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«Guter Pferdesport – aber auch einiges, das zum Nachdenken anregt»

15 Oktober 2014 13:28

Für gute Stimmung sorgen ist auch eine der Aufgaben des Delegationsleiters Claude Nordmann. Für gute Stimmung sorgen ist auch eine der Aufgaben des Delegationsleiters Claude Nordmann.

Die Weltreiterspiele 2014 in der Normandie gehören nun der Geschichte an. Mit etwas zeitlichem und räumlichem Abstand zieht der Schweizerische Pferdesportverband SVPS eine allererste Bilanz – im Gespräch mit dem Delegationsleiter Claude Nordmann.

«Bulletin»: Claude Nordmann, Sie waren die beiden Wochen während den WEG hautnah dabei. Was ist Ihnen von dieser grossen Veranstaltung geblieben?
Wenn ich an die WEG zurückdenke, dann bleiben mir tolle Eindrücke von sehr schönem und gutem Pferdesport und einer sehr guten Stimmung. Für die Athleten und Offiziellen war der Anlass wirklich gelungen. Wie ihn die Zuschauer erlebt haben, ist wohl ein anderes Thema. Aber für die Teilnehmer waren die Wettkämpfe gut organisiert: Technische Aspekte wie zum Beispiel Bodenbeschaffenheiten und Infrastrukturen haben die Organisatoren optimal hinbekommen – trotz zum Teil widriger Wetterverhältnisse.
Aber es gab meiner Meinung nach auch ein paar negative Punkte, die geblieben sind: Allgemein waren zu viele Athleten in den verschiedenen Disziplinen am Start. Die Prüfungen wurden dadurch sehr lange und das Leistungsgefälle unter den verschiedenen Nationen war zum Teil gross – vielleicht sogar zu gross. In der Disziplin Dressur zum Beispiel waren 100 Paare am Start, das bedeutet acht Stunden Wettkämpfe pro Tag. Für Reiter und Richter ist das einfach zu viel. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn man vor den Weltreiterspielen kontinentale Qualifikationen durchführen würde, Letztere könnte man straffen, jedoch nicht so streng wie die Qualifikationskriterien für Olympische Sommerspiele.

Die Ausbeute der Schweizer Pferdesportler an den WEG in der Normandie waren drei Medaillen: Teambronze in Endurance, Einzelbronze Voltige Damen und Teamsilber Voltige. Sind Sie zufrieden?
Jein. Ich bin sehr zufrieden mit den Resultaten in den Disziplinen Endurance und Voltige. Diese waren eigentlich besser als erwartet. Unter den Erwartungen blieben die Disziplinen Springen, Fahren und auch Reining. 

Endurance und Voltige gehören ja eher zu den Rand-Pferdesportarten und sind somit nicht olympisch wie zum Beispiel Springen, Dressur oder Concours Complet. Warum haben es aber gerade die Schweizer Springreiter wider Erwarten nicht auf die vorderen Ränge geschafft?
Erst einmal vorneweg möchte ich sagen, dass sich die Disziplin Voltige in den letzten Jahren sehr stark entwickelt hat. Sie hat eine grosse Zukunft. Und in der Disziplin Endurance finden sich laut FEI die zweitmeisten Lizenzierten.
(nachdenklich) Auf Ihre Frage, warum beim Springen nicht mehr drin gelegen ist, kann auch ich nur Vermutungen anstellen. Die Stimmung im Team war gut und auch die Vorbereitungen liefen einwandfrei. 
Die Schweizer Equipe hatte sich auch an den WEG vor vier Jahren in Kentucky nicht von der besten Seite zeigen können. In Aachen 2006 erreichte sie aber den 5. Rang. Die Pferde haben häufig schon mehrere Turniere auf höchstem Niveau in dieser Saison absolviert und eine gewisse latente Müdigkeit ist doch beim einen oder andern Spitzenathleten zu spüren. Weiter haben wir in der Schweiz im Vergleich zum Beispiel zu Deutschland, den Niederlanden und Grossbritannien ein sehr kleines Reservoir an Pferden auf diesem Niveau. Mit dieser kleinen Anzahl muss man dann während der ganzen Saison optimal haushalten.

