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Dossier: Tierschutz & Ethik

Schutz der Pferde als Lebensaufgabe

20 Dezember 2021 09:00

Von «Pferdehölle» hat der Solothurner Fritz Egger nicht schreiben müssen wie der Historiker Ulrich Raulff in seinem Buch «Das letzte Jahrhundert der Pferde». Denn das Leben und den Alltag der Pferde um 1900 hat Fritz Egger mit eigenen Augen gesehen und sie nicht verschlossen. Im Gegenteil: Der Hauptmann der Kavallerie und des Trains prangerte die Missstände im Pferdewesen an und gründete 1907 die «Schweizerische Pferdeschutzvereinigung». Nächstes Jahr jährt sich sein Todestag zum 100. Mal.

1911 gründete Fritz Egger den «Roten Stern», ein internationales Hilfskorps für verwundete Kriegstiere. | © Archiv Thomas Frei 1911 gründete Fritz Egger den «Roten Stern», ein internationales Hilfskorps für verwundete Kriegstiere. | © Archiv Thomas Frei

Der Schutz der Pferde vor Missbrauch ist keine Erscheinung unserer Tage. Organisationen wie der Schweizer Tierschutz STS wurden um 1860 wegen misshandelter Pferde gegründet. Der 1863 geborene Fritz Egger sass als Sohn eines Solothurner Eisenwarenhändlers lieber auf einem Fuhrwerk seines Vaters als hinter den Schulbüchern. Bereits als 15-Jähriger nahm er an einem Trabrennen teil und holte sich eine Auszeichnung. Doch einen Namen machte er sich in erster Linie als unermüdlicher Kämpfer für mehr Pferdeschutz. So schreibt er 1907 im Vorwort seiner ersten Publikation «Der Pferdefreund - unentbehrlicher Ratgeber für Pferdebesitzer und Pferdepersonal»: «Ein jeder, der nur einmal in seinem Leben ein paar Zügel in der Hand gehabt hat, glaubt, Kutscher oder Fuhrmann sein zu können. Wie schwer sich die Einstellung solcher Elemente rächt, beweist die öffentliche Verkehrsunsicherheit, die täglich an Dimensionen zunimmt, ferner die vielen Unglücksfälle mit Pferden und die fortwährend wachsenden Pferdeschindereien. Gegen alle diese Missstände muss angekämpft werden, je eher, je besser.»

 

Hilfskorps für verwundete Kriegstiere

Fritz Egger nahm den Kampf sogleich auf, eröffnete ein Geschäft für hippische Spezialitäten, gründete die «Schweizerische Pferdeschutzvereinigung» und 1911 den «Roten Stern», den eigentlichen Höhepunkt seines Schaffens. Mit nicht weniger als 7000 Unterschriften gelangte er an den Schweizer Bundesrat mit der Bitte, es möchte auch im Kriegsfall für die verwundeten Kriegstiere ein Hilfskorps organisiert werden, ähnlich dem Roten Kreuz für die Menschen. Die Petition fand beim Bundesrat gute Aufnahme. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde in Genf der «Internationale Rote Stern» gegründet. 1915 kam es zum «Nationalen Roten Stern», der für den Kriegsfall Pferdesamariterkorps zu bilden und in Friedenszeiten Pferdepfleger auszubilden hatte. Den theoretischen Teil steuerte der unermüdliche Pferdefreund selbst bei mit dem Büchlein «Der Pferdepfleger - Anleitung zur Behandlung und Pflege des Pferdes».

Als Hauptmann der Kavallerie und des Trains sowie Besitzer eines Fuhrunternehmens war Fritz Egger mit den Verhältnissen bestens vertraut. Er wusste von den furchtbaren Qualen und bezweckte mit dem «Roten Stern» eine Abkürzung der Leiden unheilbar verletzter Kriegstiere sowie eine wohlorganisierte Pflege kranker und verwundeter Pferde. Den leidenden Tieren im Krieg wie im Frieden wollte er mit dem «Roten Stern» Hilfe bringen: «Das ist der Wunsch aller derer, die den treuesten Freunden des Menschen aus dem Tierreich, dem Pferd und dem Hund, zu ihrem wohlverdienten Recht verhelfen wollen.» Ein Aufruf, der fast 100 Jahre später wieder gehört wurde und den verstorbenen Professor Björn von Salis zur Gründung der «Pferdesamariter» veranlasste.

