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Dossier: Interviews

«Unser Sport kann pferdegerecht ausgeübt werden»

10 Mai 2021 09:00

Sind die Pferde und Fahrer gut vorbereitet und der Aufgabe gewachsen, sind Marathonprüfungen im Fahrsport pferdegerecht. Im Bild: Jérôme Voutaz, Schweizermeister 2020.  |  © Brigitte Gfeller Sind die Pferde und Fahrer gut vorbereitet und der Aufgabe gewachsen, sind Marathonprüfungen im Fahrsport pferdegerecht. Im Bild: Jérôme Voutaz, Schweizermeister 2020. | © Brigitte Gfeller

Seit fünf Jahren publiziert der Schweizer Tierschutz (STS) regelmässig Berichte über seine Beobachtungen an Schweizer Pferdesportveranstaltungen. Das «Bulletin» sprach mit SVPS-Präsident Charles Trolliet über die Beziehungen zwischen dem SVPS und dem STS und die Kritikpunkte des aktuellen STS-Turnierberichts.

«Bulletin»: Charles Trolliet, in seinen Berichten beurteilt der STS anhand von Turnierbesuchen, ob unser Sport pferdegerecht ausgeübt wird. Wie steht der SVPS zu diesem Vorgehen?

Charles Trolliet: Die Idee hinter diesen Turnierbesuchen des STS ist, dass unser Sport grundsätzlich pferdegerecht ausgeübt werden kann. Das ist wichtig zu verstehen! Hinter dieser Aussage stehen auch wir als Pferdesportverband voll und ganz und setzen uns dafür ein! Insofern liefert der STS-Turnierbericht interessante Einblicke. Dank diesem gemeinsamen Nenner ist ein konstruktiver Dialog möglich - im Gegensatz zu den Tierschutzaktivisten und Vertretern des Antispeziesismus, für die der Pferdesport eine Ausbeutung des Tieres darstellt.

Inzwischen ist der Austausch zwischen dem STS und dem SVPS sehr gut! Anfänglich waren die STS-Mitarbeitenden inkognito auf den Turnierplätzen unterwegs, fotografierten und dokumentierten aus dem Verborgenen. Heute ist das nicht mehr so, denn das ist gar nicht nötig! Der SVPS begrüsst den Austausch und die Kommunikation auf dem Turnierplatz zwischen den STS-Mitarbeitenden und den Offiziellen oder den Pferdesportlerinnen und Pferdesportlern. Auch der SVPS trifft den STS im Zusammenhang mit der Publikation des Turnierberichts jeweils persönlich, um die aufgeworfenen Kritikpunkte zu besprechen.

 

Für die Bemühungen und Erfolge des Verbands und der Turnierorganisatoren, den Umgang mit den Pferden wesentlich zu verbessern, darf Lob ausgesprochen werden.

 

Was waren denn die Kritikpunkte im aktuellen STS-Bericht «Pferdesportturniere 2020»?

Die Beurteilung der Pferdesportturniere im Jahr 2020 fiel grundsätzlich wohlwollend aus. Es wurde insgesamt eine erfreuliche Entwicklung attestiert und sogar darauf hingewiesen, dass viele Reiterinnen und Reiter positiv aufgefallen sind. Im Bericht heisst es: «Für die Bemühungen und Erfolge des Verbands und der Turnierorganisatoren, den Umgang mit den Pferden wesentlich zu verbessern, darf Lob ausgesprochen werden.» Darauf dürfen wir stolz sein! Es gab aber auch Kritik, insbesondere am Fahrsport und bezüglich des Reitergewichts.

 

Was genau wurde im Fahrsport kritisiert?

Im Fahrsport gab es hauptsächlich zwei Kritikpunkte: Zum einen wurde bemängelt, dass die Hindernisse in der Geländeprüfung nicht so gebaut sind, dass sie fallen, wenn ein Wagen sie touchiert, und zum anderen wurde darauf hingewiesen, dass teilweise sehr scharfe Gebisse zum Einsatz kamen und das Fahrreglement des SVPS keine entsprechenden Richtlinien vorsieht.

 

Die Problematik der Gebisse im Fahrsport hat der SVPS erkannt.

 

Wie reagiert der SVPS auf diese Vorwürfe?

Die Problematik der Gebisse im Fahrsport hat der SVPS erkannt. Nachdem per 2021 entsprechende Richtlinien im Springsport eingeführt worden sind, ist nun der Fahrsport an der Reihe. Die Arbeitsgruppe «Gebisse und Zäumungen» befasst sich derzeit mit der Frage und erarbeitet einen Reglementsentwurf, der 2022 in Kraft treten soll. Dieses Vorgehen war aber schon vor der Publikation des STS-Berichts geplant und aufgegleist.

