Bewegung tut gut und ist gesund. Raus an die frische Luft und den Kopf durchlüften. Das alles und noch einiges mehr bietet auch das Reiten. Doch wie steht es um die physiologischen Parameter im Vergleich zu anderen Sportarten? Eine neue Studie belegt: Reiten ist Sport!
Es ist endlich Feierabend. Zeit, die Seele baumeln zu lassen, Zeit, sich nach dem Büroalltag ein bisschen zu erholen, in Schwung zu bringen und zu bewegen. Also, ab in den Stall zum Reiten. Viele Pferdesportlerinnen antworten denn auch auf die Frage, ob sie Sport treiben: Ja, ich reite. Von fleissigen Joggern, Bikern, Walkern und Schwimmern werden sie darauf nicht selten belächelt. Wissenschaftler der Texas A&M University konnten aber in einem Versuch mit zwanzig Reiterinnen und Reitern zeigen, dass diese beim Reiten tatsächlich auch Energie verbrauchen und einiges an Kalorien verbrennen. Die untersuchten Reiterinnen und Reiter mussten sich drei unterschiedlichen Testsituationen stellen: einem 45-minütigen Ausritt in den drei Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp, einer Reining-Prüfung und schliesslich einem Cutting-Wettbewerb.
Cutting und Reining vor Ausreiten
Mithilfe von spezifischen Messgeräten konnten unter anderem die Herzfrequenz sowie die Atemgase der Testpersonen ermittelt werden, und auch ihr Körperfettanteil wurde gemessen. Wie erwartet verbrauchten die Reiterinnen und Reiter beim Ausritt am wenigsten Energie im Vergleich zu den beiden wesentlich intensiveren Einheiten Reining und Cutting. Jedoch verbrannten sie in den 45 Minuten Ausreiten trotzdem noch 200 Kilokalorien (kcal). Während der Prüfungen waren es mit 7 kcal pro Minute einige mehr, was auf 45 Minuten hochgerechnet 315 kcal ergibt. Und je zügiger man unterwegs ist, also je mehr und schneller man trabt oder galoppiert, desto mehr Kalorien verbrennt auch die Reiterin bzw. der Reiter. Aber Vorsicht: Der Energieverbrauch ist sehr individuell und hängt unter anderem vor allem von Alter und Gewicht ab
Regelmässigkeit wichtiger als Intensität
Rico Stalder ist Fitnesscoach und empfiehlt: «Regelmässiges Bewegen ist grundsätzlich wichtiger als optimale Fettverbrennungsintensität. Bei welcher Intensität ist nun aber die Fettverbrennung am effizientesten? Diese Frage wird oft gestellt, eine Studie in England hat sie beantwortet: Die maximale Fettverbrennung beläuft sich auf 0,46 g/min. Dauert die Belastung bei dieser Intensität (50% der maximalen Sauerstoffaufnahme) eine Stunde, dann werden insgesamt 26 g Fett verbrannt. Das Resultat zeigt also, wie wenig Fett bei der körperlichen Aktivität verbraucht wird und wie unbedeutend die optimale Fettverbrennungsintensität ist.»
Trotz den Erkenntnissen, dass die Fettverbrennung eben nicht im Vordergrund steht, ist es interessant, einmal zu vergleichen, wie viele Kalorien im Durchschnitt bei diversen sportlichen Tätigkeiten, auf Basis einer Person mit einem Körpergewicht von 70 kg berechnet, verbrannt werden (vgl. Tabelle).
