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Ökologische Nachhaltigkeit in der Schweizer Pferdebranche

29 August 2022 08:00

Im Jahr 2019 wurde die Schweizer Pferdebranche durch eine erschreckende Nachricht aufgerüttelt: Das Pferd ist der Klimasünder Nummer eins unter den Haustieren. Die Nachricht ging durch die Medien und wurde unmittelbar als Hauptthema der Netzwerktagung Schweizer Pferdeforschung gewählt. Drei Jahre später werden hin und wieder Artikel in Fachzeitschriften zu umweltrelevanten Themen veröffentlicht. Aber wurden tatsächlich Massnahmen ergriffen? Gibt es Forschung in diesem Bereich oder gar konkrete Projekte?

Durch regionale Produktion können bei der Einstreu hohe Umweltauswirkugnen vermieden werden. | © imago Durch regionale Produktion können bei der Einstreu hohe Umweltauswirkugnen vermieden werden. | © imago

Der Begriff «nachhaltig» stammt aus der Forstwirtschaft und bedeutete ursprünglich, dass nur so viel Holz geschlagen werden darf, wie auch nachwachsen kann. Auf unsere heutige Situation übersetzt, bedeutet das, dass nicht mehr Ressourcen verwendet werden, als der Planet bereitstellen kann. Oft wird dabei auch von Umweltschutz gesprochen. Das Ziel der nachhaltigen Entwicklung ist es, die drei Dimensionen «Umwelt/Ökologie», «Gesellschaft/Soziales» und «Wirtschaft/Ökonomie» in Balance zu bringen. Die ökologische Nachhaltigkeit bietet dabei die Grundvoraussetzungen, damit die soziale und die ökonomische Sphäre überhaupt existieren können.

 

Ökologische Nachhaltigkeit ist wichtig für die Pferdebranche

Damian Müller, Präsident des Schweizerischen Verbands für Pferdesport (SVPS), misst der ökologischen Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit dem Pferdesport einen hohen Stellenwert bei. Er sieht vor allem beim Transport Chancen, aber auch Risiken: «Langfristig könnte es im Pferdesport nicht mehr möglich sein, an überkantonale Veranstaltungen zu fahren. Geschweige denn, mit dem Flugzeug auf einen anderen Kontinent zu fliegen.» Auch Iris Bachmann, Leiterin der Forschungsgruppe Equiden des Schweizer Nationalgestüts von Agroscope, sieht grossen Bedarf für die Branche, sich mit der ökologischen Nachhaltigkeit zu befassen: «Man akzeptiert diesen ökologischen Fussabdruck noch eher bei landwirtschaftlichen Nutztieren, aber eben nicht mehr bei Heimtieren. Wenn wir nichts tun, dann wird es Konsequenzen haben, die uns sehr stark einschränken.

Der Individualverkehr mit oder ohne Pferd stellt eine grosse Umweltbelastung dar | © imago Der Individualverkehr mit oder ohne Pferd stellt eine grosse Umweltbelastung dar | © imago

Situation in der Schweiz

Die ökologische Nachhaltigkeit hat in der Schweizer Pferdebranche in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Es gibt diverse Ansätze in verschiedensten Bereichen, die Pferdebranche umweltfreundlicher zu gestalten. Die Beratungsstelle des Schweizer Nationalgestüts von Agroscope verzeichnete vermehrt private Anfragen zu Umweltthemen. Auch im Pferdesport wird vermehrt auf Nachhaltigkeit geachtet. Die internationalen Turniere der Schweiz haben in den letzten Jahren verschiedene Massnahmen in den Bereichen Verpflegung und Transport umgesetzt. Am CSIO St. Gallen wurde sogar Biogas aus den anfallenden Pferdeäpfeln produziert.

Auffallend ist, dass es in der Schweiz keine offizielle Stelle gibt, die sich der ökologischen Nachhaltigkeit gesamtschweizerisch für alle Bereiche der Pferdebranche annimmt. Anders sieht es im Nachbarland Deutschland aus, wo die Deutsche Reiterliche Vereinigung die ökologische Nachhaltigkeit mit verschiedenen Massnahmen aktiv fördert. Iris Bachmann betont: «Eigenverantwortung ist gefordert. Wir sind aufgeklärte, erwachsene Menschen und wir sollten diese Eigenverantwortung wahrnehmen. Dafür braucht es aber Aufklärung und Lösungen.» Hier sind alle Akteure in der Pferdebranche gefragt: Vereine, Verbände, Bildungseinrichtungen und die Forschung.

 

Beitrag der Wissenschaft

Auf wissenschaftlicher Ebene wurden in der Schweiz bereits verschiedene Themenfelder aufgegriffen. So wurden unter anderem Nachhaltigkeitsbeurteilungen auf Pferdebetrieben durchgeführt, der Einfluss von Holzspänen in Pferdemist auf die Bodenversauerung untersucht oder die Umweltauswirkungen verschiedener Einstreumittel miteinander verglichen. Umweltrelevante Themen mit Bezug zur Pferdebranche wurden in der Schweiz bisher ausschliesslich durch studentische Arbeiten bearbeitet. Dies soll sich in Zukunft ändern. Der wohl wichtigste Akteur der Pferdeforschung in der Schweiz, das Schweizer Nationalgestüt von Agroscope in Avenches, hat vor Kurzem eine neue Stelle geschaffen, die sich mit umweltrelevanten Themen beschäftigt. Verschiedene Forschungsprojekte in den Bereichen Bodenschutz, Fütterung und Biodiversitätsförderung warten darauf, umgesetzt zu werden.

