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Mein Weg zum LKW-Führerschein - ein kleines Abenteuer

08 März 2021 09:00

Einmal einen Lastwagen fahren zu können … das war schon immer ein Traum von mir. Nun ist er Wirklichkeit geworden. Doch bis zum Führerausweis der Kategorie C musste ich so manches Hindernis überwinden. Und es ist noch nicht ausgestanden, denn die LKW-Anhänger-Prüfung steht noch bevor.

Frust nach der nicht bestandenen Theorieprüfung: «Alle die LKW-Fahrer auf der Autobahn haben es doch auch geschafft! (Foto: istock/paulbrandig) Frust nach der nicht bestandenen Theorieprüfung: «Alle die LKW-Fahrer auf der Autobahn haben es doch auch geschafft! (Foto: istock/paulbrandig)

Das - mindestens aus meiner Sicht - Happigste gleich mal vorneweg: Als Erstes muss ein jeder LKW-Chauffeur die Theorieprüfung bestehen. Da sagt sich wohl noch mancher etwas leichtfertig: «Das kann ja nicht so schwierig sein. Die Theorie für die Autoprüfung habe ich ja auch ratzfatz bestanden und ja, stimmt, an der Uni studiert und mit Abschluss beendet habe ich ja auch. Kann also nicht so ein Problem sein.» Aber Achtung: Von den vierzig Prüfungsfragen dürfen lediglich maximum vier falsch beantwortet werden. Und das Theoriebuch umfasst notabene zweihundert Seiten, gespickt mit unzähligen Informationen, die so ziemlich alle abrufbereit in den Hirnwindungen verstaut werden müssen. Auswendiglernen reicht da nicht immer aus, denn die Übungsfragen sind bei Weitem nicht die gleichen wie die Prüfungsfragen. Man muss die Theorie schon verstehen, sonst wird das nichts.

Büffeln, bögelen, büffeln

Um mich auch wirklich optimal vorzubereiten, ging ich somit einmal wöchentlich, immer dienstagabends in die Theorie, die ich dann kurzerhand in «Therrorie» umgetauft habe. Wenig überraschend war ich unter meinen Leidensgenossen die einzige Frau, was absolut kein Problem und eher amüsant war. Mühsamer war dann manchmal, wenn einige Mechanikerfreaks schon alles verstanden hatten und man dann wie der Primarschüler zum 1888sten Mal nachfragt, wie nun nochmal die ganzen Bremssysteme usw. funktionieren oder wie man nochmal die Nutzlast ausrechnet von einem Sattelschlepper mit Anhänger. Nach gefühlten Hunderten von Stunden «bögelen» sowie auf der Applikation alle Antworten runterbeten, bin ich dann an die Theorieprüfung gegangen, eigentlich mehr oder minder zuversichtlich - und prompt durchgefallen, mit acht Fehlern!

Niederlagen gehören zum Leben

Schreck lass nach! Mir standen die Haare zu Berg. An dem Tag bin ich leicht geknickt vom Strassenverkehrsamt nach Hause gefahren, über die Autobahn. Und bei jedem LKW, der in mein Blickfeld kam, ging mir durch den Kopf: «Der hats geschafft, der hats bestanden und der auch … Das darf doch nicht wahr sein!» Ja, zugegeben, das hat etwas am Ego gekratzt, war wohl mal wieder nötig und nach der ersten Nacht einigermassen verdaut. Etwas ungemütlich war allerdings, dass ich nicht wusste, an welchen Prüfungsfragen ich gescheitert war. Der Prüfungsexperte hatte allerdings keinen Zugriff auf die Antworten. Ich hätte also einen Termin fürs Einsehen vereinbaren sowie auch noch etwas zahlen müssen. Das habe ich aber erst zu einem späteren Zeitpunkt herausgefunden. Also erneut in die «Therrorie» und büffeln, was das Zeug hält.

Dann kam der Coronalockdown und man konnte erstmal keine Prüfungen absolvieren, was auch noch grad eine praktische Ausrede war. Die Zeit verging, und ich konnte die verschiedenen Dossiers mit den unterschiedlichen Bögen von Verkehrssignalisationen über das Festzurren von Waren, technische und physikalische Details bis hin zu den verschiedenen Bremssyste-men quasi im Schlaf. Also, bereit für einen zweiten Anlauf. Doch auch bei diesem kam ich erneut gehörig ins Schwitzen, und knapp vorbei war auch nicht bestanden. Dieses Mal mit fünf Fehlern.

