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Politischer Gegenwind für die Schweizer Pferdezucht

15 Juli 2019 10:00

Zur Förderung der Tierzucht in der Schweiz erhalten anerkannte Zuchtorganisationen Bundesgelder, um die Kosten für die Herdebuchführung und die Durchführung von Leistungsprüfungen zu senken. Der Haken daran: Viele kleinere Zuchtorganisationen erreichen die Eintrittsschwelle für die Beitragsberechtigung nicht und gehen leer aus.

Gesunde Fohlen sind der Stolz der Züchterinnen und Züchter und der Lohn für ihre Mühen. Gesunde Fohlen sind der Stolz der Züchterinnen und Züchter und der Lohn für ihre Mühen. (Foto: A.Heimgartner)

Übermütig springen die langbeinigen Fohlen über die Weide, fordern ihre Kameraden zum Spiel auf und suchen immer wieder die Nähe ihrer Mütter, um sich auszuruhen und neue Kraft zu tanken. Stundenlang könnte man dieser Idylle zusehen, die die Herzen aller Pferdefreunde höherschlagen lässt. Für diese Momente leben die Züchterinnen und Züchter, die nach den bangen Monaten der Trächtigkeit froh sind, ihre wertvollen Zuchtstuten mit munteren Fohlen an der Seite auf die saftigen Wiesen entlassen zu dürfen. Doch die Pferdezucht in der Schweiz ist längst kein einträgliches Geschäftsmodell mehr, sondern wird meist nur noch als Hobby betrieben. Dennoch werden von den Zuchtorganisationen professionelle Dienstleistungen erwartet, die sie aufgrund der beschränkten Mittel und kleinen Verbandsstrukturen oftmals kaum stemmen können.

Bunte Schweizer Zuchtlandschaft

Beim Bundesamt für Landwirtschaft, das für die Pferdezucht zuständig ist, sind heute 15 anerkannte Pferdezuchtorganisationen registriert. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Pferdesportlerinnen und Pferdesportler in der Schweiz aus einer so breiten Rassenpalette ihr Wunschpferd auswählen können. Dieses farbenprächtige Bild setzt sich jedoch aus teilweise sehr kleinen Mosaiksteinen von Pferdezuchtorganisationen zusammen, die die administrativen Aufgaben und Dienstleistungen, die sie erbringen sollen, kaum in der erwarteten Qualität leisten können.

Bundesgelder keine Bagatelle

Genau hier setzt die Tierzuchtverordnung (TZV) an. Diese besagt in Artikel 14, dass anerkannte Tierzuchtorganisationen mit Beiträgen für die Herdebuchführung und für Leistungsprüfungen sowie mit Geldern zur Erhaltung der Schweizer Rassen und für Forschungsprojekte unterstützt werden. Für die Pferdezucht bedeutet das konkret, dass die einzelnen Zuchtorganisationen insbesondere für jedes identifizierte und im Herdebuch eingetragene Fohlen 400 Franken erhalten. Das klingt erst mal sehr positiv, aber der Teufel steckt im Detail bzw. in Arti-
kel 22 der TZV: Ausbezahlt werden nämlich nur Beiträge, die den Schwellenwert von
50 000 Franken überschreiten - was darunterliegt, gilt als Bagatellbeitrag, die entsprechende Zuchtorganisation nicht als förderungswürdig. Rein rechnerisch bedeutet das beispielsweise, dass ein Zuchtverband, der jährlich weniger als 125 Fohlen in sein Herdebuch eintragen kann, vom Bund kein Geld bekommt.

Diese magische Schwelle der 50 000-Franken-Beitragshöhe überschreiten heute in der Schweiz nur gerade drei anerkannte Pferdezuchtverbände: der Schweizerische Freiberger Zuchtverband (SFV), der Zuchtverband CH-Sportpferde (ZVCH) und der Zuchtverband Cheval Suisse. Alle anderen gehen leer aus, obwohl auch ein Zustupf von weniger als 50 000 Franken für sie keine Bagatelle, sondern eine willkommene Unterstützung wäre.

Gemeinsam stark?!

Diese Regeln gelten nicht nur für die Pferdezucht, sondern beispielsweise auch für Zuchtverbände von Rindvieh, Schweinen, Schafen und Ziegen. Die einzelnen Rassepopulationen sind hier manchmal ebenfalls relativ klein, doch haben die Züchterinnen und Züchter pragmatische Lösungen gefunden, um trotzdem an Bundesgelder zu gelangen: Sie haben Dachorganisationen gebildet, in denen mehrere Rassen vereint sind, die alle dasselbe übergeordnete Zuchtziel verfolgen. So umfasst der Schweizerische Schafzuchtverband zwölf und der Schweizerische Ziegenzuchtverband elf Rassen. Die Zuchtorganisation Mutterkuh Schweiz führt sogar ein Herdebuch für 31 Rassen!