 

Reiter mit Erfindergeist

Hauptmann Egger war ein Reiter der alten Schule und verteidigte sie in Wort und Schrift. Zum Reiten fand er offenbar immer Zeit, auch wenn es in aller Herrgottsfrühe geschehen musste. Nicht ohne Erfolg: Manchen Preis holte er sich mit seinem Eidgenossen in Jagdrennen. Alle seine Pferde ritt er selbst zu, und er brachte es in der Dressur sehr weit - eine seiner Irländerstuten zeigte gar Gänge der Hohen Schule. Eine Zeit lang importierte er Pferde aus Ungarn und Ostpreussen und besuchte dort die bekanntesten Gestüte.

Dem ganz aufs Pferdewohl ausgerichteten Egger glückten auch zwei Erfindungen. Nach intensivem Studium und einem in Bern absolvierten Hufbeschlagskurs entwickelte er ein nagelloses Hufeisen. Die praktische Verwertung scheiterte allein an den hohen Gestehungskosten. Mehr Glück hatte er mit der federnden Kinnkette, die ihn weit über die Grenzen hinaus bekannt gemacht hatte. Allein in der deutschen Armee sollen 16 000 Stück im Gebrauch gewesen sein.

Die federnde Kinnkette - eine Erfindung von Fritz Egger, die insbesondere in der deutschen Armee grossen Anklang fand. | © Archiv Thomas Frei Die federnde Kinnkette - eine Erfindung von Fritz Egger, die insbesondere in der deutschen Armee grossen Anklang fand. | © Archiv Thomas Frei

Schweizerische Tierschutzpolizei

Über 14 Millionen Pferde standen im Ersten Weltkrieg im Einsatz, 8 Millionen kamen um. Eine Organisation wie der «Rote Stern» war mehr als nötig. Doch Egger wusste, den Pferden im Alltag musste ebenso geholfen werden. Nach der Gründung der Pferdeschutzvereinigung organisierte er die schweizerische Tierschutzpolizei. Nahezu sämtliche Kantone und die grossen Städte stellten ihm ihre Polizeikorps zur Verfügung. Er gab im ganzen Land Kurse und bildete in grösseren Städten Tierschutzpolizei-Patrouillen, um so das Augenmerk der eifrig und freudig mitmachenden Polizisten auf die sich täglich darbietenden Tierquälereien zu richten.

Den Kampf gegen wachsende Pferdeschindereien im Alltag sah Fritz Egger als Lebensaufgabe und verzeichnete viele Erfolge. | © Archiv Thomas Frei Den Kampf gegen wachsende Pferdeschindereien im Alltag sah Fritz Egger als Lebensaufgabe und verzeichnete viele Erfolge. | © Archiv Thomas Frei

Unermüdlicher Kämpfer für das Tierwohl

Mit seinen pferdeschützerischen Aktivitäten suchte er vorab Fuhrhalter und Kutscher weiterzubilden und hielt neben Vorträgen auch Fahrkurse ab. Ebenso sehr bemühte er sich um eigene Weiterbildung und trat mit 45 Jahren in die Reit- und Fahrschule Elmshorn ein, besuchte das Gestüt Celle und die Reit- und Fahrschule in Leipzig. Als 46-Jähriger liess sich der Kavallerist zum Armeetrain versetzen und absolvierte eine Rekrutenschule. Um autoritär fordern zu können, bemühte sich Egger um mehr Fachwissen, was zu einem rastlosen Bestreben nach Vervollkommnung führte.

Fritz Eggers Bemühungen für mehr Pferde- und Tierschutz waren grenzenlos. Er verteilte auch eine Unmenge von Aufrufen und Flugblättern, redigierte die «Schweizerische Pferdezeitung», war Mitarbeiter von landwirtschaftlichen Zeitungen und Lehrer für das Pferdewesen an der landwirtschaftlichen Schule des Kantons Solothurn, der er die Broschüre «Was der schweizerische Landwirt von der Pferdezucht wissen muss» zusammenstellte. Viele seiner Abhandlungen wurden im Ausland nachgedruckt, in Mulhouse im Elsass instruierte er die Polizei im Tierschutz.

