Swiss Equestrian
Menü
Pferd+

Pferde - geliebt, genutzt, verstanden?

16 Oktober 2017 14:15

Eine gut organisierte, teilweise polarisierende Veranstaltung, die dazu motiviert, Fehlverhalten im Pferdealltag und auf Veranstaltungen zu erkennen und zu kommunizieren. Emotionen und Gerüchte sind hierbei aber fehl am Platz. Konstruktiv angebrachte Kritik und Respekt unter den Menschen helfen eher weiter.

Gestellte Szene: Schlaufzügel sind an Veranstaltungen, die unter dem Schweizerischen Verband für Pferdesport laufen, verboten. Gestellte Szene: Schlaufzügel sind an Veranstaltungen, die unter dem Schweizerischen Verband für Pferdesport laufen, verboten.

In Olten führte der Schweizer Tierschutz (STS) seine Pferdetagung durch. Aus dem Zentralvorstand des STS begrüsste Benedikt Strickler das Publikum und stellte die Moderatorin Sandra Schaefler vor, Leiterin Fachstelle STS für Heimtiere. Sandra Schaefler eröffnete die Tagung mit dem Satz «Pferdeverstand ist das, was Pferde davon abhält, vernünftigen Verstand von Menschen zu erwarten». Sie leitet auf den ersten Redner des Tages über: Charles Trolliet, Tierarzt und Präsident des SVPS.

Sport - Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen eines Sportverbandes

Charles Trolliet blickt zurück in die Geschichte des Reitsports und dessen Entwicklung über die letzten gut 200 Jahre. Regeln und Chancengleichheit in die Reiterwettkämpfe zu bringen, war damals das Ziel gegründeter Vereinigungen in England und Frankreich. Dank Kavallerie und der täglichen Arbeit mit Pferden im Alltag bestand ein sehr enges Verhältnis zu den Tieren und ein breites praktisches Grundwissen. Im Laufe der Zeit nahm die Bedeutung des Pferdes im Alltag und für das Militär ab, und damit blieb auch das gelebte Fachwissen in der Zeit vor der Automobilisierung zurück. Wer sich heute in der weiter wachsenden Reiterszene umsieht, merkt schnell, dass Frauen die Mehrheit bilden. Ob diese Feminisierung noch mehr dazu beiträgt, dass das Wohlbefinden der Pferde seit Ende des 20. Jahrhunderts immer wichtiger wird, schliesst Trolliet nicht aus.

Für das Wohlbefinden

Die Regeln im Pferdesport passen sich laufend zugunsten des Wohlbefindens der Tiere an: limitierte Anzahl Starts pro Tag und pro Wochenende, Altersbeschränkungen für bestimmte Kategorien, Verbot für Hilfsmittel, die der Leistungssteigerung dienen sollen, Quälen der Pferde, Reiten müder oder lahmer Pferde. Der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) kann Verstösse auf Veranstaltungen unter seinem Namen rügen und wenn nötig auch weitere Verfahren veranlassen. Er leitet tierschutzrelevante Missbrauchsfälle dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) weiter. Dabei darf man aber nicht vergessen, was hinter den Kulissen fern von Turnierplätzen passiert. Und nicht zuletzt: Nur 10% der 200 000 Reiter nehmen an solchen SVPS-Veranstaltungen teil.

Schwerpunkt Ausbildung

Der wichtigste Punkt ist die Ausbildung aller Beteiligten: Reiter, Fahrer, Halter, Trainer, Richter und Tierärzte. Fehlverhalten und resultierende Verletzungen entstehen in sehr vielen Fällen aus Unwissenheit und nicht aus Boshaftigkeit. In der heute schnelllebigen Zeit verschlimmert sich diese Unwissenheit.

Der SVPS kann sich dafür einsetzen, Reglemente anzupassen und die Ausbildung -auch die zur Konfliktbewältigung auf Turnierplätzen - zu fördern. Fehlverhalten im Freizeitsport obliegt nicht seiner Aufsicht, und es stehen hierzu keine Mittel zur Verfügung. Es ist jeder Einzelne gefordert, auf Fehler aufmerksam zu machen und notfalls an offiziellen Stellen Rat einzuholen.

