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Wer kommt zum Gesundheitsmanagement in den Pferdestall?

12 November 2018 08:00

Kamen bei gesundheitlichen Problemen von Pferden oder anderen Equiden traditionell der Tierarzt oder der Hufschmied in den Stall, sind es heute Dienstleister aus verschiedensten Bereichen. Eine Online-Umfrage bei Pferdebesitzenden und -haltenden in Deutschland und der Schweiz wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Hochschule für Agrar-, Forst-, und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) durchgeführt. Ziel war es zu erheben, welche Dienstleister im Gesundheitsmanagement beim Pferd in Anspruch genommen werden.

Die klassische tierärztliche Dienstleistung: Lahmheitsuntersuchung. Foto: HAFL/C. Herholz Die klassische tierärztliche Dienstleistung: Lahmheitsuntersuchung. Foto: HAFL/C. Herholz

Online-Umfrage bei Pferdebesitzenden und -haltenden

Bei der Online-Umfrage wurden Pferdebesitzende und -haltende, Reiterinnen und Reiter bzw. diejenigen Personen, die für die gesundheitliche Versorgung des jeweiligen Pferdes verantwortlich sind, angesprochen. Neben dem Alter, der Rasse und dem Geschlecht der betreffenden Pferde wurde auch die überwiegende Nutzung der Kategorien Freizeit und Sport erhoben.

Die Umfrageteilnehmenden wurden gefragt, für welche gesundheitlichen Problemfelder der Pferde Dienstleistungen konsultiert wurden. Die Dienstleister wurden kategorisiert in konventionelle Behandlungen, manuelle Therapien, alternative Heilungsverfahren, Hufpflege und divers. Um die Breite der komplementär- und alternativmedizinischen Behandlungsmethoden einzuschränken, wurden die Kategorien «manuelle Therapien» und «alternative Heilungsverfahren» mit ausgewählten Dienstleistungen definiert (Tab. 1). Es wurde gefragt, ob die entsprechenden Dienstleister pro Pferd und Jahr kommen oder nicht und wie oft (nie, 1, 2-3 Mal, >3 Mal). Weiter wurde ermittelt, wie oft Dienstleister gewechselt wurden (nie, 1, 2-3 Mal, >3 Mal). Einflüsse von Alter, Ausbildung und Einkommen der Umfrageteilnehmenden auf die Wahl und Häufigkeit der Konsultation von Dienstleistern wurden untersucht.

Im Fragebogen wurden gesundheitliche Problemfelder mit mehreren Auswahloptionen und mit der Möglichkeit zur freien Antwort abgefragt. Zur Auswahl standen die Problemfelder Bewegungsapparat (z.B. Hufprobleme, Lahmheiten, Muskelprobleme, Rückenprobleme), innere Erkrankungen (z.B. Kolik, Zahnerkrankungen, Lungenprobleme/Husten, Herzerkrankungen, Stoffwechselprobleme, Infektionskrankheiten wie Druse oder Herpes, Trächtigkeits- und Hautprobleme) und neurologische Probleme (z.B. Augenerkrankungen, Lähmungen, Ataxie/Wobbler, Kopfschütteln/ Headshaking, Borna). Aus den offenen Antworten wurden nachträglich noch die Kategorien Verletzungen und unspezifische Probleme gebildet (z.B. Abmagerung, Leistungsmangel).

Zahl und Charakterisierung der Umfrageteilnehmenden

Gesamthaft wurden 3013 Fragebogen zurückgesandt. Die Rücklaufrate betrug für Deutschland und die Schweiz durchschnittlich 72%. Von den antwortenden Personen stammten 1146 aus der deutschsprachigen Schweiz und 1101 aus den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Bayern, Thüringen und Nordrhein-Westfalen in Deutschland. Von den Teilnehmenden der Umfrage aus Deutschland waren ca. 1% Männer und 99% Frauen, gegenüber der Schweiz mit 16% Männern und 84% Frauen. Das Alter der Umfrageteilnehmenden ist in Abb. 1, die Einkommensverteilung in Abb. 2 dargestellt.

Die Altersverteilung der Pferde in der Schweiz und in Deutschland umfasste Kategorien von unter 4 Jahre bis >15 Jahre, im Median betrug das Alter der Pferde 14 Jahre. Dabei waren 41,5% Stuten, 50,5% Wallache und 8,0% Hengste. Bei den Rassen waren durchschnittlich 8% Vollblüter, 34% Warmblüter, 18% Freiberger, 5% Kaltblüter und 35% andere Rassen vertreten. Abb. 3 zeigt die überwiegende Nutzung der Pferde.

