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Die Herausforderungen der Zukunft: Der SVPS-Vorstand wappnet sich

14 Januar 2020 08:00

2019 wurden drei neue Mitglieder in den Vorstand des SVPS aufgenommen. Für dieses Strategieorgan des SVPS war dies die Gelegenheit, sich ein paar grundsätzliche Fragen zur Zukunft des Verbands, aber auch des Pferdesports in der Schweiz zu stellen.
In diesem Interview erläutert SVPS-Präsident Charles Trolliet, welche Herausforderungen es künftig zu bewältigen gilt.

Der SVPS-Vorstand (v. l. n. r.): Martin Habegger, Nayla Stössel, Charles Trolliet, Gisela Marty, Damian Müller, Franz Häfliger (Foto: SVPS/Marco Finsterwald) Der SVPS-Vorstand (v. l. n. r.): Martin Habegger, Nayla Stössel, Charles Trolliet, Gisela Marty, Damian Müller, Franz Häfliger (Foto: SVPS/Marco Finsterwald)

Bulletin: Im Jahr 2020 feiert der Schweizerische Verband für Pferdesport sein 120-jähriges Bestehen. Was hat sich geändert, seit der Verband im Jahr 1900 als Verband der Schweizerischen Renngesellschaften gegründet wurde?

Charles Trolliet: Es hat sich natürlich vieles geändert. Das wird im Buch «120 Jahre Pferdesport Schweiz», das vom SVPS herausgegeben und im Mai 2020 erscheinen wird, sehr schön illustriert. Dank diesem Buch erinnern wir uns an vergangene Zeiten und können die Entwicklung, die die Pferdewelt in der Schweiz durchgemacht hat, reflektieren. Diese Entwicklung ging sehr schnell vonstatten, insbesondere in den letzten 30, 40 Jahren. Mit der Abschaffung der Kavallerie im Jahr 1972 und dem starken Rückgang der Arbeitspferde, insbesondere in der Landwirtschaft, stand die Pferdewelt an einem Scheideweg. Heute ist der Pferdesport für die meisten nicht mehr Beruf, sondern Hobby. Ausserdem frönen immer mehr Frauen dem Pferdesport. Mit dieser Entwicklung hat sich auch das Verhältnis zum Pferd verändert. Zudem hat sich der Stellenwert des Tieres in der Gesellschaft allgemein stark gewandelt, und der Kenntnisstand hat sich erhöht und weiterentwickelt.

Als Dachverband des Schweizer Pferdesports möchten wir den Bedürfnissen aller Pferdebegeisterten nachkommen, nicht nur jenen der Wettkampfsportler.

Charles Trolliet, SVPS-Präsident

Was bedeutet das für die Strategie des SVPS?

Früher war das Pferd ein Arbeitspartner in der Landwirtschaft oder ein Kampfpartner des Soldaten. Die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Tier war oft sehr eng, eine Partnerschaft, die auf Vertrauen und gegenseitiger Abhängigkeit beruhte. Heute ist das Pferd der Sport- und Freizeitpartner vieler Pferdesportlerinnen und -sportler. Doch die Schweiz würde gegenwärtig nicht mehr stillstehen, wenn es keine Pferde mehr gäbe, wie dies früher der Fall gewesen wäre. Nichtsdestotrotz haben sich die Pferde einen wichtigen Platz im Leben vieler Menschen bewahrt. Es ist auch heute noch ein Tier, mit dem der Mensch Aktivitäten unternehmen möchte, die vom Tier eine gewisse Anstrengung erfordern. Damit ist das Pferd in den meisten Fällen kein Haustier wie ein Hund. Diese Aktivitäten beschränken sich nicht auf den Turniersport. Nur 10% der rund 200 000 Pferdebegeisterten in der Schweiz betreiben tatsächlich Turniersport in den Disziplinen, die dem SVPS unterstehen.

Als Dachverband des Schweizer Pferdesports möchten wir den Bedürfnissen aller Pferdebegeisterten nachkommen, nicht nur jenen der Wettkampfsportler.

Welche Bedürfnisse sind das?

Das sind in erster Linie Ausbildungs- und Informationsbedürfnisse. Man muss sich vor Augen führen, dass zu Zeiten der Kavallerie die Dragoner (so nannte man die berittenen Soldaten) meist aus dem bäuerlichen Umfeld kamen. Die Dragoner hielten ihr Pferd zu Hause und mussten es diensttauglich halten. Diese Pferde verrichteten landwirtschaftliche Arbeiten, und die Dragoner nahmen regelmässig an Trainings oder Turnieren teil, die von den Kavallerieverbänden organisiert wurden. Sie ritten zu diesen Anlässen hin. Nicht selten ritten die Männer eine Stunde oder länger bis zum Trainings- oder Concoursplatz und anschliessend auch wieder zurück.