Auf die Frage der Moderatorin, ob dank permanent anwesender Offizieller auf Abreiteplätzen mehr Fehlverhalten beanstandet würde, antwortete der SVPS-Präsident: «Ja. Hemmungen und teilweise auch Befangenheit bestehen manchmal gegenüber Reitern und Trainern. Mehr Zivilcourage und Mut sind wichtig und sind auch Teil des SVPS-Ausbildungsprogramms.» Die Rekrutierung der Offiziellen sei ausserdem nicht einfach, weil die Veranstaltungen bereits unter der Woche beginnen und daher dafür freigenommen werden muss.

Prävention von Unfällen und Verletzungen

Dr. med. vet. Hanspeter Meier, Tierarzt und Präsident des Verbands Schweizerischer Pferdezuchtorganisationen (VSP), lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums mit seinem Vortrag «Prävention von Unfällen und Verletzungen» vom SVPS auf den Galopprennsport.

Für das Wohlergehen der Pferde in der Zivilisation sind wir Menschen verantwortlich. Prävention unerwünschter Situationen kann nur mit Erfahrung und verlässlichen, wissenschaftlich erstellten Daten entstehen. Funktioniert sie, verliert sie oft die Wertschätzung. Leider führen erst schlimme Unfälle dazu, dass epidemiologische Studien angestossen werden. Es gibt im Rennsport sehr grosse Datenbanken. Es wurde herausgefunden, dass Sprintrennen (<1200 m), Sandböden und der freihändige Einsatz der Peitsche statistisch eher mit fatalen Unfällen in Verbindung stehen als längere Distanzen, Grasgeläuf und Zieleinlauf ohne freihändigen Einsatz der Peitsche. Aus den Studienergebnissen werden Konsequenzen gezogen, mehr tierärztliche Kontrollen im Training und bei den Rennen (USA) finden statt, und beim Einsatz der Peitsche werden mehr als drei Hiebe auf die Schulter stärker gerügt.

Tierschutz im Zirkus - Erfahrung, Beschäftigung und Gefühl

Nach zwei Präsentationen mit vielen Fakten durfte das Publikum Freddy Knie Junior bei seinen Erzählungen aus dem Zirkusalltag zuhören.

Er stellt klar, dass Zirkuspferd nicht gleich Zirkuspferd ist, vor allem im internationalen Vergleich. Die Pferde haben im Zirkus Knie sowohl auf Tour wie auch im Winterquartier einen sehr ausgefüllten Tag. Damit ihnen nicht langweilig wird, steht morgens das Einstudieren des Programms der nächsten Saison auf dem Plan - nicht länger als 20 Minuten pro Einheit. Zwischen Training und Show dürfen die Pferde für zwei Stunden zu jeder Saison auf die Weide. Auch Ausreiten und Schwimmen gehören zum Ausgleich. Der Zirkus Knie modernisiert seine Tierhaltung ständig, stationär und mobil. Die Hengste haben untereinander Kontakt und die Hierarchie wird überall berücksichtigt.

Die Proben sind immer öffentlich. Dies gibt dem Zirkusteam einen kontrollierten Rahmen und den Pferden die Möglichkeit, sich schon beim Üben an Unruhe zu gewöhnen.

Laut Sandra Schaefler konnte der STS noch nie etwas beim Zirkus Knie aussetzen. Frage aus dem Publikum: Ab welchem Alter darf man Fohlen etwas beibringen? Was die körperliche Belastung angeht, ist die Meinung des erfahrenen Zirkusmannes, dass es ausgewachsen sein muss. Die Beschäftigung am Stallhalfter zum Erlernen des Vertrauens kann schon sehr früh beginnen. Immer nach dem «soften Prinzip» und mit Leckerli als Belohnung.

Pensionspferde, die rechtliche Zuordnung der Verantwortung

«Entscheidet man sich, einen Pensionsstall zu führen, sollte man sich vorher gründlich über die Tücken des Rechts informieren», sagte der nächste Referent, Rechtsanwalt Bart Krenger. Vor allem, wenn es um das Geld geht, können Gesetze die unterschriebenen Verträge unter Umständen aushebeln. Tierschutzrelevante Aspekte wie die tierärztliche Versorgung oder die tägliche Bewegung des Pferdes sind gesetzlich geregelt. So muss der Stallbesitzer für die tägliche Bewegung sorgen, selbst wenn der Besitzer des Pferdes dies nicht wünscht. Hier könnte der Stallbesitzer gebüsst werden.

