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Fit und gesund in die Turniersaison starten - ein Überblick

14 Mai 2019 10:00

Nach dem Winter kommt der Frühling, und nach der Winterpause und der Winterarbeit beginnt die Turniersaison. Endlich wieder raus, endlich wieder frische Luft, grünes Gras und endlich wieder an Wettkämpfen starten. Doch wie bereite ich mein Pferd optimal auf die Saison vor? Das ISME Institut Suisse de Médecine Equine in Avenches hat sich anlässlich seiner Vortrags- und Diskussionsreihe «Equitalk» dieses spannenden und vielfältigen Themas angenommen.

Rund 40 interessierte Pferdebegeisterte aus den verschiedensten Sparten und Disziplinen fanden Ende März den Weg nach Avenches an den Vortrag «Wie bereite ich mein Pferd optimal für die Turniersaison vor?». Ein grosses Thema, das sich in diverse Unterthemen aufteilen lässt. Ziel war es, einen ersten Überblick zu schaffen, um dann später in weiteren «Equitalks» in die Tiefe zu gehen.

Reglemente geben den Rahmen vor

Um gute Leistungen vollbringen zu können, spielen viele Faktoren mit. Nicht zu vergessen sind ethische Gesichtspunkte, Gesetze, Verordnungen und Reglemente. Diese geben den Rahmen für den Pferdesport vor. Themen wie die Aufsicht auf den Abreiteplätzen, Rollkur, Blutregel oder auch aktuelle Themen wie Hinterbeingamaschen und Gebiss- und Nasenbandregeln wurden von Dominik Burger, Tierarzt am ISME und Equipenchef Concours Complet des Schweizerischen Verbands für Pferdesport, aufgenommen und kurz erläutert.

Eigene Wahrnehmung schulen

Alessandra Ramseyer, ebenfalls Tierärztin am ISME und ehemalige Teamveterinärin Endurance des SVPS, sprach über Gesundheitsaspekte des Athleten Pferd. Sie empfiehlt regelmässige Gesundheitschecks, die jeder selber durchführen kann. «Einmal pro Woche sollte jeder Reiter sein Pferd auf der Geraden hin- und hertraben sowie auf dem Zirkel auf beiden Händen», sagt sie. Es gebe einfach mehr Behandlungsmöglichkeiten, wenn man eine Lahmheit frühzeitig erkenne. Es empfiehlt sich zudem, ein Tagebuch der Aktivitäten zu führen, damit Unregelmässigkeiten früh erkannt werden. Es gehe darum, die eigene Wahrnehmung zu schulen: Wie kommt mein Pferd heute aus der Boxe? Wie frisst es? Wie ist sein Trainingszustand? Gibt es Auffälligkeiten betreffend Sehnen, Bänder oder Muskeln? Sind die Beine heiss? «Eine Verletzung an der Sehne ist nicht unbedingt gleich mit Lahmheit verbunden», erklärt Alessandra Ramseyer weiter. Unregelmässigkeiten, unabhängig davon, ob der Bewegungs- oder der Verdauungsapparat betroffen ist, solle man ernst nehmen, ohne dabei gleich das Schlimmste zu befürchten.

Es wurde zudem betont, dass nicht nur das Pferd gesund sein soll, sondern auch der Reiter auf seine physische und mentale Gesundheit achten und diese pflegen soll.

Im Handel werden diverse Ergänzungsfuttermittel angeboten. Prüfen Sie vor dem Wettkampf, ob sie dopingrelevant sind. Im Handel werden diverse Ergänzungsfuttermittel angeboten. Prüfen Sie vor dem Wettkampf, ob sie dopingrelevant sind. Foto: N. Basieux

Ohne Huf kein Pferd

Zu einer guten Saisonvorbereitung gehört auch der optimale Hufbeschlag - ohne Huf kein Pferd. Was ein wenig nach Floskel tönt, sollte man unbedingt ernst nehmen, empfiehlt Alessandra Ramseyer, und am besten mache man auch mal Röntgenaufnahmen von den Hufen für den Hufschmied. Das A und O für Turnierpferde ist die Planung des Beschlagstermins: Man sollte zehn bis vierzehn Tage vor dem Wettkampf beschlagen lassen. Der Beschlag wird nicht zuletzt beeinflusst vom Boden, von der Distanz und der Geschwindigkeit, zum Beispiel bei Endurance-Pferden. Auch muss sich der Reiter im Vorfeld überlegen, ob sein Pferd eventuell eine Sohle und Eisen mit Stollenlöchern braucht.