Land in Sicht

Nun war aber Schluss mit lustig, und ich wollte meine Prüfungsantworten sehen. Einfach, um sicherzugehen, dass ich die Fragen dann beim dritten Anlauf - nur gerade eine Woche später - nicht nochmal falsch beantworte. Und siehe da, ich kanns ja doch: Endlich hatte ich die «Therrorie»-Prüfung mit gerade mal nur einem Fehler bestanden! Also hatte ich endlich die komplizierte und anspruchsvolle Dreierkombination auf Grand-Prix-Niveau geschafft - etwa so fühlte ich mich dann auch. Eine kleine Anekdote an dieser Stelle: Eine ehemalige Studienkollegin, heute Assistenzprofessorin, lachte lauthals, als ich ihr von meinen Niederlagen erzählte, und beichtete sogleich: «Ich bin damals auch durch die Theorieprüfung fürs Töffli gerasselt.» Ach ja, etwas hatte ich noch vergessen: Bevor man an die Theorieprüfung gehen kann, muss man einen ärztlichen Check bei einem anerkannten Arzt sowie einen Sehtest bei einem anerkannten Optiker oder Augenarzt machen. Das hatte ich zum Glück gleich beim ersten Mal hingekriegt.

«Bögelen» bis zum Abwinken. (Foto: Nicole Basieux) «Bögelen» bis zum Abwinken. (Foto: Nicole Basieux)

Auf Gas gehts los

Und jetzt? Na, jetzt konnte es endlich losgehen! Ab hinters Steuer. Stolz wie Anton und doch mit etwas Bammel bin ich dann in die erste Fahrstunde gegangen. Mein Lernfahrzeug: ein eher kleiner, relativ neuer LKW, 8,3 Meter lang, 12,4 Tonnen schwer und 3,6 Meter hoch. Komfortabler als manches Auto und mit allem Schnickschnack, inklusive Sitzheizung, ausgestattet. Nach Rundumkontrolle des Fahrzeugs, Einstellen von Sitz, Lenkrad und Spiegeln, Staunen über die Höhe des Ausblicks und die Perspektive hiess es dann: auf «Drive» schalten und Gas geben. Die allermeisten LKW heute haben eine automatische Schaltung, können aber auf manuell umgestellt werden, was gerade beim Bergabfahren von Vorteil ist.

Bergstrassen mit Haarnadelkurven

Dann wurde es erst richtig lustig: Da ich in einem Bergkanton daheim bin, gehört das Bergstrassenfahren ins obligate Ausbildungs- und Prüfungsprogramm. Ja, mit dem LKW. An Orten, an denen es einem schon mit einem etwas grösseren Auto mulmig wird, durfte ich meinen Fahrlehrer im LKW «spazierenfahren». Und mit dem LKW fallen einem plötzlich Dinge auf, die man im Auto überhaupt nicht registriert. Zum Beispiel extrem tiefe und über die Strasse hängende Balkone oder Dächer, Hausecken, die in die Strasse reinragen, Trottoirs, die eigentlich keine sind, und so weiter. Aber ich hatte Glück, mindestens in der ersten Fahrstunde: keine Zwischenfälle, keine Kratzer oder sonstige Beschädigungen. LKW-Fahren macht Spass und fordert mich. Eine Woche später ging ich zum zweiten Mal voller Vorfreude in die Fahrstunde.

Eng, enger, am engsten

Ein Freitagnachmittag. Sonne und blauer Himmel, trockene Strassen, was will man mehr. Also auf nach Villars. Ok, der direkte Weg ging schon mal nicht wegen Baustelle und Beschränkung auf 3,5 Tonnen, also einmal rückwärts in eine Seitenstrasse manövrieren und weiter. Man glaubt gar nicht, wie viel Verkehr es an so einem Nachmittag auf einer Bergstrasse gibt. Wir tuckerten also den Berg hoch, und im ersten Dörflein wurde es erstmals so richtig eng. Von oben drängelten ungeduldige Autofahrer, die sich dann am LKW, der zwischen Balkon und Hauswand stand, vorbeizwängten. Ungemütlich. Doch das war mal überstanden. Ein Dorf weiter erwartete uns aber dann der «Gipfel»: eine Baustelle, bei der notabene die halbe Strasse bis zwei Meter tief aufgerissen war - und das auch noch in einer sehr engen Kurve. Das war dann zu viel des Guten, und mein Fahrlehrer übernahm das Steuer. Doch auch er mit vielen Jahren Erfahrung musste Millimeterarbeit leisten und mehrmals vor und zurücksetzen, bis er dann endlich den Engpass überwunden hatte. So was sei ihm jetzt auch noch nie passiert, und er sei sich also nicht sicher gewesen, ob er durchkomme, meinte er dann nur mit einem Lachen und übergab das Lenkrad wieder mir. Seine Ruhe möchte ich haben.

