Schweizerischer Verband für Pferdesport SVPS

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Pferd und Gesellschaft: Konflikte vermeiden können wir alle!

20 Dezember 2021 09:00

Wer sich mit Pferden beschäftigt, kommt zwangsläufig immer wieder in Kontakt mit Menschen, die wenig Erfahrung im Umgang mit unseren treuen Vierbeinern haben. Dieses mangelnde Wissen um das Wesen des Pferdes kann zu Konflikten führen, die den Platz des Pferdes und somit auch jeder Beschäftigung mit dem Pferd in unserer Gesellschaft infrage stellen. Diese Thematik geht alle Pferdemenschen etwas an, vom Turnierprofi über den Freizeitreiter bis hin zur Spaziergängerin in Pferdebegleitung. All diese Betroffenen will das Netzwerk «Pferd und Gesellschaft» unter der Schirmherrschaft des SVPS an einen Tisch bringen, um gemeinschaftliche Lösungsansätze zu finden.

Eine freundliche Begegnung zwischen Spaziergängerin und Reiterin. | © Katja Stuppia Eine freundliche Begegnung zwischen Spaziergängerin und Reiterin. | © Katja Stuppia

Wenn Jacqueline auf dem Rücken von Paco durch die Wälder streift, fühlt sie sich vogelfrei. Die beiden unternehmen regelmässig ausgedehnte Ausritte - so auch heute. Gutgelaunt reiten sie vom Stall weg, doch kaum sind sie in die Dorfstrasse eingebogen, braust ein ungeduldiger Autofahrer haarscharf an ihnen vorbei, sodass Paco einen Satz zur Seite macht und vor lauter Aufregung auch noch eine Hinterlassenschaft auf dem Trottoir platziert. Schnell weg von der befahrenen Strasse, denkt sich Jacqueline, bevor sich Paco noch mal erschreckt. Nur wenige Meter entfernt hat eine Hundehalterin aus der Nachbarschaft die Szene beobachtet und kommt nun strammen Schrittes auf die Reiterin zu, den aufgeregt japsenden Schäferhund vermag sie kaum an der Leine zu halten. Wütend und wild gestikulierend weist sie die Reiterin zurecht, sie solle gefälligst den Mist aufnehmen - schliesslich müsse sie das beim Hundekot auch machen. Mit jedem Schritt, den Frauchen und Hund näher auf Paco zu machen, wird dieser nervöser, beginnt zu tänzeln und nimmt schliesslich Reissaus, querfeldein in Richtung Wald, wo er laut prustend endlich zum Stehen kommt. Mit einem Blick zurück sieht Jacqueline, welchen Landschaden Pacos wilde Flucht an Feld und Wald angerichtet hat …

 

Ein nationales Netzwerk

Jeder Pferdemensch kann auf seinen Streifzügen in vierhufiger Begleitung in eine solche Situation kommen. Deshalb sind wir alle auf das Wohlwollen der Gesellschaft angewiesen - einer Gesellschaft, die sich immer weiter vom Pferd entfernt, seine Bedürfnisse und Besonderheiten nicht mehr kennt. Vor diesem Hintergrund fand Anfang November die Netzwerktagung «Pferd und Gesellschaft» unter der Schirmherrschaft des SVPS und der Trägerschaft vom Nationalen Pferdezentrum (NPZ) Bern und dem Zentralschweizerischen Kavallerie- und Pferdesportverband (ZKV) in Bern statt.

Reto Burkhardt, der beim ZKV für das Ressort «Pferd und Gesellschaft» zuständig ist, betonte denn auch in seiner Begrüssungsrede zur Netzwerktagung, wie wichtig es ist, dass das Pferd sich seinen Platz in der Gesellschaft und in der freien Umwelt bewahren kann: «Wenn wir keine ‹Freiheit› mehr haben, sich die Pferde also nicht mehr im öffentlichen Raum aufhalten dürfen, können wir Pferde nicht mehr artgerecht halten und nicht mehr draussen reiten. Auf lange Sicht würde das bedeuten, dass die Pferde aus der Gesellschaft verschwinden.» Gerade im immer dichteren Siedlungsraum wird es zwar stets Konflikte geben, die Frage ist aber vielmehr, wie die Beteiligten damit umgehen. Hier kann ein nationales Netzwerk, das sich mit der Thematik «Pferd und Gesellschaft» befasst, dazu beitragen, unterschiedliche Lösungsansätze für Konfliktsituationen zusammenzutragen, um diese schliesslich bedürfnisgerecht auf lokaler Ebene anzuwenden. In dieser Sache ist die gesamte Pferdegemeinschaft aufgerufen, gemeinsam am selben Strick zu ziehen, um die Zukunft des Pferdes in unserer Gesellschaft zu sichern.

