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Dossier: Tierschutz & Ethik

Passt mein Sattel meinem Pferd?

02 Februar 2021 09:00

Ein schlecht sitzender Sattel hat negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Pferdes. In Zusammenarbeit mit dem Verband Leder Textil Schweiz (VLSTS), dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und Agroscope hat die Abteilung für Sportmedizin der Vetsuisse Fakultät eine Broschüre und ein Lehrvideo entwickelt, die einen Überblick über die wichtigsten Aspekte liefern, anhand der man einschätzen kann, ob ein Sattel einem Pferd passt.

(Bild: Michelle Aimée Oesch) (Bild: Michelle Aimée Oesch)

Der Sattel ist eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen Reiterin oder Reiter und Pferd. Die Hauptfunktion des Sattels besteht darin, das Gewicht der reitenden Person so gleichmässig wie möglich auf dem Pferderücken zu verteilen, um ungünstige Druckverhältnisse zu vermeiden. Gleichzeitig sollte er die Bewegungsabläufe des Pferdes nicht einschränken und den Reitenden in allen Gangarten und bei verschiedenen Aktivitäten einen sicheren, stabilen Sitz gewährleisten. Um diese Funktion erfüllen zu können, muss der Sattel zum Pferd und zur Reiterin beziehungsweise zum Reiter passen und für die ausgeübte Disziplin geeignet sein.

Auch ein Pferd, das beim Aufsteigen nicht stillsteht, leidet möglicherweise unter einem Sattel, den es als unangenehm oder schmerzhaft empfindet. Auch ein Pferd, das beim Aufsteigen nicht stillsteht, leidet möglicherweise unter einem Sattel, den es als unangenehm oder schmerzhaft empfindet. (Illustration: Matthias Haab)

Die Schweizer Rückenstudie

Zwischen 2017 und 2018 untersuchten Tierärztinnen und Tierärzte der Abteilung für Sportmedizin des Universitären Tierspitals Zürich die Passform von Englischsätteln bei 201 Pferd-Reiter-Paaren. Die Ergebnisse der Studie, die auch vom SVPS unterstützt wurde, zeigten, dass die Hälfte der Testpersonen ihren Sattel nicht regelmässig überprüfen lässt (Dittmann et al. 20201).

Zudem gab es einen positiven Zusammenhang zwischen der Anzahl von Passformmängeln und der Zeit seit der letzten fachmännischen Sattelüberprüfung. Während 95% der Testpersonen davon ausgingen, dass ihr Sattel ideal zu ihrem Pferd passt, ergab die Untersuchung, dass nur ca. ein Drittel der Sättel in Bezug auf Kopfeisenweite und -länge, Kissenwinkelung und Schwung des Sattelbaums dem Pferd einwandfrei passten. Bei 22% der Sättel war zudem eine Asymmetrie an den Sattelkissen festzustellen. In Fachkreisen besteht allerdings Uneinigkeit, ob bei Sattelkissen perfekte Symmetrie angestrebt werden sollte.

Die hohe Anzahl unpassender Sättel war der Anlass zur Entwicklung einer Broschüre und eines Lehrfilms, die den Reitenden dabei helfen sollen, grobe Sattelpassformmängel frühzeitig selbst zu erkennen.

Abgebrochene Haare in der hinteren Sattellage oder weisse Haare in der Sattellage können Anzeichen für einen schlecht passenden Sattel sein. (Marie Dittmann) Abgebrochene Haare in der hinteren Sattellage oder weisse Haare in der Sattellage können Anzeichen für einen schlecht passenden Sattel sein. (Marie Dittmann)

Anzeichen für einen unpassenden Sattel

Gewisse Verhaltensweisen des Pferdes können bereits darauf hinweisen, dass es den Sattel als unangenehm empfindet:

Zeichen von Unbehagen beim Putzen, Satteln oder Gurten: Das Pferd verspannt sich und drückt den Rücken weg, wenn es in der Sattellage gebürstet wird. Beim Putzen, Satteln oder Gurten droht es zu beissen, legt die Ohren an, schlägt mit dem Schweif, hebt Kopf und Hals ruckartig an, beisst in den Strick oder den Anbindebalken, knirscht mit den Zähnen. Es bleibt nicht ruhig stehen und versucht auszuweichen. Beim Gurten bläht es den Bauch auf und versteift sich.

Unruhe beim Aufsteigen: Das Pferd bleibt nicht ruhig stehen, wenn die Reitperson einen Fuss in den Steigbügel setzt, um sich auf seinen Rücken zu schwingen. Es legt die Ohren an, hebt Kopf und Hals ruckartig an, drückt den Rücken weg, schlägt mit dem Schweif oder klemmt diesen zwischen die Hinterbeine.

