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Rennpferdebesitzer werden kann jeder

15 Oktober 2018 08:00

Der Galopprennsport gilt landläufig als Sport der Reichen. Trotzdem bietet sich die Möglichkeit, Rennpferdebesitzer zu werden, auch Menschen mit kleinem Budget. Dank Besitzergemeinschaften, die sich eines oder mehrere Pferde teilen.

Nicht ganz zu Unrecht gilt der Galopprennsport als Sport für Reiche, denn ein Rennpferd kostet in der Schweiz im Unterhalt und Training durchschnittlich etwa 25 000 Franken jährlich. Doch wenn sich fünf, zehn oder auch zwanzig Leute ein Rennpferd teilen, wird dieses Hobby für jeden erschwinglich. Diese sogenannten Besitzergemeinschaften erfreuen sich in der Schweiz grosser Beliebtheit.

Geteilte Freude, geteiltes Leid

Das Schöne an Besitzergemeinschaften ist nicht nur, dass ein Rennpferde für jedermann erschwinglich wird und das finanzielle Risiko auf viele Schultern verteilt wird, sondern auch, dass man sowohl die Freude über einen Sieg wie auch einen Misserfolg miteinander teilen kann. Allerdings werden natürlich auch allfällige Gewinne geteilt, was aber nicht schwer wiegt, denn diese werden sowieso meistens wieder für anfallende Kosten verwendet, also in die Pferde investiert.

Für 55 Rappen pro Tag

Beim Scala Racing Club (SRC) ist es möglich, für 55 Rappen pro Tag Rennpferdebesitzer zu werden. Denn man beteiligt sich in Form von «Shares» (zu Deutsch: Teile) à 200 Franken pro Jahr. Wer bei der aktuellen Mitgliederzahl von rund 60 nur einen Anteil hält, bezahlt pro Tag 55 Rappen an «seine» Rennpferde, wer sich neun «Shares» leistet fünf Franken. Diese Anteile beziehen sich auf alle Pferde, die im Besitz des Vereins stehen und von Guy Raveneau in Avenches trainiert werden. Vereinspräsident Yves Wiesmann erklärt: «Diese Form des Sharings birgt für alle Beteiligten das geringste Risiko. Denn wenn man anteilsmässig an zwei oder drei Pferden beteiligt ist und eines aus dem Sport genommen werden muss, sitzt man nicht auf dem Trockenen, wie wenn man nur an einem Pferd beteiligt ist.»

Am schönen und muskelbepackten Dream of Art vom Scala Racing Club kann man sich für 55 Rappen pro Tag beteiligen. Am schönen und muskelbepackten Dream of Art vom Scala Racing Club kann man sich für 55 Rappen pro Tag beteiligen. Foto: turffotos.ch

Stall Tell mit vier Pferden

Mit Thomy Dee, Wayway, Holidayend und Zandvoort galoppieren gleich vier Pferde in den Farben des Stalles Tell. Dieser ist als Verein organisiert und lässt seine Vollblüter bei Championtrainer Miroslav Weiss in Urdorf trainieren. Präsidiert wird der Stall Tell von Andreas Lanter, der selber viele Jahre als Amateurrennreiter im Sattel sass. Er erklärt, dass auch der Stall Tell mit Thomy Dee ein Basispferd hat, an dem alle zwölf aktiven Mitglieder beteiligt sind. Neben den Aktivmitgliedern hat diese Besitzergemeinschaft aber auch noch Supporter. Es sind dies Galoppsportfreunde, die pro Jahr 300 Franken bezahlen, eine Art Vereinsbeitrag. Damit sind sie zu allen Vereinsveranstaltungen wie Generalversammlung, Chlausabend usw. eingeladen, fiebern an den Renntagen mit, sind aber an keinem Pferd beteiligt.

