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Dossier: Pferdewissenschaften

Gesunde Schweizer Warmblutpferde

07 März 2022 08:00

Die Zucht eines gesunden Pferdes stellt eine Grundvoraussetzung für optimale Leistung und Leistungsbereitschaft dar. Dies wird auch im Zuchtziel des Schweizer Warmblutpferdes spezifisch festgehalten und soll durch eine strenge Auswahl der Hengste erreicht werden. Um die Gesundheit mittels züchterischer Massnahmen weiter und gezielt verbessern zu können, muss jedoch zuerst der aktuelle Zustand der Population bekannt sein.

Jedes Pferd absolviert am Feldtest eine Eingangskontrolle. | © Katja Stuppia Jedes Pferd absolviert am Feldtest eine Eingangskontrolle. | © Katja Stuppia

Dies war das Ziel der Studie «Auftreten gesundheitlicher Probleme beim Schweizer Warmblutpferd mittleren Alters». Mittels einer telefonischen Umfrage wurden Daten zum Gesundheitszustand der Schweizer Warmblutpferde mittleren Alters während ihres bisherigen Lebens gesammelt und aufbereitet. Anschliessend wurde die Erblichkeit (Heritabilität) der häufigsten Gesundheitsprobleme berechnet, um zu eruieren, zu welchem Teil eine multifaktoriell beeinflusste Eigenschaft erblich bedingt ist. Das Auftreten der meisten Erkrankungen hängt nämlich zwar stark von Umwelteinflüssen (Haltung, Nutzung usw.) ab, eine genetische Veranlagung kann deren Auftreten aber begünstigen.

Das Freispringen am Feldtest. | © Katja Stuppia Das Freispringen am Feldtest. | © Katja Stuppia

Lahmheit, Kolik und Sarkoide

Insgesamt konnten zwischen 2016 und 2018 Daten zu 1861 Pferden erhoben werden. Die Studie gehört damit wohl zu den grössten erhobenen Datensätzen zum Gesundheitszustand beim Pferd in der Schweiz. Die Pferde waren zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 6 und 16 Jahre alt, da diese Altersgruppe einen wesentlichen Teil der Population ausmacht. Lahmheit (34%), Kolik (22%), Sarkoide (19%) und Mauke (16%) waren die am häufigsten vorkommenden Gesundheitsprobleme, gefolgt von Rückenproblemen (13%), Husten (10%), Nesselfieber (10%), Kotwasser (9%), Nasenausfluss (8%) und Sommerekzem (4%).

Beinahe ein Fünftel der in die Studie miteinbezogenen Pferde litt im Verlauf ihres Lebens unter Sarkoiden. | © Institut suisse de médecine équine (ISME) Beinahe ein Fünftel der in die Studie miteinbezogenen Pferde litt im Verlauf ihres Lebens unter Sarkoiden. | © Institut suisse de médecine équine (ISME)

Das Sommerekzem wurde bei 4% der Studienpferde festgestellt. | © Institut suisse de médecine équine (ISME) Das Sommerekzem wurde bei 4% der Studienpferde festgestellt. | © Institut suisse de médecine équine (ISME)

Bezüglich des Vorkommens von Koliken ist bemerkenswert, dass gut ein Viertel der betroffenen Pferde bereits einmal an einer Klinik behandelt wurde, und 8% davon wurden sogar operiert. Beinahe ein Fünftel der in die Studie miteinbezogenen Pferde litt im Verlauf ihres Lebens unter Sarkoiden. Dies zeigt die Bedeutung dieses Hauttumors in der Population des Schweizer Warmblutpferdes auf. Obwohl die Erkrankung nicht tödlich verläuft, kann sie die Nutzung und das Wohlbefinden eines Pferdes beträchtlich einschränken und geht mit einer Wertminderung einher. Bei etwas mehr als der Hälfte der Pferde (58%), die keine Sarkoidtherapie erhielten, verbesserte sich der Zustand, und die Sarkoide wurden kleiner, weniger oder verschwanden sogar ganz. Mit Behandlung konnte bei 89% der in unserer Studie berücksichtigten Fälle eine Verbesserung erzielt werden, wodurch ein statistisch deutlicher Zusammenhang zwischen Therapie und Verbesserung der Sarkoidsituation bestand. Das Geschlecht hatte einen statistisch erwiesenen Einfluss auf das Auftreten von Kotwasser: Männliche Tiere waren hiervon fast doppelt so häufig betroffen wie weibliche.