Pferdepass und Impfungen

Um an Turnieren starten zu können, muss der Pferdepass gültig und unterschrieben und es müssen alle Impfungen korrekt durchgeführt und im Pass eingetragen sein. Pferde, die nach dem 1. Januar 2013 geboren wurden, brauchen für Influenza drei Impfungen für die Grundimmunisierung. Gegen Tetanus sollte alle zwei bis drei Jahre geimpft werden. Auch gegen Herpes kann man sein Pferd impfen lassen, dies empfiehlt sich vor allem, wenn Pferde viel reisen. Eine Impfung alle sechs Monate gewährt einen besseren Schutz. Gegen Druse könnte man auch impfen, allerdings ist in der Schweiz kein Impfstoff erlaubt. Und immer häufiger kommen neue Krankheiten in unsere Breitengrade, wie zum Beispiel das West-Nil-Virus - auch dagegen gibt es einen Impfstoff, der einen guten Schutz gewährleistet. Wichtig im Zusammenhang mit ansteckenden Krankheiten sind die Information und die Hygiene.

Auch ein Sportpferd kann von Parasiten befallen werden. Darum muss unbedingt einmal im Jahr entwurmt werden, die weiteren Male reicht es, wenn man eine Kotkontrolle machen lässt und nicht jedes Mal systematisch entwurmt.

Heutzutage werden zum Beispiel in der Disziplin Concours Complet vorwiegend Schraubstollen verwendet. Heutzutage werden zum Beispiel in der Disziplin Concours Complet vorwiegend Schraubstollen verwendet. Foto: N. Basieux

Wenns auf den Magen schlägt

Etwas, das man beim vierbeinigen Athleten Pferd immer wieder mal antrifft, sind Magengeschwüre. Symptome sind Gewichtsverlust, mangelnder Appetit, schlechte Leistungen, Rittigkeitsprobleme sowie leichte wiederkehrende Koliken. Was kann man hier unternehmen? «Die Fütterung anpassen, also viel Heu ganztags, wenig Kurzfutter, allenfalls Öl und/oder Luzerne füttern, Sozialkontakt gewährleisten, Tränken auf Weide und Paddock installieren und während des Transports immer wieder Wasser anbieten», rät die Tierärztin Alessandra Ramseyer. Natürlich sollte man das Pferd regelmässig kontrollieren, immer wieder auch Wettkampfpausen einlegen, für eine gute Wettkampfvorbereitung sorgen, in diesem Fall vor allem genügend Zeit für den Transport und die Erholung danach einrechnen. Ganz allgemein gilt es, den Stresslevel für das Pferd so niedrig wie möglich zu halten. Magengeschwüre gehören je nach Schweregrad behandelt, und mit dem Wirkstoff Omeprazol kann man in der Wettkampfzeit auch vorbeugen, da dieser nicht als Doping gilt - ausser im Rennsport. Ebenfalls wichtig beim Gesundheitsmanagement des Leistungssportlers ist die jährliche Zahnkontrolle.

Vorsicht bei Medikamenten und Ergänzungsfuttermitteln

Beim Thema Gesundheit sind auch Medikamente und Behandlungen nicht weit. Und hier heisst es bei aktiven Sportpferden aufzupassen, denn sonst kann eine Dopingkontrolle sehr schnell ins Auge gehen und positiv ausfallen. Damit das nicht geschieht, muss man den behandelnden Tierarzt immer vor der Behandlung informieren, wann der nächste Start geplant ist. Weiter müsse die Stallapotheke unbedingt auf verbotene Substanzen kontrolliert werden, so Tierarzt Dominik Burger. «Gerade Cremes oder auch andere Präparate aus der Humanmedizin enthalten oft Stoffe, die bei Pferden in vielen Fällen verboten sind.» Es werden zwei Klassen unterschieden: 1. «Controlled medication substances», also Substanzen, die bei üblichen tierärztlichen Therapien eingesetzt werden, und 2. «Banned substances», auf Deutsch verbotene Substanzen, die nichts mit der Pferdemedizin zu tun haben und dementsprechend viel strenger geahndet werden. Mittels einer Applikation der FEI können verbotene Substanzen und Medikamente abgefragt werden: www.feicleansport.org. Vorsicht gilt auch bei den jeweiligen Detektionszeiten oder Eliminationszeiten, denn jedes Pferd reagiert und baut individuell ab. Immer mehr Dopingfälle in den letzten Jahren konnten auf Futtermittelkontaminationen zurückgeführt werden. Auch bei Ergänzungsfuttermitteln muss man immer kontrollieren, dass keine verbotenen Substanzen enthalten sind.