In der Pferdezucht wurde eine solche Lösung vor Jahren schon diskutiert, die Idee der Zusammenlegung von Herdebüchern unter der Schirmherrschaft einer übergeordneten Zuchtorganisation am Ende jedoch verworfen. Zu unterschiedlich waren die einzelnen Interessen und Zuchtziele. Doch die Vorteile einer solchen Lösung sind nicht von der Hand zu weisen - zum einen natürlich, was das erwähnte Anrecht auf Bundesgelder angeht, da die Fohlen der verschiedenen Rassen so kumuliert würden, zum anderen aber auch, um Synergien bei den Dienstleistungen wie der Passausstellung oder dem Marketing zu nutzen. Profitieren würden davon wohl in erster Linie die Züchterinnen und Züchter wenig verbreiteter Rassen, die so auf die Unterstützung eines professionellen Dachverbands zählen könnten, wie auch die Pferdesportlerinnen und Pferdesportler, denen langfristig eine grosse Rassenvielfalt im eigenen Land gesichert wäre.

Cornelia Heimgartner

Leistungsprüfungen sind wichtig, um die Qualität der Sportpferdezucht zu gewährleisten. Auf dem Foto: Rimha des Hauts Monts am Feldtest des ZVCH in Bern. Leistungsprüfungen sind wichtig, um die Qualität der Sportpferdezucht zu gewährleisten. Auf dem Foto: Rimha des Hauts Monts am Feldtest des ZVCH in Bern. (Foto: K.Stuppia / S.Petrillo)

Kommentar von Corinne Boss
Leiterin Kompetenzbereich Tiere und tierische Produkte von Agroscope 


Während mehr als neun Jahren habe ich beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) im Bereich tierische Produkte und Tierzucht gearbeitet und war zuletzt unter anderem verantwortlich für die Weiterentwicklung und Umsetzung des Schweizer Tierzuchtrechts. In dieser Zeit haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Pferdezucht sehr stark verändert. Insbesondere die sportorientierten Zuchtorganisationen mussten in den letzten Jahren bei den Bundesgeldern starke Einbussen hinnehmen, da Leistungsprüfungen nicht mehr in gleichem Masse unterstützt werden wie früher. Politisch muss man unterscheiden zwischen der Zucht von Freibergerpferden und der übrigen Pferdezucht. Die Freibergerzüchter haben eine starke Lobby im Parlament, sei es aufgrund ihres landwirtschaftlichen Hintergrundes, der regionalen Verankerung oder wegen des Biodiversitätsgedankens im Sinne der Wahrung von Schweizer Rassen. Ihre Anliegen werden also eher erhört.
In meiner neuen Funktion bei Agroscope bin ich ab Juli 2019 auch für das Schweizerische Nationalgestüt (SNG) zuständig, was mich als Pferdebesitzerin und passionierte Reiterin besonders freut. Die Erhaltung und Förderung des Freibergers wird in Zukunft also ein zentrales Anliegen meiner Arbeit sein. Aber das SNG steht auch für die Forschung und den Wissenstransfer rund um das Pferd im Allgemeinen, was der gesamten Pferdebranche zugutekommt. 
Aufgrund meiner Erfahrung beim BLW und im Hinblick auf die künftigen Herausforderungen der Branche möchte ich den Pferdezüchterinnen und -züchtern nahelegen, bei gewissen Anliegen mehr die Gemeinsamkeiten unter den einzelnen Branchenvertretern zu suchen, statt die Unterschiede hervorzuheben. So könnten sich alle Akteure mit vereinten Kräften für die Pferdezucht und den Pferdesport in der Schweiz einsetzen. Ein bereits bestehendes Gefäss, um Anliegen und Bedürfnisse zu besprechen, ist das «Forum Pferd» des SNG, in dessen Rahmen sich regelmässig Vertreter aus Zucht, Sport, Futtermittelbranche usw. treffen. Denkbar wäre aber auch eine privatrechtliche Organisation oder eine Public Private Partnership (PPP), in der sich mehrere Branchenvertreterinnen und -vertreter zusammenschliessen. Gerade im Bereich der Pferdezucht könnte ein solcher Zusammenschluss von Zuchtorganisationen die Schlagkraft der Branche erhöhen, um sich Gehör zu verschaffen und politische Anliegen durchzubringen. Ausserdem könnten Synergien genutzt werden, beispielsweise mit einem zentralen Herdebuch, einer zentralisierten Passausstellung oder einem professionellen Marketing. Diese Einsicht, die bei anderen Tierzuchtorganisationen längst vorgelebt wird, würde ich mir auch für die Pferdezucht wünschen.

