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«Der Schweizer Rennsport ist familiär und hat Charme»

11 Februar 2019 08:00

Der deutsche Jockey Dennis Schiergen hatte in seinem Heimatland bereits den Profistatus und hätte am Stall seines Vaters Peter, der in Köln 100 Galopper trainiert, beste Chancen für eine Jockeykarriere gehabt. Er entschied sich jedoch für eine «normale» Berufslaufbahn in der Schweiz. Seine reiterliche Karriere führt er hierzulande als Amateur weiter und bereut diesen Entscheid keine Minute.

Die Familie Schiergen v. l. n. r.: Vater Peter, Laurenz, Mutter Gisela und Dennis. Es fehlt Vinzenz. Foto: Turffotos.ch Die Familie Schiergen v. l. n. r.: Vater Peter, Laurenz, Mutter Gisela und Dennis. Es fehlt Vinzenz. Foto: Turffotos.ch

Wenn Schiergen für das Trainingsquartier von Karin Suter-Weber in den Sattel steigt, ist oft auch Freundin Valeria Holinger als Pferdeführerin an seiner Seite. Foto: Turffotos.ch Wenn Schiergen für das Trainingsquartier von Karin Suter-Weber in den Sattel steigt, ist oft auch Freundin Valeria Holinger als Pferdeführerin an seiner Seite.

Der 24-jährige Dennis Schiergen wurde in eine berühmte Galoppsportfamilie geboren und sass schon auf Ponys und Pferden, bevor er laufen konnte. Sein Vater Peter ist mehrfacher Championtrainer und erreichte davor gegen 1500 Siege im Rennsattel. Mutter Gisela liebt Vollblüter ebenfalls und ist im Unternehmen für die Administration zuständig. Von den drei Söhnen Dennis, Vinzenz und Laurenz wurde in Rennsportkreisen fast schon erwartet, dass sie dem berühmten Vater nacheifern.

Traumberuf Jockey

Dennis Schiergen erzählt: «In meinen ersten Lebensjahren war mein Vater noch Jockey. Ich war öfters im Training mit dabei, und er nahm mich jeweils beim Trockenreiten in den Sattel. Im Rennsattel zu sitzen, war für mich so selbstverständlich wie Legospielen. Selber Jockey zu werden, war entsprechend mein Kindheitstraum, und ich begann früh mit Ponyrennen.»

Der junge Deutsche absolvierte bereits mit 16 Jahren die Rennreiterlizenz und stieg erfolgreich in den Sattel. Doch er wurde 1,74 m gross, was kein ideales Jockeymass ist. Entsprechend wurde das Diäthalten schnell zum täglichen Wegbegleiter. «Das optimale Gewicht für einen Jockey liegt zwischen 52 und 54 Kilogramm. Bei meiner Grösse geht das nicht, ohne ständig zu hungern. Zwangsläufig musste ich mir Gedanken machen, ob Profijockey für mich längerfristig machbar ist», so Schiergen.

Bewusste Entscheidung

In seiner Familie war eine gute Ausbildung neben dem Reiten schon immer Thema. Dennis studierte Sport-, Medien- und Eventmanagement und ritt als Amateur Rennen. Vinzenz macht aktuell den gleichen Weg. Der jüngste - Laurenz - kann zwar auch reiten, spielt aber leidenschaftlich und sehr erfolgreich Golf. Daneben besucht er das Gymnasium. Dennis hatte also wie auch seine Brüder immer die Wahl zwischen Profisport oder einem bürgerlichen Beruf. Zwar entschied er sich 2014, Profi zu werden, und zog dies zwei Jahre erfolgreich durch, doch die ständigen Gewichtsprobleme waren eine zu grosse Bürde. Schiergen erklärt: «Ich reite von jeher mit viel Spass und aus ganzem Herzen und wollte mir das erhalten. Deshalb entschied ich mich bewusst für ein weiteres Studium und den Amateurstatus. Als Profi wäre die Freude unter dem Druck des Gewichts irgendwann auf der Strecke geblieben.»

Dennis Schiergen reitet seit dem letzten Frühling auch über Hindernisse und hat Spass daran. Foto: Turffotos.ch Dennis Schiergen reitet seit dem letzten Frühling auch über Hindernisse und hat Spass daran. Foto: Turffotos.ch

Wahlheimat Schweiz

Während seiner Profizeit stieg Dennis Schiergen auch öfters in der Schweiz in den Sattel und lernte dabei die Skikjöringfahrerin und Trainingsreiterin Valeria Holinger kennen und lieben. So entschied sich der junge Deutsche zum Teil der Liebe wegen für die Schweiz als Wahlheimat. Er betont aber, dass es auch eine karrierebedingte Entscheidung war: «Ich fand für meinen Master of Business Administration in Zürich eine Hochschule, die genau meinen Wünschen entsprach. Ich habe mich also keinesfalls gegen den deutschen Rennsport entschieden, sondern für meine persönliche Zukunft, beruflich und privat.» Und diesen Entscheid habe er noch keine Minute bereut.

Gut eingelebt

Auf die Frage, wie er sich denn nun als Wahlschweizer fühle, meint Schiergen: «Mir geht es hier richtig gut, und ich bin bestens integriert. Sowohl im Galopprennsport wie auch beruflich. Meine Ausbildung ist abgeschlossen, und ich arbeite nun als Commercial Management Trainee bei Coca-Cola HBC Schweiz.» Als Jockey mit über 200 Siegen auf dem Konto wird er auch als Rennreiter sehr gut gebucht. Er trainiert am Stall von Trainerin Karin Suter-Weber und gilt dort als erster Stalljockey. In Rennen ohne Starter aus dem Suter-Quartier reitet er als Freelancer für die verschiedensten Trainer. Der Rennreiter blickt kurz zurück: «In den letzten zwei Jahren durfte ich für alle namhaften Schweizer Trainer reiten. Das zeigt, dass sie mit meinen Ritten zufrieden sind, was mich sehr freut.»