Beim Vortraben kann man gut selber feststellen, ob der Gang regelmässig ist. Beim Vortraben kann man gut selber feststellen, ob der Gang regelmässig ist. Foto: N. Basieux

Management von Stuten im Sport

Viele Sportreiter haben eine «Hassliebe» zu Stuten. Denn Stuten werden unter anderem im Frühling und Sommer rossend, was zu Rittigkeitsproblemen führen kann. In diesen Fällen ist das Präparat «Regumate», ein Schwangerschaftshormon, das ab drei bis vier Tagen vor dem Wettkampf verabreicht wird, hilfreich. Dies wird relativ häufig verwendet. Im Rennsport ist es allerdings verboten. Vorsicht gilt bei der Hormonabgabe bei zukünftigen Zuchtstuten und auch, wenn das Hormon von Frauen verabreicht wird, denn Berührungen damit können auch Einfluss haben auf deren Zyklus.

Training gefährlicher als Wettkampf

In der Winterzeit empfiehlt es sich, erst an der Technik, Koordination und Mobilität zu feilen und dann erst die Fitness und Ausdauer auf- bzw. auszubauen. In der Regel ist das Training gefährlicher als der Wettkampf, was bedeutet, dass Verletzungen eher im oder wegen des Trainings als im Wettkampf vorkommen. Vorsicht ist auch geboten beim Vergleich zwischen Pferd und Humanathlet. Pausen sind beim Pferd sehr wichtig, und auch während längerer Pausen verliert das Pferd im Vergleich weniger an Kondition usw. als der Humanathlet. Das Training muss kontinuierlich gesteigert werden und sollte nicht kurzfristig von null auf hundert geschraubt werden. Neben Über- ist jedoch auch ein Untertraining zu vermeiden. Allgemeingültige Rezepte gibt es nicht. Jeder Reiter muss sich für sein Pferd ein individuelles Konzept erarbeiten und dabei physische und mentale Pausen für das Pferd vorsehen.

Auf Abwechslung setzen

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Training ist auch die Bodenbeschaffenheit und -qualität. So sind es - entgegen der allgemeinen Meinung - vor allem harte Böden, die in der Regel neben Läsionen an Knochen, Gelenken und Hufen für die gefürchteten Sehnenschäden verantwortlich sind. Bei tiefen Böden treten hingegen vermehrt muskuläre Probleme auf. Das Pferd wird dabei auch eher müde, lustlos und muss längere und langsamere Schritte nehmen. Tierarzt und CC-Equipenchef Dominik Burger empfiehlt im Allgemeinen ein möglichst variables Training auf unterschiedlichen Böden. Auch für die Psyche des Pferdes ist Abwechslung im Training sehr willkommen.

Planung ist das A und O: Spätestens zehn bis vierzehn Tage vor einem Wettkampf sollte das Pferd beschlagen werden. Planung ist das A und O: Spätestens zehn bis vierzehn Tage vor einem Wettkampf sollte das Pferd beschlagen werden. Foto: N. Basieux

Pflege über die Wintermonate

Wenn Pferde im Winter regelmässig gearbeitet werden, dann ist es von Vorteil, sie sofern möglich zu scheren und dann einzudecken. So riskiert man weniger, dass das Pferd nach dem Training mit nassem Fell in der Kälte steht und krank wird. Decken mit Halsteil sind für Pferde mit einer empfindlichen Halswirbelsäule und -muskulatur vorzuziehen. Nach dem Training sollen die Beine gekühlt werden, im täglichen Training mit Wasser, bei grösseren Anstrengungen auch mit Eis, Gels, Lehm oder Spezialgamaschen. «Crossgamaschen können bei gleichzeitiger Kühlung bis circa zwei Stunden nach der Geländeprüfung draufgelassen werden, um möglichen Schwellungen vorzubeugen», erklärt Dominik Burger. Bei Ruhebandagen würde er nach dem Prinzip «weniger ist mehr» verfahren: «Ich würde in der Regel wenn möglich keine Ruhebandagen anlegen.» Einzig bei grosser muskulärer Müdigkeit, beispielsweise nach einem Endurance-Rennen, ist dies wirklich angezeigt, oder bei anderen spezifischen Indikationen. Für Pferde, die regelmässig Wettkämpfe gehen, sorgen gewisse Infrastrukturen oder Materialien für eine willkommene Erholung wie Magnetdecken, Laser oder eine Solariumanlage.