Unbehagen unter dem Sattel: Das Pferd ist verspannt, die Gänge sind kurz, es hält sich in der Bewegung zurück, will nicht vorwärtsgehen oder es eilt davon, läuft nicht korrekt am Zügel, macht Bocksprünge (z.B. nach dem Überspringen eines Hindernisses) oder schlägt aus. Es schlägt mit dem Schweif, knirscht mit den Zähnen oder legt die Ohren an.

Lässt man die Hand im Bereich des Kopfeisens zwischen Pferd und Sattel hindurchgleiten, sollte der Druck von oben bis unten gleichmässig sein. Lässt man die Hand im Bereich des Kopfeisens zwischen Pferd und Sattel hindurchgleiten, sollte der Druck von oben bis unten gleichmässig sein. (Michelle Aimée Oesch)

Passformprobleme, die der Mensch im Sattel wahrnehmen kann

Auch für die Reiterin oder den Reiter können gewisse Passformmängel auftreten. Zum Beispiel kann die Sitzfläche zu gross oder zu klein sein, oder das Sattelblatt kann im Verhältnis zur Beinlänge zu kurz oder zu lang sein. Auch wenn ein solcher Sattel perfekt an das Pferd angepasst ist, kann er den Menschen dadurch in eine unbequeme oder instabile Sitzposition bringen, was sich wiederum störend auf das Pferd auswirken kann. Gleichzeitig ist ein für die Reiterin oder den Reiter bequemer Sattel keine Garantie dafür, dass dieser auch dem Pferd passt.

Auch wenn das Gefühl besteht, immer in einen Stuhlsitz gesetzt zu werden oder im Sattel zu rutschen, kann es sein, dass der Sattel der reitenden Person oder dem Pferd nicht passt. Ein Sattel, der trotz adäquater Gurtspannung während des Reitens immer merklich zu einer Seite oder nach vorne rutscht, sollte ebenfalls überprüft werden.

Bei vielen Springsätteln ist die Ortsspitze - hier rot eingezeichnet - unter dem Sattelblatt ersichtlich. Sie sollte hinter dem Schulterblatt platziert werden. Die nach vorne geschnittenen Pauschen des Springsattels sind flexibel und schränken das Schulterblatt nicht in seiner Bewegung ein. Bei vielen Springsätteln ist die Ortsspitze - hier rot eingezeichnet - unter dem Sattelblatt ersichtlich. Sie sollte hinter dem Schulterblatt platziert werden. Die nach vorne geschnittenen Pauschen des Springsattels sind flexibel und schränken das Schulterblatt nicht in seiner Bewegung ein. (Marie Dittmann)

Untersuchung des Pferderückens

Ein unpassender Sattel kann bei regelmässigem Gebrauch zu sichtbaren Veränderungen am Pferderücken führen. Die aufmerksame Untersuchung der Sattellage vor und nach dem Reiten hilft dabei, Anzeichen für einen schlecht passenden Sattel zu erkennen.

Hautverletzungen in der Sattel- oder Gurtlage, weisse, abgebrochene oder gewellte Haare, Schwellungen oder runde Verhärtungen weisen auf Druckstellen oder Reibung durch einen schlecht passenden Sattel hin. Oberflächliche Verletzungen durch Reibung können auch durch die Sattelunterlage verursacht werden, z.B., wenn diese stark verschmutzt ist, harte Kanten aufweist oder auf dem Widerrist aufliegt.

Auch das Schweissmuster unter dem Sattel kann auf Passformmängel hinweisen. Wenn es inmitten einer Region mit schweissnassem Fell eine deutlich abgegrenzte trockene Stelle gibt, kann dies auf übermässigen Druck hinweisen.

Ein unpassender Sattel muss nicht immer zu äusserlich sichtbaren Veränderungen am Pferd führen, sondern kann auch Rückenschmerzen verursachen, die sich in Form auffälliger Verhaltensweisen äussern.

Dr. Marie Dittmann, Dr. med. vet. Selma Latif,
Prof. Dr. med. vet. Michael Weishaupt
Abteilung für Sportmedizin, Departement für Pferde, Universitäres Tierspital Zürich

Bilden Sie sich weiter!

Sattelpassformmängel erkennen

Rückenschmerzen beim Pferd erkennen

Auf der Website der Abteilung für Sportmedizin beim Pferd des Tierspitals der Universität Zürich finden Sie frei zugängliche Broschüren und Lehrfilme im Zusammenhang mit der Schweizer Rückenstudie:

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