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Dossier: Ausbildung

Der Weg aus der Krise: «Wir Rösseler müssen uns öffnen!»

20 Juli 2015 10:35

Nach turbulenten Jahren schaut der Verein Swiss Horse Professionals SHP nun zuversichtlich nach vorne. Er will sich als Plattform für Berufsfachleute, aber auch für Laien etablieren. Vor allem will er den Austausch über die Reitgrenzen hinweg fördern. Denn eines weiss der SHP genau: Rösseler brauchen in der heutigen Zeit eine starke Stimme. 

Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen: Gefahr und Gelegenheit. Der Verein Swiss Horse Professionals (SHP) hat sich das Zweite zu Herzen genommen. Der traditionell stark verankerte Pferdeverband hat die turbulenten Zeiten genutzt, um sich neu aufzustellen und gestärkt in die Zukunft zu blicken.

Das Ziel dabei ist klar: «Wir wollen eine Anlaufstelle für Berufsleute sein und uns in der Öffentlichkeit und in der Politik für die Interessen der Branche einsetzen», sagt der neue Präsident Martin H. Richner bestimmt. Dass es diese Stimme braucht, da besteht für den Vorstand kein Zweifel. «Das Umfeld, in dem wir uns als Reitlehrer, Pensionshalter, aber auch Berufsreiter bewegen, ist enorm komplex geworden», fügt der 58-Jährige an. Ständig ändernde Gesetzgebungen, strengere Auflagen, unterschiedlichste Interessengruppen – die Liste liesse sich beliebig fortsetzen. «Oft ist unseren Mitgliedern gar nicht bewusst, welchen Einfluss beispielsweise ein Entscheid aus dem Parlament auf ihren Alltag haben kann», fügt Richner an.

SHP setzt auf Informationsveranstaltungen
Als Beispiel nennt er das revidierte Tierschutzgesetz. Gemäss den Paragrafen ist der Tierhalter zuständig, wenn ein Pferd von seinem Besitzer eine Woche nicht bewegt wird. Das heisst konkret, er müsste das Tier reiten oder auf die Weide lassen. Wenn er dies nicht tut, muss er im schlimmsten Fall mit einer Anzeige rechnen. «Solche wichtigen Details wissen nur sehr wenige», betont Richner. Das revidierte Tierschutzgesetz ist indes nur ein Thema. Daneben gibt es finanzielle Aspekte wie die Mehrwertsteuer (vgl. «Bulletin» 06/15), aber auch die heiss diskutierte Raumplanung – oder die effiziente Mistentsorgung.

«Das ist wortwörtlich Mist, wie wir als Reitstallbesitzer auf den Pferdeäpfeln sitzen», sagt Richner schmunzelnd. Deshalb hat der Verband eine Studie in Auftrag gegeben, wie der Mist effizienter genutzt werden könnte. Mit genau solchen konkreten Hilfestellungen will der SHP für seine rund 340 Mitglieder künftig ein wichtiger Ansprech- und Informationspartner sein. Dies geht einerseits via Anlässe, welche der SHP regelmässig organisieren will – aber auch über eine breiter angelegte Kommunikation.

Kommunikation ist auch im zweiten Schwerpunkt, im Lobbying und in der Öffentlichkeitsarbeit, gefragt. Zwar verfügt die Pferdebranche über Schlagkraft: Rund 17'000 Betriebe halten über 100'000 Equiden in der Schweiz. Die Branche erwirtschaftet direkt und indirekt rund 1,9 Milliarden Franken und beschäftigt 12'900 Personen.

Dennoch wird sie in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen – und wenn, dann negativ wie nach dem tragischen Tod eines Pferdes am Sechseläuten in Zürich. «Es ist wichtig, Medien und Öffentlichkeit aufzuklären. Ansonsten werden wir in einem Jahr keine Pferde am Sechseläuten und in 30 Jahren keinen Pferdesport mehr haben», betont Richner. Er ist überzeugt: «Hier kann der SHP eine wichtige Rolle einnehmen.»