 

Das Pferd als Sympathieträger

Der frischgebackene SVPS-Präsident Damian Müller betonte an der Tagung, dass das Hauptaugenmerk darauf gerichtet werden müsse, Brücken zu schlagen zwischen Pferden, Pferdemenschen und der Gesellschaft. In diesem Diskurs soll insbesondere die wertvolle Wirkung des Umgangs mit dem Pferd im Fokus stehen: «Wir müssen vermehrt wieder über die positiven Aspekte des Pferdesports sprechen - und können dies mit grosser Überzeugung tun! Wir müssen in der Öffentlichkeit Werbung für die Pferde und unsere Leidenschaft machen.»

Dabei wies Damian Müller explizit auf die Bedeutung von Pferdesportveranstaltungen hin, die einen grossen Beitrag dazu leisten, junge Menschen wieder zum Pferd zu führen. Auch müsse der Gesellschaft stetig aufgezeigt werden, dass der Umgang mit Pferden den Charakter gerade auch von Kindern und Jugendlichen positiv prägt und die Empathie fördert sowie Menschen dazu veranlasst, Verantwortung für ein Lebewesen zu übernehmen.

«Natürlich steht der SVPS als nationaler Dachverband in der Verantwortung», versichert Damian Müller. «Doch die Thematik betrifft nicht nur sportaffine Pferdemenschen, sondern alle, die sich beruflich oder in ihrer Freizeit mit dem Pferd beschäftigen.» So ist der SVPS-Präsident überzeugt, dass jeder Rösseler ein Botschafter für das Pferd sein muss und in diesem Bestreben auch die Regionalverbände eine zentrale Rolle beim Erkennen, Vorbeugen und Beheben lokaler Konfliktherde spielen müssen.

SVPS-Präsident Damian Müller im Podiumsgespräch mit Beat von Ballmoos. | © SVPS/Cornelia Heimgartner SVPS-Präsident Damian Müller im Podiumsgespräch mit Beat von Ballmoos. | © SVPS/Cornelia Heimgartner

Pferd und Wald

«Jeder, der sich in der Natur bewegt, hinterlässt Spuren. Das gehört zur Outdooraktivität egal welcher Art dazu», betonte Reto Sauter, Bereichsleiter Waldrecht des Kantons Bern, in seinem Referat. Der Staat interveniere nur, wenn andere öffentliche Interessen tangiert würden. Dabei ginge es insbesondere darum, Naturschutzgebiete, Waldboden und Gewässer zu schützen und Wildtiere nicht zu stören.

Pferde werden - mit Ausnahme der Tierschutzgesetzgebung und der Raumplanung - auf nationaler Ebene kaum in Gesetzen erwähnt; dies geschieht vielmehr auf kantonaler und lokaler Ebene. Der Staat könne mit allgemeinen Regeln dazu beitragen, Konflikte zwischen Pferd und Gesellschaft zu vermeiden, so der Berner Waldchef. Schäden an Wald und Waldwegen wie auch an Feldern, die meist in privatem Besitz stehen, müssten jedoch privatrechtlich gelöst werden. Denn im Schadenfall sei jede Situation individuell zu beurteilen.

Die einzige allgemeine Regel, die in jedem Fall gilt, betrifft den Waldboden: Der Wald darf nur auf «genügend festen» Wegen beritten werden. Diese Formulierung bedeutet nicht zuletzt, dass die Entscheidung, ob ein Weg genutzt werden darf oder nicht, den Nutzerinnen und Nutzern überlassen wird, diese also Verantwortung übernehmen müssen. So kann es sein, dass ein Weg normalerweise zwar problemlos nutzbar und fest ist, nach Regen jedoch nicht mehr beritten werden kann.

Reto Sauter betonte, dass Pferde eine relativ hohe Bodenbelastung verursachen - in der Grössenordnung von Motorfahrzeugen. Dabei räumte er ein, dass auch Waldfahrzeuge Schäden anrichten würden, deren Einsatz aber vom Waldeigentümer veranlasst worden sei und somit eine andere Ausgangslage bestehe als beim Reiten als Freizeitbeschäftigung.

