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Neue Dopingregeln im nationalen und internationalen Pferdesport

21 Dezember 2020 09:00

In der winterlichen Kälte sorgt sich so manche aufmerksame Pferdebesitzerin, das - vielleicht sogar geschorene - Pferd könnte sich erkälten. Man scheut keinen Aufwand, den vierbeinigen Sportpartner fit und munter zu halten, um allenfalls sogar den einen oder anderen Hallenconcours mitmachen zu können. Doch was, wenn die Kräutermischungen oder Immunbooster, die ich dem Pferd füttere, trotz natürlichen Zutaten dopingrelevant sind und ich als Pferdebesitzer im Falle einer positiven Dopingprobe meine Unschuld beweisen muss?

Auch auf nationalen Turnieren werden regelmässig Medikationskontrollen durchgeführt. | © Berlinger Auch auf nationalen Turnieren werden regelmässig Medikationskontrollen durchgeführt. | © Berlinger

Erst diesen Herbst warnte der Weltreiterverband (FEI) wieder vor Verunreinigungen von Futtermitteln - diesmal mit der verbotenen Substanz Zilpaterol, die beim Herstellungsprozess ungewollt in ein Pferdefutter gelangt ist. Auf das Problem aufmerksam wurde die Herstellerfirma erst, als mehrere Pferde positive Dopingproben auf Zilpaterol aufwiesen und als gemeinsamer Nenner ein allen diesen Pferden verfüttertes Ergänzungsfuttermittel ausgemacht werden konnte. Laborproben des Futters bestätigten schliesslich den Verdacht.

 

Beweislast bei der verantwortlichen Person

Nicht immer ist der Beweis, dass kein vorsätzliches Doping vorliegt, so offensichtlich wie in diesem Fall von Zilpaterol. Egal, wie die unerlaubte Substanz in das Pferd gelangte, als verantwortlich für das Doping gilt grundsätzlich immer die Reiterin bzw. der Reiter, die bzw. der gegebenenfalls ihre Unschuld beweisen müssen.

Für die FEI gilt als oberstes Gebot, das Pferd vor potenziell gefährlichen Wirkstoffen zu schützen, da es nicht selbst entscheiden kann, ob es diese einnehmen möchte oder nicht. Deshalb ist es gemäss der aktuellen Antidopingpolitik der FEI egal, wie die verbotene Substanz oder die kontrollierte Medikation (siehe Begriffserklärung im Kasten) dem vierbeinigen Athleten zugeführt wurde - es ist eine Situation, die Sanktionen nach sich zieht. Man spricht von der verschuldensunabhängigen Haftung der verantwortlichen Person.

 

Doping nicht nur im internationalen Sport

Auch an Prüfungen auf nationaler Ebene werden regelmässig vom SVPS organisierte Doping- bzw. Medikationskontrollen durchgeführt. Anders als in einigen Nachbarländern gilt in der Schweiz die Dopingliste der FEI, die sogenannte «Equine Prohibited Substances List» (EPSL).

Wie im internationalen Pferdesport haftet auch auf nationalen Turnieren die Pferdesportlerin bzw. der Pferdesportler für positive Medikationsbefunde! Deshalb ist es wichtig, dass alle Pferdesporttreibenden, die an Wettkämpfen teilnehmen, sich mit der Dopingthematik auseinandersetzen!

Ein sehr hilfreiches und leicht bedienbares Hilfsmittel ist hierbei die Clean-Sport-App der FEI. Hier findet man über eine einfache Suchfunktion alle wichtigen Wirkstoffe bzw. Medikamente mit den relevanten Informationen zu ihrem Einsatz beim Sportpferd.

Die Clean-Sport-App der FEI gibt Auskunft über die Dopingrelevanz von Wirkstoffen. | © iStockphoto/Clicknique Die Clean-Sport-App der FEI gibt Auskunft über die Dopingrelevanz von Wirkstoffen. | © iStockphoto/Clicknique

Grauzone Futtermittel

Nebst der direkten Verabreichung von dopingrelevanten Wirkstoffen spielt auch die Kontamination, also die Verunreinigung, von Futtermitteln mit solchen Substanzen eine wichtige Rolle. Schätzungen zufolge machen diese Fälle seit 2015 über 40% aller positiven FEI-Dopingproben aus. Meist handelt es sich hierbei um in Futtermitteln natürlicherweise vorkommende Stoffe wie Morphin in Mohnsamen und Hafer. Die im Pferd nachgewiesenen Spuren sind in diesen Fällen jedoch so gering, dass eine leistungsbeeinflussende Wirkung unwahrscheinlich erscheint. Auch in Aromen, die dem Pferdefutter beigesetzt werden, können Stoffe vorkommen, die in Dopingproben angezeigt werden. Dasselbe gilt für weitere natürliche Helfer wie Baldrian, Teufelskralle oder Ingwer.

