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Dossier: Unfallverhütung

Stürzen vorbeugen - Stürze «verdauen»

10 Mai 2021 09:00

Plötzlich bewegt sich ein Blatt im Wind oder ein Vogel im Gestrüpp - schon ist der Wurm drin und der vierbeinige Freund unter dem Sattel im Fluchtmodus. Das Pferd scheut, wendet einmal heftig um 180 Grad, und der Reiter liegt am Boden. Wie aber kann man den Sturz möglichst verhindern, was hilft präventiv und was nach einem unsanften Abgang? Ein kleiner Überblick.

Ein Sturz ist im Reitsport schnell passiert.  |  © imago Ein Sturz ist im Reitsport schnell passiert. | © imago

Vor Stürzen ist kein Reiter gefeit, ist er noch so erfahren und noch so geübt. Und doch gibt es diverse Faktoren, die das Risiko, zu stürzen, beeinflussen können. Ganz allgemein gilt für den Reiter: Wer polysportiv unterwegs ist und neben dem Reiten auch noch andere Sportarten ausübt, bereitet seinen Körper auf die verschiedensten und zum Teil ungewöhnlichsten Situationen vor. Das kann im entscheidenden Moment ein riesiger Vorteil sein. Je besser die Koordination und das Gleichgewicht eines Reiters, umso mobiler und agiler wird er sein, was das Risiko, zu stürzen, verringern kann.

 

Koordination, Gleichgewicht und Mobilität fördern

So sieht es auch Christina Silagi. Sie ist selbstständige Physiotherapeutin und begleitete die Pferdesportdelegation des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport 2018 an die Weltreiterspiele nach Tryon in die USA und 2019 an die Europameisterschaften nach Rotterdam. Sie betreut auch das Schweizer Para-Dressage-Team und empfiehlt: «Übungen für die Mobilisation, Kräftigung sowie das Dehnen aller Muskelgruppen kann helfen, Stürze zu vermeiden, denn der Athlet ist beweglicher und weniger steif. Und wenn er dann doch einmal vom Pferd fällt, so wird er sich schneller vom Aufprall erholen als ein ungelenkerer Reiter.» Nicht nur das Pferd sollte also ein Athlet sein, auch der Reiter trägt eine gewisse Eigenverantwortung bei der Verletzungsprävention und sollte entsprechend sportlich und gesund sein.

Wer sich mit Übungen zur Mobilisierung und Kräftigung fit hält, ist besser auf Stürze vorbereitet.  |  © imago Wer sich mit Übungen zur Mobilisierung und Kräftigung fit hält, ist besser auf Stürze vorbereitet. | © imago

Fallen lernen

Um als Reiter weniger Respekt vor dem Fallen zu haben, bieten sich auch Sturztrainings an, wie dies explizit für Reiter oder dann beispielsweise in einem Selbstverteidigungskurs oder im Judo erlernt werden kann. «Falltraining ist sicher gut. Ich selbst habe zwar keine Erfahrung damit, aber wieso nicht?», ergänzt die Physiotherapeutin. Vielleicht kann ein eher ängstlicher Reiter aus so einem Training Selbstvertrauen schöpfen sowie Falltechniken erlernen, die ihn danach lockerer und zuversichtlicher in den Sattel steigen lassen - was natürlich auch das sensible Fluchttier Pferd spürt.

 

Optimale Ausbildung und Ausrüstung

Reiten gehört zu den Risikosportarten. Umso wichtiger ist eine solide, fundierte und professionell begleitete Grundausbildung. Denn laut Statistiken sind gerade bei Frauen im erwerbstätigen Alter Unfälle mit Verletzungen beim Reiten die Nummer zwei nach dem Spitzenreiter Skifahren. Neben dem Grundwissen und Können spielt auch die Ausrüstung eine sehr wichtige Rolle. Dazu gehört nebst passenden Hosen, Handschuhen und Schuhen mit Absätzen der Reithelm. Er ist einfach ein Muss. Wie oft hört man von Reitern: «Wenn ich da keinen Helm getragen hätte, wäre ich heute nicht mehr hier - der Helm war nach dem Sturz gespalten …» Und auch wenn sie vielleicht etwas übertreiben mögen im Erzählfieber, so stimmt es einen mindestens nachdenklich. Aber Achtung: Helm ist nicht gleich Helm. Denn der Kopfschutz muss regelmässig erneuert werden. Empfohlen wird, ihn nach einem Sturz oder aber mindestens alle fünf Jahre auszuwechseln. Doch auch wenn der Reithelm mal aus der Hand rutscht und zu Boden fällt, können bereits Mikrorisse entstehen, welche die Schutzfunktion beeinträchtigen können. Auch sollte man die Finger von gebrauchten Reithelmen lassen, denn wer weiss schon sicher, dass der nicht schon mal zu Boden geknallt ist. Und der Helm muss natürlich einwandfrei passen, sonst nützt der beste Kopfschutz nichts.

