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Dossier: Tierschutz & Ethik

Humandoping im Pferdesport geht alle an!

21 April 2023 16:00

Auch frei verkäufliche Medikamente können dopingrelevant sein. | © Canva Auch frei verkäufliche Medikamente können dopingrelevant sein. | © Canva

Anna ist in ihrer Freizeit begeisterte Reiterin, leidet aber seit ihrer Kindheit an ADHS und benötigt regelmässig Ritalin. Auch Daniel ist im Sattel kaum zu bremsen und hat nun den Sprung ins Elite-Kader geschafft, ist aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung jedoch auf Insulin angewiesen. Beide mussten sich an ihrem ersten Turnierstart überraschend einer Dopingkontrolle unterziehen. Ob das gut geht…?

Wenn Athletinnen und Athleten sich verletzen oder erkranken, müssen Medikamente mit Bedacht gewählt werden. Dies gilt nicht nur für den Leistungssport, sondern auch für den Breitensport. Wer einem Verein angeschlossen ist und eine Lizenz oder ein Brevet des Schweizerischen Verbands für Pferdesport (SVPS) aktiviert hat, untersteht automatisch den Anti-Doping-Bestimmungen von Swiss Olympic.

 

Doping – auch frei verkäuflich

Es ist schneller passiert, als man meint, und schon wird man unbeabsichtigt zum Dopingsünder. Auch wenn man auf den ersten Blick nicht denken würde, dass ein bestimmtes Medikament leistungsfördernd ist, kann es verbotene Substanzen enthalten. Selbst wenn ein Produkt beispielsweise in Apotheken oder Drogerien frei verkäuflich ist, wie beispielsweise gewisse Mittel gegen Pollenallergie oder Grippe- und Erkältungsmedikamente, muss ihr Dopingstatus im Einzelfall immer geprüft werden. Bei einer positiven Dopingprobe ist die Athletin bzw. der Athlet allein verantwortlich für den Befund und die entsprechenden Konsequenzen.

Dopingkontrollen können bei Athletinnen und Athleten jeden Alters und zu jeder Tages- und Nachtzeit durchgeführt werden. Es wird unterschieden, ob es sich um Dopingkontrollen «im Wettkampf» oder «ausserhalb des Wettkampfes» handelt, wobei «im Wettkampf» den Zeitraum von 23.59 Uhr am Tag vor einem Wettkampf bis zum Ende dieses Wettkampfes und eine allfällige Dopingkontrolle im Anschluss an den Wettkampf umfasst. Ausserhalb dieses Zeitfensters gelten Dopingkontrollen als «ausserhalb des Wettkampfs». Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil «im Wettkampf» mehr Substanzen verboten sind.

 

Eine einfache App gibt Sicherheit

Selbstverständlich soll jede Athletin und jeder Athlet im Bedarfsfall die nötige medizinische Behandlung erhalten. Wichtig dabei ist jedoch, dass der Dopingstatus der empfohlenen Medikamente geprüft wird und – falls diese im Wettkampf oder auch im Training verboten sind – auf erlaubte Alternativen ausgewichen wird. Zu diesem Zweck hat die Stiftung Swiss Sport Integrity (SSI), die unter anderem für Dopingkontrollen und -prävention in der Schweiz zuständig ist, die App «Medi Check Global DRO» entwickelt, welche die Abfrage des Dopingstatus von Medikamenten zum Kinderspiel macht. Aber auch über die SSI-Website ist eine Medikamentenabfrage jederzeit möglich.

Ausserdem führt SSI eine sogenannte «Liste erlaubter Arzneimittel (frei verkäuflich) bei banalen Erkrankungen», auf welcher Medikamente aufgeführt werden, die in Apotheken und Drogerien nach Beratung ohne Rezept erhältlich sind. Es handelt sich um eine nicht abschliessende Auswahl von erlaubten Medikamenten.

Jede Athletin und jeder Athlet ist alleine dafür verantwortlich, dass er kein Mittel einnimmt, das bei einer Dopingkontrolle problematisch sein könnte. Auch bei einer Beratung in der Drogerie oder Apotheke oder im Rahmen einer Behandlung durch medizinische Fachpersonen lohnt es sich, den Dopingstatus der Mittel und Medikamente anzusprechen.

