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Dossier: Messen & Events

Internationaler Turniersport – Geht es der Integrität des Pferdesports an den Kragen?

24 August 2016 17:33

An der Disziplin Springen interessierte Pferdebegeisterte haben wahrscheinlich mindestens am Rande etwas vom Hickhack bezüglich der von Jan Tops ins Leben gerufenen Turnierserie – der Global Champions League – und dem Internationalen Dachverband FEI mitbekommen. Viele Personen allerdings verstanden Bahnhof, vor allem in Anbetracht dessen, dass es ja bereits Wettkämpfe der Global Champions Tour gibt. Wo liegt nun der Unterschied zwischen Global Champions Tour und Global Champions League? Und was ist eigentlich das Problem? Das «Bulletin» hat direkt bei der Generalsekretärin der FEI, Sabrina Ibáñez, nachgefragt.

Sabrina Ibáñez Sabrina Ibáñez

«Bulletin»: Warum wird die Global Cham­pions League nicht von der FEI anerkannt? Welche Voraussetzungen bzw. Regelungen wurden nicht erfüllt?

Sabrina Ibáñez: Die Global Champions League (GCL) funktioniert als ungenehmigte Turnierserie ausserhalb der Gerichtsbarkeit der FEI, da die endgültigen Regelungen der GCL nie der FEI zur Bestätigung vorgelegt wurden. Dies obwohl die Veranstalter der GCL an einer Sitzung mit der FEI-Hauptverwaltung und des FEI-Springausschusses im Dezember 2014 erklärt hatten, dass sie mit ihrem Konzept und ihren Regelungen noch nicht fertig seien und sich einverstanden erklärten, Ende März 2015 ihre endgültigen Regelungen der FEI vorzustellen.

Anfang Juni 2015 reichte die GCL bei der belgischen Wettbewerbsbehörde in Brüssel eine Beschwerde ein, die unterstellte, die Regelung für ungenehmigte Turniere der FEI verstosse gegen das Wettbewerbsrecht.

Die FEI ist mit dem Entscheid der belgischen Wettbewerbsbehörde nicht einverstanden und geht mit allen rechtlichen Mitteln dagegen vor. Es gibt keine Garantie dafür, dass an Turnieren der Global Champions League das Wohlbefinden der Pferde umfassend geschützt wird und dass äusserst wichtige Prozeduren, wie zum Beispiel Anti-Doping-Kontrollen, die die Integrität unseres Sportes sicherstellen, angewendet werden.

Die GCL stellt sich gegen die Regelung für ungenehmigte Turniere der FEI (eine Veranstaltung und/oder ein Turnier, das weder im offiziellen Kalender publiziert noch von einem nationalen Verband genehmigt wird). Es ist für den Ethik-Kodex der FEI äusserst wichtig, dass internationale Turniere unter der Regelung der FEI laufen, um das Wohlbefinden der Pferde und die Sicherheit unserer Athleten zu gewährleisten und die Integrität der Turniere zu schützen.

Ungenehmigte Turniere unterliegen nicht den Regelungen der FEI und ihre Veranstalter und Teilnehmer haben sich nicht für die Einhaltung dieser Regelungen vor der FEI zu verantworten. Dadurch hat die FEI keine Möglichkeit, das Wohlbefinden der Pferde und der Athleten, die an solchen Veranstaltungen teilnehmen, zu gewährleisten oder die Integrität des Sportes zu schützen. Dasselbe kann auch auf nationaler Ebene der Fall sein, wenn eine nationale Veranstaltung ausserhalb der nationalen Regelungen und trotz der Einwände des nationalen Verbandes stattfindet.

Die Beschwerde von GCL betrifft die Anwendung (oder eben die Nichtanwendung) der Regelung für ungenehmigte Turniere. Die von der belgischen Wettbewerbsbehörde am 27. Juli 2015 erteilten einstweiligen Massnahmen betreffen deshalb nur die Bestimmungen von ungenehmigten Turnieren und sind daher nur für die GCL anwendbar, nicht für andere ungenehmigte Veranstaltungen.

Ich möchte aber betonen, dass dies nur einstweilige Massnahmen sind, denen wir weiter entgegenwirken werden. Der vollständige Sachverhalt muss der belgischen Wettbewerbsbehörde erst noch vorgelegt werden.

Die FEI hat ihren Offiziellen untersagt, an solchen Veranstaltungen ihr Amt auszuüben. Manche haben sich diesem Verbot widersetzt und wurden für sechs Monate gesperrt. Warum unterstützen Ihrer Meinung nach manche Offizielle und Reiter dieses Turnierformat?