Vor diesem Hintergrund schuf die FEI 2016 eine neue Wirkstoffkategorie, die sogenannten «specified substances». Diese Substanzen sind zwar nicht weniger bedeutsam oder gefährlich als die übrigen dopingrelevanten Substanzen, sie werden dem Pferd jedoch eher aus anderen Gründen als zur gezielten Leistungsbeeinflussung verabreicht, beispielsweise eben über Futtermittelkontamination. In der Praxis führt bei der FEI ein positiver Befund hinsichtlich einer «specified substance» nicht zu einer sofortigen Sperre, sondern es werden zuerst eingehende Analysen vorgenommen, um eine verbotene Medikation oder Doping auszuschliessen. Bestätigte Fälle von Futtermittelkontaminationen werden zum Schutz der Athletin bzw. des Athleten auch nicht automatisch publik gemacht.

Bei positiven Medikationsproben auf nationalen Turnieren werden die Reiterinnen und Reiter nicht sofort gesperrt. Die Fälle werden der Sanktionskommission (SAKO) des SVPS vorgelegt, die ihre entsprechenden allfälligen Sanktionen unter Berücksichtigung der Art der festgestellten dopingrelevanten Substanz festlegt.

Dennoch bleibt auch in diesen Fällen die Beweislast bei der verantwortlichen Person, also der Reiterin bzw. dem Reiter. Sie müssen glaubwürdig darlegen können, dass die Dopingsubstanz vom Pferd versehentlich aufgenommen wurde. Die Kosten für solche aufwendigen Laboranalysen und Expertengutachten gehen ebenfalls zulasten der verantwortlichen Person.

 

Fluch und Segen der Nulltoleranz

Aus ethischer Sicht ist klar, dass kein Pferd mittels leistungsbeeinflussender Substanzen über seine Grenzen hinaus beansprucht werden darf. Somit ist die von der FEI hochgehaltene Nulltoleranz gegenüber diesen Stoffen nachvollziehbar. Auf der anderen Seite ist es eine Tatsache, dass die Laboranalytik heute so weit ausgereift ist, dass schon kleinste Spuren von unerwünschten Stoffen im Blut oder Urin des Pferdes nachgewiesen werden können - auch wenn sie keinen Einfluss auf die Leistung haben können und durch kontaminierte Futtermittel in das Pferd gelangten.

Um die Problematik der Nulltoleranz etwas abzufedern, hat die FEI Schwellenwerte, sogenannte «screening limits», für gewisse Stoffe festgelegt. Wo dies wissenschaftlich belegt ist, können so im Pferdekörper nachweisbare minimale Konzentrationen an verbotenen Substanzen als wirkungslos deklariert werden und führen dadurch nicht zu einem positiven Dopingtestresultat. Derzeit gibt es jedoch nur wenige «screening limits», da die Forschung hier noch nicht weit fortgeschritten ist.

Die Generalversammlung der FEI wurde dieses Jahr als Videokonferenz durchgeführt. | © FEI/Richard Juilliart Die Generalversammlung der FEI wurde dieses Jahr als Videokonferenz durchgeführt. | © FEI/Richard Juilliart

Entscheidungen der FEI an der Generalversammlung 2020

Per 1. Januar 2021 treten die neuen Richtlinien der Weltantidopingagentur (WADA) in Kraft. Diese gelten natürlich auch für Pferdesportlerinnen und -sportler und müssen von den zuständigen Verbänden auf nationaler und internationaler Ebene umgesetzt werden. Das Pferd nimmt hier eine Sonderstellung ein. So ist es Aufgabe der FEI, die Richtlinien der WADA nicht nur auf die Humanathletinnen und -athleten, sondern auch auf die vierbeinigen Sportpartner umzumünzen.