Heute werden Pferde täglich mit Motorfahrzeugen transportiert. Es ist inzwischen Normalität geworden, grosse Distanzen zurückzulegen, um beispielsweise an einem Kurs teilzunehmen. Die Pferde leben heute mehrheitlich in Pferdesportzentren oder Pensionsställen und werden von Berufsleuten betreut. Der Besitzer kommt vorbei, um das Pferd eine oder zwei Stunden zu bewegen, er hat eine ganz andere Beziehung zu seinem Pferd als dies früher der Fall war, und er kommt nicht zwingend aus einer Bauernfamilie. Das bedeutet, dass dem modernen Pferdebesitzer andere Kenntnisse vermittelt werden müssen.

Hingegen hat der Pferdebesitzer von heute andere Möglichkeiten, sich zu informieren und Rat zu finden usw. Welche Rolle spielt da der SVPS?

Klar steht pferdebegeisterten Menschen im Internet eine unheimliche Menge an Informationen zur Verfügung. Es ist jedoch nicht immer einfach zu beurteilen, ob diese Informationen auch richtig sind. Unsere Aufgabe als Nationalverband ist daher, verlässliche Informationen und hochwertige Lerninhalte zu liefern.

Eine weitere wichtige Aufgabe des SVPS besteht darin, den Fortbestand des Pferdesports in der Schweiz zu sichern. Mit den neuen Medien zirkulieren Bilder beispielsweise sehr schnell. So kann ein Foto, das in einem ungünstigen Moment aufgenommen wurde und von Tierschutzaktivisten verbreitet wird, innert kurzer Zeit einen Imageschaden für unseren Sport anrichten. Aus diesem Grund müssen wir nicht nur die pferdebegeisterten Menschen sensibilisieren, sondern auch die Nicht-Reiter hinsichtlich unseres Sports aufklären. Die Tierschutzkreise sind mächtig und verfügen über ein gutes Netzwerk. Wir dürfen dieses Phänomen nicht ignorieren und müssen handeln, bevor es zu spät ist.

Müssen wir also befürchten, dass wir in naher Zukunft keinen Pferdesport mehr betreiben dürfen?

Wir sollten die Situation nicht dramatisieren, aber wir müssen uns bewusst sein, dass sich die Wahrnehmung jeder Handlung mit Tieren gewandelt hat. Das ist eine Frage der soziopolitischen Dynamik. Bis vor Kurzem sprach man von «Tierschutz», heute lautet das Schlagwort «Tierwohl». Das zeigt, wie sehr sich der Status des Tieres in unserer Gesellschaft verändert hat. Es reicht nicht mehr aus, dem Tier nicht zu schaden, sondern man muss auch sein Wohlbefinden gewährleisten und seine Würde respektieren.

Das hat auch einen Einfluss auf die Art, wie wir beispielsweise Reitunterricht erteilen oder Turniere reglementieren. Wir bewegen uns nicht mehr in einem militärischen Umfeld, in dem Reiter Befehle ausführen und Pferde den Bedürfnissen des Menschen dienen. Wir müssen uns daher genau überlegen, was wir als Nationalverband noch «von oben herab» in einer Top-down-Strategie auferlegen können.

Wer leitet in diesem Fall die Entscheidungen des SVPS?

Die Mitgliederverbände des SVPS haben grossen Einfluss auf die Ausrichtung und die konkreten Entscheidungen des SVPS. Sie können beispielsweise Reglementänderungen anstossen, neue Mitglieder für die Leitungsteams der Disziplinen vorschlagen sowie - über ihre Vertreterinnen und Vertreter - an den Arbeiten der SVPS-Kommissionen mitwirken. Das ist eine sehr demokratische Struktur.

Kommen wir zurück zur Strategie des SVPS-Vorstands. Was sind nun also seine kurz- und mittelfristigen Visionen?

Wir werden unsere Ausrichtung nicht völlig über den Haufen werfen, sondern streben nach Kontinuität unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Veränderungen, die uns betreffen. Wir werden eine neue Fassung des Leitbilds des SVPS an der Präsidentenkonferenz vom 19. Februar 2020 präsentieren. Dieser Text wird dann der Generalversammlung vom 4. April 2020 zur Abstimmung vorgelegt.