Ein ausgelöster Airbag konnte bei diesem Sturz schwerere Verletzungen verhindern.  |  © imago Ein ausgelöster Airbag konnte bei diesem Sturz schwerere Verletzungen verhindern. | © imago

Ausgeglichene Pferde

Wo man als Reiter ebenfalls präventiv Einfluss nehmen kann, ist bei der Haltung und Fütterung seines Reitpferdes. Sind die Pferde ausgeglichen, geniessen sie genügend freie Bewegung und Weidegang, kriegen sie das Kurzfutter entsprechend ihrer Auslastung rationiert, so werden sie auch weniger scheuen oder aufgekratzt sein und sich somit auch weniger aufschrecken und in die Flucht jagen lassen.

Ein weiterer Punkt ist die Aufmerksamkeit und Konzentration des Reiters. Beim gemütlichen Bummelausritt im Gelände kann es vorkommen, dass man ins Nachdenken oder Träumen gerät. Und das kann dann schon mal in einer Überraschung enden, wenn sich das Pferd erschrickt und der Reiter alles andere als darauf vorbereitet ist. Ist er jedoch ganz bei der Sache und ganz bei seinem Pferd, kann er mögliche Gefahren schon früh erkennen und dem Pferd die nötige Sicherheit geben, noch bevor dieses in den Fluchtmodus gerät. Denn Reiter sagen ja nicht umsonst: «Pferde haben prinzipiell vor zwei Sachen Angst: vor Objekten, die sich bewegen, und vor Objekten, die sich nicht bewegen.» Das sagt auch schon alles …

Auch beim Ausritt konzentriert sein, hilft Stürze vermeiden.  |  © imago Auch beim Ausritt konzentriert sein, hilft Stürze vermeiden. | © imago

Wärme, Arnika und Zuversicht

Doch was tun, wenn man doch mal runterpurzelt? Offensichtlich hat man sich nicht gröber verletzt, weder Knochen gebrochen noch den Kopf angeschlagen - so weit alles gut. Doch nach der ersten Aufregung spürt man vielleicht trotzdem eine Prellung oder Überdehnung der Muskulatur. «Da hilft Wärme. Ein heisses Bad kann die Schmerzen schon mal lindern. Arnikatropfen oder -kügelchen sind sicher auch nicht falsch, und wenn es von den Schmerzen her aushaltbar ist, so kann man die betroffene Muskulatur ein wenig zu dehnen versuchen», rät Physiotherapeutin Christina Silagi. Sollten die Schmerzen aber anhalten, und man sich nicht sicher ist, ob man sich nicht doch schwerer verletzt hat, dann sollte man wohl lieber zur Kontrolle zum Arzt gehen.

 

Mentaltraining nimmt Angst

Jetzt ist der Sturz glimpflich verlaufen, die leichten Prellungen so weit abgeklungen, jedoch steckt einem irgendwie die Angst in den Knochen. Am besten man redet darüber, holt sich Hilfe. Ein Sturz ist erstmal etwas sehr Unangenehmes, doch im Nachhinein kann der Reiter selbst und gemeinsam mit seinem Pferd daran und über sich hinauswachsen. Dazu gibt es diverse Techniken des mentalen Coachings, mit denen solche Traumata gut verarbeitet und überwunden werden können. Der Reiter lernt, seine Gefühle und somit seinen Körper zu kontrollieren, was wiederum auch das Pferd spürt und ihm Sicherheit gibt.

Jedoch ein Restrisiko bleibt. Reiten gehört eben zu den Risikosportarten, und Pferde sind nun mal Lebewesen. Pferdeliebhaber sollten darum immer vor Augen haben, dass ein Pferd ein Fluchttier ist … und es im Innersten auch immer bleiben wird. Denn nur so hat es in der Evolution rund 55 Millionen Jahre überleben können.

Nicole Basieux

Gehirnerschütterung: unterschätzte Gefahr im Reitsport

Schnell ist es passiert: Das Pferd scheut, der Reiter verliert das Gleichgewicht, und man findet sich mit Sand zwischen den Zähnen am Boden wieder. Nichts gebrochen oder gerissen, nur der Schädel brummt - alles gut! Alles gut? Leider nein, denn die Langzeitschäden einer Gehirnerschütterung werden weitgehend unterschätzt.

Lesen Sie dazu den Artikel aus dem «Bulletin» 10/2018

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