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Mikrofon an für Gerhard Etter und andere

16 Juli 2018 08:00

Eine der Illustrationen aus dem Buch. Eine der Illustrationen aus dem Buch.

«Equus Mercator», so heisst das im letzten März erschienene Buch, das den Werdegang von acht Schweizer Pferdeimporteuren und -händlern seit den Siebzigern dokumentiert. Dieses bis heute einzigartige Werk ist in der Romandie auf grossen Erfolg gestossen, leider gibt es jedoch noch keine Übersetzung - bedauernswert, sind doch die Geschichten von Pferdehändlern auf gewisse Art und Weise universal. Anhand von rund 30 Anekdoten berichtet Isabel Balitzer-Domon, Exjournalistin und Züchterin aus Vuarrens (VD), über den Beruf des Importeurs und Händlers und erstellt eine Biografie der in der Westschweiz aktiven Importeure, unter anderem von Gerhard Etter, der mit 400 verkauften Pferden im Jahr der grösste Importeur der Schweiz und über die Landesgrenzen hinaus ist. Hier ein paar Auszüge.

Gerhard Etter. Gerhard Etter.

Der am 3. Mai 1947 in Müntschemier geborene Gerhard ist seit über 50 Jahren im Geschäft und hat rund 30 000 Pferde verkauft. Sein Vater handelte mit Freibergern, sein Grossvater war Landwirt. Dass man von einer echten Dynastie sprechen kann, trifft durchaus zu, da die drei Kinder der Familie Etter nach ihrer Ausbildung ins Geschäft des Vaters eingetreten sind, jedes in seinem eigenen Fachgebiet und ohne jemals dazu gezwungen worden zu sein: Andrea führt das Gestüt in Irland, Marc ist als Pferde- und Anhängerhändler sowie als Parcoursbauer im Springreiten tätig, Daniel hilft im Handel und ist dazu als Profireiter im Turniersport unterwegs.

Gerhard Etter - der erste Pferdekauf

«Ich war das einzige Kind im Dorf, das nicht Ski fahren ging», erzählt Gerhard Etter, während er die Augen des Zuhörers mit seinen stahlblauen Augen fesselt. «So weit ich zurückdenken kann, hatte ich nur Pferde im Kopf. Als ich drei Jahre alt war, setzte mich mein Vater auf unsere eingespannten Freiberger, um die Felder zu pflügen, und selbst als die Arbeit vollbracht war, wollte ich nicht absteigen.»

Während seiner ganzen Kindheit ritt der kleine Gerhard Freiberger, die man schon damals sowohl zum Fahren wie auch zum Reiten einsetzte. Als der einzige Junge von vier Geschwistern 14 Jahre alt war, sagte sein Vater zu ihm: «Du wirst mit dem Fahrrad an die Versteigerung von Witzwil fahren und für mich ein 18 Monate altes Pferd kaufen. Nimm ein braves, denn du wirst es am Halfter nach Hause führen müssen!» Sein Vater überreichte ihm das Geld, 1200 Franken, das Gerhard mit zittrigen Händen gewissenhaft in seine Tasche steckte. Vier Stunden später kam der Junge voller Stolz entlang der Hauptstrasse mit seinem anderthalbjährigen Fohlen an der Hand zurück. Sein Vater begutachtete das Tier mit fachmännischen Blick: «Isch guet, du häsch äs bravs gno», meint er, fügt jedoch hinzu: «Hast du bemerkt, dass er einen grossen Kopf hat? Und dass er vorne rechts etwas zehenweit ist?» Der junge Gerhard blickte zwar etwas verlegen, merkte sich jedoch alles lernbegierig: Den gleichen Fehler würde er nicht noch einmal machen! (…)

Jürg Notz. Jürg Notz.

Jürg Notz - rund 5000 verkaufte Pferde

Ein anderer gleichwohl in der Deutschschweiz wie in der Romandie bekannter Pferdehändler ist Jürg Notz aus Kerzers. Der 64-Jährige hat in seiner Karriere rund 5000 Pferde verkauft. Auch er stammt aus einer Bauernfamilie, mit einem sehr «militärischen» Vater.

«Mein Vater war ein Militär-Verrückter. Während meiner Kindheit hatten wir einen Bauernhof mitten im Dorf, dort stellte mein Vater bis zu 100 Freiberger im Jahr als Train-Remonten vor», erzählt Jürg Notz. «Die Dorfstrasse wurde geschlossen und mein Vater versuchte, vor den grossen Obersten, die mit fachmännischem Blick die Pferde begutachteten, die ich vortrabte, Eindruck zu schinden. Es war eine Attraktion, alle Leute aus dem Dorf strömten herbei. Mein Vater holte die Pferde aus dem Jura, wo er einen und jeden kannte. Das Militär zahlte maximal 6000 Franken für ein Pferd. Das wussten die Züchter natürlich, weshalb sie sie nur für 200 oder 300 Franken weniger abgaben. Wir mussten die Pferde dann manchmal einige Wochen bei uns unterstellen, bevor wir sie zurechtmachen und vorstellen konnten. Ich dachte, das sei kein gutes Geschäft, mein Vater machte dies jedoch vor allem aus Stolz.»