Der Waldexperte empfiehlt der Pferdebranche, sich aktiv in die lokale «Waldplanung» einzubringen, die eigenen Interessen anzumelden und den Kontakt zu den zuständigen lokalen Behörden zu suchen, beispielsweise um Reitverbote zu vermeiden. Wissenswert ist in diesem Zusammenhang sicherlich, dass Reitverbote grundsätzlich dem Waldgesetz widersprechen und nur kurzfristig zulässig sind. In der Schweiz gilt die Maxime, dass Waldwege dafür da sind, von Pferden genutzt zu werden - mit Ausnahme beispielsweise der Wildruhezonen und Naturschutzgebiete. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Nutzungsrecht, sondern vielmehr um eine Empfehlung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), das heute auch in fast allen Kantonen so gehandhabt wird.

Dies bedeutet, dass Reitpisten oder Galoppstrecken im Wald rechtlich grundsätzlich möglich sind. Der Waldbesitzer muss damit aber einverstanden sein, und es braucht eine entsprechende Trägerschaft oder Interessenvertretung. Ein solches Projekt muss bei der zuständigen Gemeinde als Bauvorhaben eingegeben werden.

Man darf auch nicht vergessen, dass Veranstaltungen im Wald wie Patrouillenritte je nach Grösse bewilligungspflichtig sein können. Die genauen Bestimmungen sind kantonal unterschiedlich - in Bern beispielsweise sind Veranstaltungen ab fünfzig Pferden bewilligungspflichtig. Zum Schluss seines Vortrags stellte Reto Sauter den Pferdeverbänden - zumindest in seinem Kanton Bern - ein gutes Zeugnis im Umgang mit den Behörden aus: «Die Pferdeverbände sind meist gut organisiert, was den Kontakt für staatliche Organe vereinfacht. Viel schwieriger ist da die Situation mit den Bikerinnen und Bikern, die meist keinem Verein angeschlossen sind. Ansprechpartner sind für die Behörden wichtig, also suchen Sie den Kontakt - die Behörden werden es Ihnen danken!»

Reto Sauter, Bereichsleiter Waldrecht des Kantons Bern. | © SVPS/Cornelia Heimgartner Reto Sauter, Bereichsleiter Waldrecht des Kantons Bern. | © SVPS/Cornelia Heimgartner

Lobbyarbeit für das Pferd

Der SVP-Nationalrat, Präsident des Schweizerischen Freibergerverbands und Gemeindepräsident von Uetendorf (BE), Albert Rösti beleuchtete in seinem Referat den Stellenwert des Pferdes in der Landwirtschaft und die politische Lobbyarbeit für das Pferd. Ein positives Zeichen vorweg: Gemäss Albert Rösti ist das Pferd die einzige landwirtschaftliche Tiergattung, deren Bestand in der Schweiz derzeit zunimmt. Dennoch ist der Platz des Pferdes in der Gesellschaft nicht gesichert und nicht eindeutig geregelt. So sieht der Politiker die grösste Herausforderung im Konflikt mit der Raumplanung, die oft dem Tierschutzgedanken entgegensteht. Ausserdem sind die baulichen Möglichkeiten für Pferdeinfrastruktur in der Landwirtschaftszone sehr beschränkt. Aktuell ist auch die eidgenössische Volksinitiative «Gegen die Verbauung unserer Landschaft», die sogenannte Landschaftsinitiative, ein Brennpunkt, denn sie will, dass die überbaute Fläche in der Landwirtschaftszone nicht mehr zunehmen darf. «Wo also gibt es noch Platz für unsere Pferde?», fragte sich der Politiker. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, auf allen Ebenen mehr Flexibilität für Pferde zu schaffen, um nicht auf Innenanlagen in der Gewerbezone verbannt zu werden.

In einem kurzen Überblick erläuterte Albert Rösti die politische Lobbyarbeit in Bundesbern, betonte dabei aber, dass die Verantwortung nicht allein auf die Lobbyisten in Bern abgewälzt werden dürfe: «Lösungsansätze beginnen im Kleinen. Sympathie für das Pferd muss zu Hause geschaffen werden. Deshalb: Vergessen Sie nicht zu grüssen, wenn Sie an Spaziergängern vorbeireiten! Diese Grundregel des Zusammenlebens schafft Sympathie und öffnet Tür und Tor.»

Albert Rösti schloss mit dem Fazit, dass alle, die Umgang mit Pferden haben, in ihrem Umfeld im Kleinen Lobbyarbeit für das Pferd leisten können und sollen: «Immer wieder müssen wir auf die Bedeutung des Pferdes für die Gesellschaft hinweisen: das Pferd als Partner des Menschen und das Pferd als Brücke zur Natur. Biodiversität ist heute in aller Munde, und auch hier trägt das Pferd positiv zum idyllischen und typisch schweizerischen Landschaftsbild bei. Darauf müssen wir setzen.

