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Dossier: Tierschutz & Ethik

Sind die Aktionen von Tierschutzaktivisten vielleicht auch eine Chance …?

17 Dezember 2019 08:00

In der neuen Rubrik «Standpunkt» wird Persönlichkeiten aus der Pferdewelt das Wort gegeben und sie können ihre ganz persönliche Meinung zu einem aktuellen Thema äussern. In diesem «Standpunkt» lässt Pierre-Alain Glatt, Präsident der Veterinärkommission, die Erfolge unserer Springreiter an den Europameisterschaften in Rotterdam diesen Sommer Revue passieren und macht sich Gedanken über ein Phänomen, dem er grosse Bedeutung beimisst, und das in den Medien kaum Beachtung fand.

Tierschutzaktivistin an der Spring-EM in Rotterdam 2019. (Foto: J. Abrahamsson) Tierschutzaktivistin an der Spring-EM in Rotterdam 2019. (Foto: J. Abrahamsson)

Zwei Tierschutzaktivisten stürmten während der Prüfung in den Parcours, um dieses sportliche Highlight zu stören. Es war ganz offensichtlich nicht der erste Versuch dieses Paars …

Es scheint mir wichtig, dass die Veterinärkommission (VETKO) an dieser Stelle betont, dass die Tierschützer, ob radikal oder gemässigt, unseren Sport und wohl all seine Disziplinen im Visier haben. Ich persönlich urteile nicht über ihre Beweggründe. Ich verurteile keinesfalls ihren Wunsch nach Gleichstellung aller Arten. Sie sagen: «Im Jenseits gibt keine Hölle für Tiere - sie durchleben sie auf Erden.» Ein Pferd zu nutzen, bedeutet dies zwangsläufig, es auszubeuten, es zu schänden, ihm Gewalt anzutun - oder doch eher, seine natürliche Veranlagung durch angemessene Arbeit zu würdigen?

Manchmal, wenn ich Reiter sehe, die sich einem traurigen Schauspiel hingeben und ihr Pferd nach einem Fehler oder einer Disqualifizierung brutal zurechtweisen, gewaltsam die Geduld verlieren, wenn das Verladen etwas länger dauert, ihre Pferde ohne Wasser und Unterstand auf der Weide vergessen, ihre abgemagerten alten Pferde lieblos wegstellen usw., da könnte ich einen Moment versucht sein, in den Kanon der Tierschützer einzustimmen.

Doch das Stören einer Prüfung ist alles andere als konstruktiv. Die Zuschauer vor Ort wie auch zu Hause am Fernseher, die Veranstalter, die Teilnehmer - sie alle nehmen die Aktion als Angriff wahr, der zwangsläufig ein entschlossenes Vorgehen verlangt, um den Parcours wieder freizugeben. Wenn dann deren paar blaue Flecken auf der Frontseite der sonntäglichen Klatschpresse breitgeschlagen werden, wird es schnell heissen, dass das Reitervolk doch wirklich brutale Umgangsformen pflegt - und zwar nicht nur mit ihren Pferden!

Ich kann keine Lösung bieten, nur ein paar Gedanken: Was, wenn wir unseren Pferdeverstand unerschütterlich durch feines, einfühlsames, rücksichtsvolles und angepasstes Reiten unter Beweis stellen würden, wir uns im Umgang mit unseren Pferden in Geduld üben und unsere vierbeinigen Partner loben, belohnen und sofort in Ruhe lassen, wenn wir ein Ziel erreicht haben? Was, wenn wir aus eigener Initiative auf Rollkur und Sporenwunden verzichten würden? Was, wenn es keine Reglemente, Verbote und Sanktionen mehr bräuchte, um uns davon abzuhalten? Was, wenn wir mit unseren Widersachern das Gespräch suchen würden, wir ihnen die Symbiose, die Synergie zwischen Pferd und Reiter aufzeigen und wir uns keinen Dopingvergehen und Misshandlungen mehr schuldig machen würden? Was, wenn wir ihnen vermitteln würden, wie gerne das Pferd interagiert, lernt, Leistung erbringt und gelobt wird? Was, wenn wir erklären würden, dass unsere vierbeinigen Freunde den plötzlichen Ruhestand mit Sicherheit sowohl körperlich als auch geistig als ein Verlassenwerden wahrnehmen?

Ich bin bereit für den Dialog mit ihnen! Ich bin bereit, in ihrer Bewegung für uns eine Chance zu sehen, um unser Verhalten gegenüber den Pferden zu verbessern.

Pierre-Alain Glatt, Präsident VETKO

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