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Dossier: Pferdehaltung & Raumplanung

Im Dschungel der Ergänzungsfuttermittel - reines Getreide, Müsli oder Strukturmüsli?

20 August 2018 08:00

Als ursprüngliches Steppentier ist das Pferd an die kontinuierliche Aufnahme kleiner Futtermengen adaptiert. Mit der heute überwiegenden Stallhaltung des Pferdes rückt der Aspekt der Futteraufnahmedauer vermehrt in den Fokus.

Pferde werden heute auf verschiedenste Weise gehalten und eingesetzt. Im Vergleich zu früher, als Pferde noch wild in der Steppe lebten, gibt es einige markante Unterschiede. Wie sich unterschiedliche Strukturen von Ergänzungsfutter auf die Kauaktivität und die Futteraufnahme auf die Pferde auswirkt, haben Forschende untersucht. In einer Bachelorarbeit an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) wurden vier Ergänzungsfuttermittel (EF) mit den Rohfasergehalten von 10, 12, 14,5 und 18 Prozent und unterschiedlicher Zubereitung (Müsli, Strukturmüsli und Pellets) an acht Haflingerpferden getestet.

Warum ist die Kautätigkeit für Pferde wichtig?

Das Pferd ist aufgrund seiner ernährungsphysiologischen Besonderheiten an die kontinuierliche Futteraufnahme kleiner Mengen angepasst. Bei einem 24-Stunden-Aufenthalt auf der Weide sind Pferde rund 12 bis 15 Stunden mit der Futteraufnahme beschäftigt. Die Pferde zeigen dabei innerhalb eines Tages 10 bis 15 Fressperioden, unterbrochen von drei- bis vierstündigen Zeitspannen ohne Futteraufnahme. Ein ähnliches Futteraufnahmeverhalten kann auch bei Pferden unter Stallhaltungsbedingungen beobachtet werden, unter der Voraussetzung, dass Raufutter uneingeschränkt (ad libitum) zur Verfügung steht.

In den letzten Jahren rückte der Aspekt der Futteraufnahmedauer in den Fokus zahlreicher Untersuchungen. Generell gilt der Grundsatz, dass Pferde mit der Raufutteraufnahme deutlich länger beschäftigt sind als mit der Aufnahme von Getreide oder pelletierten Ergänzungsfuttermitteln (EF). Bis zu einem gewissen Grad kann durch die Zulage von Heu- oder Strohhäckseln die Futteraufnahmezeit verlängert werden. Neben der Beschäftigung mit dem Futter interessiert auch der Zusammenhang zwischen Futteraufnahme und Speichelproduktion. Futtermittel wie z.B. Getreide oder Pellets, die von Pferden innerhalb von 10 bis 15 min/kg gefressen werden, weisen mit weniger als zwei Litern Speichel pro Kilogramm Futter eine deutlich geringere Speichelbildung auf als Raufutter wie z.B. Heu oder Stroh, bei denen Speichelmengen von bis zu sieben Litern pro Kilogramm Futter gemessen wurden. Eine ausreichende Speichelbildung ist notwendig für die Verdauungsvorgänge im Magen, und zudem dient der Speichel als Puffer für die Magensäure.

Es stellt sich somit die Frage, inwieweit kommerzielle EF ebenfalls zu einer verlängerten Futteraufnahmedauer beitragen können. Im folgenden Versuch wurde die Wirkung vier solcher Futtermittel mit unterschiedlicher Zubereitung und unterschiedlichem Rohfasergehalt (RF) auf die Fressdauer und Kautätigkeit bei Haflingerpferden überprüft.

Zusammensetzung unbedingt beachten

Die Kauschläge für die Futteraufnahme bei Pferden werden durch die Art, die Struktur, die Bearbeitung und die Menge des Futtermittels wesentlich beeinflusst. Für die Aufnahme von einem Kilogramm Heu wurden in der vorliegenden Studie mit 2644 Kauschlägen pro kg Futter fast doppelt so viele Kauschläge im Vergleich zu den EF beobachtet. Ähnliche Ergebnisse werden ebenfalls in der Literatur beschrieben. Hervorzuheben ist hier wiederum, dass nicht das EF mit den strukturgebenden Luzernehäckseln die höchste Anzahl an Kauschlägen hervorrief, sondern es wurden die meisten Kauschläge bei dem EF mit Dinkelspelzen und bei dem pelletierten EF gemessen. Aufgrund der vergleichsweise positiven Eigenschaften des pelletierten EF in Bezug auf Futteraufnahmezeit und Kauschläge lohnt sich ein detaillierter Blick auf die Zusammensetzung des pelletierten EF. In dem pelletierten EF wurden 25 Prozent Getreidestroh eingemischt, das ähnliche Kaueigenschaften wie das EF mit den losen Dinkelspelzen, ebenfalls mit einem Anteil von 25 Prozent, hervorrief. Damit scheint das Getreidestroh einen erheblichen Einfluss auf die Kautätigkeit bei Pferden zu haben.

