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Dossier: Pferdewissenschaften

Gutes Training erfordert Wissen und ein gutes Gespür für den Athleten Pferd

24 Juni 2019 08:00

Ein bisschen Technik, ein bisschen Kondition, ein bisschen Ausreiten zum Ausgleich - das sind bestimmt Zutaten, die jedem Pferd im Training guttun. Doch wie genau trainiere ich mein Pferd am besten für seine Disziplin und für die bevorstehenden Aufgaben? Das Institut Suisse de Médecine Equine (ISME) in Avenches hat das Thema Pferdetraining anlässlich seiner Vortrags- und Diskussionsreihe «Equitalk» genauer unter die Lupe genommen.

Jede Disziplin verlangt den Pferden einiges ab, darum sollten sie stets bei guter Gesundheit und optimal vorbereitet in den Wettkampf starten. Jede Disziplin verlangt den Pferden einiges ab, darum sollten sie stets bei guter Gesundheit und optimal vorbereitet in den Wettkampf starten. (Foto: N. Basieux)

Nehmen wir einen Reiter und sein Pferd: Robin Godel, ein junger, talentierter Vielseitigkeitsreiter des Schweizer Elitekaders, und sein vierbeiniger Star Grandeur de Lully CH. Das Paar hat sich in den vergangenen zwei Jahren auf höchstes Niveau katapultiert, startete im vergangenen Jahr an den Weltreiterspielen in Tryon (USA) und ritt dieses Jahr bereits zwei starke 4*-Cross in der Zeitvorgabe. Solche Ziele erreicht man nicht von heute auf morgen, und da steckt richtig viel Arbeit und auch Wissen dahinter. Das demonstrierte dieses Paar unter der Anleitung von Dominik Burger, ISME-Veterinär sowie Disziplintierarzt und Equipenchef Elite Concours Complet des Schweizerischen Verbands für Pferdesport (SVPS), und Alessandra Ramseyer, Tierärztin am ISME Avenches. Doch was wissen wir überhaupt über das Training von Pferden? Vieles ist sogenanntes empirisches Know-how, also Erfahrungswerte. Diese stimmen jedoch nicht zwingend mit den Forschungsergebnissen aus dem Bereich der Leistungsphysiologie überein.
 

Trainingsziele

Als Training bezeichnet man die körperliche und mentale Vorbereitung auf eine sportliche Leistung unter Berücksichtigung des Individuums. Das Training soll zielorientiert (Trainings- und Wettkampfziel), strukturiert (Trainingsplanung und -inhalte), systematisch (Trainingsmethoden), kontrolliert (Leistungsdiagnostik) und gesteuert (Trainingssteuerung) sein.

Durch das Training soll eine bestimmte Leistung erzielt werden - doch wie setzt sich Leistung überhaupt zusammen? Zum einen ist da die Leistungskapazität und zum anderen der Leistungswille des Pferdes. Ohne Letzteren ist auch mit den besten Voraussetzungen bei einem Pferd nichts zu machen. Die Trainierbarkeit eines Pferdes ist in der Regel relativ beschränkt, und Typ und Veranlagung des Pferdes sind zu berücksichtigen. Dazu gehören unter anderem dessen Konstitution, Gesundheit, Genetik, Geschlecht, Charakter und Alter. Trainingszweck sind eine Leistungssteigerung, grössere Ausdauer, mehr Muskelkraft, zunehmende Schnelligkeit sowie die körperliche und mentale Vorbereitung für einen sportlichen Wettkampf, die Optimierung der neuromuskulären Koordination und nicht zu vergessen die Beibehaltung oder sogar Steigerung der Motivation. Training dient somit auch der Prävention von Verletzungen und der Gesunderhaltung.

Ganz grundsätzlich müssen folgende Punkte beachtet werden: Im Training passieren mehr Zwischenfälle als am Wettkampf, individuelle Konzepte sind vermeintlich allgemeingültigen Rezepten vorzuziehen, Vorsicht vor Übertraining, unbedingt genügend Zeit für Erholung einplanen.
 

Basistraining ist das A und O

Mit jungen oder noch untrainierten Pferden gilt es, zunächst an der allgemeinen Fitness zu arbeiten - man spricht von Basistraining oder Pretraining. Dieses soll vor allem die Ausdauer, die Koordination und die Beweglichkeit fördern. Ist eine gute Basis vorhanden, kann mit dem spezialisierten Training begonnen werden. Hierzu gehören spezifische Trainingsmethoden wie das Konditionstraining, um Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit zu verbessern. Weiter gibt es unspezifische Trainingsmethoden oder auch technisches Training, das auf die Psyche, die Strukturen (Beweglichkeit) und die Steuerung (Koordination, Körperhaltung und Gleichgewicht) wirkt. Trainings für die Psyche sollen zum einen die Motivation fördern und zum anderen gegenüber Umwelteinflüssen desensibilisieren. Für die Koordination und Beweglichkeit sind hierzu vor allem Volten, Übergänge, unterschiedliche Böden, Seitengänge und Gymnastizierungsübungen zu empfehlen.