Was kostete die Expedition WEG den SVPS?
Die Abrechnung ist noch nicht vollendet. Wir können aber sagen, dass wir das Budget eingehalten haben. Dieses war auf 400 000 bis 500 000 Schweizer Franken veranschlagt. Der SVPS bildet jedes Jahr Rückstellungen, die dann für solche Grossanlässe eingesetzt werden können. Im Vergleich zu anderen Nationen kann die Schweiz aber leider nicht von einer sehr grossen finanziellen Hilfe seitens des Staates oder von Privatsponsoren zehren.

Immer wieder wird auch Kritik laut: Zu viel Geld für zu wenig Ertrag … zu viel Geld in den Haupt-Pferdesportarten Springen, Dressur und CC, aber zu wenig in den Randsportarten, welche jedoch an den diesjährigen WEG aus Schweizer Sicht definitiv bessere Resultate erbracht haben.
Wenn man einen Sport entwickeln möchte, dann braucht es zwingend eine Elite. Dann erst interessieren sich Sponsoren, die Geld investieren. Eine Elite kostet viel, sie bringt aber finanziell auch mehr als die Basis. Denn ohne Elite gibt es gar kein Geld. Darum muss eine Elite auch zwingend an Weltreiterspielen an den Start gehen. 
Was ist das Problem? Warum gibt es im Schweizer Pferdesport nur wenige Sponsoren, die sehr grosse Beträge zahlen?
Schauen wir mal nach Frankreich, Deutschland oder Grossbritannien. Im Vergleich zu der Schweiz ist die Pferdebranche in diesen Ländern enorm gross. Da fliesst viel Geld, sei es in der Zucht, im Rennsport, aber auch in anderen Disziplinen wie Springen oder Dressur. In Frankreich ist der Pferdesport an dritter Stelle, wenn man die Anzahl Lizenzierte zählt. In diesen drei Ländern gibt es jeweils mehr als eine Million Pferde – in der Schweiz sind es rund 100 000. Da die Pferdeindustrie in anderen Ländern einen riesigen Wirtschaftszweig ausmacht, ist die Unterstützung vom Staat auch wesentlich grösser. In Grossbritannien zum Beispiel kommt ein grosser Teil des Geldes aus der Lotterie. Auch hat Spitzensport im Allgemeinen in anderen Ländern häufig einen höheren Stellenwert als in der Schweiz.

Kommen wir zurück zu den WEG. Müssten in einzelnen Disziplinen die Selektionskriterien verschärft werden? Schärfer als die FEI-Qualifikationskriterien?
In den meisten Disziplinen kommen ja strengere Schweizer Qualifikationskriterien zum Einsatz, als es jene der FEI sind. Es war aber eine klare Strategie und Absicht des SVPS-Vorstandes, dass, wo es möglich und sportlich sinnvoll ist, die Schweiz mit einer Equipe an den Start gehen soll – da die Kosten dieses Jahr auch nicht so exorbitant hoch waren. Deshalb wurde vielleicht nicht überall streng genug selektioniert. Hier wird man für 2018 sicher nochmals über die Bücher gehen. Andererseits zeigt sich auch gerade im Beispiel Fahren, dass wie immer im Wettkampf auch an den WEG ein Quäntchen Glück dazu gehört: Aufgrund eines unglücklichen Sturzes im Marathon wurde der Vierspänner von Werner Ulrich eliminiert und der wesentlich tiefer eingeschätzte Toni Stofer konnte sich so vor ihm klassieren.
Aber es ist sicher unabdingbar, dass Reiter und Pferde im Vorfeld gute Resultate an internationalen Wettkämpfen erzielt haben. Dann müssen sie auf den Zeitpunkt der WEG oder auch anderer Championate topfit sein. Eine Selektion verlangt also eine frühzeitige Planung.