Mit der zunehmenden Globalisierung fanden immer mehr Rassen aus fernen Ländern, wie z.B. das Quarter Horse, ihren Weg in die Schweiz, wo sie heute auch gezüchtet werden. Mit der zunehmenden Globalisierung fanden immer mehr Rassen aus fernen Ländern, wie z.B. das Quarter Horse, ihren Weg in die Schweiz, wo sie heute auch gezüchtet werden. (Foto: D. Cok)

Kommentar von Gerhard Ernst
Präsident Verband Schweizerischer Pferdezuchtorganisationen (VSP)


Der VSP als Dachverband versteht sich als Bindeglied zwischen Schweizer Pferdezuchtor-ganisationen. Wir sind überzeugt, dass die Pferdezucht in der Schweiz nur eine Zukunft hat, wenn sie geeint auftritt. Doch als Dachverband können wir unseren Mitgliedern nur Anregungen zu einer strategischen Ausrichtung geben; die letzte Entscheidung über die 
Umsetzung liegt jedoch bei den Mitgliederverbänden selbst. 
Es ist nicht immer einfach, die unterschiedlichen Interessen und Anliegen von kleinen und grossen Zuchtverbänden in einem Dachverband zu vereinigen - hier stossen wir manchmal an unsere Grenzen. Leider stehen manche grosse Verbände abseits und gehen ihren Weg im Alleingang. Der VSP ist jedoch überzeugt, dass diese Strategie langfristig keine Zukunft hat. Die Pferdezucht wird politisch und wirtschaftlich je länger, je mehr unter Druck kommen, was auch die grossen Verbände spüren werden. Wir plädieren deshalb dafür, die Schweizer Pferdezucht unter einem breit abgestützten Dach zu vereinen, um nach aussen noch stärker auftreten zu können. Doch am Ende sind es einzig unsere Mitglieder, die den Takt für die allgemeine strategische und politische Ausrichtung des VSP vorgeben. Wurde eine Entscheidung getroffen, können wir vom Vorstand mithelfen, allenfalls neue Strukturen aufzubauen. Ob dabei konkret der Aufbau eines gemeinsamen Herdebuches einen Schritt in eine bessere Position bedeutet, ist wiederum ein Thema, das mit den Mitgliederverbänden diskutiert werden muss.
Der VSP möchte mittelfristig zudem über die Zucht hinausdenken. Was die Schweiz braucht, ist eine starke Vertretung der Pferdebranche als Ganzes. Derzeit sind Abklärungen und Gespräche im Gange, um verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Dachverbänden zu sondieren. Auch andere Organisationen der Pferdebranche sehen mittlerweile die Notwendigkeit, Synergien zu nutzen und Energien zu bündeln.
Unabhängig von der Organisationsform der Pferdezuchtverbände wird in Zukunft vermehrt ein Denken von Solidarität und gegenseitiger Wertschätzung notwendig sein.

Zahlreiche Pferdesportler sind Liebhaber einer ganz bestimmten Rasse, z.B. Friesen. Wird diese in der Schweiz nicht gezüchtet, weichen diese Liebhaber nicht auf eine inländische Alternative aus, sondern kaufen das Wunschpferd im Ausland. Zahlreiche Pferdesportler sind Liebhaber einer ganz bestimmten Rasse, z.B. Friesen. Wird diese in der Schweiz nicht gezüchtet, weichen diese Liebhaber nicht auf eine inländische Alternative aus, sondern kaufen das Wunschpferd im Ausland. (Foto: J.Laugesen)

