Mit Beginn der Turniersaison werden auch die Trainings der Reiterinnen und Reiter intensiver. Ob Amateur oder Profi, ihre Rücken sind dauernd starken Belastungen ausgesetzt. Wie erkennt man die ersten Warnsignale, bevor es zu Schmerzen kommt, und wie kann man sich Gutes tun?
Über 80% der Reiterinnen und Reiter geben an, unter wiederkehrenden Rückenschmerzen zu leiden. Foto: E. Loria
Biomechanik des Reiters
Oftmals lassen sich im Rücken des Reiters dieselben Asymmetrien feststellen wie bei seinem Pferd, auch wenn der Reiter stets bemüht ist, dem Pferd das Leben möglichst angenehm zu machen. Doch Reiten ist ein anspruchsvoller Sport, wenn es darum geht, das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Leistungsbereitschaft des Pferdes aufrechtzuerhalten. Es liegt in der Verantwortung des Reiters, seine körperliche Fitness immer im Auge zu behalten.
Nackenschmerzen, Schulterverletzung, Wirbelsäulenverkrümmung, Ischiasreizung oder zu straffer Lendenmuskel (Psoas) - der Körper des Reiters wird auf dem Pferd bei jeder Bewegung stark beansprucht. Die genannten Beschwerden trifft man leider immer häufiger an, unabhängig von Alter und Niveau.
Die Haltung des Reiters variiert zudem je nach Disziplin, und oft wird mit unterschiedlich langen Steigbügeln geritten. Solche kleinen Fehler haben grosse Auswirkungen auf das Gleichgewicht und die Haltung des Reiters, was im Pferderücken wiederum zu Ungleichgewichten mit schwerwiegenden Konsequenzen führen kann.
Der Rücken, unser Körperstamm
Er verleiht uns Stabilität und Mobilität. Er dient als Achse der Kraftübertragung bei jeder unserer Bewegungen. Dennoch genügt eine Verletzung oder eine Normabweichung und schon treten verschiedene Beschwerden auf, sodass diese knöcherne Säule ins Wanken gerät. Für die Beweglichkeit spielen der Grosse Rückenmuskel und die Zwischenrippenmuskeln eine entscheidende Rolle - genauso wie der Trapezmuskel, der wohl am stärksten beanspruchte Muskel beim Reiten.
In einer Studie der Rheumaliga Schweiz aus dem Jahr 2017 gaben 48,6% der Frauen in der Schweiz an, unter Rückenschmerzen zu leiden. Am häufigsten wurden mit 81% Schmerzen im Lendenbereich genannt, gefolgt vom Nacken mit 75%, den Schultern mit 57% und dem mittleren Rücken mit 47% (Mehrfachnennungen möglich).
Eine epidemiologische Studie, die das Institut français du cheval et de l’équitation bei 258 Berufsreitern durchgeführt hat, untersuchte die Häufigkeit von Schmerzen im Lendenbereich, im mittleren Rücken und im Nacken sowie die entsprechenden Risikofaktoren. Berufsreiter sind hier ganz besonders exponiert, da sie häufig junge Pferde reiten, deren unvorhersehbaren Reaktionen zu wiederholten Stürzen führen. Hinsichtlich der Disziplinen sind sicher die Springreiter am stärksten betroffen: Verweigerungen vor dem Hindernis sind für den Reiterrücken eine enorme Belastung.
Ein schiefer Sitz kann Ursache oder Folge von Rückenproblemen bei Reiter und Pferd sein. Foto: S. Mumprecht
Verbreitetste Beschwerden
Kein Mensch und kein Tier ist völlig symmetrisch. Eine Körperseite ist immer stärker als die andere. Diese fehlende Gleichförmigkeit, die die Koordination zwischen Ober- und Unterkörper bestimmt, und die mangelnde Balance und Symmetrie zwischen der rechten und der linken Seite kann zu körperlich wahrnehmbaren Verformungen führen. Sie sind bei jedem Reiter individuell und von seiner Lebensgeschichte, seinen Verletzungen, seinen allfälligen Stürzen oder Unfällen aufgrund von punktuellen oder wiederholten körperlichen Betätigungen beeinflusst.
Es gibt zwei Arten von Asymmetrien: strukturelle und kompensatorische. Im ersten Fall führt die Asymmetrie zu einer diagonalen Kompensation der Muskeln, um den Körperbau wieder auszugleichen. Im zweiten Fall kann die Asymmetrie auch von einem externen Faktor ausgehen (schlecht sitzende Schuhe, ein Portemonnaie in der hinteren Hosentasche, ein einseitig stärker gepolsterter Sattel usw.), was den Körper dauerhaft oder kurzfristig aus dem Gleichgewicht bringt.
Nicht selten zeigt sich beim Pferd eine Fehlbemuskelung, um eine Asymmetrie des Reiters auszugleichen. Im Idealfall geht der Reiter mit der Unterstützung von Gesundheitsfachleuten der Ursache seiner Asymmetrien auf den Grund, um rasch die Symptome und zwingend auch die Wurzel des Problems zu beseitigen.
Ausgleichssport
Die Haltungsmuskeln, namentlich der Psoas und die paravertebrale Muskulatur, sind für den Reiter von enormer Bedeutung. Ist der Reiter nicht in der Lage, den Bewegungen seines Pferdes in jeder Gangart zu folgen, verspannen sich seine Muskeln und es kommt zu Muskelkrämpfen, Muskelkater oder Muskelfaserrissen. Leidet ein Berufsreiter unter anhaltendem Muskelkater, ist dies ein Alarmzeichen einer Überlastung.
Jeder Reiter muss die Anatomie, die Körperfunktionen und die Bewegungsabläufe seines eigenen Körpers und diejenigen des Körpers seines Pferdes kennen. Es kann sich auszahlen, sich zwischen zwei Turnierstarts Pausen zu gönnen, um eine alternative Sportart auszuüben. Schwimmen stärkt die tiefen Rückenmuskeln und entlastet die Gelenke, Fahrradfahren trainiert die unteren Gliedmassen und die Koordination. Diese Sportarten aktivieren die Körperwahrnehmung (Propriozeption) und kräftigen die Haltungsmuskeln des Reiters.
Die Abfolge der Yogaübung «Sonnengruss» eignet sich hervorragend, um rasch beweglicher und elastischer zu werden. Foto: E. Loria
Aufwärmen vor dem Reiten
Um deutliche und rasche Fortschritte zu erzielen, braucht es eine bessere Synergie zwischen dem Bewegungsverhalten des Pferdes und dem seines Reiters. Anhand von Beweglichkeitstest lässt sich gut nachvollziehen, welche Fortschritte man bei der Beweglichkeit und dem Bewegungsradius gemacht hat.
Zur Behandlung oder Prävention von Rückenbeschwerden steht jedoch nicht das Stretchingprogramm an erster Stelle, sondern Übungen zur Mobilisierung und zur Muskelkräftigung. Bei Schmerzen im unteren Rücken können gewisse Yogaübungen hilfreich sein. Insbesondere die Sonnengruss-Abfolge hat sich als sehr effizient erwiesen, um schrittweise die Muskeln im ganzen Körper zu dehnen, vom Rücken bis in die Beine, begleitet von einer tiefen und langsamen Atmung.
Das Ziel jeder Reiterin und jedes Reiters muss sein, stets nach Balance zu streben, um im Sattel mit dem Pferd zu verschmelzen.
Marie Debombourg,
Massagetherapeutin für Pferde und
Fachfrau für Posturologie