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Dossier: Pferdewissenschaften

Mulis - verlässliche, aber herausfordernde Partner

11 März 2019 14:00

Als vielseitige und verlässliche Partner des Menschen haben Mulis zu jeder Zeit ihre Qualitäten unter Beweis gestellt - als Trag-, Zug- und nicht zuletzt als Reittier. Doch sind sie durch Sport- und Freizeitpferde immer mehr in den Hintergrund gedrängt worden und werden von der breiten Bevölkerung nur noch selten wahrgenommen.

Das Maultierfohlen Baila präsentierte sich an der Fohlenschau in Einsiedeln als kleine Schönheit. Das Maultierfohlen Baila präsentierte sich an der Fohlenschau in Einsiedeln als kleine Schönheit.

Ein Maultier ist das Kreuzungsprodukt eines Eselhengstes und einer Pferdestute. Ein Maulesel entsteht aus einem Pferdehengst und einer Eselstute. Spricht man von beiden Gattungen, nennt man die Tiere gemäss Josefine Jacksch von der IG Maultier im deutschsprachigen Raum Mulis. Optisch sind Maultiere und Maulesel nicht voneinander zu unterscheiden. Es heisst aber, dass sich beim gemeinsamen Weidegang Maultiere zu den Pferden gesellen und Maulesel zu den Eseln. Ist man sich bei einem Muli unsicher, ob es Maultier oder Maulesel ist, und möchte man sich nicht nur auf den Weidetest verlassen, kann im Labor mit einer zytogenetischen Untersuchung zweifelsfrei festgestellt werden, wer von den Eltern Esel und wer Pferd ist oder war.

Die IG Maultier organisiert regelmässig Muliritte. Bei den Ausflügen kommt jeweils eine grosse bunte Schar an langohrigen Vierbeinern zusammen. Die IG Maultier organisiert regelmässig Muliritte. Bei den Ausflügen kommt jeweils eine grosse bunte Schar an langohrigen Vierbeinern zusammen. Foto: Josefine Jacksch

Mulis in der Schweiz

Wie der Broschüre «Leitfaden zur Haltung von Maultieren und Mauleseln» von Agroscope zu entnehmen ist, wurden die Mulis durch die Römer in die Schweiz eingeführt und erreichten vor allem in Gebirgsgegenden als Nutztiere Verbreitung. Ihre Blütezeit erlebten sie hierzulande vom 16. bis ins 19. Jahrhundert. Damals wurden hauptsächlich zwei Typen gezüchtet: ein grossrahmiges Zugtier von 155 bis 175 cm Widerristhöhe und ein kleineres, leichteres Reit- und Saumtier von 140 bis 150 cm.

Zucht

Die Zucht von Maultieren und Mauleseln erfolgt immer mit Pferden und Eseln, Mulis selber sind - abgesehen von wenigen Ausnahmen - unfruchtbar. Dies liegt an der ungeraden Chromosomenzahl von 63. Die IG Maultier wie auch die bereits genannte Agroscope-Broschüre - die in Zusammenarbeit mit dem Verein entstanden ist - erklären das wie folgt:

Während der Produktion von Sperma und Eizellen werden die Chromosomen ebenmässig aufgeteilt, sodass die Eizellen oder Spermien nur einen Chromosomensatz enthalten. Nach der Befruchtung der Eizelle durch ein Spermium ist dadurch wieder dieselbe Anzahl an Chromosomen vorhanden. Im Falle der Mulis mit ihren 63 Chromosomen ist diese Aufteilung schwierig, denn bei der Verteilung auf die Eizellen/Spermien wird das alleinstehende 63. Chromosom beschädigt. Die Spermien und Eizellen sind also defekt. Die Aufteilung verläuft aber nicht immer gleich. In sehr seltenen Fällen ist die genetische Information ausreichend, um trotz ungleicher Chromosomenzahl zu einer funktionellen Ei- oder Spermienzelle zu führen. Eine solche kann von einem Hengst (Esel oder Pferd) befruchtet werden und zu einem gesunden Fohlen heranwachsen. Maultierstuten sind daher unter Umständen fruchtbar. Nur zwei solche Fohlen sind aber weltweit wissenschaftlich belegt. Dasselbe Prinzip gilt auch bei Maultierhengsten. Allerdings ist die Spermienzahl im Normalfall schon sehr niedrig. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass genügend funktionelle Spermien produziert werden, um eine Stute erfolgreich zu decken. Bisher ist kein solcher Fall bekannt.