«Einen schönen Kopf und viel Ausdruck»

«In den Jahren 1964 und 1965 begann mein Vater, holländische Warmblüter zu kaufen, um einen Sportpferdehandel aufzubauen. Diese Holländer wollten jedoch partout nicht über Wasser oder Gräben springen, davor hatten sie panische Angst. Wir haben dann gemerkt, dass dies an ihren Weiden lag, die von Gräben umgeben waren. Seither wurde das korrigiert!»

«Ich habe dann eine Lehre als Vermessungszeichner begonnen, ich suchte meinen eigenen Weg. Mit 20 habe ich dann meine Ausbildung abgebrochen, um doch als Reiter bei meinem Vater zu arbeiten… Ich bin unter anderem zweimal Europameister bei den Junioren geworden, im Einzel und im Team», lächelt Jürg. «Als ich 25 war, bat ich meinen Cousin, der bei einer Bank arbeitete, mir Geld zu leihen. Damit habe ich dann in England sechs Pferde gekauft. Ich hatte meine eigenen Kriterien, vor allem aber einen schönen Kopf und viel Ausdruck mussten die Pferde haben.»(…)

Alle befragten Pferdehändler waren bereit, sich zu verschiedenen Themen wie zum Beispiel dem Preis der Pferde, der Verkaufsprovision, den tierärztlichen Untersuchungen vor dem Kauf und ihrer eigenen Art und Weise, Pferde zu kaufen, zu äussern. Sie erzählen auch von den Versteigerungen in Bern, an welchen sie damals Tiere kauften, um Pferde aus dem Ausland einführen zu dürfen. Auch klagen sie über das heutige System, das sie stark benachteiligt.

«Gute Schweizer Pferde verkaufen sich nach wie vor sehr gut. Natürlich sind sie zwar etwas teurer als die Pferde, die im Ausland gezüchtet worden sind, das spielt aber bei Spitzencracks keine Rolle. Schweizer Züchter warten oft zu lange bis zum Verkauf, man muss im richtigen Augenblick handeln», rät Gerhard Etter. «Übrigens», fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu, «bin ich beim Final Promotion immer zugegen!» (…)

Ein ganzes Kapitel ist ebenfalls der Zeit vor und der Zeit nach dem Aufkommen des Internets und seinem Einfluss auf den Beruf der Pferdehändler gewidmet.

«Damals kamen alle zu uns! Heutzutage kommen die kleinen und mittleren Käufer nicht mehr: Sie kaufen im Internet. Manche Reiter denken, dass sie im Netz einen Crack finden werden, meiner Meinung nach ist dies aber einfach nicht möglich. Entweder sind diese Pferde genauso teuer, oder man muss sich fragen, wo der Haken ist…» meint Gerhard Etter. (…)

Jürg Notz ergänzt: «Was die Kundschaft betrifft, so war diese uns treu. Heute ist das anders. Die Leute versuchen, im Internet ihr Traumpferd zum tiefstmöglichen Preis zu finden. Das klappt so aber nicht! Man kriegt keinen Porsche Cayenne für 3000 Franken, und wenn doch, dann stimmt etwas nicht damit… Bei Pferden ist das genauso. Wenn die Leute mit diesen Pferden dann nicht mehr weiterwissen, gehen sie mit ihm zum Händler und müssen dann für das neue Pferd wieder Geld investieren… Wenn die Pferde aus dem Ausland importiert werden, belegen sie dazu noch Einfuhrkontingente. Wir Händler haben dann nicht mehr genügend Kontingente übrig, um die Pferde einzuführen, die wir brauchen.» (…)

(…) Angesichts dieser neuen Herausforderungen müssen unsere Pferdehändler ihren Platz auf dem Markt finden und sich fragen, wem und wie sie in diesem neuen Kontext nützlich sein können? Ich wette, dass sie - oder ihre Nachfolger - die richtige Antwort auf diese Frage finden werden, vermerkt Isabel Balitzer-Domon abschliessend.

Equus Mercator, 129 Seiten, 29 Franken, kann beim Verlag Mon Village in Sainte-Croix (VD) bestellt werden, www.editionsmonvillage.ch oder telefonisch
024 454 46 80.

Alle Bilder: zVg

Isabel Balitzer-Domon. Isabel Balitzer-Domon.

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