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Dossier: Pferdehaltung & Raumplanung

Pferdehaltung und Raumplanung: das Ringen um den knappen Boden

29 August 2022 08:00

Pferde brauchen Platz. Platz, der in der Schweiz mehr als knapp ist. Idealerweise können sich Pferde möglichst viel und oft frei bewegen. Auf einer Weide oder einem Allwetterauslauf. Doch da gilt es so einiges zu beachten - und nicht immer können Stallbesitzer verwirklichen, was sie für ihre Pferde gerne hätten.

Pferde am idyllischen Silsersee. Neben den Raumplanungs- und Tierschutzvorschriften gilt es bei der Pferdehaltung, auch die Gewässerschutzvorlagen zu beachten. | © imago Pferde am idyllischen Silsersee. Neben den Raumplanungs- und Tierschutzvorschriften gilt es bei der Pferdehaltung, auch die Gewässerschutzvorlagen zu beachten. | © imago

Was bei dem Thema «artgerechte Pferdehaltung und Raumplanung» vorneweg genommen werden kann, ist, dass jede Stallbesitzerin, jeder Hobbypferdehalter oder jede Landwirtin sich unbedingt mit dem Raumplanungsgesetz sowie den lokalen und den kantonalen Gegebenheiten vertraut machen sollte. Und zwar bevor er oder sie überhaupt neue Bauten - Unterstand, Bodenbefestigung oder einen speziellen Weidezaun - plant. Sonst kann es nämlich unangenehme Überraschungen geben. Dies kristallisierte sich als Fazit anlässlich eines Workshops des Schweizer Tierschutz STS Ende Juni heraus. Ein Vertreter des Bundesamts für Raumentwicklung ARE erläuterte in seinem Referat diverse wichtige Punkte, die es bezüglich Pferdehaltung und Raumplanung zu beachten gilt. Dies tat er von der Warte und Perspektive des ARE aus, was den Dialog sowie das Verständnis füreinander und der verschiedenen zu beachtenden Punkte fördern sollte.

 

Baugebiet versus Nichtbaugebiet

Bund, Kantone und Gemeinden sorgen dafür, dass der Boden haushälterisch genutzt wird. Es wird zwischen Baugebiet und Nichtbaugebiet unterschieden. Nichtbaugebiete sollen von Bauten und Anlagen jeglicher Art möglichst freigehalten werden. Welche Bauten und Anlagen zulässig sind, bestimmt der Bund. Der Vollzug jedoch liegt bei den Kantonen. Bauten und Anlagen dürfen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden. Das Bundesamt für Raumentwicklung ARE ist zuständig für die Unterstützung und Aufsicht. Nicht zu vergessen, dass neben der Raumplanung noch weitere Faktoren berücksichtigt werden müssen, wie Tierschutz- oder auch Gewässerschutzvorschriften.

Weideunterstände sind bewilligungspflichtig und dürfen nur in speziellen Fällen errichtet werden | © imago Weideunterstände sind bewilligungspflichtig und dürfen nur in speziellen Fällen errichtet werden | © imago

Landwirtschaftlich versus hobbymässig

Weiter wird zwischen landwirtschaftlicher und hobbymässiger Pferdehaltung unterschieden. Der Kanton Zürich beispielsweise hat dazu zwei ausführliche Merkblätter verfasst, die aufzeigen, was man als landwirtschaftlichen oder hobbymässigen Pferdebetrieb darf und was nicht. Hin und wieder kann es auch vorkommen, dass sich die verschiedenen Vorgaben der unterschiedlichen Ämter und Verordnungen widersprechen. So das Beispiel eines Witterungsschutzes: Laut Tierschutzgesetzgebung dürfen Haustiere extremer Witterung nicht über längere Zeit schutzlos ausgesetzt sein. «Werden die Tiere nicht eingestallt, so muss ein geeigneter natürlicher oder künstlicher Schutz zur Verfügung stehen», heisst es in Artikel 36 Absatz 1 der Tierschutzverordnung.

Nun stellen sich folgende Fragen: Welche Witterung ist für Pferde als «extrem» zu bezeichnen? Was heisst über längere Zeit? In welchen Fällen ist ein Einstallen der Pferde unzumutbar?

Man merkt sofort, dass es hier einen gewissen Interpretationsspielraum gibt - den die Kantone auch unterschiedlich nutzen. Grundsätzlich gilt gemäss der Raumplanungsverordnung, dass bei einer hobbymässigen Pferdehaltung das Errichten von Weideunterständen nicht zulässig ist. Bei Landwirtschaftsbetrieben kann sich ein vom Stall abgesetzter, künstlicher Witterungsschutz unter Umständen als zulässig erweisen. Allerdings auch nur, wenn sich die Weide weitab vom Stall befindet, das Einstallen mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden und kein geeigneter natürlicher Schutz vorhanden ist sowie keine überwiegenden entgegenstehenden Interessen hineinspielen.

