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Warum muss ich mein Pferd entwurmen?

12 Oktober 2020 09:00

Welche gastrointestinalen Parasiten kommen am häufigsten beim Pferd vor? Welche Erkrankungserscheinungen verursachen sie, wie lassen sie sich diagnostizieren und behandeln? Der Europäische Wissenschaftsrat für Heimtierparasitologie (European Scientific Counsel Companion Animal Parasites, ESCCAP) gibt aktuelle Empfehlungen zum Schutz vor gastrointestinalen Parasiten ab.

Pferdekot mit typischen Stadien Kleiner Strongyliden  |  © ESCCAP Schweiz Pferdekot mit typischen Stadien Kleiner Strongyliden | © ESCCAP Schweiz

Viele Pferde mit Wurmbefall zeigen keine klinischen Zeichen, dennoch sind Massnahmen erforderlich. Sie beinhalten Hygiene, Kontrolluntersuchungen des Kotes und Entwurmung.

 

Hygienische Massnahmen

Stall- und Weidehygiene sind wichtige Teile jeder Strategie zur Wurmbekämpfung. Regelmässiges, wenn möglich tägliches Misten von Ställen senkt das Risiko hochgradiger Infektionen. Pferdekot sollte mindestens wöchentlich von den Weiden abgesammelt werden. Das senkt den Infektionsdruck deutlich. Alle frei in der Umwelt lebenden Stadien von Pferdewürmern sind anfällig gegenüber Hitze und Trockenheit, feuchte Umgebung im Auslauf oder Stall fördert hingegen ihr Überleben. Pferdemist als Dünger für Weiden erhöht das Risiko eines Befalls mit Pferdespulwürmern; eine sachgerechte Kompostierung von Pferdemist und von verschmutzter Einstreu kann die Überlebensrate der Parasitenstadien stark senken.

Auch landwirtschaftliche Praktiken wie tiefes Pflügen umzäunter Ausläufe vermindern den Infektionsdruck mit Parasitenlarven oder führen zu starker Abnahme der Moosmilbenpopulation, die für die Übertragung der Bandwürmer notwendig ist.

Um zu verhindern, dass neue Parasitenarten und/oder resistente Parasitenpopulationen in eine Pferdehaltung eingeschleppt werden, sollen neu eintreffende Pferde unter Quarantäne gestellt, koprologisch getestet und entwurmt werden. Weidezugang sollen sie erst erhalten, wenn eine Kotprobenuntersuchung 14 Tage nach Behandlung bestätigt, dass keine Wurmeier ausgeschieden werden.

 

Die häufigsten Wurmarten bei Pferden

Pferde sind als Weide- wie als Stalltiere von Wurmbefall betroffen. Das gilt für Freizeit-, Zucht-, Nutz- und Turnierpferde. Um das Risiko von Erkrankungen durch Infektionen mit Darmparasiten zu minimieren, ist eine der Haltung und der Altersstruktur der Tiere angepasste Bekämpfung wichtig. Zu den häufigsten Wurmarten zählen kleine und grosse Strongyliden, Spulwürmer, Bandwürmer und Pfriemenschwänze.

Prävention und Bekämpfung der Parasiten sind eine Daueraufgabe für Tierärztinnen und Tierärzte, Pferdebetriebe sowie Pferdebesitzerinnen und -besitzer.

 

Spulwürmer

Vor allem Fohlen und junge Pferde sind sehr empfänglich für Dünndarmbefall mit Spulwürmern. Ältere Tiere sind weniger oft befallen. Die Würmer können dick wie ein Bleistift und bis zu 30 cm lang werden und in grosser Zahl auftreten. Sie kommen in Betrieben mit Aufzucht von jungen Tieren regelmässig vor. Da auch wenige Würmer sehr viele Eier produzieren, die im Kot ausgeschieden werden, kann ein befallenes Tier seine Umgebung stark verunreinigen. Die in den Eiern entwickelten Larven sind sehr widerstandsfähig und können über Monate und sogar Jahre überleben, sodass verunreinigte Weiden und Ställe eine ständige Infektionsquelle sind. Nimmt ein Tier infektiöse Spulwurmeier auf, schlüpfen die Larven im Dünndarm, gelangen in den Blutkreislauf und schädigen während ihrer Wanderung die Leber und danach die Lunge; das kann Husten verursachen. Am Ende der Wanderung gelangen die weiterentwickelten Würmer in den Dünndarm. Stark befallene Tiere zeigen verminderten Appetit, sind abgemagert und haben raues Fell.