Iris Bachmann, Agroscope Nationalgestüt | © SVPS/Cornelia Heimgartner Iris Bachmann, Agroscope Nationalgestüt | © SVPS/Cornelia Heimgartner

Konflikte und Lösungen

Iris Bachmann von der Beratungsstelle Pferd des Kompetenzzentrums für landwirtschaftliche Forschung Agroscope wird ebenfalls täglich mit Konfliktherden zwischen Pferd und Gesellschaft konfrontiert. Oft betreffen die Fragestellungen, die an sie herangetragen werden, die Raumplanung und den Stallbau. Doch die Beratungsstelle, die im Nationalgestüt in Avenches (VD) angesiedelt ist, fungiert auch als neutrale Stelle für Gutachten in Konfliktsituationen.

Insofern sieht sich die Beratungsstelle Pferd als Radar der Pferdebranche. Sie steht an der Schnittstelle zwischen Pferd und Gesellschaft und kann in dieser Funktion die Bedürfnisse und Probleme beider Parteien überblicken. Mit den Jahren ist so bei Agroscope eine beachtliche Sammlung an Konfliktfällen mit Lösungsansätzen zusammengekommen, die man der Branche zugänglich machen könnte - ein Projekt, dessen konkrete Ausgestaltung noch definiert und schliesslich umgesetzt werden soll.

Iris Bachmann nahm den Faden ihrer Vorredner bezüglich der Biodiversität auf und betonte, dass das Pferd zwar ein Sympathieträger sei und eine Brücke zwischen urbaner und ländlicher Bevölkerung schlagen könne, Pferdemenschen aber oft auch einen nicht unerheblichen ökologischen Fussabdruck hinterlassen würden mit ihren schweren Zugfahrzeugen, die sie notabene auch im Alltag nutzen - eine Thematik, die im Rahmen der Klimapolitik in Zukunft durchaus Konfliktpotenzial bieten könne.

In mehreren weiteren Referaten wurden lokale Projekte vorgestellt, bei denen es darum geht, Konflikte zwischen Pferd und Gesellschaft zu entschärfen oder ihnen vorzubeugen. Vorgestellt wurden unter anderem eine Sensibilisierungskampagne für das Pferd im Strassenverkehr aus dem Kanton Tessin, ein Projekt für regionale Entwicklung (PRE) mit einem Weitreitwegenetz im Kanton Aargau oder ein Beispiel für einen Konfliktherd zwischen Pferd und Naturschutz aus der Ostschweiz.

 

Kleine Gesten erhalten die Freundschaft

Zurück zu Jacqueline. Nach ihrem aufregenden Ausritt ist sie schliesslich wohlauf wieder im heimischen Stall angekommen. Nachdem sie ihren Paco versorgt hat, kehrt sie mit Schaufel und Besen zur Dorfstrasse zurück, um den Pferdemist aufzunehmen. Ein Familienvater, der gerade mit dem Kinderwagen an ihr vorbei-spaziert, bedankt sich bei ihr für das Sauberhalten des Trottoirs. Ausserdem klingelt Jacqueline bei der Anwohnerin mit dem Schäferhund, um sie über das Wesen der Pferde aufzuklären. Überrascht und interessiert bittet die Hundehalterin Jacqueline in die gute Stube, und die beiden Frauen trinken gemeinsam eine Tasse Tee und plaudern angeregt über Begegnungen zwischen Hund und Pferd. Auch bei Bauer Müller schaut Jacqueline vorbei und entschuldigt sich mit einer Flasche Wein für den Landschaden an Feld und Wald. Der Bauer bedankt sich für die Geste und lädt sie schmunzelnd ein, im nächsten Herbst doch wieder vorbeizukommen, sobald die Stoppelfelder bereit sind für einen frischen Galopp.

Höflichkeit und gute Manieren sind der Grundstein für den Goodwill, auf dem wir in der Gesellschaft aufbauen müssen, um unser wundervolles Hobby auch weiterhin im öffentlichen Raum ausüben zu dürfen, und hierzu kann und muss jeder einzelne Pferdemensch seinen Beitrag leisten - so lautet das Fazit des beschriebenen Reitabenteuers wie auch das der Netzwerkveranstaltung in Bern.

Das Netzwerk «Pferd und Gesellschaft» wird nun im Zusammenschluss von SVPS, Regionalverbänden und weiteren strategischen Playern die weiteren Arbeiten in Angriff nehmen und eine Strategie für die kommenden Jahre entwickeln. Spätestens in einem Jahr, auf der Netzwerktagung 2022, werden die nächsten Meilensteine gelegt werden.

Cornelia Heimgartner

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