbst ist aktive Dressurreitern, diplomierte Vereinstrainerin und J+S-Leiterin Reiten - und kann auf die handfeste Unterstützung einer treuen Freundin zählen. So hält sie ihren Betrieb in dieser schwierigen Zeit über Wasser.
Wiedereröffnung mit Schutzmassnahmen
Als Pflegefachfrau ist Sascha Etter den Umgang mit Mundschutz und Desinfektionsmittel gewohnt. Dennoch war es nicht ganz einfach, die Auflagen des Bundes auf den Pferdebetrieb zu übertragen. Die Schutzmassnahmen sollten unkompliziert und effizient sein, damit auch jüngere Ponynarren sich weitgehend selbstständig um ihre vierbeinigen Freunde kümmern können. «Es ist nicht einfach, Kindern das Distanzhalten zu vermitteln. Da braucht es viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Aber die Arbeit mit den Ponykindern macht einfach Freude! Deshalb war es mir wichtig, auch sie möglichst rasch wieder auf dem Hof empfangen zu können», führt Etter aus, und ihre strahlenden Augen verraten das glückliche Lächeln hinter dem Mundschutz.
So wurde kurzerhand ein Merkblatt für die Stallbesucher ausgearbeitet, in dem alle Schutzmassnahmen im Detail erklärt werden. Beispielsweise sind nur vorangemeldete Besuche möglich, Begleitpersonen kommen nicht näher als bis zum Parkplatz, und bevor man den Hof betritt, werden die Hände mit Desinfektionsmittel gereinigt, das auf einem hübsch dekorierten Tischlein beim Hofeingang drapiert ist. So einladend kann Hygiene sein!
Betriebsleiterin Sascha Etter trägt bei der Vorbereitung der Pferde einen Mundschutz für den Fall, dass es zu engen Kontakten mit anderen Personen kommen sollte. © SVPS/C. Heimgartner
Kreative Lösungen für Kids
Damit die Hygienevorschriften auch beim Putzzeug eingehalten werden können, wurde für jedes Pferd und Pony ein eigenes Plastikbecken mit den wichtigsten Utensilien zusammengestellt: «So behalte ich die Übersicht, welches Material zu welchem Pony gehört, damit das Putzzeug nicht von zwei Personen gleichzeitig benutzt wird», erklärt die Betriebsleiterin. «Und wenn die Ponys nach dem Reiten wieder versorgt sind und genüsslich ihr Heu knabbern, können die Kids das Putzzeug selbstständig mit einem Desinfektionsspray reinigen.»
Damit es auch in den Räumlichkeiten, beispielsweise der Sattelkammer, nicht zu engem Körperkontakt kommt, ist an der Tür gross angegeben, wie viele Personen sich gleichzeitig darin aufhalten dürfen. Das funktioniert - auch bei den Kleinsten! Diese sind sichtlich bemüht, nicht nur ihre Ponys liebevoll zu umsorgen, sondern auch die zusätzlichen Aufgaben und Massnahmen nach bestem Können zu erfüllen.
So wird die Materialhygiene zum Kinderspiel! © SVPS/C. Heimgartner
Jedem Pony sein Eimerchen mit Putzzeug und nach dessen Benutzung eine kindertaugliche Desinfektion. © SVPS/C.Heimgartner
Aufholjagd gestartet
Für Sascha Etter heisst es jetzt: Ärmel hochkrempeln und sprichwörtlich in die Hände spucken. Die Mindereinnahmen aufgrund der Corona-Krise will sie so gut wie möglich abfedern und sich trotz der Müdigkeit, die sich nach der Anspannung der letzten Wochen breitmacht, voll ins Zeug legen. An Motivation fehlt es nicht, aber die Besucher müssen erst noch den Weg zurück nach Brüttelen finden: «Die Reitschule läuft schon wieder ganz gut, in der Reittherapie bleiben die Kunden hingegen noch aus. Aber das wird schon!» Und da ist es wieder, das Leuchten in den Augen einer Kämpferin, die mit viel Herzblut und Engagement ihren Lebenstraum aufrechterhält.
Cornelia Heimgartner
Endlich wieder strahlende Kindergesichter auf dem Ponyhof! ©SVPS/C.Heimgartner