Mit seinem unermüdlichen Einsatz für mehr Pferde- und Tierschutz hatte er sich überarbeitet und starb 1922 im Alter von
59 Jahren. Bereits von Krankheit gezeichnet, wandte er sich noch erfolgreich gegen das Coupieren der Pferde. Der Nachruf im «Schweizer Kavallerist» würdigte sein Schaffen mit den Worten: «Sein Werk hat im ganzen Schweizerland Segen und Nutzen gestiftet. Wenn Pferdeschutz und Pferdewesen in der Schweiz Fortschritte gemacht haben, ist es zu einem grossen Teil sein Verdienst.»

Thomas Frei

Sein Pferdewissen zu erweitern, bemühte sich Fritz Egger sein Leben lang: Mit 45 Jahren trat der Kavallerie-Hauptmann in eine Armeetrainrekrutenschule ein. | © Archiv Thomas Frei Sein Pferdewissen zu erweitern, bemühte sich Fritz Egger sein Leben lang: Mit 45 Jahren trat der Kavallerie-Hauptmann in eine Armeetrainrekrutenschule ein. | © Archiv Thomas Frei

Für ein Tierschutz-Gesetz

In der Schweiz kam erst in den 1960er-Jahren die politische Diskussion um ein nationales Tierschutz-Gesetz auf. Das Pferd und seine Rolle in der Gesellschaft waren damals wichtige Triebkräfte in der Debatte rund um den Tierschutz, wie aus dem nachfolgenden Auszug aus dem «Schweizer Kavallerist» vom 30. Mai 1963 hervorgeht:

«Im Gegensatz zu anderen Ländern besitzen wir in der Schweiz bis heute noch kein Tierschutzgesetz. Wohl ist das Schächtverbot in der Bundesverfassung verankert; die Ahndung tierquälerischer Delikte ganz allgemein ist aber nur in einem sehr vage formulierten Artikel des Strafgesetzbuches vorgesehen. Leider zeigt die Gerichtspraxis einerseits, daß der Tatbestand der Tierquälerei gesetzlich zu wenig prägnant gefaßt ist und andererseits der zur Verfügung stehende gesetzliche Rahmen von den Gerichten nicht angemessen ausgenützt wird. Deshalb rufen die Tierschutzorganisationen unseres Landes seit Jahren immer dringlicher nach der Schaffung eines Tierschutzgesetzes. […]
[Am dritten ‹Tag des Pferdes›], am 14. Oktober 1962, erhob ein Zürcher Nationalrat erstmals öffentlich die Forderung nach einer eidgenössischen Tierschutz-Gesetzgebung. Es gelte, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß unser Freund und Kamerad Pferd von einem zunehmenden Mangel an Verständnis bedroht sei, und die Gefahren zu erkennen, die dem Pferd und den anderen Haustieren drohten - sagte der Redner. Und er fuhr wörtlich fort: ‹Wir sind nicht gewillt, alles der Materie des technischen Fortschritts zu opfern. Wir wollen ein vernünftiges Nebeneinander. Die Brücken zum Bisherigen dürfen nicht leichtfertig abgebrochen werden. Die Brücke zum Tier, zum Pferd, zur Natur muss bestehen bleiben. Der Verlierer wäre in erster Linie der durch die Motorisierung isolierte Mensch: es ginge ihm etwas verloren, was zu seinem inneren Gleichgewicht notwendig ist.›»


Das erste Schweizer Tierschutzgesetz (TSchG) trat - nach jahrzehntelangem Ringen - am 1. Juli 1981 in Kraft. 1983 befasst sich dann auf Ersuchen des Schweizer Tierschutz STS eine 16-köpfige Arbeitsgruppe «Pferde» (Wissenschaft, Pferdesportverbände, Landwirtschaft, Tierschutz) mit der Ausarbeitung von Vorschlägen über die Haltung und die Verwendung von Pferden. Die eidgenössische Tierschutzgesetzgebung enthielt in der damals geltenden Fassung zwar Bestimmungen über Haltung und Umgang mit Pferden, was jedoch fehlte, waren Detailvorschriften, wie sie für Rindvieh, Schweine, Hausgeflügel, Hunde und Wildtiere bestanden, sowie Mindestanforderungen an die Unterkünfte von Pferden, was allgemein als grossen Mangel empfunden wurde. Die Arbeitsgruppe fasste dann ihre Vorschläge in formulierten Vorschriften zusammen. Diese revidierte Fassung des TSchG (mit entsprechender Verordnung) trat am 1. Dezember 1991 in Kraft. Die letzte Totalrevision des TSchG wurde 2008 rechtskräftig.

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