Auch Medikamente, die man bereits in der Hausapotheke stehen hat und früher problemlos einnehmen konnte, sollten vor einer erneuten Anwendung nochmals mit «Medi Check» geprüft werden, insbesondere nach einem Jahreswechsel. Denn der Dopingstatus eines Medikaments kann jeweils per 1. Januar angepasst werden.

Und noch ein kleiner Tipp bei Auslandstarts: Wer seine erlaubten Medikamente von zu Hause mitnimmt, ist auf der sicheren Seite! Nicht alle Medikamente, die in der Schweiz und im Ausland denselben Namen tragen, enthalten exakt dieselben Wirkstoffe, und sie können sich daher bezüglich ihres Dopingstatus unterscheiden.

Eine einfache App gibt Sicherheit in Dopingfragen | © SVPS Eine einfache App gibt Sicherheit in Dopingfragen | © SVPS

Ausnahmebewilligungen zu therapeutischen Zwecken

Bei gewissen Erkrankungen oder Verletzungen gibt es keine erlaubten alternativen Therapiemöglichkeiten, und eine Athletin oder ein Athlet muss aus gesundheitlichen Gründen verbotene Medikamente einnehmen. Beispiele hierfür sind unter anderem Medikamente wie Ritalin oder Insulin. Für solche Situationen gibt es die Möglichkeit, eine sogenannte Ausnahmebewilligung zu therapeutischen Zwecken (ATZ) zu beantragen. Meist kann eine solche ATZ nachträglich, also nach einer allfälligen Dopingkontrolle, bei Swiss Sport Integrity beantragt werden. Pferdesportlerinnen und -sportler im ATZ-Pool von Swiss Sport Integrity (mit Swiss Olympic Card Elite, Bronze, Silber oder Gold) sowie International-Level-Athletinnen und -Athleten gemäss Definition der FEI (z. B. Springen: Top 500 der Weltrangliste, Dressur: Top 300, Eventing: Top 300, Endurance: Top 100) müssen die ATZ vorgängig – d.h. vor dem Therapiestart – einholen. Athletinnen und Athleten, die eine vorgängige ATZ benötigen, schützt eine ärztliche Verschreibung allein nicht vor dopingrechtlichen Sanktionen!

 

Medikamente im Notfall

Selbstverständlich hat die Gesundheit in einer medizinischen Notfallsituation absolute Priorität. Notfallbehandlungen sind deshalb jederzeit möglich – auch mit Medikamenten, die gemäss Dopingliste verboten sind. Eine entsprechende Ausnahmebewilligung kann in einem solchen Fall nachträglich eingeholt werden, sobald es die gesundheitliche Lage zulässt.

Wer an Allergien leidet, ist allenfalls darauf angewiesen, für den Notfall gewisse Medikamente immer bei sich zu tragen. Manche dieser Medikamente sind im Wettkampf verboten. Dennoch darf man sie bei sich tragen, auch am Wettkampf. Ist eine Athletin oder ein Athlet aufgrund einer Notfallsituation gezwungen, diese Medikamente am Wettkampftag einzunehmen, kann er wie oben erwähnt nachträglich eine Ausnahmebewilligung beantragen. Im Zusammenhang mit Allergien, aber auch ganz allgemein, ist insbesondere bei gewissen kortisonhaltigen Medikamenten Vorsicht geboten. Eine gute Abklärung vor dem Wettkampf schützt hier vor bösen Überraschungen.

 

Asthmamedikamente

Gewisse Asthmamedikamente sind gemäss Dopingliste jederzeit verboten. Für andere Asthmamedikamente gilt gemäss Dopingliste ein Dosierungsgrenzwert für die Inhalation (z. B. für Ventolin oder Symbicort). Werden diese Grenzwerte eingehalten, was in den meisten Fällen möglich ist, gilt die Therapie als erlaubt und benötigt keine ATZ. Die Dosierungsgrenzwerte gelten jederzeit und sind auf der Webseite von SSI zusammengefasst: www.sportintegrity.ch/asthma

 

Vorsicht! Doping bei Energydrinks, Proteinpräparaten und Co.

Nahrungsergänzungsmittel, sogenannte Supplemente, stellen ein nicht unerhebliches Dopingrisiko dar. Da es sich hierbei nicht um Medikamente handelt, sind die Anforderungen an die Inhaltsstoffe und somit die Qualitätskontrollen deutlich geringer als bei therapeutischen Mitteln. Studien haben gezeigt, dass bis zu 20% aller Supplemente mit dopingrelevanten Substanzen verunreinigt sind. Solche Substanzen werden nicht auf der Zutatenliste des Produkts aufgeführt, sondern können unter Umständen auch beim Herstellungsprozess aufgrund von mangelnden Hygienemassnahmen in das Produkt gelangen. Auch das Label «dopingfrei» ist keine Garantie dafür, dass man nicht ungewollt in einer Dopingkontrolle hängenbleibt.

