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Dossier: Tierschutz & Ethik

Mit Innovationen zu mehr Sicherheit

15 Januar 2018 08:00

Seit über 100 Jahren werden im Winter auf den zugefrorenen Seen von St. Moritz und Arosa Pferderennen gelaufen. Über viele Jahrzehnte waren die kalten Winter im Engadin und auch im Schanfigg an der Tagesordnung. Rennabsagen wegen schlechter Bodenverhältnisse kamen zwar vor, waren aber sehr selten.

Die Vollblüter und ihre Jockeys im stiebenden Schnee und vor traumhafter Kulisse - immer wieder faszinierend. Die Vollblüter und ihre Jockeys im stiebenden Schnee und vor traumhafter Kulisse - immer wieder faszinierend. Foto: www.turffotos.ch

Verheerender Unfall

In den vergangenen Jahren kam es aber immer öfter vor, dass es Probleme wegen zu warmer Temperaturen oder zu starker Temperaturschwankungen innert kurzer Zeit gab und die Rennen abgesagt oder auf verkürzter Strecke durchgeführt werden mussten. Verheerend war die Situation im Februar 2017 in St. Moritz. Die ersten zwei Rennsonntage wie auch der Night-Turf-Abend am Freitag vor dem dritten Renntag konnten problemlos durchgeführt werden. Am dritten Sonntag - dem sogenannten Grand-Prix-Tag - kam es aber im ersten Rennen zu einem Unfall, der dem Schweizer Rennsport im Allgemeinen und White Turf im Speziellen sehr viel Kritik und negative Presse einbrachte. 

Temperaturschwankungen als Grund

Durch extreme Temperaturschwankungen in der Woche vor dem letzten Renntag kam es zu einem Riss in der Eisdecke. Dadurch stieg an einer Stelle im Einlauf Wasser nach oben und unterspülte das Geläuf. Unter der kompakten Schneedecke war dies allerdings von aussen nicht zu erkennen, das Geläuf präsentierte sich bei der Inspektion durch die Rennleitung in gutem Zustand. Doch während des ersten Rennens konnte der durchnässte Bereich den schnellen Pferden nicht standhalten. Drei stürzten, in zwei Fällen kamen Pferde und Reiter glücklicherweise mit dem Schrecken davon. Doch ein Pferd - der englische Gast Boomerang Bob - brach sich den Unterschenkel am Hinterbein, und sein Jockey Georg Baker erlitt schwere Kopfverletzungen mit Hirnblutungen. Boomerang Bob musste erlöst werden, der Reiter war in der Schweiz und später in England wochenlang im Spital und ist heute noch in Rehabilitation. Allerdings ist er wieder zu Hause bei seiner Familie und kann ein normales Leben führen. Wie kürzlich bekannt wurde, wird er aber nie mehr Rennen reiten.

Sich von unberittenen Rennpferden auf Skiern ziehen zu lassen ist eine Herausforderung. Nicht umsonst werden Skikjöringfahrerinnen und -fahrer oft als verrückte Hunde betitelt.
 Sich von unberittenen Rennpferden auf Skiern ziehen zu lassen ist eine Herausforderung. Nicht umsonst werden Skikjöringfahrerinnen und -fahrer oft als verrückte Hunde betitelt. Foto: www.turffotos.ch

Massnahmen ergriffen

Um solche Unfälle in Zukunft zu vermeiden, hat White Turf auf die Rennen 2018 hin diverse Neuerungen in die Wege geleitet. Nach dem Rücktritt vom ehemaligen White-Turf-CEO Silvio Staub wurde diese Position auf zwei Verantwortungsbereiche aufgeteilt. Der Eventbereich inklusive der Betreuung der VIP-Gäste ging an René Schnüriger. Annina Widmer übernahm den Bereich Racing. Die Tierärztin, ehemalige Rennreiterin und Rennpferdebesitzerin, verfügt über ein ausgezeichnetes Know-how und ist prädestiniert für diese Position. Insbesondere für die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen steht sie zusammen mit
White-Turf-Vorstandspräsident Thomas C. Walther im engen Austausch mit dem Schweizer Pferderennsportverband. Zudem besteht ein intensiver Kontakt mit dem kantonalen Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit, das die Massnahmen überwacht. Die Racing-Chefin erläutert:

Meine Aufgaben betreffen alles, was die Rennen anbelangt, also von den Ausschreibungen - zusammen mit der Ausschreibungskommission - über die Rennplanung, die Stallungen, das Geläuf bis zur Betreuung der Aktiven und den Wettbetrieb.