Wir möchten die Präsenz des Pferdes und der mit ihm verbundenen Aktivitäten in der Gesellschaft erhöhen und sein Image aufwerten, um das Verständnis und die Akzeptanz für die Bedürfnisse und Wünsche der Reiterinnen und Reiter, die ständig dem aufmerksamen und kritischen Blick der Öffentlichkeit ausgesetzt sind, zu erhöhen.

Im Zusammenhang mit dem Turniersport möchten wir eine Diskussion mit den interessierten Kreisen anregen bezüglich der Gestaltung der Pferdesportveranstaltung der Zukunft. Es ist heute zunehmend schwierig, einen finanziell tragbaren Concours zu organisieren. Deshalb muss man sich fragen, ob nicht gewisse Dinge modernisiert werden müssen. Ist es noch zeitgemäss, davon auszugehen, dass die Einkünfte aus der Festwirtschaft die übrigen Kosten decken? Ist es noch angebracht, von den Konkurrentinnen und Konkurrenten zu erwarten, dass sie den ganzen Tag auf dem Turnierplatz verbringen? Die Reiterinnen und Reiter sind heute mobiler denn je, und ihre Anforderungen beispielsweise an die Infrastruktur sind höher als früher: Wäre es sinnvoller, weniger kleine lokale Turniere zu organisieren und dafür mehr grosse regionale Veranstaltungen durchzuführen, die mehr Professionalität auf allen Ebenen bieten können? Wir kennen die Antworten auf all diese Fragen nicht, möchten aber den Puls der Organisatoren und Teilnehmer fühlen, um Antworten zu finden.

Auch die Fragen der Ethik rund um das Pferd werden uns in den kommenden Jahren weiterhin beschäftigen. Nehmen wir ein Beispiel: In den letzten zwanzig Jahren hat sich das Reglement im Concours Complet auf internationaler Ebene dahingehend geändert, dass erst Kandare und Sporen in der Dressur obligatorisch waren, heute aber Kandare und Sporen fakultativ sind. Auch in der Schweiz sind Sporen heute in der Dressur in allen Kategorien fakultativ. Es ist also am Reiter zu entscheiden, was für sein Pferd am besten ist. 2019 hat Frankreich in der Dressur die Wassertrense bis Stufe Grand Prix zugelassen - eine Entscheidung, die weltweit grossen Anklang fand. In der Schweiz ist die Wassertrense in der Dressur bereits seit einigen Jahren in allen Kategorien zugelassen, wobei in den höheren Klassen erst wenige Reiterinnen und Reiter diese Möglichkeit nutzen. Ich denke, das wird nach und nach kommen. Ich würde sogar noch weiter gehen: Man müsste auch in der Dressur erlauben, gebisslos zu reiten. Man muss offenbleiben und die Entwicklung unseres Sports betrachten. Und die Richter werden die Leistung beurteilen, ohne sich von der Wahl der Ausrüstung beeinflussen zu lassen. Das soll natürlich nicht heissen, dass ich Gebisse grundsätzlich als schädlich erachte! Ich bin nur der Meinung, dass wir diesbezüglich den Entwicklungen, die wir wahrnehmen, Rechnung tragen können.

Wir dürfen nicht sagen: «Das haben wir schon immer so gemacht und so wird es auch bleiben.»

Charles Trolliet, SVPS-Präsident

Man muss den Mut haben, gewisse Dinge infrage zu stellen, ohne dabei zu vergessen, dass wir in der Schweiz auf eine lange und schöne Pferdetradition zurückblicken können. Wir dürfen nicht sagen: «Das haben wir schon immer so gemacht und so wird es auch bleiben.» Unsere Strategie muss sein, uns genau umzusehen und die Veränderungen auf allen Ebenen zu analysieren, um zu beurteilen, welche Auswirkungen sie auf uns haben können, und reflektierte Entscheidungen zu treffen. Man muss die Dinge nicht um jeden Preis ändern, aber wir müssen wissen, weshalb wir sie nicht ändern. Wir müssen unsere Kräfte auf allen Ebenen bündeln, vom SVPS über die Mitgliederverbände bis hin zu den Reitvereinen und den Reitern. Jeder muss sich in seinem Wirkungskreis dafür einsetzen, den Pferden und dem Pferdesport in der Gesellschaft von morgen einen Platz zu sichern.

Das Gespräch führte
Cornelia Heimgartner

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