Verunreinigungen wurden nachweislich bei Muskelaufbauprodukten wie Proteinpulver (mit anabolen Steroiden), Fatburnern (mit Stimulanzien) und Neuroenhancern (mit Stimulanzien) gefunden. Besonders hoch ist das Risiko bei Produkten aus dem Fitness- und Bodybuildingbereich. Die einzige Möglichkeit, ein Dopingrisiko auszuschliessen, ist der gänzliche Verzicht auf Supplemente.

Wer wirklich auf Supplemente angewiesen ist, sollte sich an erfahrene Fachleute wenden, um das passende Produkt zu wählen. Richtungsweisend können vertrauenswürdige Zertifizierungsprogramme wie die «Kölner Liste» oder «NSF Sport» sein.

Im Falle einer Dopingprobe erklärt der Kontrolleur das Vorgehen Schritt für Schritt. | © SSI Im Falle einer Dopingprobe erklärt der Kontrolleur das Vorgehen Schritt für Schritt. | © SSI

Ruhe bewahren in der Dopingkontrolle

Wird man im Wettkampf oder ausserhalb des Wettkampfs zur Dopingprobe aufgefordert, besteht kein Grund zur Nervosität. Die Dopingkontrolleurinnen und -kontrolleure werden das Vorgehen Schritt für Schritt erklären. Sie werden der Athletin oder dem Athleten nicht von der Seite weichen, bis die Probeentnahme erfolgt ist. Der Sichtkontakt muss jederzeit gewährleistet sein – auch während der Probenabgabe, was im Falle einer Urinprobe zwar unangenehm sein kann, jedoch unumgänglich ist. Die Kontrolleurin bzw. der Kontrolleur wird immer vom gleichen Geschlecht sein wie die zu kontrollierende Person. Wer sich weigert, eine Dopingprobe abzugeben, wird dieselben Sanktionen erfahren wie bei einem positiven Test. Eine Verweigerung lohnt sich also in keinem Fall!

Zurück zu Anna und Daniel, die in der Dopingkontrolle beide positiv getestet wurden. Anna konnte nachträglich eine ATZ einreichen und hat mit keinerlei Konsequenzen zu rechnen. Daniel jedoch hätte aufgrund der geltenden Bestimmungen bereits vorgängig eine ATZ einreichen müssen. Er wurde von der Disziplinarkammer des Schweizer Sports zu einer mehrmonatigen Sperre und einer Bussgeldzahlung verurteilt, obwohl die Anwendung des Medikaments einen ausschliesslich therapeutischen Zweck erfüllt. Er ist seinen Pflichten als Elitesportler jedoch nicht nachgekommen und wird entsprechend bestraft.

In Sachen Doping ist Vorsicht in jedem Fall besser als Nachsicht, denn wir alle wollen einen sauberen Sport, sowohl bei den Athletinnen und Athleten als auch bei ihren Pferden.

Cornelia Heimgartner

Weiter Informationen

Swiss Sport Integrity
https://www.sportintegrity.ch/anti-doping

App Medi Check Global DRO
Android: https://play.google.com/store/apps/details?id=ch.antidoping
iOS: https://apps.apple.com/us/app/antidoping-switzerland/id447592904

Liste erlaubter Arzneimittel (freiverkäuflich) bei banalen Erkrankungen
https://www.sportintegrity.ch/sites/default/files/2023_Liste-erlaubter-Arzneimittel.pdf

Bei Unsicherheiten oder Unklarheiten in Bezug auf Anti-Doping stehen die SSI-Fachleute allen Athletinnen und Athleten gerne zur Verfügung: med@sportintegrity.ch.
Auch die Medizinische Kommission (MEDKO) des SVPS hilft bei Fragen gerne weiter:
https://info.fnch.ch/#/personensuche/organe?f_organisation_id=35

Die A- und B-Probe wird in solchen Fläschchen sicher versiegelt. | © SSI Die A- und B-Probe wird in solchen Fläschchen sicher versiegelt. | © SSI

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