Separate Buchhaltung für jedes Pferd

Andreas Lanter ist als ehemaliger Rennreiter prädestiniert, zusammen mit dem Trainer die Pferde zu managen. Er ist es aber auch, der für jedes Pferd eine Buchhaltung führt. Er erklärt: «An unserem Basispferd ist jedes Aktivmitglied beteiligt. Was darüber hinausgeht, steht jedem Mitglied völlig offen. Unter unseren Farben lief früher auch ein Galopper, der nur eine Besitzerin hatte. Denn für nur ein Pferd eigene Stallfarben einzutragen, lohnt sich eigentlich nicht. Dafür ist eine Stallgemeinschaft ideal.»

Wenn sich nur ein Teil der 60 Mitglieder des Scala Racing Clubs an einem Renntag trifft, 
<br />ist das ein bisschen wie Klassenfahrt. Wenn sich nur ein Teil der 60 Mitglieder des Scala Racing Clubs an einem Renntag trifft,
ist das ein bisschen wie Klassenfahrt. Foto: turffotos.ch

Basispferd als Mittelpunkt

Nina Zosso erläutert, wie die Teilhaberschaft beim Stall Aventicum läuft: «Wir haben immer ein Basispferd, an dem alle von uns zu gleichen Teilen beteiligt sind. Wenn wir jedoch mehrere Pferde unterhalten - wie wir es in den letzten Jahren immer getan haben -, dann entscheidet jeder selber, ob er sich neben dem Basispferd an einem weiteren beteiligen möchte und wie gross der Anteil sein soll.» Es könne also sein, dass ein Pferd nur zwei Teilhaber habe, ein anderes vielleicht sieben, erklärt die versierte Pferdefrau weiter.

Nur ein Kämpfer

Im Moment besitzt auch der Stall Aventicum nur ein aktives Pferd. Auch hier hat die Verletzungshexe zugeschlagen. Nina Zosso erzählt traurig: «Neben unserem bereits achtjährigen Kämpfer Fordson, der unser Basispferd ist, hatten wir mit Attique eine kleine feine Stute, die uns viel Freude gemacht hat. Anfang Saison hat sie uns noch einen Sieg geschenkt. Doch leider haben wir sie im Sommer durch eine schwere Verletzung verloren.» Nina Zosso sagt aber auch, dass sie beim Stall Aventicum viele Jahre Glück hatten und fast alle Galopper nach der Karriere gesund in den Ruhestand schicken konnten. Nun blicken die zwölf Mitbesitzer vorwärts und möchten bis 2019 ein weiteres geeignetes Pferd finden. Denn wenn mehrere Pferde im Einsatz sind, trifft man sich auch öfter, teilt mehr Erlebnisse und Emotionen und hat bestenfalls auch mehr zu feiern.

Besitzergemeinschaften teilen Freud und Leid. Im April freuten sich die Aventicum-Mitglieder über den Sieg von Attique in Fehraltorf. Im Sommer mussten sie die Stute nach einer Verletzung über die Regenbogenbrücke gehen lassen.
 Besitzergemeinschaften teilen Freud und Leid. Im April freuten sich die Aventicum-Mitglieder über den Sieg von Attique in Fehraltorf. Im Sommer mussten sie die Stute nach einer Verletzung über die Regenbogenbrücke gehen lassen. Foto: turffotos.ch

Glück und Leid

Der SRC besitzt mit Dream of Art und Muthagal aktuell nur zwei Pferde, und nur Dream of Art ist im Training und läuft Rennen. Yves Wiesmann seufzt: «Zurzeit werden wir vom Galoppsportgott - wenn es denn einen gibt - ziemlich gebeutelt. Im letzten Jahr haben wir Lila - eine vierjährige Stute, die bereits siegreich war - durch eine inoperable Kolik verloren. Und heuer konnten wir mit Muthagal und Dream of Art schöne Siege feiern, aber dann hat sich Ersterer verletzt.» Die Verletzung sei zwar nicht allzu schlimm gewesen, habe aber eine lange Rekonvaleszenzzeit mit sich gebracht, so Wiesmann weiter. Da Muthagal mit sieben Jahren als Rennpferd bereits zu den älteren gehört, habe sich der Club entschieden, für ihn einen Lebensplatz als Freizeitpferd zu suchen.