Eine wesentliche Limitierung der Studie ist, dass ein direkter Vergleich der beiden EF mit 25 Prozent Dinkelspelzen oder mit 25 Prozent Getreidestroh mit dem strukturierten EF, welches 6 Prozent Luzernehäcksel enthielt, nicht möglich ist, da die Prozentanteile der Strukturzulage nicht übereinstimmen. Berücksichtigt man aber die Daten, die in der Literatur erhoben wurden, so führt selbst ein Anteil von bis zu 38 Prozent Luzernehäcksel im Hafer zu einer schnelleren Futteraufnahme bei Pferden als die Haferaufnahme ohne Luzernehäcksel. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass sog. strukturierte Müslis nicht zu einer Verlangsamung und Intensivierung der Futteraufnahme führen, sodass in zukünftigen Konzepten der Zulage von Stroh und/oder Spelzen eine grössere Bedeutung zugemessen werden sollte.

Als ursprüngliches Steppentier ist das Pferd an die kontinuierliche Aufnahme kleiner Futtermengen gewöhnt. (Foto: Conny Herholz) Als ursprüngliches Steppentier ist das Pferd an die kontinuierliche Aufnahme kleiner Futtermengen gewöhnt. (Foto: Conny Herholz)

Der Versuch

Der Fütterungsversuch wurde mit acht Haflingerpferden, sieben Stuten und einem Wallach, durchgeführt. Die Versuchspferde hatten ein Durchschnittsalter von acht Jahren (2-15 Jahre) und eine durchschnittliche Körpermasse (KM) von 480 kg (420-538 kg). Sie wurden in einem Gruppenlaufstall mit einem mit Leinenstroh eingestreuten Liegebereich, Auslauf und Einzel-
fressständen gehalten. Heu stand den Pferden während aller Versuchsphasen mit einer Menge von 1,5 kg TS/100 kg Körpermasse/Tag zur Verfügung. Die Heumenge wurde auf zwei Rationen aufgeteilt. Eine Ration Heu wurde am Morgen und eine am Abend um 18.00 Uhr, nach der vollständigen Aufnahme des EF, zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurde die Ration mit täglich 60 g eines kommerziellen Mineralfutters und einem Salzleckstein ergänzt. Die Pferde hatten täglich Auslauf auf einem Sandpaddock.

Zur Bestimmung der Futteraufnahmezeit und der Kauaktivität wurden den Pferden vier EF mit ansteigendem RF-Anteil vorgelegt (Tabelle 1, Abbildungen 1-4).

Das EF mit 10 Prozent RF wird als Müsli für Pferde jeden Alters und jeder Nutzungsintensität angeboten. Es enthält Mineralstoffpellets, Gersten-, Mais- und Haferflocken sowie Sonnenblumensaat. Das Strukturmüsli mit 12 Prozent RF wird für Western- und Freizeitpferde vermarktet. Es besteht ebenfalls aus Mineralstoffpellets, Mais- und Gerstenflocken sowie strukturierter Luzerne und Melasse. Das Müsli mit 14,5 Prozent RF wird als nährstoffreduziertes Ergänzungsfutter empfohlen, das sich als EF bei leichtfuttrigen Pferden oder für Pferde in Rekonvaleszenz mit reduzierter Bewegung eignen soll. Das Futter besteht aus Sonnenblumensaat, Karottenpulver und Fermentgetreide sowie aus Dinkelspelzen, Hafer- und Gerstenflocken sowie Mais. Das EF mit dem höchsten RF-Gehalt (18 %) wird als energie- und eiweissarmes Pellet angeboten. Es besteht aus Getreidenebenprodukten, Getreidestroh, Gerste sowie Zuckerrübenschnitzel und Melasse.