Manche Reiter und Offizielle sehen das Format der Global Champions League vielleicht als etwas Neues und Unkonventionelles, das ein neuer Bestandteil des Spring­sportes werden könnte. Man muss aber verstehen, dass es als Dachverband des Pferdesports unsere Pflicht ist, das Wohlbefinden der Pferde zu schützen und die Integrität der Turniere, an denen sowohl unsere vierbeinigen wie unsere zweibeinigen Athleten teilnehmen, zu gewährleisten.

Das Wohlbefinden der Pferde und die Integrität des Sportes sind die beiden Hauptprinzipien, die der Regelung für ungenehmigte Turniere zugrunde liegen. Diese Hauptprinzipien können nur geschützt und gefördert werden, indem man Regeln aufstellt und Veranstaltungen im offiziellen Kalender nur unter der Bedingung aufnimmt, dass das Organisationskomitee all diese Regelungen akzeptiert und darauf achtet, dass auch alle Teilnehmer der Veranstaltung sich daran halten. Ohne diese Regelungen können wir das Wohlbefinden der Pferde und der Athleten, die an diesen Veranstaltungen starten, sowie die Integrität der Turniere unmöglich schützen.

Was sind die Folgen für den ganzen Pferdesport, wenn es solch eine Serie gibt?

Schon mal dies vorneweg: Wir haben gros­sen Respekt für die Wettkämpfe, die Jan Tops geschaffen hat. Er ist das Genie hinter der Global Champions Tour GCT, die unseren Sport sichtbarer gemacht hat. Dank seinem Beitrag hat sich die Qualität der Turniere gesteigert.

Neue Turnierserien haben nicht nur auf die Pferdewelt einen Einfluss, sondern auch auf die Sportwelt im Allgemeinen. Innovationen in unserem Sport wecken verstärktes Interesse und öffnen die Tür für neue Zuschauergruppen. Die FEI ist nicht gegen neue Serien wie die GCL per se, da wir aber die endgültigen Regelungen für die GCL immer noch nicht gesehen haben, werden diese als ungenehmigte Veranstaltungen betrachtet, ohne Garantie dafür, dass das Wohlsein der Pferde und die Integrität des Sportes gänzlich geschützt werden.

Wie wichtig ist Geld in solchen Fällen und im Reitsport im Allgemeinen?

Die Welt des Sports ist sehr wettbewerbsorientiert, mit zahlreichen Sportarten, die versuchen, neue Publikumsgruppen, Fans und Sponsoren anzuziehen. Da spielt Geld natürlich eine Rolle. Die Anwesenheit des Fernsehens ist der Schlüssel, um die Sichtbarkeit und die Entwicklung unseres Sports zu fördern, nicht nur bei neuen Fans, sondern auch bei neuen Sponsoren.

Wie in jedem Leistungssport spielt Geld natürlich eine Rolle, man muss dabei aber auch bedenken, dass es nicht die einzige Anziehungskraft des Wettkampfes ist. Für die Reiter ist die Anerkennung, im Sport, den sie lieben, Wettkämpfe zu bestreiten, die Besten der Besten zu sein, die Elite der Welt zu repräsentieren, der grösste Reiz. Sie suchen dabei also nicht nur finanziellen Gewinn. Für die Sportler sind die Olympischen und Paralympischen Spiele der Höhepunkt ihrer Karriere. Bei olympischen oder paralympischen Medaillen geht es nicht um das Preisgeld, sondern um Prestige. Es bedeutet, die besten Athleten aller Sportarten der Welt zu treffen, nicht nur die aus dem Pferdesport.

Wie wird es mit der Global Champions League weitergehen? Wurden bereits irgendwelche neuen Entscheidungen getroffen?

Wie ich es bereits erwähnt habe, hat das eigentliche Verfahren noch gar nicht begonnen. Der vollständige Sachverhalt muss der belgischen Wettbewerbsbehörde erst noch vorgelegt werden. Bis dahin werden keine weiteren Entscheidungen gefällt. Die FEI ist dazu nicht der einzige internationale Verband (IF), der sich einem Gerichtsverfahren über ungenehmigte Veranstaltungen unterzieht. Die Europäische Kommission beschäftigt sich zurzeit mit mehreren solcher Fälle, wie zum Beispiel mit der Internationalen Eislaufunion (International Skating Union ISU) und dem Weltbasketballverband (Fédération Internationale de Basketball FIBA). Schliesslich liegt es an der Europäischen Kommission zu entscheiden, ob solche Regelungen in Übereinstimmung mit dem Wettbewerbsrecht sind oder nicht.

FEI/Nicole Basieux

Fotos: FEI

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