Zukunft sichern

So greift der SRC im Moment nur mit einem Galopper ins Renngeschehen ein. Yves Wiesmann betont aber, dass die Zukunft des Vereins gesichert ist: «Nach dem Aus von Muthagal freuen wir uns natürlich an jedem guten Lauf von Dream of Art. Der Fokus ist aber darauf ausgerichtet, ein neues geeignetes Pferd zu finden und weitere Mitglieder für unseren Verein zu begeistern.»

Kein Verein, aber gute Freunde

Etwas anders organisiert als der SRC ist der Stall Aventicum. Er zählt ein Dutzend Teilhaber, die einfach als Gruppe von Freunden funktionieren, ohne Statuten und dergleichen. Doch auch in dieser Form ist es wichtig, dass rennsporterfahrene Personen das Administrative regeln und zusammen mit der Trainerin Claudia Erni die Haltung und die Einsätze der Pferde besprechen. Beim Stall Aventicum sind das Nina Zosso, ihr Lebenspartner Adrian von Gunten und Peter Hediger. Nina Zosso sagt dazu: «Unsere Besitzergemeinschaft basiert auf Kollegialität und Vertrauen, wir kennen uns alle gut. So passt es für alle, dass in erster Linie wir drei mit der Trainerin kommunizieren. Bei wichtigen Entscheiden holen wir aber die Meinung aller ein, denn mit nur zwölf Beteiligten ist das gut machbar.»

Vereinspräsident Andreas Lanter (im bunten Pullover) ist der Hauptverantwortliche beim Stall Tell. 
Er managt zusammen mit Trainer Miroslav Weiss die Pferde und feiert natürlich auch deren Siege mit den anderen Teilhabern.
 Vereinspräsident Andreas Lanter (im bunten Pullover) ist der Hauptverantwortliche beim Stall Tell. Er managt zusammen mit Trainer Miroslav Weiss die Pferde und feiert natürlich auch deren Siege mit den anderen Teilhabern. Foto: turffotos.ch

Lange Erfolgsgeschichte

Der Stall Tell gehört zu den Besitzergemeinschaften, die schon viele Erfolge feiern durften. Andreas Lanter blickt stolz zurück: «Wir hatten in der Vergangenheit nur ein einziges Pferd, dass keinen Sieg für uns errungen hat. Alle anderen haben mindestens einmal gewonnen.» Das aktuelle Jahr sieht der Präsident durchzogen. Er meint dazu: «Letztes Jahr wurden wir mit acht Siegen regelrecht verwöhnt. Verglichen damit müssen wir dieses Jahr bescheidener sein. Thomy Dee konnte zwar ein Rennen gewinnen und dazu hatten wir mehrere Platzierungen, aber mit etwas mehr Rennglück wäre mehr möglich gewesen.» Da die Saison aber noch nicht zu Ende ist, gibt es noch Ziele. So wird Zandvoort diesen Herbst noch das klassische «Critérium» in Avenches bestreiten. In diesem Rennen kann er sich für die nächste Saison empfehlen und für den Stall Tell sogar zur Derbyhoffnung 2019 werden.

Vorbild für andere Disziplinen

Bisher sind grosse Besitzergemeinschaften in diesem Ausmass praktisch nur im Pferderennsport bekannt. Wohl, weil dort die Pferde - mehr noch als in den FEI-Disziplinen - die Hauptprotagonisten sind und nicht die Reiter. Diese Form des Sponsorings könnte jedoch auch für Reiter in FEI-Disziplinen interessant sein. Denn bisher bekommen in Dressur, Springen, Concours Complet und anderen Disziplinen vorwiegend die Elitereiter Pferde von Mäzenen zur Verfügung gestellt. Nachwuchsreiter oder Reiter von in der Schweiz weniger populären Disziplinen wie Endurance oder Reining bekommen kaum Toppferde in den Beritt, weil das finanzielle Risiko den möglichen Sponsoren zu gross ist und die Erfolgschancen im Vergleich dazu zu klein sind. Fänden sich jedoch ein oder zwei Dutzend Pferdefreunde zusammen, die einem Nachwuchsreiter ein oder zwei Erfolg versprechende Pferde finanzieren, könnte dies für den junge Reiter zu einem Karrieresprung werden.

Barbara Würmli

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