Neuorientierung geglückt
Selbstbewusste Worte nach einer Zeit, in der die Zukunft des Verbandes ungewiss war. Noch vor sechs Jahren lag nicht viel mehr als ein Scherbenhaufen vor. Um das zu verstehen, muss man einen grossen Blick zurück werfen. 1954 wurde der heutige SHP als Schweizerischer Verband für Berufsreiter und Reitschulbesitzer (SVBR) gegründet. In den 70er Jahren erhielt er vom Bundesamt für Landwirtschaft die Hoheit über die Ausbildung im Bereich Pferdewesen – sprich von Bereiter, Pferdepfleger und Rennreiter.

Dafür erhielt er finanzielle Unterstützung. Anfang 2000 wurde das gesamte Ausbildungssystem – auch dasjenige der Pferde­berufe – vom heutigen Bundesamt für Berufsbildung (SBFI) umgewälzt. Das SBFI entzog dem SVBR die Verantwortung, stattdessen wurde ein neuer Verband gegründet, die «Organisation der Arbeitswelt OdA Pferdeberufe». Diesem Verband sind verschiedenste Interessengruppen, wie beispielsweise die pferdegestützte Therapie, aber auch die Westernreiter, angeschlossen.

Der traditionell klassisch ausgerichtete SVBR verlor damit seine einstige Kernaufgabe – die Ausbildung der jungen Leute. Mithilfe einer professionellen Beratung suchte der Verband danach einen Weg aus der Misere. Das war die Geburtsstunde des Swiss Horse Professionals (SHP). Heute ist der SHP das stärkste Mitglied der OdA Pferdeberufe, seine Mitglieder bieten die meisten Ausbildungsplätze an. «Wir wollen daher die Zusammenarbeit mit der OdA weiter intensivieren und uns für eine klassische Ausbildung starkmachen.» Dabei ist dem Verband der Austausch wichtig – und zwar mit den andern Reitverbänden, aber auch mit Vertretern ausserhalb. Richner: «Wir Rösseler müssen uns öffnen, und zwar untereinander, aber auch nach aussen hin.»

Der Präsident ist sich im Klaren darüber, dass es noch ein langer Weg ist, bis sich der Verband gänzlich erholt hat. Doch wichtige Voraussetzungen sind gegeben: Der Vorstand bestehend aus Ernst Vögeli, Sascha Stauffer, Marie Deiss und Urs Schneider zieht am gleichen Strick. Daneben sorgen treue Mitglieder und solide Finanzen für eine gute Basis. Und schliesslich gibt es genügend wichtige Anliegen, für die es sich zu kämpfen lohnt. Es sieht wahrlich so aus, als habe der SHP die Krise nicht ungenutzt vorbeiziehen lassen.

Sarah Forrer

Meilensteine des Verbandes

1954: Gründung des Schweizerischen Verbandes für Berufsreiter und Reitschulbesitzer (SVBR)
1972: Der SVBR übernimmt die Verantwortung für die Ausbildung im Pferdewesen
1978: Vertrag mit dem Bundesamt für Landwirtschaft über das Ausbildungswesen
1981: Einführung des Brevets
1989: Beitritt zum Schweizerischen Verband für Pferdesport SVPS

2000: Neu ist das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie anstelle des Bundes­amtes für Landwirtschaft für die Ausbildung der Rösseler zuständig

2000: Die Ausbildungen werden auf Anordnung des Bundesamtes für Berufsbildung auf eine neue Basis gestellt. Das betrifft auch die Pferdeberufe. – Die OdA Pferdeberufe wird gegründet.

2005: Der SVBR ist endgültig nicht mehr für die Ausbildung zuständig
2009: Neustrukturierung des Verbandes. Umbenennung: Swiss Horse Professionals SHP.

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