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Dossier: Unfallverhütung

Den Frühling spüren - aber das Lächeln schützen

16 April 2018 06:00

Zahnverletzungen als Folge eines Reitunfalls können im Einzelfall gravierend sein. Prävention und richtiges Verhalten nach dem Ereignis sind wichtig. Mit der heutigen Zahnmedizin ist es möglich, herausgeschlagene oder abgebrochene Zähne optimal wiederherzustellen und sogar lebenslang zu erhalten.

Wenn der Frühling kommt, sind Reiterinnen, Reiter und Pferde kaum mehr zu halten. Alle freuen sich darauf, im Freien die wiedererwachende Natur zu geniessen, die immer frischer, grüner und blühender werdenden Landschaften zu erkunden, den Frühlingsduft einzuatmen. Egal in welcher Reitdisziplin, die Pferde sind zu dieser Jahreszeit übermütig und ungestüm.

Hohes Risiko für Zahnbeschädigungen beim Sport

Reiten ist nicht ungefährlich, das ist allgemein bekannt. Die Folgen von Reitunfällen sind häufig Prellungen und Brüche von Armen, Schultern, Händen und Rippen. Aber auch Zahn- und Mund-Kiefer-Gesichtsverletzungen kommen vor. Eine Erhebung* besagt, dass weltweit über fünf Millionen Zähne verletzt oder ausgeschlagen werden. Auf 500 Millionen Dollar sollen sich jährlich die Kosten belaufen, um die Folgen zu beheben. Aus sportlichen Aktivitäten resultiert der grösste Anteil der Unfälle, insbesondere bei Jugendlichen. Die erwähnte Studie besagt, dass fünfzig Prozent aller Kinder und Jugendlichen während der Schulzeit zumindest eine Zahnverletzung erleiden. In achtzig Prozent sind es die Frontzähne, die betroffen sind.

Einige Grundregeln für Debütanten

Je besser man das Pferd und seinen Charakter kennt, desto sicherer ist das Reiten. Kopfschutz bietet der Helm, er ist unerlässlich. Zum Schutz von Oberkörper und Halswirbelsäule gibt es Schutzwesten. Anfänger sollten ein Falltraining machen, damit sie sich mit einer Judorolle bei einem Sturz abrollen können. Wer reitet, braucht Kraft, Gleichgewicht und Beweglichkeit und eine starke Rumpfmuskulatur. Aufwärmen empfiehlt sich vor dem Reiten oder als Bewegungspause.

Bei diesem Unfall wurde ein Stück des Frontzahns abgebrochen. Er konnte wieder hergestellt werden. (Bild: zVg) Bei diesem Unfall wurde ein Stück des Frontzahns abgebrochen. Er konnte wieder hergestellt werden. (Bild: zVg)

Bei diesem Unfall wurde ein Stück des Frontzahns abgebrochen. Er konnte wieder hergestellt werden. (Bild: zVg) Bei diesem Unfall wurde ein Stück des Frontzahns abgebrochen. Er konnte wieder hergestellt werden. (Bild: zVg)

Empfohlen: Mundschutz

Die Zahnärztin empfiehlt Reiterinnen und Reitern, einen Mundschutz zu tragen. Dieser sei wichtig, um bei einem Unfall Zähne und Mund zu schützen und so Verletzungen zu vermeiden oder zu minimieren. Was alles passieren kann? Ihre Aufzählung ist lang: ganz oder halb ausgeschlagene Zähne, Zahnteile weggeschlagen, gespaltener Zahn, Kieferfraktur oder Kiefergelenkfraktur, verletzte Zunge oder abgebissene Zungenspitze, verletzte Lippen, Wangen oder beschädigtes Zahnfleisch. «Sogar gegen Gehirnerschütterung oder Hirnblutung kann ein Mundschutz präventiv wirken, weil er Schläge absorbiert», sagt Dr. Nienhaus.