Solche Weidezäune gelten als Baute und sind - im Gegensatz zum einfachen Elektrodrahtzaun - bewilligungspflichtig | © imago Solche Weidezäune gelten als Baute und sind - im Gegensatz zum einfachen Elektrodrahtzaun - bewilligungspflichtig | © imago

Täglicher Auslauf versus Bodenbefestigung

Grosser Diskussionspunkt ist auch der Auslauf von Pferden. Laut Tierschutzverordnung müssen Pferde täglichen Auslauf haben. Bauten und Anlagen für den Auslauf können aber nicht in jedem Fall errichtet werden. Eine Weide hingegen gilt nicht als Baute oder Anlage, abgesehen von der Einzäunung. Ist diese allerdings nicht fix, so ist das kein Problem. Handelt es sich hingegen um einen weissen Plastikzaun, der das Landschaftsbild massgeblich verändert, kann dies bereits Probleme bei der Bewilligung geben. Möchte man jetzt den Boden befestigen, um den Pferden den Auslauf bei jedem Wetter zu ermöglichen, so fällt dies unter Bauten und Anlagen und ist somit bewilligungspflichtig.

 

Bis 2050 keinen Boden mehr «verbrauchen»

Je grösser nun ein Allwetterauslauf ist, umso mehr Boden und Kulturland wird in Anspruch genommen. Boden und Kulturland sind knappe, nicht vermehrbare Ressourcen. Der gegenwärtige Umgang mit den Böden ist nicht nachhaltig. Gemäss der Bodenstrategie 2020 soll bis 2030 der Bodenverbrauch im Vergleich zu 2020 um einen Drittel reduziert werden, und ab 2050 soll in der Schweiz netto kein Boden mehr verbraucht werden.

Die Raumplanungsverordnung besagt, dass es auf einem Landwirtschaftsbetrieb möglich sein muss, die Bodenbefestigung eines Allwetterauslaufs, der die Mindestfläche gemäss Tierschutzgesetzgebung überschreitet, ohne grossen Aufwand wieder zu entfernen. Grundsätzlich darf der Allwetterauslauf die empfohlene Fläche gemäss Tierschutzgesetzgebung auch gar nicht überschreiten - die Bewilligung für eine solche Baute darf nur erteilt werden, wenn der Baute oder Anlage am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.

An solchen Weidestellen müsste idealerweise der Boden befestigt werden. Dies ist aber nicht in allen Fällen erlaubt. | © imago An solchen Weidestellen müsste idealerweise der Boden befestigt werden. Dies ist aber nicht in allen Fällen erlaubt. | © imago

Keine entgegenstehenden überwiegenden Interessen

Bei der hobbymässigen Pferdehaltung können entsprechende Aussenanlagen im Interesse einer tierfreundlichen Haltung grösser als die gesetzlichen Mindestmasse dimensioniert werden. Dies muss aber mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar sein. Auch muss die Anlage reversibel erstellt werden. Das heisst, die Bodenbefestigung muss möglichst ohne grossen Aufwand entfernt werden können. Bei Materialien wie Sand, Schnitzel oder Geotextilien ist der Entfernungsaufwand im Vergleich zu Beton, Asphalt oder Teer kleiner. Was bedeutet, dass die Mindestfläche überschritten werden kann, wenn keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.

Was bedeutet nun «Keine entgegenstehenden überwiegenden Interessen»? Dazu ein Auszug aus dem Bundesgerichtsurteil 1C_347/2017 vom 23. März 2018: «Mit einer Auslauffläche von 200 m2 für vier Tiere werden die tierschutzrechtlichen Vorgaben gemäss Anh. 1 Tab. 7 Ziff. 3 TSchV erfüllt (36 m2 pro Pferd). Die Parzelle der Beschwerdeführerin ist als Fruchtfolgefläche ausgeschieden. Die Bewilligung einer über 200 m2 hinausgehenden Auslauffläche ist daher mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung nicht vereinbar (vgl. Art. 24e Abs. 2 Satz 2 RPG).»

Das bedeutet, dass wenn das Land als fruchtbar und anbaubar gilt, es eher schwierig ist, hier eine Bewilligung für eine solche Auslauffläche zu bekommen. Schliesslich braucht die Schweiz solche Böden, um die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten. Somit ist die Nahrungsmittelsicherheit ein der Auslauffläche entgegenstehendes überwiegendes Interesse. Denn ist der Boden einmal verdichtet und/oder verbaut, kann er nur noch schwer als Anbaufläche genutzt werden.

Als Stallbesitzerin oder Pferdehalter tut man gut daran, alle Vorgaben zu berücksichtigen. Ist dies aus irgendwelchen Gründen nicht möglich, wird empfohlen, an diesem Standort keine Pferde zu halten. Nicht ohne Grund wandern immer wieder Pferdestallbesitzer und Züchter ins nahe Ausland ab - wo andere Regeln gelten und wo ganz einfach auch mehr Land für die Pferdehaltung zur Verfügung steht. Die Beratungsstelle Pferd des Schweizer Nationalgestüts von Agroscope sowie die verschiedenen Raumplanungsbüros der Kantone und spezialisierte Stallbauunternehmen stehen Pferdebetrieben und solchen, die es werden möchten, dennoch jederzeit gerne mit qualifiziertem Rat zur Seite, um entsprechende Bauvorhaben in der Schweiz zu realisieren.

Nicole Basieux

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