Mit dem Pferd verschmelzen ist das Ziel jedes Jockeys. Im vergangenen Jahr gelang das Dennis Schiergen beim Sieg mit Monika Stadelmanns Shinduro in Avenches. Foto: Turffotos.ch Mit dem Pferd verschmelzen ist das Ziel jedes Jockeys. Im vergangenen Jahr gelang das Dennis Schiergen beim Sieg mit Monika Stadelmanns Shinduro in Avenches. Foto: Turffotos.ch

Kein Vergleich

Dennis Schiergen ist sich aber bewusst, dass es in der Schweiz keine Grupperennen, also Rennen der höchsten Kategorie, gibt und nicht so viel Ruhm und Ehre zu holen ist wie in Deutschland oder Frankreich. Er sagt dazu: «Man darf die Schweiz und Deutschland in Sachen Galoppsport nicht vergleichen. Deutschland ist ein Zuchtland, und es leben viel mehr Menschen von den Vollblütern und dem Galoppsport als in der Schweiz. Hierzulande ist der Konkurrenzdruck entsprechend kleiner.» Der Schweizer Rennsport sei sehr familiär: «Besitzer, Trainer, Reiter - eigentlich alle Aktiven - freuen sich gemeinsam über die Erfolge und helfen sich in schwierigen Situationen gegenseitig. Das gibt dem Schweizer Rennsport einen gewissen Charme.»

Problem Öffentlichkeitsarbeit

Blauäugig sieht Schiergen den Schweizer Rennsport aber nicht. Die tiefe Anzahl Rennpferde und die immer schwieriger werdende Akquise von Sponsoren sind sehr präsent. Schiergen ist überzeugt: «Die Schwäche in der Schweiz ist die Öffentlichkeitsarbeit. Die Medien - abgesehen von den Pferdefachzeitschriften - berichten fast nur über negative Vorkommnisse. Tolle Berichte über Rennveranstaltungen und strahlende Sieger sind in der Tagespresse kaum zu finden. Und die Verbände tun wenig dagegen.» Zudem werde der Schweizer Rennsport immer wieder von extremen Tierschützern angegriffen. «Dies obwohl die Vorgaben hier strenger sind als in den Nachbarländern. Zum Beispiel sind nur drei Peitscheneinsätze während des ganzen Rennens erlaubt, in Deutschland und Frankreich sind es fünf», erklärt Dennis Schiergen im Detail.

Gleich im ersten Hürdenrennen seiner Karriere konnte sich der junge Deutsche mit Perfect Swing als Sieger feiern lassen. Foto: Turffotos.ch Gleich im ersten Hürdenrennen seiner Karriere konnte sich der junge Deutsche mit Perfect Swing als Sieger feiern lassen. Foto: Turffotos.ch

Zukunft aufgegleist

Obwohl er erst 24 ist, ist Dennis Schiergen sehr vorausschauend. Nachdem er in Deutschland nur Flachrennen ritt, steht er seit letztem Jahr auch als Hindernisreiter zur Verfügung. Im April 2018 konnte er seinen ersten Hürdenritt mit Perfect Swing in Fehraltorf gleich in einen Sieg ummünzen und reitet seither regelmässig über die Sprünge. Er schmunzelt: «Es hat mich schon lange gejuckt, über die Sprünge zu reiten. Ich habe als Kind eine klassische Reitausbildung genossen, und bin bis zu 1,40-m-Parcours gesprungen. So macht es mir auch über Rennhindernisse viel Spass.»

Der ambitionierte Fachmann geht noch weiter und hat in der Schweiz auch die Trainerlizenz erworben. Er erläutert: «Es hat sich die Möglichkeit geboten, 2018 am Trainerlehrgang teilzunehmen. Zwar habe ich nicht vor, in absehbarer Zeit als Trainer aktiv zu werden, aber die Schweizer Lizenz ist international gültig und bietet mir für die Zukunft eine weitere berufliche Option. Ich halte mir gerne verschiedene Türen offen, und zudem war es eine gute Weiterbildung.»

Ziele und Wünsche

Bei der Frage nach Zukunftswünschen lacht Dennis Schiergen: «Glück und Gesundheit, ganz klischeehaft. Als Jockey ist es aber wirklich nicht selbstverständlich, verletzungsfrei zu bleiben. Zudem möchte ich viele Rennen gewinnen, gerne auch mal wieder einen Big Point auf Gruppe- oder Listenebene, denn ich reite ja auch immer noch ab und zu im Ausland.» Im vergangenen Jahr habe er zweimal Karin Suter-Webers Sweet Soul Music in Baden-Baden in Grupperennen geritten und als Dritter und Vierter zweimal am Big Point geschnuppert. Schiergen sinniert: «Zwar habe ich in meiner Profizeit schon Grupperennen gewonnen, aber mit einem in der Schweiz trainierten Pferd wäre es nochmals etwas ganz anderes. Auch das Schweizer Jockey-Championat zu gewinnen, würde mich sehr reizen.» Man merkt, dass der sympathische junge Horseman definitiv in der Schweiz und im Schweizer Galoppsport angekommen ist und uns auch erhalten bleiben wird.

Barbara Würmli

Packender Endkampf mit Karin Suter-Webers Sweet Soul Music (mit Blesse) auf Gruppe-Ebene in Baden-Baden. Foto: Turffotos.ch Packender Endkampf mit Karin Suter-Webers Sweet Soul Music (mit Blesse) auf Gruppe-Ebene in Baden-Baden. Foto: Turffotos.ch

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