An der FEI-Generalversammlung Ende November wurde in diesem Zusammenhang beschlossen, dass ein besonderes Verfahren für sogenannt untypische Dopingtestergebnisse («atypical findings») eingeführt wird. In diesem Rahmen können positive Dopingproben auf bestimmte Substanzen, die in einer gesonderten Liste aufgeführt sind und nicht typischerweise zu Dopingzwecken eingesetzt werden bzw. allenfalls mit einer Futtermittelkontamination erklärt werden könnten, von einem eigens dafür einberufenen Ausschuss abgeklärt werden. Schliesst der Ausschuss eine bewusste Verabreichung der Substanz aus, wird das Verfahren eingestellt und dieser Entscheid ist endgültig. Nur wenn die willentliche Medikation nicht ausgeschlossen werden kann, kommt es zu einem rechtlichen Prozess wie bei jeder positiven Dopingprobe. Ausserdem können künftig bei Fällen von Kontaminationen auch Verweise ausgesprochen werden, sodass nicht zwingend eine Sperre erfolgen muss.

Auch bei den Disqualifikationen gibt es ab 2021 gewisse Änderungen: An Olympischen Spielen und Paralympics werden alle Resultate der Veranstaltung eines positiv getesteten Pferdes disqualifiziert; dies gilt grundsätzlich an allen anderen Turnieren auch, ausser es liegt eine negative Dopingprobe von einem vorgängigen Turnier vor. Wird an Olympischen Spielen oder Paralympics ein Pferd positiv getestet, wird das gesamte Team disqualifiziert; an den übrigen Turnieren wird nur das betroffene Pferd-Reiter-Paar disqualifiziert.

Im Bereich des Humandopings im Pferdesport wurde insbesondere die Definition von «im Wettkampf» präzisiert: Dieser Zeitraum beginnt 1 Stunde vor der Verfassungsprüfung und dauert bis zum Ende der letzten Prüfung der betreffenden Veranstaltung.

Ausserdem erliess die FEI - wie auch Swiss Olympic - aufgrund der Vorgabe der WADA neue Regeln bezüglich Suchtmittel, die in der Gesellschaft ausserhalb des Sports häufig zu Abhängigkeiten führen, wie Kokain und THC. Kann eine Athletin bzw. ein Athlet nachweisen, dass solche Substanzen ausserhalb des Wettkampfs eingenommen wurden und nicht im Zusammenhang mit der sportlichen Leistungsfähigkeit stehen, wird die Sperre auf pauschal drei Monate angesetzt. Die betroffenen Sportlerinnen und Sportler können die Sperre auf einen Monat kürzen, wenn sie ein Entzugsprogramm absolvieren.

 

Ausbildung im Vordergrund

Die Ausbildung und Wissensvermittlung sind im Bereich der Dopingbekämpfung zentral. So werden die WADA, die FEI und schliesslich auch der SVPS in den kommenden Wochen und Monaten Lehrmittel aufbereiten, um alle am Pferdesport Beteiligten über die Thematik aufzuklären und damit die Gesundheit der zwei- und der vierbeinigen Athletinnen und Athleten zu schützen.

Cornelia Heimgartner

Alle wichtigen Informationen zum Thema Doping finden Sie in unserer Broschüre «Gemeinsam gegen Doping im Pferdesport».

Der Schweizerische Verband für Pferdesport wendet für alle ihm unterstellten Veranstaltungen die Doping- und Medikationslisten der FEI an, die sogenannte Equine Prohibited Substance List - also die Liste der unerlaubten Substanzen. In diesem Verzeichnis sind alle Wirkstoffe aufgeführt, die zum Zeitpunkt des Wettkampfs im Pferd nicht nachgewiesen werden dürfen. Sie umfasst die verbotenen Substanzen (banned substances) und die Arzneimittel/Medikamente (controlled substances). Die FEI-
Dopingregeln gelten also nicht nur an internationalen Turnieren, sondern auch an regionalen und nationalen Veranstaltungen.

Controlled substances
Substanzen, die unter tierärztlicher Kontrolle als Medikation zur Behandlung oder Vorbeugung von Erkrankungen verabreicht werden können. Diese Substanzen dürfen während des Wettkampfs nicht nachgewiesen werden.

Banned substances
Verbotene Substanzen. Wirkstoffe, die ausschliesslich und gezielt die Leistungsfähigkeit des Pferdes positiv oder negativ beeinflussen («Doping») und die Gesundheit des Pferdes potenziell gefährden. Sie dürfen einem Pferd nie verabreicht werden.

Specified substances
Substanzen, die zwar nicht weniger bedeutsam oder gefährlich sind als die übrigen unerlaubten Substanzen, die vom Pferd jedoch eher aus anderen Gründen als zur gezielten Leistungsbeeinflussung aufgenommen werden, beispielsweise über Futtermittelkontamination.

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