Genau diesen Fall hatte die Schweiz in der Disziplin Reining. Mehrere Reiter und ihre Pferde erfüllten zwar die FEI-Qualifikationskriterien, jedoch nicht die Selektionskriterien des SVPS. Trotz diesen strengeren Kriterien war für die Einzelreiterin aus der Schweiz nichts zu holen. Woran liegt das?
Die Disziplin Reining ist gerade erst wieder im Aufbau. Hier fehlt noch die Erfahrung. Und es wird nach dem Prinzip Qualität vor Quantität selektioniert. Dass Adrienne Speidel als Einzelreiterin an den Start gehen konnte, hatte unter anderem auch damit zu tun, dass der diesjährige Austragungsort vergleichsweise nahe war. Die Kosten hielten sich somit in Grenzen und die Erfahrung war es allemal wert. Das Gleiche gilt im Fahren: Für WEG in Übersee müssten die Fahrer jedoch in den Top 6 der Welt zu finden sein.

Wenn Sie in einem Satz die WEG 2014 zusammenfassen müssten, was würden Sie sagen als Fazit?
Ich sag’s in mehreren Sätzen:

  1. Die WEG 2014 waren sportlich grossartig.
  2. Wegen Problemen in der Organisation hat aber dieses Pferdefestival nicht ganz das gebracht, was es dem Pferdesport allgemein hätte bringen können. Und es war schade, waren die einzelnen Disziplinen nicht näher beieinander – so waren es zum Teil mehr Titelkämpfe pro Disziplin als Weltreiterspiele!
  3. Innerhalb der Schweizer Delegation war die Stimmung sehr positiv – das war toll!

In vier Jahren sind die Weltreiterspiele wieder auf dem amerikanischen Kontinent, im kanadischen Bromont bei Montreal. Was wünschen Sie sich für diese nächsten Spiele?
Ich wünsche mir, dass die FEI sich zu jeder Disziplin Gedanken für die nächsten WEG macht. Die FEI ist bereits dabei, die WEG in der Normandie zu analysieren. Ich wurde auch schon zu Gesprächen eingeladen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Im Springen ist die Anzahl Prüfungen in der kurzen Zeit einfach zu hoch. Da muss sich definitiv etwas ändern. Was die Dressur angeht, muss man die Qualifikationen überdenken. Klar ist es schön, möglichst viele Nationen an den WEG am Start zu haben – aber der Sport darf nicht darunter leiden. Und das tut er, wenn 100 Dressurreiter mit verschiedensten Niveaus an den Start gehen. Eine Lösung könnte, wie schon eingangs erwähnt, sein, kontinentale Qualifikationen zu organisieren. Auch in der Disziplin Fahren gibt es einiges zu überdenken: Ist es immer noch angebracht, nur Teams aus Vierspännern im Wettkampf zu haben? In Bromont werden so bestimmt nicht sehr viele Nationen dabei sein, da sie sich den eher teuren Transport nicht leisten können. Die Lösung wäre vielleicht, Teams mit je einem Ein-, Zwei- und Vierspänner zu bilden, was auch bereits vor den WEG in Kentucky diskutiert worden war.
Die Selektionskriterien werden aufgrund der zu erwartenden hohen Kosten sicherlich strenger.
Toll wird sein, dass wieder alle Disziplinen an einem Ort stattfinden. Was wiederum auch Probleme mit sich bringt, da jedenfalls im Moment noch wenig Infrastruktur, wie Hotels, zur Verfügung steht.

Nicole Basieux

Was sind die Aufgaben des Delegationsleiters? «Unvorhergesehenes vorsehen»

Die Aufgaben sind vielfältig und sie spielen sich im Hintergrund ab. Beim Delegationsleiter kommen alle Fäden zusammen: Logistik, Transport, Organisation, Sicherheit, Akkreditierungen, Zeitpläne etc. Für ihn sind die Testevents im Vorfeld von sehr grosser Bedeutung. Er und sein Team rekognoszieren Wettkampfgelände, Installationen und die nähere Umgebung. Denn: Für den grossen Anlass muss alles stimmen, damit sich die Athleten und ihre Teams wohl fühlen und so ihre Bestleistungen abrufen können. Der Delegationsleiter arbeitet mit einem ganzen Team von Leuten, die die ganze Delegation optimal vorbereiten. Er sorgt unter anderem dafür, dass vor Ort «gute Stimmung» vorherrscht.

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