Um Fortschritte oder Probleme zu eruieren, lohnt es sich, Trainingskontrollen durchzuführen, wie zum Beispiel diese hier mittels Laktatmessung nach einem Galopptraining. Um Fortschritte oder Probleme zu eruieren, lohnt es sich, Trainingskontrollen durchzuführen, wie zum Beispiel diese hier mittels Laktatmessung nach einem Galopptraining. (Foto: N. Basieux)

Reize setzen

Bei den spezifischen Trainingsmethoden geht es vor allem um das eigentliche Konditionstraining, wobei wiederholt funktionelle Reize gesetzt werden müssen. Damit sollen körperliche Funktionen angepasst und ökonomisiert werden, was sich im Endeffekt in einer Leistungssteigerung äussert. Je nach Arbeit und Anstrengung, die das Pferd verrichten soll, muss ein gewisses Mass an Energie für die Muskelarbeit bereitgestellt werden, das sich je nach Disziplin stark unterscheidet. Muss das Pferd über eine kurze Zeit Höchstleistungen erbringen, so wird im anaeroben Bereich trainiert, also im Bereich, in dem Energie ohne Sauerstoff zur Verfügung gestellt werden muss. Je mehr die verlangte Leistung in Richtung Ausdauer geht, desto mehr wird im aeroben Bereich gearbeitet, in dem Energie dank Sauerstoffzufuhr verfügbar gemacht wird. Solches aerobes Training ist also Dauerleistungstraining, hierfür eignen sich 1-Stufen-Belastungen wie auch Intervalltraining, was vor allem auf Herz, Lunge und Muskulatur wirkt. Beim anaeroben Training geht es um Schnelligkeits- und Krafttraining, was in erster Linie die Muskulatur beansprucht. Der jeweilige Anteil der verschiedenen Trainingsmethoden, also ob nun aerob oder anaerob trainiert wird, hängt von der Disziplin, dem Alter und dem Typ des Pferdes sowie von dessen Möglichkeiten ab.
 

Zeit und Geduld für Nachhaltigkeit

Optimales Training und der Aufbau von Pferden für den Spitzensport brauchen Zeit und Geduld. Nicht selten verschwinden sechs- und siebenjährige Pferde, die bereits in jungen Jahren im Spitzensport eingesetzt werden, wieder von der Bildfläche. Ein Endurancepferd braucht beispielsweise einen Aufbau von mindestens vier Jahren, um sein erstes Rennen auf Zeit in Angriff zu nehmen. Nur mit einem überlegten und sorgfältigen Aufbau können Pferde auch langfristig gesund und mit der gewünschten Nachhaltigkeit sowie bis ins fortgeschrittene Alter im Sport eingesetzt werden.

Auch die standardisierte Messung der Herzfrequenz kann ein guter Indikator sein, wie fit das Pferd ist. Auch die standardisierte Messung der Herzfrequenz kann ein guter Indikator sein, wie fit das Pferd ist. (Foto: N. Basieux)

Trainingsergebnisse kontrollieren

Damit man weiss, ob das Training auch wirklich die optimalen Ergebnisse bringt, plant man am besten Trainingskontrollen. Dies können Leistungstests, wie zum Beispiel Laktatmessungen, oder aber ganz simple Messungen sein, die jeder machen kann. Ein interessanter Parameter ist die Erholungspulsfrequenz, die man immer im gleichen Abstand nach der Arbeit oder dem Wettkampf, zum Beispiel fünf Minuten nach einem standardisierten Training, nimmt und so vergleichen kann. Ebenfalls interessant und aussagekräftig etwa bei Übertraining ist die Ruhepulsfrequenz. Ganz allgemein sollte ein jeder Reiter seine Wahrnehmung schulen und sein Pferd gut beobachten. So können gesundheitliche Unregelmässigkeiten früh erkannt, abgeklärt und allenfalls behandelt werden.

Nicole Basieux

Trainingsgrundsätze zusammengefasst:
– allgemeines vor spezifischem Ausdauertraining (Pretraining - Training)
– geplante periodisierte Belastungssteigerung
– Steigerung von Frequenz und Dauer vor Intensitätssteigerung der Trainings
– Vorsicht vor Übertraining
– Erholung einplanen
– individuelles Konzept erarbeiten

Ziel: individuelles Trainingsprogramm:
– Bestimmung Saisonziel(e)
– Saisonplanung inkl. (Aufbau, Wettkämpfe, Erholung und Regeneration)

Trainingsplan:
– technisches Training
– Herz-Kreislauf-Training (1-Stufen-Belastungen vs. Intervalltraining)
– Kraft-/Schnelligkeitstraining
– Erholung

Protokollierung aller Aktivitäten:
– Trainings
– Wettkämpfe
– Trainingskontrollen
– Vet-Checks/Management

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