Alle drei erfüllen in der gegenwärtigen Situation wichtige Aufgaben für den Pferdesport und schildern dem «Bulletin» ihre Sicht der Dinge: der Direktor des BLV Hans Wyss, der SHP-Präsident Martin H. Richner und der SVPS Vizepräsident Damian Müller.
Teil 1: Hans Wyss, Direktor des BLV
Hans Wyss, der Direktor des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), ist leidenschaftlicher Springreiter und auf den Schweizer Concoursplätzen regelmässig in Prüfungen bis R/N125 anzutreffen. Sein Bundesamt unterstützt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) dabei, die bundesrätliche Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19-Verordnung 2) im Hinblick auf den Umgang mit Tieren zu interpretieren und entsprechende Empfehlungen und Richtlinien zu erarbeiten.
«Bulletin»: Die Website des BLV liefert seit der Einführung der COVID-19-Verordnung 2 Antworten auf die häufigsten Fragen von Pferdesportlern und Stallbetreibern. Welchen Einfluss haben Sie auf die Auslegung der Massnahmen des Bundesrats?
Hans Wyss: Grundsätzlich ist das BLV wenig involviert in die politische Beschlussfassung.
Es handelt sich bei COVID-19 um eine Erkrankung des Menschen, somit ist der Bereich der Heimtiere ein Nebenschauplatz. Der Bundesrat traf den Grundsatzentscheid, die Bevölkerung mit spezifischen Massnahmen zu schützen. Unsere Aufgabe war es dann, das BAG dabei zu unterstützen, den Umgang des Menschen mit Tieren im Sinne der Verordnung zu interpretieren, weil das BLV hier über besonderes Fachwissen verfügt.
Von einem Verein oder einer anderen Institution organisierte Freizeitaktivitäten, wie beispielsweise Pferdesportturniere, sind verboten – da gibt es keinen Zweifel und keinen Spielraum für Sonderregelungen. Zugleich müssen jedoch die Grundbedürfnisse der Pferde gedeckt werden und dazu gehört selbstverständlich auch das Bewegen.
Alle Fragen zur Pferden, die direkt bzw. über die Kantone oder auch über den SVPS an die Bundesverwaltung gelangten, mussten vor diesen beiden Aspekten abgewogen werden. Die Bundesratsverordnung ist und bleibt der Rahmen, da haben wir keinen Einfluss.
Welche Verbindlichkeit haben die «häufigen Fragen» bzw. ihre Antworten auf der Website des BLV? Kann man gebüsst werden, wenn man sich nicht daran hält?
Die Antworten auf die «häufigen Fragen» auf unserer Website geben die massgebliche rechtliche Auslegung der «Covid-19-Verordnung 2» durch die Bundesverwaltung wider und sind verbindlich. Der Vollzug der Verordnung liegt bei den Kantonen. Wir pflegen einen engen Kontakt zu den kantonalen Veterinärämtern, um eine einheitliche Handhabung in der ganzen Schweiz zu gewährleisten. Es sind also die Kantone, die mit ihren Polizeicorps Kontrollen durchführen und nötigenfalls auch Bussen verteilen können, wenn die Massnahmen des Bundes, einschliesslich ihrer Interpretation in den Antworten auf die «häufigen Fragen», nicht eingehalten werden.
Wie sehen Sie die kurz- und mittelfristige Zukunft des Pferdesports im Hinblick auf die aktuelle Situation?
Ich kann nicht sagen, wie es in den nächsten Tagen und Wochen weitergeht – darauf hat das BLV keinerlei Einfluss. Sicher ist, dass Reitschulen unheimlich heftig getroffen sind von der jetzigen Situation. Zum einen haben sie – wie viele andere Wirtschaftszweige auch – keine Einkünfte mehr. Zusätzlich können sie aber keine Kurzarbeit anmelden, da sie eher mehr Arbeit haben als weniger. Schliesslich müssen sie weiterhin das Tierwohl der Schulpferde gewährleisten, namentlich die Bewegung der Pferde, auch ohne Reitschulbetrieb – und die Unterhaltskosten werden auch nicht weniger. Das BLV hat zwar keine Möglichkeiten, die Reitschulen direkt zu unterstützen, wir können aber beispielsweise die fachliche Argumentation, wie sie der SVPS und der SHP in ihrem Schreiben an das SECO vorgebracht hat, bestätigen und bekräftigen.
Wenn es dereinst zu einer Lockerung der Massnahmen kommt, ist klar, dass Freizeitaktivitäten nicht oberste Priorität haben werden. Das Tierwohl kann mit den aktuellen Massnahmen gewährleistet werden, das ist die Hauptsache. Insbesondere für die Reitschulen ist es sehr wünschenswert, dass eine gute und wirtschaftlich tragbare Lösung gefunden wird. Hobbyreiter hingegen müssen ihre Ambitionen – wie alle anderen Sportler auch – vorerst zurückstecken.
Hans Wyss (Mitte) mit Bijörn von Salis und Christine Stückelberger als Journalist an der Dressur-Europameisterschaft in Goodwood (GBR) 1987.(© Elisabeth Weiland)
Sie sind selbst Springreiter. Wie erleben Sie die aktuelle Situation mit Ihren Pferden?
Ich habe vier Pferde zuhause und halte mich an die Regeln. Ich gehe allein ausreiten und die Pferde haben ihren Auslauf sowie, wenn das Wetter es zulässt, die Weide.
Wir alle müssen uns bewusstmachen, dass die aktuelle Situation sehr ernst ist und uns noch längere Zeit beschäftigen wird. Wir sind alle aufgefordert, uns ganz konsequent an die Regeln bezüglich Hygiene und Social Distancing zu halten. Jeder einzelne von uns hat es in der Hand, dazu beizutragen, dass diese schwere Zeit nicht unnötig verlängert werden muss.
Das Gespräch führte
Cornelia Heimgartner