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Dossier: Pferdehaltung & Raumplanung

Verschiedene Rollen des Pferdes: Arbeitspferde einsetzen ist aktiver Umweltschutz

23 August 2017 09:42

Vielen Städtern, aber auch vielen Reitern mit wenig Bezug zur Land- und Forstwirtschaft sind Arbeitspferde nur noch in Form von nostalgischen Showauftritten bekannt. Weitherum beliebt ist zum Beispiel der Feldschlösschen-Sechsspänner, der an vielen Events auftritt, oder die Rösslitrampferde in Knies Kinderzoo. Dass hierzulande auch - und glücklicherweise wieder vermehrt - Kaltblüter für Feld- und Forstarbeiten eingesetzt werden, wird leider nur wenig wahrgenommen.

Fast jede Schweizer Familie hat schon einmal an einem Event wie der OLMA oder der BEA den Feldschlösschen-Sechsspänner mit seinen geschmückten und herausgeputzten belgischen Kaltblut-Blondschöpfen bewundert oder eine Runde mit dem Rösslitram in Knies Kinderzoo in Rapperswil gedreht. Kräftige Pferde, die mit vollem Muskeleinsatz und in stoischer Ruhe einen Acker pflügen, haben jedoch nur die wenigsten der heutigen Kinder und Jugendlichen schon einmal beobachtet. Genauso wenig oder sogar noch weniger bekannt sind die Holzrückepferde, die im Wald Schwerstarbeit verrichten.

Pferde als Präzisionsarbeiter

Wer einmal in den Genuss kommt, ein Zweiergespann Rückepferde bei seiner Arbeit zu beobachten, wird sich der Faszination dieser Schwerstarbeiter kaum entziehen können. Wenn die stämmigen Kaltblüter unter dem Kommando ihres Führers schwere Baumstämme in unwegsamem Gelände transportieren, ist dies filigrane Präzisionsarbeit und hat nichts Schwerfälliges an sich. Und die Forstarbeit mit Pferden hat grosse Vorteile. Sie benötigen keine breiten Rückegassen und verursachen praktisch keine Bodenschäden. Werden schwere Forstmaschinen eingesetzt, müssen schlimmstenfalls breite befahrbare Schneisen in den Wald geschlagen werden, wodurch Produktionsfläche verloren geht und das Ökosystem gestört wird. Denn die schweren Fahrzeuge verdichten den Boden, was vor allem den Wasserhaushalt des Waldes aus dem Gleichgewicht bringt. Die tiefen Furchen wirken bei Regen nämlich wie Drainagen, die das Wasser abfliessen lassen und so verhindern, dass genügend nährendes Nass im Boden versickert.

Kommt dazu, dass Spezialfahrzeuge immer teurer werden, Treibstofffresser sind und Schadstoff- und Lärmemissionen verursachen. Im Gegensatz zu den schweren Forstfahrzeugen können Rückepferde auch in Naturschutzgebieten eingesetzt werden und verrichten dort äusserst umweltverträglich ihre Arbeit. Und auch wenn moderne artgerechte Pferdehaltung per se keine kostengünstige Sache ist, so ist sie unter dem Strich in vielen Fällen doch wirtschaftlicher als die Anschaffung und der Unterhalt von Spezialfahrzeugen und Maschinen.

In der Schweiz oft Freiberger

Als geeignete Rassen für das Holzrücken gelten vor allem mittelschwere Kaltblutrassen. Grundsätzlich können aber vom Pony bis zu den grössten Kaltblütern alle Rassen eingesetzt werden, je nachdem wie gross die Holzstücke sind, die verschoben oder transportiert werden müssen. Bei der Auswahl der Pferde ist gutes Gespür des Holzrückers erforderlich. In der Schweiz werden oft Freiberger eingesetzt. Diese zählen zu den leichten Kaltblutrassen - die modernen Typen sogar zu den schweren Warmblutrassen. Wichtig ist, dass die Pferde gut geschult und in ihre Aufgabe eingearbeitet werden, über die nötige Wendigkeit und Zugkraft verfügen und natürlich, dass sie artgerecht gehalten und angemessen eingesetzt werden, ohne sie zu überfordern. Gerade im Sommer bei warmen Temperaturen ist es wichtig, dass die Arbeitszeiten den Pferden angepasst werden und nicht dem zu erledigenden Arbeitsumfang. Was an dieser Stelle zu erwähnen ist: Im asiatischen Raum werden zum Holzrücken Elefanten eingesetzt, was verdeutlicht, wie viel Muskelkraft diese Arbeit erfordert. Wobei die Holzarten, die in Asien von den Elefanten transportiert werden, teilweise auch viel schwerer sind als die Arten in den hiesigen Nadel-, Laub- und Mischwäldern.