Die Pferde wurden je fünf Tage an das zu testende Futter gewöhnt. An den nachfolgenden zwei Messtagen wurden sie jeweils am Morgen für die Fressdauer in Einzelfressständen fixiert und bekamen ein Kilogramm von dem zu testenden EF in einem Trog zugeteilt (Abbildung 5).

Die Futteraufnahmezeit und die Kaufrequenz wurden mit dem Equiwatch®-Halfter ermittelt. Nach den beiden Versuchstagen erfolgte eine siebentägige Wash-out-Phase, in der die Pferde ausschliesslich Heu und ein kommerzielles Mineralfutter zu fressen bekamen. Anschliessend fand die erneute Gewöhnung an das nächste zu testende EF statt. Die Erhebung der Futteraufnahmezeit und der Kaufrequenz für je ein Kilogramm Heu erfolgte analog zu den EF.

Abb. 1 EF 10% Rfa / Abb. 2 EF 12%  Rfa / Abb. 3 EF 14.5% Rfa / Abb. 4  EF 18% Rfa Abb. 1 EF 10% Rfa / Abb. 2 EF 12% Rfa / Abb. 3 EF 14.5% Rfa / Abb. 4 EF 18% Rfa

Die Ergebnisse

Die mittlere Aufnahmezeit für das Heu betrug 33 ± 4,2 min pro kg, wobei im Mittel 27 ± 3 g pro min von dem Heu aufgenommen wurden. Insgesamt wurden 2644 ± 338 Kauschläge pro kg Heu beobachtet, und die mittlere Kaufrequenz für die Heuaufnahme lag bei 82 ± 5 Schlägen pro min.

Die Ergebnisse für die unterschiedlichen EF sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 1 & 2 Tabelle 1 & 2

Was kann aus den Ergebnissen geschlossen werden?

Bei der Aufnahme von Raufutter stehen nicht nur die Aspekte der Energie- und Nährstoffversorgung im Vordergrund, sondern auch die kontinuierliche Beschäftigung, die Befriedigung des Kaubedürfnisses und zusätzlich eine hohe Speichelbildung. Stereotypien wie z.B. Koppen und Weben werden bei Pferden mit geringer Raufutteraufnahme (weniger als 6,8 kg Heu pro Tag) häufig beobachtet. Darüber hinaus nehmen Pferde bei knapper Raufutterzufuhr deutlich mehr Einstreumaterialien und Kot auf, wobei sie dabei auf eine ähnliche Aufnahmezeit wie bei einer hohen Heuzuteilung kommen. Zur Befriedigung des Kaubedürfnisses und zur Schaffung natürlicher Milieubedingungen im Magen-Darm-Trakt wird deshalb eine Mindestmenge an Raufutter von 1,5-2 kg TS/100 kg Körpermasse pro Tag gefordert.

Abbildung 5: Versuchspferde in den Fressständen an den Messtagen. (Foto: Evelyne Locher) Abbildung 5: Versuchspferde in den Fressständen an den Messtagen. (Foto: Evelyne Locher)

Längste Futteraufnahmezeit mit Heu

In der vorliegenden Studie konnten die in der Literatur beschriebenen Aufnahmezeiten von 27 bis 35 min pro kg Heu ebenfalls beobachtet werden, wobei die Haflinger im Mittel rund 33 Minuten mit einem Kilogramm Heu beschäftigt waren. Die Zeiten für die Aufnahme von einem Kilogramm Heu unterscheiden sich deutlich von denjenigen für die vier überprüften EF, bei denen Futteraufnahmezeiten von 12-17 min pro kg gemessen wurden. Die Erhebungen zu den EF decken sich gut mit den Ergebnissen der Literatur, wobei z.B. für Hafer Futteraufnahmezeiten von rund 10 min pro kg und für pelletierte EF von 12-17 min pro kg erhoben wurden. Bei der Geschwindigkeit der Aufnahme der EF in der vorliegenden Studie scheint sowohl die Zubereitung als auch der RF-Gehalt eine Rolle zu spielen.