Kommentar von Michel Pellaux
Präsident des Zuchtverbandes Cheval Suisse 


Es ist in der Schweiz je länger je schwieriger, Pferde zu züchten. Die Unterstützung des Bundes wurde gekürzt, während die Unterhaltskosten für die Züchterinnen und Züchter steigen. Ausserdem stehen die Preise für Pferde konstant unter Druck, denn die ausländische Konkurrenz ist gross. Die Politik und die breite Öffentlichkeit haben die riesigen Summen im Kopf, die für gut ausgebildete Pferde bezahlt werden, die an grossen Turnieren teilnehmen. Doch davon hat der Züchter nichts. Man muss mit zwei bis drei oder noch mehr Jahren Ausbildung rechnen, bis ein Pferd ein Niveau erreicht hat, um es zu einem hohen Preis verkaufen zu können. Die Züchter verfügen aber meist nicht über die nötigen Mittel, um eine solche Ausbildung zu bezahlen.
Wenn man die Sportpferdezucht in der Schweiz erhalten möchte, sind wir auf die Unterstützung des Bundes angewiesen. Beim Bundesamt für Landwirtschaft wurde kürzlich eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Pferdezucht befasst, und die ersten Gespräche verliefen vielversprechend.
Es ist immer von Vorteil, Synergien mit anderen Verbänden zu finden - sei es innerhalb eines gesamtschweizerischen Dachverbandes oder im Rahmen einer Zusammenarbeit mit ausländischen Zuchtorganisationen. So steht Cheval Suisse in engem Kontakt mit der Herdebuchstelle von Selle français, um unserer Jungpferde durch deren Richter beurteilen zu lassen. Die Schweizer Züchter schätzen die Neutralität dieser Richter sehr, die ihnen zudem Empfehlungen für Anpaarungen abgeben. Seien wir ehrlich: Wir züchten heute europäische Sportpferde, denn eine rassenspezifische Trennung ist schwierig geworden. Die Hengste, die wir mit unseren Stuten anpaaren, kommen aus ganz Europa - das ist einfach so. Dennoch hoffen wir, über kurz oder lang mit dem anderen Schweizer Sportpferde-Zuchtverband zusammenarbeiten zu können.

Kommentar von Daniel Steinmann
Präsident Zuchtverband CH-Sportpferde 


«Der Zuchtverband CH-Sportpferde ZVCH hat zum Ziel, alle Massnahmen zur Förderung einer gesunden, leistungsbetonten und wirtschaftlichen CH-Sportpferdezucht zu treffen.» Dieses Ziel hat sich seit der Gründung des ZVCH im Jahr 1996 nicht geändert. Damals übergab der Bund die Verantwortung für die CH-Pferdezucht an die Rassenverbände. 
Das unbeirrte Festhalten an dieser Zielsetzung sorgte in den vergangenen 23 Jahren für einen enormen Zuchtfortschritt. Dies zeigt sich unter anderem in der guten Positionierung des ZVCH auf der Rangliste des Welt-Zuchtverbandes WBFSH.
Die Zucht in der Schweiz ist teuer. Deshalb ist der Qualitätsanspruch der Züchter an ihre eigenen Zuchtprodukte hoch. Nur gesunde, bewegungsstarke und korrekte Fohlen aus leistungsgeprüften Müttern und Vätern lassen sich erfolgreich vermarkten. Eine strenge Selektion ist dafür die Voraussetzung. 
Der Bund fördert Zuchtprogramme, die eine strenge Selektion als Grundlage haben und dabei die modernen Mittel der Pferdezucht anwenden. Dabei sind Herdebuchführung, Leistungsprüfungen, Zuchtwertschätzung, lineare Beschreibungen und genomische Selektion die Mittel der Wahl. Eine ausreichend grosse Population ist die Voraussetzung, dass überhaupt Selektion betrieben werden kann und die Massnahmen ökonomisch realisiert werden können. Die Streichung der Bundesbeiträge an die Leistungsprüfungen war für das Selektionsprogramm des ZVCH ein einschneidender Schritt und führte zur Streichung der finanziellen Unterstützung von Promotionsprüfungen. 
Der ZVCH hat sich in der Vergangenheit bemüht, auch kleine Verbände bei ihrer Zuchtarbeit zu unterstützen. So wurden Synergien in der Zusammenarbeit z.B. mit dem Schweizerischen Haflingerverband gesucht. Leider erlaubten die restriktiven Vorgaben des Bundes keine Fusion mit kleineren Verbänden, um auch diesen Zuchtpopulationen ein Erreichen der Förderschwelle des Bundes zu ermöglichen. 
Der ZVCH war bis Ende des vergangenen Jahres Vollmitglied des Verbandes Schweizerischer Pferdezuchtorganisationen (VSP) und hat mit seinem hohen Mitgliederbeitrag die Arbeit der Dachorganisation unterstützt. Der VSP konnte und kann aber in seiner aktuellen Struktur nur schwer den Widerspruch der Interessen zwischen den «grossen» und «kleinen» Zuchtverbänden lösen, beispielsweise bei Fragen des Imports. 
Die Anerkennung von «Zweitverbänden» durch den Bund macht es ausserdem schwieriger, eine strenge Selektion auch wirklich nachhaltig zu praktizieren. 
Der ZVCH ist sich seiner Verantwortung als einer der grösseren Schweizer Zuchtverbände gegenüber der ganzen Schweizer Zuchtszene bewusst. Er kann und will sie aber nicht alleine tragen!

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