Maultiere in der Armee

Lange Zeit wurde die Maultierzucht in der Schweiz staatlich gefördert, unter anderem, um die Armee mit genügsamen und leistungsfähigen Tragtieren zu versorgen. Diese Maultiere wurden aus Eselhengsten und Freibergerstuten gezogen. Seit der 2002 vorgenommenen Reduzierung des Trains kommen in der Schweizer Armee aber nur noch wenige Maultiere zum Einsatz, und so wurde auch die staatliche Förderung abgeschafft. Allerdings hat der Bestand von Mulis in den letzten zehn Jahren gemäss dem «Bericht der Schweizer Pferdebranche 2016» trotzdem wieder zugenommen. Heute werden sie vor allem für touristische Aktivitäten und als Freizeitpartner geschätzt.

IG Maultier

Dass sich die Mulis in der Schweiz wieder grösserer Beliebtheit erfreuen, ist auch der 1989 gegründeten Interessengemeinschaft Maultier zu verdanken. Neben der allgemeinen Förderung des Interesses an Mulis setzt sich der Verein vor allem für die solide Ausbildung der Maultiere und deren Halter ein. Josefine Jacksch erklärt: «Mulis sind weder Pferde noch Esel und funktionieren nicht wie diese. Sie haben ihre eigenen artspezifischen Bedürfnisse und Eigenheiten. Deshalb empfehlen wir Neubesitzern, sich Hilfe von Fachleuten zu holen, die sich mit Mulis auskennen und die Arbeit mit ihnen schätzen.» Die IG Maultier hilft Mulibesitzern auch regional Tierärzte, Hufschmiede und Hufpfleger mit Maultier- und Mauleselerfahrung zu finden. Zudem setzt sie sich für die Erhaltung und die Erweiterung des Wissens rund um Mulis ein, nimmt an Pferdemessen teil und organisiert vereinsinterne Aktivitäten wie den Mulihöck oder gemeinsame Ritte.

Als Reittiere beliebt

Obwohl hierzulande noch Mulis bei der Armee als Saumtiere und touristisch als Zug- und Lasttiere eingesetzt werden, erfreuen sie sich aber hauptsächlich als Reit- und Freizeitpartner grosser Beliebtheit. Josefine Jacksch hält selber zwei Mulis und verrät, wieso sie diese den Pferden vorzieht: «Von meinen beiden Maultieren habe ich viel über den Umgang mit Equiden und das Reiten gelernt. Sie sind dem Menschen gegenüber viel kritischer als Pferde und verlangen meine ganze Konzentration, was den Umgang mit ihnen zwar anstrengend, aber auch spannend macht.» Dank der steten Neugierde ihrer Mulis habe sie viele Dinge in ihrer Umgebung entdeckt, die ihr sonst nicht aufgefallen wären, sagt Josefine Jacksch weiter.

Mulis passen zu Parelli

Einer der bekanntesten Muliausbildner und Mulireiter in der Schweiz ist der 5-Sterne-Parelli-Instruktor Adrian Heinen. Der Fachmann erzählt, wie er auf Mulis gekommen ist: «Ich war damals im Wallis in der Umgebung von Visp zu Hause. Da ist nur die Talebene zum Reiten geeignet. Damals war dort die Autobahn geplant, und ich dachte, dass es bald keinen Platz für Ausritte mehr geben würde. Würden nur noch die steilen Seitenwände des Walliser Tales zur Verfügung stehen, wäre ich mit Mulis besser bedient als mit Pferden.» Erste Erfahrungen mit Mulis hatte Heinen schon in der Train-RS gemacht. In Visp knüpfte er dann Kontakte zur Familie Gentinetta, die seit Generationen Mulis hielten und mit ihnen handelten.

Adrian Heinen erzählt weiter, dass er über das Studium der nur spärlich vorhandenen Maultierliteratur seinen langjährigen Mentor Pat Parelli fand. Der amerikanische Horseman ist nämlich ein exzellenter Mulitrainer, was dem breiten Publikum aber nur wenig bekannt ist. Heinen erklärt: «Durch Parelli und durch meine eigenen Erfahrungen mit Pferden und Mulis habe ich gemerkt, dass mit einem Pferd viele Reiter und Tierlehrer etwas zeigen und Erfolge vorweisen können. Mit Mulis ist das wesentlich seltener der Fall.»