Mundschutz - die Auswahl

Ein Mundschutz ist in den meisten Sportgeschäften zu erhalten. Die einfachsten und billigsten (unter 10 Franken) gibt es je nach Modell/Sportgeschäft in drei Grössen, die in die meisten Mundhöhlen passen. Sie sind flexibel und leicht, aber nicht speziell angenehm zu tragen, was die Akzeptanz - vor allem bei Jugendlichen - einschränkt. Etwas komfortabler und mit höherem Schutzindex sind Modelle, die zehn Sekunden im heissen Wasser erwärmt und danach in den Mund eingefügt werden. So passt sich der Mundschutz individueller an. Grösse und Form sind aber nicht immer optimal, sodass er oft nicht lange verwendet wird. Die Kosten für ein solches «boil and bite»-Modell liegen zwischen 20 bis 40 Franken. Für einen individuell angefertigten Mundschutz macht der Zahnarzt einen Abdruck; auf dieser Basis wird der Schutz hergestellt. Es ist für die Reiterin oder den Reiter die komfortabelste, effektivste und langfristig beste Lösung. Die Kosten liegen etwa um 400 Franken.

Ein angefertigter Mundschutz kann lustig aussehen. Diese Reiterin hat Rot mit Schweizerkreuz gewählt. (Bild: zVg) Ein angefertigter Mundschutz kann lustig aussehen. Diese Reiterin hat Rot mit Schweizerkreuz gewählt. (Bild: zVg)

Nach Zahnunfall richtig handeln und sofort zum Zahnarzt

Sich nach dem Unfall richtig zu verhalten, ist massgebend für den Erfolg der Wiederherstellung der Zähne. Oberstes Gebot dabei ist es, Ruhe zu bewahren, aber schnell zu handeln. Jeder Augenblick zählt. Alles, was von ausgeschlagenen oder abgebrochenen Zähnen noch auffindbar ist, sollte man einsammeln, und man sollte sich sofort notfallmässig zum Zahnarzt begeben. Ein herausgeschlagener Zahn sollte auf keinen Fall an der Zahnwurzel berührt werden. Am besten fasst man ihn nur an der Zahnkrone an. Wenn noch alles dran, der Zahn aber verschmutzt ist, kann man ihn maximal zehn Sekunden (nicht länger) mit klarem Wasser abspülen und selbst wieder in das Zahnfach provisorisch einsetzen oder unter der Zunge oder in der Wange bis zum Zahnarzt feucht halten. Auch möglich: den Zahn in einer Zahnrettungsbox oder in kalter Milch zum Zahnarzt mitbringen. Nicht geeignet sind Wasser oder Papiertaschentücher, sie entziehen dem Zahn die lebensnotwendige Flüssigkeit. Blutungen im Mund stillt man, indem man auf ein Stofftuch oder einen Verband beisst. Wackelnde Zähne in dieser Position belassen. Auch dafür ist eine Zahnarztkonsultation dringend. Solche Zähne müssen wieder in die Reihe gebracht und eventuell geschient werden. Es empfiehlt sich, eine kleine Zahnrettungsbox (DentoSafe) bei sich zu haben. Man erhält sie in Apotheken zu 36 Franken, meist müssen diese sie aber bestellen. In der Flüssigkeit eines solchen kleinen Fläschchens überlebt der Zahn einen Tag.

Zur Spezialistin

«Reiten ist ein fantastischer Sport», das sagt Dr. Kimberley Nienhaus, DMD MS, die selbst mit ihrem Wallach Kobold aktiv reitet. «Die Beziehung zum Pferd, diesem wunderbaren Lebewesen, ist für mich Herausforderung und Leidenschaft zugleich. Der Sport verlangt von mir aber auch ein hohes Mass an Fitness, das bin ich dem Pferd schuldig», meint sie. «Wenn ich selbst fit bin, vermindert dies die Unfallgefahr gewaltig.» Als Zahnärztin wird sie von Zeit zu Zeit mit den Folgen von Reitunfällen konfrontiert. Solche Patienten, die manchmal unter Schock stehen, brauchen erst mal ihre Aufmunterung und Vertrauen in die zahnärztliche Kompetenz. Zahnverletzungen von Sportlerinnen und Sportlern zu beheben, ist Dr. Nienhaus ein besonderes Anliegen.  