An der Körung werden alle Hengste auf hartem Boden vorgetrabt. | ©  Katja Stuppia An der Körung werden alle Hengste auf hartem Boden vorgetrabt. | © Katja Stuppia

Genetische Komponente gering

Die Heritabilitäten (Erblichkeit) der Gesundheitsmerkmale waren allesamt niedrig. Dies lässt vermuten, dass die genetische Komponente bei den meisten Erkrankungen beim Schweizer Warmblutpferd derzeit eine untergeordnete Rolle spielt und deren Auftreten vielmehr mit der Ernährung, Haltung, Aufzucht und dem Training im Zusammenhang steht. Einzig beim Sarkoid lag sie etwas höher, was das Vorliegen einer genetisch verankerten Anfälligkeit für diese Hauterkrankung weiter erhärtet.

Vinzenz Gerber
Vetsuisse-Fakultät
Universität Bern

Sehr wertvolle Studie!

Die Zucht eines gesunden Sportpferds ist ein zentraler Aspekt im Zuchtziel des Zuchtverbandes CH-Sportpferde (ZVCH). Um auch in diesem Merkmal erfolgreich züchten zu können, müssen die Selektionsmassnahmen korrekt definiert und ihre Effizienz regelmässig überprüft werden. Grundlage dafür ist ein gutes Monitoring der gesamten Population in allen für die Nutzung relevanten Altersklassen.

Mit der vorliegenden Studie ist dem ISME Clinique Avenches und Pferdeklinik Bern mit der Doktorarbeit von N. Altermatt am eine sehr aussagekräftige Untersuchung zum aktuellen Gesundheitszustand beim Schweizer Warmblutpferd gelungen. Dabei stellt die vorliegende Arbeit eine Fortsetzung der Gesundheitsanalyse unserer 3-jährigen Feldtestpferde (Lauper et al.) dar. Sie ist deshalb so wertvoll, weil sie die Lebensperiode berücksichtigt, in der ein Sportpferd sehr intensiv genutzt wird. Dieser Lebensabschnitt ist eigentlich das Ziel aller Bemühungen eines Züchters: ein gesundes Pferd, das Leistungen auf höchstem Niveau im Sport erbringt und ein funktionelles und ästhetisches Exterieur besitzt.

Dies war das Ziel der Studie «Auftreten gesundheitlicher Probleme beim Schweizer Warmblutpferd mittleren Alters». Mittels einer telefonischen Umfrage wurden Daten zum Gesundheitszustand der Schweizer Warmblutpferde mittleren Alters während ihres bisherigen Lebens gesammelt und aufbereitet. Anschliessend wurde die Erblichkeit (Heritabilität) der häufigsten Gesundheitsprobleme berechnet, um zu eruieren, zu welchem Teil eine multifaktoriell beeinflusste Eigenschaft erblich bedingt ist. Das Auftreten der meisten Erkrankungen hängt nämlich zwar stark von Umwelteinflüssen (Haltung, Nutzung usw.) ab, eine genetische Veranlagung kann deren Auftreten aber begünstigen.

Anja Lüth
Geschäftsführerin und Leiterin Herdebuch ZVCH

Zur Eingangskontrolle gehört auch die Kontrolle auf Über- oder Unterbiss. | © Katja Stuppia Zur Eingangskontrolle gehört auch die Kontrolle auf Über- oder Unterbiss. | © Katja Stuppia

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