Tolle Lehrmeister

Der langjährige Mulispezialist kommt über das Verhältnis zwischen Menschen und Equiden ins Philosophieren: «Meiner Ansicht nach haben Menschen von Natur aus Schwierigkeiten im Umgang mit Equiden, denn der Mensch ist Raubtier, während Raubtiere die absoluten Feinde der Equiden sind. Die Kenntnisse über Equiden sind immer noch hauptsächlich von der menschlichen Perspektive geprägt. Die Instinkte und die Denkweise von Pferden, Eseln usw. werden nicht wirklich in Betracht gezogen. Wobei Ausnahmen die Regel bestätigen.» Adrian Heinen erläutert weiter, dass ihm seine Erfahrung mit Menschen und Equiden gezeigt habe, dass wer denkt, er könne gut mit Pferden umgehen, das mit Mulis testen sollte. Falls er die gleich guten Resultate mit Mulis erreicht, kann er mit Pferden so weiter arbeiten. Funktioniert es mit Mulis nicht, sollte er seine Art des Trainings grundsätzlich überdenken und sich auch bei der Arbeit mit Pferden verbessern. «Mulis sind also auch für Pferdefachleute ideale Lehrmeister», so der Parelli-Instruktor abschliessend.

Vielseitig, robust und eigenwillig

Die Fachleute sind sich einig, dass Mulis die Kraft und Willigkeit des Pferdes und die Belastbarkeit des Esels in sich vereinen. Sie zeigen eine hohe Resistenz gegen Krankheiten und sind mental oft sehr ausgeglichen. Doch die Kreuzung aus Pferd und Esel ist auch herausfordernd, zum Beispiel in angsteinflössenden Situationen. Pferde reagieren meistens mit Flucht, Esel dagegen haben die Tendenz zu erstarren. Mulis haben je nach Persönlichkeit einen Charakter, der dem Pferd nahekommt oder dem Esel oder beiden zu ähnlichen Teilen. So kann ein Muli erschrecken und im ersten Moment fliehen, nur um dann urplötzlich stehen zu bleiben und das Schreckgespenst minutenlang anzustarren. Mit Mulis wird es einem also bestimmt nie langweilig.

Barbara Würmli

Weiterführende Infos
Aus der IG Maultier bildete sich 2007 auch eine Arbeitsgruppe Maultier-Museum, die 2012 ein eigenständiger Verein wurde und 2017 die Stiftung Maultier-Museum gründete. Das Maultier-Museum ist so konzipiert, dass es längerfristig ein öffentliches Zentrum in Turtmann VS geben soll und Satelliten an verschiedenen Orten in der Schweiz. Realisiert ist im Moment erst ein Satellit im Freilichtmuseum Ballenberg. Dort ist im Erdgeschoss des Erstfeldhauses - einer ehemaligen Sust an der Gotthardroute - eine Ausstellung zum Thema Säumerei und Transport untergebracht. Weiter laufen die Vorbereitungen für einen Satelliten in Törbel VS. 

www.maultier-museum.ch
www.ig-maultier.ch

Josefine Jacksch mit ihrem Zorro beim gemütlichen Ausritt. Josefine Jacksch mit ihrem Zorro beim gemütlichen Ausritt. Foto: Josefine Jacksch

Impression vom Abstieg von Erschmatt an den Walliser Maultiertagen. Impression vom Abstieg von Erschmatt an den Walliser Maultiertagen. Foto: Josefine Jacksch

Gut ausgebildete und zuverlässige Mulis wie Bigi von Besitzerin Romy Balsiger können sogar zum Voltigieren eingesetzt werden. Gut ausgebildete und zuverlässige Mulis wie Bigi von Besitzerin Romy Balsiger können sogar zum Voltigieren eingesetzt werden. Foto: Josefine Jacksch

Zwar hält die Armee nicht mehr sehr viele Maultiere, an den RS-Besuchstagen in Sand Schönbühl wird die Arbeit mit den leistungsfähigen Tieren aber immer noch gezeigt. Zwar hält die Armee nicht mehr sehr viele Maultiere, an den RS-Besuchstagen in Sand Schönbühl wird die Arbeit mit den leistungsfähigen Tieren aber immer noch gezeigt. Foto: Josefine Jacksch

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