Abbildung 6: Vergleichende Futteraufnahmezeiten (min/kg) für Heu und die verschiedenen Ergänzungsfuttermittel. (Foto: zVg) Abbildung 6: Vergleichende Futteraufnahmezeiten (min/kg) für Heu und die verschiedenen Ergänzungsfuttermittel. (Foto: zVg)

Keine Verlängerung durch Luzernehäcksel

Die beiden EF mit den höchsten RF-Gehalten waren mit den längsten Futteraufnahmen verbunden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das EF mit 12 Prozent RF, welches einen Anteil von 6 Prozent Luzernehäckseln enthielt. Luzernehäcksel eingemischt in EF (sog. strukturierte Müslis) werden mit dem Attribut einer verlangsamten Futteraufnahme beworben, allerdings konnte dies in der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden, da das EF mit den Luzernehäckseln signifikant schneller gefressen wurde als z.B. das pelletierte EF. Ähnliche Ergebnisse erzielten bereits andere Autoren, wobei Hafer mit Luzernehäckseln deutlich schneller gefressen wurde als das Getreide allein. Offen bleibt in der vorliegenden Studie allerdings, inwieweit ein höherer Anteil an Luzernehäckseln in einem EF die Futteraufnahme beeinflussen kann.

Einen interessanten Aspekt in Bezug auf die Futteraufnahme liefert die Zulage von Dinkelspelzen, die mit einem Anteil von 25 Prozent in dem EF mit 14,5 Prozent RF zu finden waren. Für dieses EF wurden Futteraufnahmezeiten von rund 16 min pro kg festgestellt. Dinkelspelzen besitzen einen hohen Volumenanteil, sodass über das erhöhte Volumen die Futteraufnahmemenge pro Biss beeinflusst werden kann. Unterschiede in der Futteraufnahmezeit zwischen dem EF mit Dinkelspelzen und dem pelletierten EF mit einem RF-Gehalt von 18 Prozent wurden allerdings nicht festgestellt. Beide EF werden aber deutlich langsamer aufgenommen als das EF mit Luzernehäckseln und das EF mit einer Kombination aus thermisch aufgeschlossenen Getreideflocken und einem Anteil an Pellets.

Versuchspferd mit dem Equiwatch®-Halfter zur Messung von Futteraufnahmezeit und Kaufrequenz. (Foto: zVg) Versuchspferd mit dem Equiwatch®-Halfter zur Messung von Futteraufnahmezeit und Kaufrequenz. (Foto: zVg)

Fazit

Die Futteraufnahmezeit und die Kautätigkeit in Bezug auf EF können selbst durch die Zulage von Stroh oder Dinkelspelzen nicht mit den Vorteilen der Heuaufnahme konkurrieren. Die Resultate unserer Studie legen nahe, dass im Hinblick auf die Verdauungsvorgänge im Magen-Darm-Trakt die Aufnahme von EF limitiert werden sollte. Wir können somit die aktuell geltenden Empfehlungen von maximal 0,3 kg/100 kg Körpermasse pro Mahlzeit (GfE 2014*) unterstützen. Darüber hinaus ist die Fütterung von Raufutter wie z.B. Heu oder Heulage vor der Gabe von EF sinnvoll.

Ingrid Vervuert¹,², Evelyne Locher¹,
Conny Herholz¹, Andreas Scheurer¹

¹Hochschule für Agrar-, Forst- und
Lebensmittelwissenschaften (HAFL), 3052 Zollikofen, Schweiz

²Institut für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik, Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig, 04103 Leipzig, Deutschland

*GfE, Gesellschaft für Ernährungsphysiologie 2014. Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden. DLG Verlag

EF: Ergänzungsfuttermittel
VEP: Verdauliche Energie Pferd
RF: Rohfaser
TS: Trockensubstanz

a,b,c Unterschiedliche Kleinbuchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede innerhalb einer Spalte.

Evelyne Locher

Einfluss der Futterstruktur von Ergänzungsfuttermitteln auf die Fressdauer und Kautätigkeit bei Pferden

Bachelorarbeit zum Thema

«Ich durfte am Puls der Natur, mit Tieren und in einer wundervollen Bergwelt aufwachsen und kann mich glücklich schätzen, die Faszination Pferd immer wieder aufs Neue erleben zu dürfen.»

Nach dem Vorstudienpraktikum studierte Evelyne Locher Agronomie mit Vertiefung Pferdewissenschaften an der HAFL. Nach dem Abschluss im Herbst 2016 begann sie bei Nebiker Treuhand in Sissach als Mandatsverantwortliche zu arbeiten.

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