Annina Widmer ist die neue Verantwortliche des Bereichs «Racing» bei White Turf St. Moritz. Annina Widmer ist die neue Verantwortliche des Bereichs «Racing» bei White Turf St. Moritz. Foto: Alessandro D’Angelo

Hightechdrohne und Radargerät

Wie Annina Widmer weiter erklärt, kommen beim White Turf 2018 neben den bereits bestehenden Sicherheitsvorkehrungen zusätzlich neue technische Hilfsmittel zum Einsatz, um die klimatischen Auswirkungen auf den Zustand der Rennbahn in Zukunft besser in Echtzeit evaluieren zu können. Eine St. Moritzer Firma hat dazu in Zusammenarbeit mit einer schweizweit agierenden Aktiengesellschaft ein Konzept erarbeitet. Mit einer Infrarotkamera, die an einer Drohne befestigt ist, lassen sich zeitnah vor den Rennen Stellen erkennen, an denen möglicherweise Wasser zwischen dem Eis und der Schneedecke hochgestiegen ist. Zudem wird ein Radarmessgerät unmittelbar über Unregelmässigkeiten des Geläufs Aufschluss geben. Zur Frage, ob diese Drohne auch bei Schneefall oder starkem Wind einwandfrei arbeiten könne, meint die Rennchefin: «Wie sich das exakt verhält, kann ich nicht genau beantworten, sondern die Technikexperten. In jedem Fall haben wir ja auch das Radargerät im Einsatz - und dieses ist für jede Witterung tauglich.»

Als Team entschieden

Auf die Frage, wie sie sich betreffend dieser technischen Neuerungen eingebracht habe, erzählt die Racing-Verantwortliche: «Ich musste mich da gar nicht gross einbringen, sondern kann auf unsere kompetenten Spezialisten zählen, die mit den Experten für alle Bauten und auch für die Piste zuständig sind und die neuen technischen Massnahmen umsetzen.

Die Sicherheit von Reitern, Fahrern und Pferden steht für uns an oberster Stelle.

Entschieden wird aufgrund der Empfehlungen der Spezialisten. Diese Daten werden massgebend sein. Wir werden uns nicht unter Druck setzen lassen, Rennen bei prekären Verhältnissen durchzuführen. Im Zweifelsfall gibt es keine Rennen.» Diese klare Prämisse, lieber abzusagen als Risiken für Pferde und Reiter einzugehen, sei die gemeinsame Entscheidung des aktuellen White-Turf-Vorstands und des Schweizer Pferderennsportverbands und würde auch von den White-Turf-Sponsoren unterstützt.

Verkleinerung des Eventbereichs

Neben den technischen Neuerungen zur Einschätzung des Geläufs werden auch das Gewicht der Bauten und die Ausdehnung der Infrastruktur auf dem zugefrorenen See reduziert und vom Geläuf weiter entfernt platziert. Dies, um Spannungsbelastungen zu minimieren. Unter anderem wird dazu die Fläche des VIP-Bereichs um mehr als zehn Prozent verkleinert.

Neue Stallungen

Ein Plus für die Aktiven werden die neuen modernen Stallungen sein, die dank der Bewilligung eines Kredits durch die Stimmbürger von St. Moritz derzeit komplett saniert werden und bis im Februar 2018 bezugsfertig sind. Annina Widmer erklärt dazu: «Als Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Aktiven werden trotz der Sanierung die bislang zu entrichtenden Stallgebühren abgeschafft. Denn alle Beteiligten haben grosse Aufwendungen, um die Pferde für die Schneerennen vorzubereiten, für die Anreise, für Unterkünfte und vieles mehr.»

Auch Polo und Springprüfungen auf Schnee

Auf dem zugefrorenen St. Moritzer See findet neben den Pferderennen auch jedes Jahr der Snow Polo World Cup statt. Die Veranstaltung gilt als weltweit wichtigstes Poloturnier auf Schnee. Ein fest verankerter Anlass in der Wintersaison ist auch der Concours Hippique auf Schnee in St. Moritz, der sich zum Pflichttermin für Reiter entwickelt hat, die ausserhalb der Hallensaison im Winter an einem Open-Air-Turnier teilnehmen möchten. Allerdings finden die Springprüfungen nicht auf dem zugefrorenen See statt, sondern auf festem Untergrund in Seenähe.

Barbara Würmli

111 Jahre Internationale Pferderennen St. Moritz

Die drei White-Turf-Rennsonntage, am 4., 11. und 18. Februar 2018, stehen im Zeichen des 111-Jahr-Jubiläums der Internationalen Pferderennen von St. Moritz. Ein Besuch lohnt sich, denn es gibt kaum etwas Faszinierenderes als edle Vollblüter, die durch den stiebenden Schnee preschen, agile Traber, die ihre Fahrer auf Kufen über den zugefrorenen See ziehen, und abenteuerlustige Skikjöring-Fahrer, die auf Skiern von unberittenen Galopprennpferden gezogen werden.

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