Massive Infektionen treten meist am Ende der ersten Weidesaison bei Tieren auf, die nicht entwurmt wurden. In solchen Fällen kann es zu Kolik, Darmverschluss oder Darmriss kommen, selten treten Todesfälle auf. Bei Spulwürmern verbreiten sich Resistenzen gegen sonst gut wirksame Entwurmungsmittel.

Spulwürmer  |  © ESCCAP Schweiz Spulwürmer | © ESCCAP Schweiz

Kleine Strongyliden

Diese Gruppe von Würmern ist weit verbreitet und tritt bei Pferden häufig auf. Pferde infizieren sich auf der Weide oder im Auslauf, seltener im Stall. Beim Grasen nehmen sie Larven auf, die sich in der Schleimhaut des Verdauungstraktes weiterentwickeln und im Darm als adultes Stadium heranwachsen. Wurmeier werden mit dem Kot ausgeschieden. Daraus entwickeln sich unter optimalen Bedingungen in ein bis zwei Wochen frei lebende infektiöse Larven. In der Regel sind die adulten Stadien der Kleinen Strongyliden im Darmtrakt eher harmlos. Bei massivem Befall der Dickdarmschleimhaut mit Larvalstadien entstehen entzündliche Veränderungen. Befallene, zumeist jüngere (< 6 Jahre), Pferde magern ab, leiden unter wiederholtem Durchfall und haben erhöhtes Kolikrisiko. Bei Kleinen Strongyliden sind Resistenzen gegen Wurmmittel verbreitet.

Kleine Strongyliden  |  © ESCCAP Schweiz Kleine Strongyliden | © ESCCAP Schweiz

Grosse Strongyliden

Diese Gruppe von Würmern kommt zurzeit sehr selten vor. Sie werden als Larven von den Pferden auf der Weide aufgenommen. Bevor sie das adulte Stadium im Dickdarm erreichen, begeben sie sich auf monatelange Wanderungen, die besonders Darmgefässe oder Leber, Bauchspeicheldrüse und Nieren schädigen können. Anzeichen eines Befalls sind zum Teil hochgradige Kolik oder Durchfall; die Tiere sind schwach und abgemagert und entwickeln teilweise Blutarmut. Besonders Infektionen mit Strongylus vulgaris verursachen aufgrund der Gefässwandschädigungen im Darmbereich Koliken, die tödlich enden können. Resistenzen sind bei dieser Gruppe noch keine bekannt.

Vorderende Strongylus vulgaris mit Mundkapsel, Blätterkranz und zahnartigen Strukturen  |  © ESCCAP Schweiz Vorderende Strongylus vulgaris mit Mundkapsel, Blätterkranz und zahnartigen Strukturen | © ESCCAP Schweiz

Bandwürmer

Der häufigste Bandwurm ist Anoplocephala perfoliata. Pferde infizieren sich über die Aufnahme von Bandwurmlarvenstadien in infizierten Moosmilben beim Grasen. Bei starkem Befall können die adulten Stadien die Darmwand schädigen, Kontraktionen vor allem des Blind- und des Dickdarms stören und Verstopfungen bzw. Koliken verursachen.

 

Pfriemenschwänze

Eine Infektion kann auf der Weide und im Stall stattfinden. In der Regel ist der Befall harmlos, in einzelnen Fällen kann es zu Entzündungen im Dickdarm kommen. Die ausgewachsenen Wurmweibchen scheiden ihre Eier im Anusbereich des Pferdes aus; das führt zu starkem Juckreiz, sodass sich das Pferd häufig scheuert. Ein Befall kann anhand der haarlosen Stellen an der Schweifrübe und Hautirritationen am Anus vermutet werden.

 

Lungenwürmer

Lungenwürmer treten am häufigsten bei Eseln auf, insbesondere bei Fohlen und Jährlingen. Übertragungen auf Pferde kommen bei gemeinsamer Weidenutzung vor. Bei Befall können vor allem Jungtiere Atemwegssymptome zeigen.

 

Seltenere Parasiten des Magen-Darm-Traktes

Magendasseln sind die Larven der Dasselfliegen, die ihre Eier im Fell an verschiedenen Stellen des Pferdes ablegen. Durch Ablecken gelangen geschlüpfte Fliegenlarven in die Mundschleimhaut und wandern in den Magen, wo sie meist unbemerkt parasitieren. Selten können sie Magen- und Darmgeschwüre, Magenschleimhaut- und Bauchfellentzündungen verursachen.

Zwergfadenwürmer kommen besonders häufig bei Saugfohlen vor, haben aber geringe Bedeutung.

