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Pferdehaltung - eine Wissenschaft, die es in sich hat

24 April 2017 15:15

Artgerechte Pferdehaltung ist immer wieder Thema. Allerdings passt der Begriff «artgerecht» besser zur Haltung von Wildtieren als zur Haltung von seit Jahrtausenden domestizierten Haustieren, wie es Pferde sind.

Gruppenhaltung ist die natürlichste Haltungsform, für Sportpferde aber nur bedingt geeignet. Denn diese sind meistens beschlagen und die Verletzungsgefahr in der Gruppe ist wesentlich grösser als in Boxenhaltung.
 Gruppenhaltung ist die natürlichste Haltungsform, für Sportpferde aber nur bedingt geeignet. Denn diese sind meistens beschlagen und die Verletzungsgefahr in der Gruppe ist wesentlich grösser als in Boxenhaltung.


In der Ukraine wurden Pferdezähne gefunden, die man der Zeit um 4000 v. Chr. zuordnete. Diese Zähne zeigten Abnutzungsspuren, die man auf frühzeitliches Zaumzeug zurückführte. Es kann also durchaus sein, dass Menschen Pferde bereits seit 6000  Jahren nutzen.

Entsprechend stellt sich die Frage, ob eine artgerechte Pferdehaltung tatsächlich noch bedeutet, die heutigen Hauspferde so zu halten, wie die wilden Urpferde gelebt haben. Die Frage erübrigt sich sowieso, denn in der Schweiz gab es noch nie weite Steppen, und was vom ursprünglichen Naturland übrig ist, wird je länger, je weniger. Platz für eine weiträumige Pferdehaltung ist schlicht nicht vorhanden. Es gilt viel mehr, die Pferde so zu halten, dass ihre noch vorhandenen ursprünglichen Bedürfnisse so gut wie möglich befriedigt werden.

Ganzheitlich entspricht der heutigen Zeit

Es erscheint daher logischer, auf ganzheitliche Pferdehaltung zu setzen. Doch was heisst ganzheitlich? Man versteht darunter die weitsichtige Betrachtung und Behandlung eines Themas unter Berücksichtigung möglichst vieler Aspekte und Zusammenhänge. Als ganz wird etwas bezeichnet, das heil, unverletzt und vollständig ist. Genau dies sind auch die wichtigsten Aspekte der ganzheitlichen Pferdehaltung. Die Pferde sollen als Ganzes gesehen und behandelt werden. Ihre Haltung soll so sein, dass ihre natürlichen Bedürfnisse befriedigt werden und sie physisch und psychisch unverletzt und heil, also gesund sind und bleiben.

Herdentier bleibt Herdentier

Doch wie erhält man ein Pferd physisch und psychisch gesund? Mit Meditation und Yoga kommen wir bei Pferden nicht weit. Sie sind Flucht- und Herdentiere. Die Natur des Pferdes ist es, sich im Herdenverband einzugliedern. In der Herde hat jedes Pferd seinen hierarchischen Platz. Die stärksten - normalerweise ein Leithengst und die ranghöchsten Stuten - übernehmen die Verantwortung, sie managen quasi das Herdenleben. Die Leitstute führt die Herde zu den besten Weideplätzen und Wasserstellen und ist ständig wachsam, um vor Gefahren zu warnen. Der Hengst läuft meistens hinter der Herde her, hat eine gewisse Beschützerfunktion und hält der Gruppe - im wahrsten Sinn des Wortes - den Rücken frei. Seine Aufgabe ist es, die stärksten, mutigsten und intelligentesten Stuten zu decken und die Arterhaltung zu sichern. Weiter ist er ständig auf der Hut, dass keine fremden Hengste seine Stuten stehlen. Pferde - vor allem auch rangniedrige - können sich so in der Herde sicher und geborgen fühlen.

Sicherheit ist entscheidend

Also brauchen auch unsere Hauspferde vor allem Sicherheit in allen Belangen. Damit sie sich in menschlicher Obhut sicher und geborgen fühlen, ist ein geordnetes Gruppenleben mit klaren Strukturen nötig. Gruppe bedeutet aber nicht zwangsläufig Pferdegruppenhaltung, denn auch Einzelhaltung mit begrenztem Sozialkontakt zu Artgenossen und Menschen als festem Bestandteil der Herdenstruktur kann - wenn fachgerecht und mit Pferdeverstand umgesetzt - den Pferden Sicherheit und Geborgenheit geben. Genügend gezielte wie auch freie Bewegung, möglichst an der frischen Luft, eine artgerechte Fütterung sowie eine gut Pflege runden das Ganze ab.