Blick in die Sattelkammer: Pferdesportzubehör gebraucht kaufen, schont Ressourcen | © imago Blick in die Sattelkammer: Pferdesportzubehör gebraucht kaufen, schont Ressourcen | © imago

Beitrag der Pferdehaltenden

Wer sich schon einmal mit umweltschonendem Handeln auseinandergesetzt hat, hat sich bestimmt gefragt, wo man überhaupt anfangen soll. Besonders wichtig ist es, die verschiedenen Massnahmen gegeneinander abzuwägen und zu schauen, wo mit vergleichbarem Aufwand die Auswirkungen am grössten sind.

Bei vielen Produkten fallen die meisten Umweltauswirkungen bei der Produktion und der Entsorgung an. Produkte, die regelmässig neu gekauft werden, haben also insgesamt höhere Umweltauswirkungen als solche, die man über viele Jahre nutzen kann. Durch den täglichen Verbrauch von Pferdefutter und Einstreu werden insgesamt enorm hohe Mengen davon verbraucht, was auch die Umweltauswirkungen kumuliert. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass der Transport von Pferdefutter und Einstreu hohe Umweltauswirkungen hat. Wer sein Pferdefutter und Einstreu regional bezieht, kann mit wenig Aufwand eine grosse Wirkung erzielen.

Im Stallbau werden viele Ressourcen gebraucht. Hier bieten sich innovative Techniken und Materialien an. Einheimisches Holz eignet sich sehr gut. Als nachwachsender Rohstoff bindet es im Wachstum CO2, bis das Holz entsorgt wird. Ebenfalls sehr umweltfreundlich ist Lehm. Er schafft gute klimatische Bedingungen im Stall und lässt sich gut recyceln. Auch begrünte Stalldächer sorgen auf natürliche Weise für ein angenehmes Stallklima. Generell hohe Umweltauswirkungen haben Verbundbaustoffe, die in der Herstellung viel Energie verbrauchen.

Verhältnismässig einfach umzusetzen sind Massnahmen zur Biodiversitätsförderung auf und um den Hof. Dies können Blumenwiesen, artenreiche Hecken mit einheimischen Gehölzen oder die Bewirtschaftung extensiver Pferdeweiden sein.

 

Beitrag von Reiterinnen und Reitern

Das einfachste Mittel mit der grössten Wirkung ist hier, die Autofahrten zum Pferdestall zu minimieren. Diese machen gemäss einer Studie der Schweizer Consultingfirma für Nachhaltigkeitsfragen ESU Services aus dem Jahr 2019 nämlich rund einen Viertel der Treibhausgasemissionen der gesamten Pferdehaltung aus. Als interessante Alternativen bieten sich Fahrgemeinschaften oder die Anfahrt mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Dasselbe gilt für Turniere: Auch hier können Fahrgemeinschaften oder auch Car-Sharing die Umweltauswirkungen reduzieren.

Wie beim Pferdefutter fallen auch beim Pferdezubehör die grössten Umweltauswirkung bei der Herstellung und der Entsorgung an. Da dieses Material meist in Asien produziert wird, sind nicht zuletzt die Transportwege und die sozialen Bedingungen in den Herstellungsländern nicht unproblematisch. Hier gilt: Die Produkte möglichst lange zu nutzen, ist meistens am nachhaltigsten. Muss trotzdem etwas angeschafft werden, können viele Artikel secondhand gefunden werden. Dies verlängert deren Lebensdauer und macht das Ganze wieder nachhaltiger. Im Internet gibt es zahlreiche Flohmärkte für Pferdezubehör, aber auch Flohmärkte in Pferdeställen sind sehr beliebt.

 

Jede und jeder kann etwas bewirken

Die Überlegung, ob etwas ökologisch nachhaltig ist, kann grundsätzlich für jedes Produkt und jede Handlung angestellt werden. Neben den hier angesprochenen Themen gibt es noch viele weitere: Zum Beispiel gelten Reitplatzböden je nach Material bei der Entsorgung als Sondermüll, für die Bewässerung von Reitflächen oder das Abspritzen der Pferde werden grosse Mengen an Wasser verbraucht, übernutzte Pferdeweiden können den Boden verdichten, sodass die natürlichen Prozesse im Boden nicht mehr funktionieren. Dies sind nur ein paar we-nige weitere Denkanstösse für ökologisches Handeln in der Pferdebranche. Die Herausforderungen sind sehr vielseitig und ebenso sind es die Möglichkeiten und Potenziale. Jede und jeder kann dazu einen Beitrag leisten mit dem Gedanken, dass viele kleine Aktionen gemeinsam etwas Grosses bewirken können.

Michelle Fiedler

Über die Autorin

Michelle Fiedler © zVg

Michelle Fiedler ist gelernte Pferdefachfrau und angehende Umweltingenieurin.
Im Rahmen ihres Studiums an der ZHAW in Wädenswil beschäftigte sie sich im letzten halben Jahr intensiv mit der ökologischen Nachhaltigkeit in der Schweizer Pferdebranche.

Einheimisches Holz im Pferdestall ist eine nachwachsende Ressource ohne lange Transportwege | © imago Einheimisches Holz im Pferdestall ist eine nachwachsende Ressource ohne lange Transportwege | © imago

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