www.zahnaerzte-nienhaus.ch

Dann sind die Zahnärzte am Zug

Die zahnärztliche Untersuchung zeigt das Ausmass der Verletzung und gibt Aufschluss über das nötige Vorgehen für die Behandlung. Gelockerte, verschobene oder eingedrückte Zähne muss der Zahnarzt innerhalb von sechs Stunden wieder richtig einsetzen. Lockere Zähne werden oft durch eine Schiene stabilisiert und mit einer Wurzelkanalbehandlung therapiert. Auch abgebrochene Zähne können oft gerettet werden, deshalb ist alles Abgebrochene mitzubringen. Die Erfolgschancen hängen von der Bruchstelle, dem Zustand des Nervs, des Zahnfleischs und Kiefers ab. Je schneller eingegriffen wird, desto besser. Kann der Zahnarzt das abgebrochene Stück nicht mehr befestigen, muss der Zahn mit einer Füllung oder Krone wiederhergestellt werden.

Kieferschmerzen nach Unfall

Kieferschmerzen können auf einen gebrochenen Kieferknochen, eine Zahnfleisch- oder Zahnverletzung hindeuten. Manchmal resultieren sie auch aus der Tatsache, dass sich Ober- und Unterkiefer verschoben haben und die Zähne beim Kauen nicht mehr perfekt aufeinanderpassen. Gegen Schmerzen und Schwellung hilft eventuell, in einem Tuch Eis aufzulegen. Erst eine Röntgenaufnahme zeigt, ob der Kieferknochen gebrochen ist oder ob es sich nur um eine Prellung handelt.

Kosten, Versichern

Gemäss Schweizerischem Unfallversicherungsgesetz UVG sind alle in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmenden versichert. Sei es bei der Suva - sofern der Arbeitgeber dieser angeschlossen ist -, sei es bei einer Privatversicherung. Wer mindestens acht Wochenstunden beim selben Arbeitgeber arbeitet, ist auch gegen Nichtberufsunfälle versichert. Kinder und Nichtberufstätige sind über ihre Krankenkasse versichert. Wichtig ist es, den Unfall umgehend zu melden.

Tipps für den Fall eines Unfalls

Die Möglichkeit eines Reitunfalls ist nie auszuschliessen. Reiter müssen in der Lage sein, Kolleginnen und Kollegen zu helfen. Ein Kurs in Erster Hilfe sollte alle zwei Jahre wiederholt werden. Die Applikation «Echo 112» für Mobiltelefone dient im Notfall, um die richtige Hilfe anzufordern und die Position ausfindig zu machen. Gut sichtbare Kleidung hilft, Verunfallte im Gelände zu sehen und zu finden. Reiter müssen wissen, wo sie sich befinden, um im Notfall ihre Position bekannt geben zu können. Persönliche Daten und Krankenkassenkarte sollten sie immer dabeihaben. Nachts sind die obligatorischen Vorschriften betreffend Licht und reflektierende Ausrüstung unbedingt einzuhalten.

* Studie von Naveen Kumar Ramagani et al. Sports dentistry: a review. Journal of International Society of Preventive & Community Dentistry: 2014 Dec 4 (Suppl 3): S139-S146.

Regula Gutjahr

Der Schneidezahn ist eingeschlagen und abgestorben. Er hat sich deshalb dunkel verfärbt. Er braucht eine Wurzelbehandlung und danach ein internal Bleaching. (Bild: zVg) Der Schneidezahn ist eingeschlagen und abgestorben. Er hat sich deshalb dunkel verfärbt. Er braucht eine Wurzelbehandlung und danach ein internal Bleaching. (Bild: zVg)

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