Geschafft! Ich hab den LKW-Führerschein in der Tasche. (Bild: zVg/màd) Geschafft! Ich hab den LKW-Führerschein in der Tasche. (Bild: zVg/màd)

Von hellseherischen Chamäleons

Man muss die Augen überall haben, wirklich überall: vorne, hinten, unten, oben, links, rechts, auf dem Tacho, in die Weite und auch überall dort, wo ich jetzt nicht aufgezählt habe. Am besten, man stellt sich vor, man sei ein Chamäleon mit Hellseherfähigkeiten, denn neben dem Sehen muss man auch Meister sein im Antizipieren, was ja schon ein bisschen in Richtung Hellsehen geht.

Ein weiterer Punkt, der mich jedes Mal zum Lachen brachte, war, wenn wir auf «Fussgängerjagd» gingen. Das war die Route mitten durch ein Ortszentrum mit einer Zwanzigerzone und unzähligen Rechtsvortritten. Da bremst man mehr als dass man fährt, und das Vorausschauen wird überlebenswichtig - vor allem für die, die zu Fuss unterwegs sind. Auch ein bisschen an Folter grenzend waren die Manöver bzw. vor allem eines, das ich lernen musste: Bitte einmal eine Bergstrasse durch eine Haarnadelkurve rückwärts hochfahren. Ähm, wie jetzt genau? Und auch das funktionierte mit geduldigem Zeichnen auf Papier und stimmlicher Hilfeleistung vonseiten meines Fahrlehrers.

Wie Ferien am Meer

Umso mehr wie Ferien in einem Fünfsterne-Resort am Meer fühlte es sich jedes Mal an, wenn ich - meist am Ende der Fahrstunde auf dem Rückweg - auf die gefühlt hundert Meter breite Autobahn durfte. Einspuren, auf 80 Stundenkilometer beschleunigen, Tempomat rein und dann einfach etwas entspannen. Nicht die Augen, denn die müssen ja wie bereits erwähnt überall sein. Bald schon war es so weit, und ich war bereit für die praktische Prüfung. Der Experte, eingesprungen für einen Kollegen, war guter Dinge, und wir fuhren das Repertoire ab, von Bergstrasse rauf und runter über Rückwärtsmanövrieren bis Autobahn und zurück zum Strassenverkehrsamt. Gefühl gut und Prüfung ohne Probleme bestanden. Juppie!! Im Vergleich zur «Therrorie» war das jetzt irgendwie «einfacher». Kostenpunkt: Bis hierhin kostete alles in allem zwischen 4000 und 5000 Franken.

Selbst ist die Pferdefrau: Mache deinen Traum vom Pferde-Lastwagenfahren wahr! (Foto: Stock/Panama7) Selbst ist die Pferdefrau: Mache deinen Traum vom Pferde-Lastwagenfahren wahr! (Foto: Stock/Panama7)

Oh, Zweiachsanhänger, du Sensibelchen

Doch die Geschichte ist an dieser Stelle noch nicht ganz zu Ende. Denn um mit einem LKW einen Anhänger, egal welcher Grösse, ziehen zu dürfen, muss man die LKW-Anhänger-Prüfung CE machen. Und damit es einem nicht langweilig wird und das Ganze auch nicht allzu einfach ist, macht man diese mit einem Zweiachsanhänger. Das scheint so was wie die Königsdisziplin zu sein. Denn wer einen Zweiachsanhänger rückwärts überall reinmanövrieren kann, der kann so richtig was. Die Fahrstunden gestalten sich folgendermassen: Man schleicht im Schritttempo rund eineinhalb Stunden lang rückwärts in der Weltgeschichte herum, um dann für kurze Ortswechselintermezzi zur Erholung vorwärtsfahren zu dürfen - übrigens ist das dann mittlerweile ein Nasenwasser. Und das Rückwärtsfahren wird in allen Regenbogenfarben und Varianten geübt. Von geradeaus, was anfangs kaum auf Anhieb gelingt, da der Zweiachsanhänger ein Sensibelchen ist und bei jeder gefühlt kleinsten Lenkradbewegung extrem reagiert, über Spurwechsel bis hin zum Einparken in einem rechten Winkel. Und auch das werde ich schaffen. Das war ein kleiner humoristischer Einblick in eine Männerdomäne, die immer mehr auch von Frauen erobert wird. Denn selbst ist die Pferdefrau.

Nicole Basieux

 

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