Intensität | Dauer (in Min.) |
Kalorien- verbrauch (in kcal) |
Bemerkung | |
---|---|---|---|---|
Joggen | Entspannt | 60 | 315 | 1 Stück Engadiner Nusstorte |
Bis zum Limit | 60 | 600 | 28 Nuss-Stengeli | |
Radfahren | Entspannt | 60 | 476 | 3 Buttergipfeli |
Bis zum Limit | 60 | 840 | 2 grosse Portionen Pommes frites | |
Reiten | Ausreiten | 45 | 200 | 2 Handvoll Popcorn |
Reining/Cutting | 45 | 315 | 1 kleines Stück Rüeblitorte | |
Schwimmen | Entspannt | 30 | 210 | 2 Handvoll Popcorn |
Bis zum Limit | 30 | 300 | 2 Portionen Pommes Chips | |
Tanzen | Entspannt | 30 | 168 | 2 Reihen dunkle Schokolade |
Bis zum Limit | 30 | 350 | 1 Stück Rüeblitorte | |
Walking | Entspannt | 60 | 266 | 1 McDonalds-Hamburger |
Bis zum Limit | 60 | 560 | 25 Nuss-Stengeli |
Alternative zum Joggen? Ja, aber …
Die Wissenschaftler der Texas A&M University kommen in ihrer Studie zum Schluss, dass das Reiten grundsätzlich sogar eine Alternative zum Joggen sein kann. Dies gilt vorwiegend für Personen, die Gelenksprobleme, zum Beispiel Probleme am Knie, haben. Doch auch hier gilt es, sich am besten individuell beraten zu lassen: Reiten könnte eine gute Ergänzung sein - wer allerdings gerne ein paar Kilos abnehmen möchte, findet wohl effizientere Sportarten wie etwa Zumba oder Trampolinspringen. Hier werden etwa drei- bis viermal so viele Kalorien verbrannt wie beim Reiten. Auch Fitnesscoach Rico Stalder erklärt: «Nur Reiten alleine genügt, aus meiner Sicht, nicht, um abzunehmen oder fitter zu werden. Hierzu sollte man mindestens Kraft- und Ausdauertraining betreiben, weil dies für die Gesundheit zentral ist.»
Bewegter Alltag und Spass
Der Praxistipp vom Fitnesscoach lautet denn auch: «Der Energieverbrauch lässt sich wirksam durch einen bewegten Alltag erhöhen. Inaktive und übergewichtige Personen sollten in einem ersten Schritt den Umfang ihrer Alltagsaktivitäten ausdehnen, d.h. täglich mindestens 10 000 Schritte gehen, Treppen steigen statt den Lift benutzen usw. Ist ein machbares Mass an solchen alltäglichen Aktivitäten erreicht, können diese durch intensivere Bewegungsformen ergänzt werden. Wobei sich hier vor allem gelenkschonende Formen wie Walking, Nordic Walking, Wassergymnastik, Schwimmen, Radfahren, Rudern oder Tanz anbieten.» Die dabei gewählte Intensität sollte unbedingt den individuellen Voraussetzungen angepasst werden, und Männern ab 45 und Frauen ab 55 Jahren, die bis dahin eher wenig aktiv waren, wird empfohlen, ihre Absicht mit einem Arzt zu besprechen. Und wichtig erscheint dem erfahrenen Spezialisten auch Folgendes: «Die Regelmässigkeit lässt sich einfacher umsetzen, wenn die Aktivitäten Spass machen, nützlich für die Bewältigung von alltäglichen Besorgungen sind oder gemeinsam mit Bekannten oder der Familie ausgeübt werden können.»
Koordinationsübung der Superlative
Es ist durchaus spannend, einmal genau hinzuschauen, welche Anforderungen beim Reiten an den Körper gestellt werden: Zum Beispiel muss er ständig und meist unbewusst das Gleichgewicht halten, dazu gehört auch eine gewisse Körperspannung, die Extremitäten werden unabhängig voneinander und koordiniert eingesetzt (Schenkel und Hand). Und das ist erst der Anfang. Reiten ist also sehr komplex und verlangt einiges an Koordination, Balance, Gefühl und Technik.
Tageslicht, frische Luft und körperliche Tätigkeiten
Was natürlich auf keinen Fall unterschätzt werden darf und auch viele positive Auswirkungen hat, ist, dass Reiten ein Outdoorsport ist und dass neben dem Reiten auch einiges an körperlicher alltäglicher Tätigkeit wie Putzen, Misten, Wischen usw. anfällt. Dies haben die Forscher in ihrer Studie jedoch bewusst ausgeklammert.
Nicole Basieux