Heute gibt es Dutzende Möglichkeiten, dies umzusetzen. Von Einzelboxen mit Kontaktmöglichkeiten über Boxen mit direktem Auslauf bis hin zur Offenstall-Gruppenhaltung. Dazu ein kaum noch überschaubares Angebot an Einstreu, Fütterungsprogrammen und Tränkesystemen. Viele Variationen von Hallen- und Sandplatzböden sowie Allwetterschnitzelplätzen, um auch Aussenplätze möglichst trocken zu halten.

Beschlagen? Schulmedizin oder Alternativen?

Hat man sich für eine Haltungsform entschieden und die den Anforderungen des Pferdes angepasste Fütterung gefunden, kommen viele weitere Entscheidungen auf Pferdehalter zu. Werden die Pferde beschlagen oder barfuss gehalten? Sollen sie bei Krankheit in jedem Fall schulmedizinisch behandelt werden, oder möchte man auch alternative Heilmethoden integrieren? Weiter gilt es für Sportpferde Trainings- und Einsatzpläne auszutüfteln und im Gestüt Zuchtprogramme zu gestalten. Kurz gesagt: Moderne (Sport-)Pferdehaltung ist eine Wissenschaft. Eine Wissenschaft, die Fachleute der verschiedensten Gebiete benötigt, um Freizeitpferdehalter wie auch Pferdeprofis zu beraten und zu unterstützen.

HAFL bildet Pferdefachleute aus

Die gängigen Ausbildungen zum Pferdewart EBA und zur Pferdefachperson EFZ mit verschiedenen Fachrichtungen sind bekannt. Ebenso natürlich das Veterinärmedizinstudium oder Berufe wie Hufschmied. Noch sehr wenig bekannt ist jedoch das Studium der Agronomie mit Fachrichtung Pferdewissenschaften an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen BE. Es verbindet agronomisches Grund- mit pferdespezifischem Fachwissen. So lernen Studierende, wissenschaftlich fundiert und kritisch mit Herausforderungen der Land- und Pferdewirtschaft umzugehen.

Mit dieser Ausbildung eröffnen sich Karrierechancen in den verschiedensten Pferdeberufen. Möglich sind leitende Positionen und anspruchsvolle Aufgaben in Reitschulen, Pferdehaltungsbetrieben und der Pferdezucht. In Pferdesport- und Pferdezuchtverbänden, im Stall- und Anlagenbau für den Reitsport oder auch Forschungsassistenzen an Universitäten und Forschungsinstituten. Absolventinnen und Absolventen dieses Studiums sind auch im Eventmanagement, im Marketing und als Journalisten bei Fachzeitschriften für Reiter und Pferdezucht gefragt. Und natürlich stehen alle Berufe der Agrarbranche - ausserhalb der Pferdewirtschaft - offen, da diese Ausbildung in erster Linie ein Agronomiestudium ist und die Fachrichtung ergänzenden Mehrwert bringt.

Für Jugendliche, die einerseits ein Studium absolvieren möchten, andererseits aber von einem Pferdeberuf träumen, lohnt es sich also, diesen Hochschullehrgang in Betracht zu ziehen.

Barbara Würmli

Die Teilnehmerinnen des Erlebnistages an der HAFL durften selber Hand anlegen und die Herztöne sowie die Darmgeräusche der Pferde abhören. Die Teilnehmerinnen des Erlebnistages an der HAFL durften selber Hand anlegen und die Herztöne sowie die Darmgeräusche der Pferde abhören.

Auf den ersten Blick meint man, Futterproben vor sich zu haben. Diese Muster sind aber verschiedene Einstreuarten, was zeigt, dass schon die Wahl der Einstreu eine Wissenschaft für sich ist. Auf den ersten Blick meint man, Futterproben vor sich zu haben. Diese Muster sind aber verschiedene Einstreuarten, was zeigt, dass schon die Wahl der Einstreu eine Wissenschaft für sich ist.

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