Der Grosse Leberegel kommt hauptsächlich bei Wiederkäuern vor, verursacht aber beim Pferd selten eine Lebererkrankung.

 

Welche Pferde wann und wie oft entwurmen?

Nebst der Entwurmung bei einer nachgewiesenen parasitären Erkrankung gibt es verschiedene Entwurmungsstrategien. Ziel dieser Strategien ist die Verhinderung von Parasiteninfektionen (Grosse Strongyliden, Spulwürmer) oder die Minimierung von Erkrankungen (Kleine Strongyliden). Die Bekämpfung muss den spezifischen Bedingungen jeder einzelnen Pferdehaltung angepasst werden und unter tierärztlicher Leitung erfolgen. Nur wissenschaftlich erprobte Wirkstoffe sind anzuwenden; homöopathische oder pflanzliche Methoden können nicht empfohlen werden. Entwurmungsstrategien müssen von wirksamer Stall- und Weidehygiene begleitet werden. Die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel gegen Würmer ist regelmässig zu überprüfen, um Resistenzen frühzeitig zu erkennen.

Der Grundsatz lautet: so viel wie nötig entwurmen, aber so wenig wie möglich!

Strongyliden: Für die nachhaltige Bekämpfung von Strongylideninfektionen sind Entwurmungsprogramme so anzulegen, dass Resistenzen bei Kleinen Strongyliden nicht weiter gefördert werden und einer Übertragung von Grossen Strongyliden vorgebeugt wird. Das kann bei gesunden, erwachsenen Pferden durch regelmässige Kotuntersuchungen und Behandlung nur falls nötig erfolgen (= selektive Entwurmung). Werden Grosse Strongyliden nachgewiesen, sind alle Pferde im Bestand zweimal jährlich mit einem gegen Larven wirksamen Präparat zu entwurmen.

Strategische Entwurmung: Das Alter eines Pferdes kann einen wichtigen Einfluss auf die geeignete Entwurmungsstrategie haben. Insbesondere Fohlen und junge Pferde benötigen umfassenden Schutz durch regelmässige anthelminthische Behandlung, selbst in gut geführten Pferdehaltungen mit optimaler Stall- und Weidehygiene. Die erste Entwurmung während der Weidesaison findet im Allgemeinen mit dem Weideaustrieb oder ein bis zwei Monate später statt. Der spätere Termin ist sinnvoller, um eine stärkere Verminderung der Weideverschmutzung durch Strongylidenlarven zu erreichen.

Die selektive Entwurmung wird alternativ bei Pferden ab vier Jahren gegen die insgesamt am häufigsten vorkommenden Kleinen Strongyliden empfohlen, jedoch nicht in Beständen, in denen Grosse Strongyliden vorkommen. Der Behandlungsentscheid sollte sich auf die Ergebnisse der individuellen Kotprobenuntersuchungen abstützen. In der Schweiz haben Parasitologen und Pferdekliniker der Universitäten Zürich und Bern das selektive Behandlungskonzept 2011 als Vorgehen der Wahl empfohlen. Es wird inzwischen mit steigender Tendenz erfolgreich umgesetzt.

Spulwürmer: Die Behandlung soll bei Fohlen ab zwei Monaten dreimonatlich während eines Jahres mit unterschiedlichen Wirkstoffen wiederholt werden. Aufgrund der Resistenzen ist die Wirksamkeit der eingesetzten Präparate mit Kotuntersuchungen zu überprüfen. Bei älteren Pferden mit nachgewiesener Infektion sollte auch schwacher Befall (wenige Eier nachgewiesen) behandelt werden; dabei ist der ganze Bestand in die Bekämpfung einzubeziehen und die Situation bezüglich Strongyliden mitzuberücksichtigen.

Bandwürmer: Auf Betrieben mit Bandwurmvorkommen ist eine spezifische Behandlung einmal pro Jahr (Spätherbst oder Winter) empfohlen.

 

Parasitenübertragung

Viele Parasiten produzieren Eier, die das Pferd ausscheidet und direkt über das Gras oder einen Zwischenwirt (z.B. Moosmilben bei Bandwürmern) im Larvenstadium oder als Ei mit Larve wieder aufnimmt.

ESCCAP Schweiz

Wie entnimmt man Kotproben?
Ideal ist möglichst frischer Kot von jedem Pferd, das untersucht wird. Ist eine tiermedizinische Fachperson vor Ort, kann sie Proben direkt dem Enddarm entnehmen. Sie werden mit dem Namen des Pferdes bezeichnet und in einem dichten Plastiksack oder speziellen Behälter transportiert. Die Kotprobe muss innert 30 Stunden im Labor ankommen.

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