Was die Forderung der fallenden Hindernisse bzw. Zeitstrafen bei unvorsichtigem Fahren in der Geländeprüfung angeht, so hat sich gezeigt, dass der STS wenig vertraut ist mit der Disziplin. Wir konnten in unserem Gespräch aufzeigen, dass es bereits heute Strafpunkte gibt, wenn ein Wagen ein Hindernis touchiert. Dafür sind Bälle auf den Hindernissen angebracht - fallen diese herunter, gibt es Strafpunkte. Weitere fallende Elemente an den Hindernissen sind in den Geländeprüfungen Standard. Die Hinderniselemente aber müssen fest verankert sein, denn sie dienen der Sicherheit, da diese - falls ein Gespann auffährt und sie fallen - unter den Wagen geraten und ihn zum Kippen bringen könnten. Daher sind sie unbedingt fix zu verankern.

Fällt der am festen Hindernis angebrachte gelbe Ball (links im Bild), erhält der Fahrer Strafpunkte. Damit wird sorgfältiges Fahren gefördert. Im Bild: Cédric Scherrer, Schweizermeister 2020.  |  © Brigitte Gfeller Fällt der am festen Hindernis angebrachte gelbe Ball (links im Bild), erhält der Fahrer Strafpunkte. Damit wird sorgfältiges Fahren gefördert. Im Bild: Cédric Scherrer, Schweizermeister 2020. | © Brigitte Gfeller

Wie will der SVPS die Kritik in Bezug auf das Reitergewicht angehen?

Grundsätzlich ist der SVPS völlig einverstanden, dass das Reitergewicht einen Einfluss hat auf die Leistungsfähigkeit, das Wohlbefinden und im Extremfall sogar auf die Gesundheit der Pferde und Ponys. Die Frage ist: Kann man ein zulässiges Reitergewicht in einem Reglement verankern bzw. am Turnier überprüfen? Es spielen zahlreiche Faktoren in diese Beurteilung hinein (siehe Artikel «Wie viele Kilos dürfen es sein?»).

Nehmen wir das Beispiel des Voltigiersports: Wenn da drei Personen auf dem Pferderücken turnen, kommt natürlich ein hohes Gewicht zustande. Die Voltigierpferde wurden auf diese Belastung jedoch gezielt vorbereitet und sind gut trainiert. Auch die Voltigiererinnen und Voltigierer sind sehr athletisch und verfügen über eine hervorragende Körperkontrolle. Noch dazu trägt das Voltigierpferd diese Höchstgewichte nur kurze Zeit. Wenn im Vergleich dazu ein Saumpferd im Militär während Stunden eine «tote» Last - sie bringt kein eigenes Gleichgewicht und keine Körperspannung mit - von 80 kg plus Geschirr, also an die 100 kg, bergauf und bergab trägt, ist das dann einfacher für das Pferd? Es gibt auf diese Frage keine klare Antwort. Sie zeigt, wie komplex die Thematik ist.

 

Unrealistisch ist, dass man jedes Pferd-Reiter-Paar am Turnier auf die Waage stellt.

 

Unrealistisch ist, dass man jedes Pferd-Reiter-Paar am Turnier auf die Waage stellt. Auch können wir als Pferdesportverband nur Reglemente für den Turniersport in den Disziplinen erlassen, für die wir offiziell zuständig sind. Was im Training, in Reitschulen, an Patrouillenritten usw. gemacht wird, entzieht sich unserer Einflussnahme.

Trotzdem wollen wir als Dachverband aller Pferdefreunde auch in dieser komplexen Frage unsere Verantwortung wahrnehmen. Deshalb werden wir eine Arbeitsgruppe einsetzen, die sich mit allen Aspekten der Thematik befassen soll. Unser Hauptaugenmerk liegt jedoch nicht auf der Reglementierung und Bestrafung, sondern auf der Aufklärung und Sensibilisierung. Das scheint uns der nachhaltigere Weg zu sein. Wenn die Reiterinnen und Reiter bzw. die Reitlehrerinnen und Trainer verstehen, welche Auswirkungen die im Verhältnis zu schweren Reiterinnen und Reiter auf ihre Pferde und Ponys haben, wird dies ein Umdenken zur Folge haben. Sollte sich zeigen, dass diese Aufklärungsbemühungen nicht fruchten, werden wir uns sicherlich mit anderweitigen Massnahmen befassen.

Unser Hauptaugenmerk liegt jedoch nicht auf der Reglementierung und Bestrafung, sondern auf der Aufklärung und Sensibilisierung.

Die Arbeitsgruppe wird sich aus Vertreterinnen und Vertretern des Sports, der Ausbildung und der Tiermedizin zusammensetzen. Wir stehen hier noch am Anfang eines längeren Prozesses. Es wird also eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, bis erste konkrete Vorschläge und Massnahmen vorliegen.

Das Gespräch führte
Cornelia Heimgartner

Drei erwachsene Voltigierer auf einem Pferd stellen ein beträchtliches Gewicht dar. Eine solche Last wird jedoch nur kurzzeitig getragen. Ausserdem sind Pferd und Voltigierer gut trainiert.  |  © Esther Di Maria Drei erwachsene Voltigierer auf einem Pferd stellen ein beträchtliches Gewicht dar. Eine solche Last wird jedoch nur kurzzeitig getragen. Ausserdem sind Pferd und Voltigierer gut trainiert. | © Esther Di Maria

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