Augen auf beim Gamaschenkauf

Im Pferdesport gibt es Modeerscheinungen, die kommen und gehen. Der Fachhandel bietet unzählige Hilfsmaterialien an - doch worauf muss man zum Beispiel beim Kauf von Gamaschen, Bandagen und Glocken achten? In erster Linie sollen Gamaschen die Beine im Allgemeinen und die Sehnen im Speziellen schützen. Dazu soll der Beinschutz möglichst leicht sein, eine gute Position am Bein haben, nicht rutschen, und es darf kein Dreck oder Sand reinkommen. Vor allem dürfen auch keine Druckstellen entstehen wegen Erhebungen an der Innenseite der Gamaschen oder wegen abschnürender bzw. weniger Verschlüsse. Zum Schutz der Sehne empfiehlt sich je nach Disziplin, auf eine entsprechende Verstärkung zu achten, die allerdings keine Druckstellen verursachen darf.

Schraubstollen bevorzugen

Werden Stollen benötigt, so sollen heute unbedingt solche zum Schrauben verwendet werden. Im Cross eines Concours Complet beispielsweise sollen die Stollen so klein wie möglich und so gross wie nötig sein. Man sollte dem Pferd bis zu einem gewissen Grad trotzdem noch ermöglichen zu rutschen, denn sonst wirken die ganzen Kräfte auf die Gelenke, Bänder und Sehnen. Für Wettkampfreiter ist zu empfehlen, Ersatzeisen mit Stollen vorzubereiten, damit diese bei Eisenverlust zum Beispiel auf dem Abreiteplatz sofort zur Hand sind.

Im Dschungel der Ergänzungsfuttermittel

Eine weitere Wissenschaft für sich ist die Fütterung. Diese müsse aber nicht zu kompliziert gemacht werden, warnt Tierarzt Dominik Burger. «Das Essenzielle bei der Fütterung ist gutes Heu.» Das Kraftfutter solle man noch komplettieren mit einfachem Kochsalz, zum Beispiel zweimal pro Woche je 30 Gramm. Ganz generell gilt, dass man Übergewicht vermeiden und nicht zu viel Proteine füttern soll. Schweizer Heu kann zum Teil zu reichhaltig sein, was das angeht. Allgemein gilt: Fette sind der bessere Energielieferant als Zucker. Ergänzungsfuttermittel empfiehlt er nur, wenn nötig. Je nach Defizit oder auch Einsatz des Sportpferdes können verschiedene zum Zug kommen. Für die Muskulatur können Reiskleie und/oder Öl, zum Beispiel Maisöl, verabreicht werden. Ist ein Pferd eher nervig und angespannt, so bietet sich die Abgabe von Magnesium, genauer noch Magnesiumhydrochlorid, an. Zur Stärkung des Nervengerüsts helfen neben Magnesium auch noch Tryptophan oder auch pflanzliche und homöopathische Mittel. Am Abend vor grosser Anstrengung und wenn ein Pferd stark schwitzen wird, können Elektrolyte verabreicht werden und dies allenfalls danach für weitere zwei bis drei Tage. Für den Bewegungsapparat unterstützend wirkt zum Beispiel Harpagophytum, auf Deutsch Teufelskralle. Hier ist Vorsicht geboten, denn diese muss ein bis zwei Tage vor dem Wettkampf abgesetzt werden. Für ein gutes Hufwachstum kann Biotin zugefüttert werden, wobei man hier beachten muss, dass ein Effekt erst einige Monate später ersichtlich wird.

Nicole Basieux

Keinen «Equitalk» verpassen – und sein Französisch ­auffrischen 
Die nächsten «Equitalks» unter anderem zu den Themen Training, Rücken, Magengeschwüre, Infektionskrankheiten, Reproduktion, Embryotransfer usw. werden jeweils auf Facebook angekündigt: www.facebook.com/ismevet
Der «Equitalk» findet in französischer Sprache statt.

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