Keine einfache Tätigkeit

Auch dem Holzrücker - also dem Menschen, der einer fast ausgestorbenen Berufsgattung angehört - wird einiges abverlangt. Dass er ein erfahrener Pferdemensch und Fuhrmann sein sollte, dürfte klar sein. Er benötigt aber auch Kraft, Ausdauer, Geschicklichkeit und eine hohe Konzentrationsfähigkeit. Im Gegensatz zu Maschinenführern kommt er aber auch in den Genuss von ein paar Vorteilen. Er wird von Lärm und Abgasen verschont und muss nicht in der immer gleichen sitzenden Körperhaltung verharren, sondern agiert mit seinem ganzen Körper und setzt - genau wie die Pferde - seine ganze Muskelkraft ein. Nach Feierabend im stickigen Fitnessstudio zu trainieren, hat wohl kein Holzrücker nötig.

Fokus auf Umweltschutz

Nicht nur in der Forst-, sondern vor allem auch in der Landwirtschaft werden wieder vermehrt Pferde eingesetzt und geschätzt. Dies vor allem dank der Aktivitäten der Interessengemeinschaft IG Arbeitspferde (siehe Kasten). Ernst Rytz, Präsident und Stratege des Vereins, ist überzeugt, dass die vierbeinigen Arbeitskräfte sowohl in der Land- wie in der Forstwirtschaft in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, um Umweltziele wie zum Beispiel die Reduktion von CO2 zu erreichen. Er sagt dazu: «Um zukünftig die geforderten Ziele im Umweltschutz zu erfüllen, werden sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahren einiges einfallen lassen müssen. Arbeitspferde werden mit Sicherheit wieder eine wesentlich wichtigere Rolle spielen als in den letzten Jahrzehnten.» Er betont aber auch, dass es dabei wichtig sei, dass die Pferdezugmaschinen weiterentwickelt werden. «Wir von der IG Arbeitspferde fördern mit internationaler Absprache die Entwicklung moderner und effizienter Maschinen, die sowohl den Pferden wie auch den Menschen die Arbeit erleichtern», so Rytz. Er erklärt weiter, dass bei den landwirtschaftlichen Fahrzeugen zwar Biodiesel und Terrabereifungen möglich sind, diese Massnahmen aber nur halb so umweltverträglich sind wie der Einsatz von Arbeitspferden.

Arbeitspferde haben Zukunft

Es darf also damit gerechnet werden, dass Kaltblutpferde auf Feldern und Wiesen sowie Holzrückegespanne im Wald längerfristig wieder zu einem alltäglichen Bild in der Schweizer Landschaft werden. Erfreulich dabei ist, dass dies auch dem kräftigen Urfreiberger zu erneuter Popularität verhelfen dürfte. Hoffentlich schaffen es die gutmütigen und arbeitsamen Vierbeiner, auch viele junge Menschen zu begeistern, sodass sich diese Gedanken zur ökologischen Landwirtschaft machen und entsprechende Produktionsbetriebe unterstützen. Und vielleicht entwickelt sich sogar der Beruf des Holzrückers in der Schweiz und in den Nachbarländern wieder zu einer begehrten Haupterwerbstätigkeit, statt wie heute mehr Nebenberuf oder sogar nur Hobby zu sein.

Barbara Würmli

Die IG Arbeitspferde

Früher waren die Pferde allgegenwärtig, Menschen wurden ihr ganzes Leben hindurch von ihnen begleitet. Landwirtschaft war ohne Pferde undenkbar, schwere Lasten konnten ohne deren Hilfe nicht bewegt werden.

Doch in den letzten Jahrzehnten nahm der Pferdebestand in der Land- und Forstwirtschaft stetig ab, die motorisierten Maschinen und Spezialfahrzeuge eroberten Feld und Wald. Parallel dazu sank das Interesse der Bauern und Fuhrleute, im Pferdezug neue Technologien anzuwenden. Viel Wissen ging verloren und der Pferdezugmaschinenpark verkam zu einer nostalgischen Ausstellung.

Wer nach wie vor Pferde als Arbeitskameraden einsetzen wollte, war auf sich, seinen Erfindergeist und sein handwerkliches Können angewiesen. Dadurch entstand eine Vielfalt neuer Ideen, Geräte und Methoden, die der einzelne Landwirt meist nur auf seinem eigenen Betrieb anwenden konnte

Da lag der Gedanke nahe, mit Gleichgesinnten diese Probleme anzupacken. Entsprechend wurde 1992 der Verein IG Arbeitspferde gegründet. Er will die Kenntnisse und Fertigkeiten rund um das Arbeitspferd erhalten und gibt das Wissen an kommende Generationen weiter.

Die Interessengemeinschaft pflegt nicht nur die traditionellen Aufgaben des Pferdes wie Holzrücken, Gesellschaftsfahrten, Säumen, Auftritte bei Staatsempfängen, beim Sechseläuten, bei Hochzeiten und an Fasnachtsumzügen. Bewusst bringt sie das Pferd zurück in die Landwirtschaft und findet neue, moderne Einsatzmöglichkeiten in der städtischen Grünabfuhr, der Heilpädagogik, beim Strafvollzug und im Bereich des sanften Tourismus.

Weitere Informationen: www.igarbeitspferde.ch

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