Refuge de Darwyn für «verstossene» Equiden

Anouk Thibaud, Präsidentin des Refuge de Darwyn, beschreibt die Arbeit, den administrativen und personellen Aufwand für das Versorgen «verstossener» Equiden. Die meisten Pferde finden einen Platz in Pflegefamilien. Falls Kosten einer Platzierung im Weg stehen, hilft das Refuge nach Überprüfung der Situation aus. Die Finanzierung dieser Arbeit ist jedoch nicht einfach.

Pferde-Aktivstall und Pferdeleben in der Familienbande

Die meisten Pferdehalter sind bemüht, ihrem Pferd ein pferdegerechtes Leben zu ermöglichen. Martin Klaus von der Firma Schauer spricht aus Erfahrung und erklärt in seiner Präsentation, wie ein Aktivstall konzipiert sein muss. Es ist mit entsprechendem Wissen möglich, Eigenschaften einer heterogenen Pferdeherde zu berücksichtigen. Sei es die Zutrittsbeschränkung zum Fressbereich oder die computergesteuerte Trennung unverträglicher Herdenmitglieder. Eine schlau konzipierte Stalltechnik und -architektur ist heutzutage unverzichtbar. Eine Gruppenhaltung bestehend aus einer Pferdefamilie führt Heidi Fischer-Heck. Vor den Augen von Tanten und Geschwistern geboren werden und auch zu sterben festigt innige Bindungen in der Pferdefamilie. So ausgeglichen aufgewachsene Pferde können problemlos auch in anderen Gruppen zurechtkommen.

Einsatz des STS - Aktivitäten und Recherchen

Anne-Kathrin Witschi vom Kontrolldienst des STS schloss die diesjährige STS-Tagung mit ihrem Bericht ab. Reitschulen, verschiedene Turniere schweizweit sowie Pferdehaltungen im Kanton Jura wurden besucht. Bei den Reitschulen waren der Umgang mit den Pferden sowie der Unterricht in Ordnung. Bei der Haltung überwiegt in diesen Betrieben immer noch die Innen-Einzelbox ohne Weidegang. Bei den Turnieren sämtlicher Disziplinen wurde mehrfach Verstösse beobachtet: Rollkur, Einsatz von Schlaufzügeln, zu enge Sperrriemen, grober Gebrauch von Sporen und Peitschen, Einsatz scharfer Gebisse und nicht selten gleichzeitig eine mangelhafte Reitweise. Im Jura können auch heute noch veraltete Stallhaltungen angetroffen werden. Ausserdem sollte die Vergütung von 500 CHF für die Zucht der Freiberger Fohlen nicht als Anreiz genutzt werden, diese im Überschuss zu züchten.

Charles Trolliet kommentierte die Beobachtungen auf den Turnierplätzen. Alle Abreiteplätze auf jedem Niveau sollten öffentlich zugänglich sein. Die Rollkur dürfe nicht anhand eines Fotos beurteilt werden. Eine Kopfhaltung knapp hinter der Senkrechten bei weicher Zügelführung dürfe nicht als Rollkur verurteilt werden.

Zu den 500 CHF Prämie in der Freiberger Zucht sagte Tierärztin Claudia Graubner, dass ein Wegfall nur negative Folgen habe. Wo konsumiert wird, soll auch zu kontrollierten Bedingungen produziert werden. Bei einem Wegfall würde der Import gefördert, was mit dem Tierschutz weniger zu vereinbaren sei.

Dr. med. vet. Claudia Graubner,
ISME Bern

Informationen über Ihre Daten
Auf dieser Webseite werden zur Verbesserung der Funktionalität und des Leistungsverhaltens sowie zu Statistikzwecken Cookies eingesetzt. Durch Klicken auf den Akzeptieren-Button stimmen Sie der Verwendung von Cookies auf dieser Webseite zu.