Abb. 1 Abb. 1

Abb. 2 Abb. 2

Abb. 3 Abb. 3

Erkrankungen der Pferde nach Angabe der Pferdebesitzenden und -haltenden

Rund die Hälfte (49%) der Besitzerangaben aus beiden Ländern zu den Gründen, warum Dienstleister gerufen wurden, entfallen auf Erkrankungen des Bewegungsapparates, 39% auf innere Erkrankungen, 9% auf neurologische Probleme, 1,7% auf Verletzungen und 0,25% auf unspezifische Probleme. Unterschiede waren tendenziell bei den Angaben zu neurologischen Problemen (8,8% Schweiz versus 9,9% Deutschland), Verletzungen (2,3% Schweiz versus 0,1% Deutschland) und unspezifischen Problemen (0,36% Schweiz versus 0,1% Deutschland) erkennbar.

562 Umfrageteilnehmende gaben offene Antworten. Im Problemfeld Bewegungsapparat wurde am häufigsten Mauke, Arthrose, Verletzungen, Verspannungen bzw. Blockaden, Einschuss, Hufabzess, Spat, Griffelbeinfraktur und Hufrehe genannt. Bei den inneren Erkrankungen wurden Sommerekzem, Magengeschwüre, Kotwasser und Sarkoid am häufigsten vermerkt. Daneben gab es Angaben wie beispielsweise «EORTH», «PSSM», Zink-, Selenmangel, Nasenbluten, Hormonstörungen, Reisekrankheit, Nachgeburtsproblem, Nesselfieber und Schimmelkrebs, die dem Problemfeld innere Erkrankungen zugeordnet wurden. Zum neurologischen Problemkreis zugeordnet wurden die Angaben Shivering und Narkolepsie. Antworten wie Abmagerung, Altersbeschwerden, Fieber wurden zu unspezifischen Problemen gezählt. Insgesamt 58 Personen gaben an, den Tierarzt nur zur Impfung bestellt, ansonsten aber keine Probleme gehabt zu haben.

Alternatives Heilungsverfahren: Akkupunkturbehandlung beim Pferd. Manuelle Therapien und alternative Heilungsverfahren wurden pro Pferd und Jahr in Deutschland öfter als in der Schweiz in Anspruch genommen (25,8% D versus 21,1% CH). Foto: Prof. C. Spadavecchia Alternatives Heilungsverfahren: Akkupunkturbehandlung beim Pferd. Manuelle Therapien und alternative Heilungsverfahren wurden pro Pferd und Jahr in Deutschland öfter als in der Schweiz in Anspruch genommen (25,8% D versus 21,1% CH). Foto: Prof. C. Spadavecchia

Bezogene Dienstleistungen in der Schweiz und in Deutschland pro Jahr

Von den 2267 Befragten wurden insgesamt 11 346 Dienstleister (mindestens einmal) in Anspruch genommen, in der Schweiz total 5146 und in Deutschland 6108. Von allen Dienstleistungen wurden in beiden Ländern am häufigsten die klassischen tierärztlichen Dienstleistungen in Anspruch genommen (21% Schweiz, 18% Deutschland). An zweiter Stelle folgte die Zahnbehandlung, auf Platz drei die Hufschmiede und bei beiden Ländern auf Platz vier die osteotherapeutische Behandlung. Am wenigsten wurden in beiden Ländern die Dienstleistungen Fütterungsberatung, tierpsychologische Beratung und Schmerzbehandlung in Anspruch genommen (2, 0,6, 0,5%). In der Schweiz wurden konventionelle Behandlungen zumindest einmal pro Jahr von 40,6% der Befragten in Anspruch genommen, in Deutschland von 34,6%. Dagegen wurden manuelle Therapien und alternative Heilungsverfahren vermehrt in Deutschland in Anspruch genommen (25,8% Deutschland, 21,1% Schweiz). Hufpflegedienstleistungen werden von ca. einem Viertel der Befragten in der Schweiz und in Deutschland zumindest einmal im Jahr genutzt.

Manuelle Therapie: chiropraktische Behandlung. Foto: HAFL Manuelle Therapie: chiropraktische Behandlung. Foto: HAFL

Häufigkeit der Inanspruchnahme und Wechsel von Dienstleistungen

Auch in Bezug auf die Häufigkeit der genutzten Dienstleistungen konnten länderspezifische Unterschiede festgestellt werden, mit Ausnahme von Hufbearbeitung, tierpsychologischer Beratung und Fütterungsberatung. Beispielsweise wird eine klassische tierärztliche Behandlung in Deutschland am häufigsten 2-3 Mal pro Jahr in Anspruch genommen (50,9% Deutschland, 39,4% Schweiz). In der Schweiz dagegen am häufigsten nur einmal pro Jahr (44% Schweiz, 18,4% Deutschland). In der Schweiz und in Deutschland wird eine Zahnbehandlung mehrheitlich einmal pro Jahr bestellt (81% bzw. 78%). In Deutschland wird die Zahnbehandlung allerdings zu 11% 2-3 Mal pro Jahr durchgeführt, gegenüber der Schweiz zu nur 4%. Eine Hufschmiededienstleistung wurde sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz mit über 70% mehr als 3 Mal pro Pferd und Jahr in Anspruch genommen. Demgegenüber wurde bei der Fütterungs- und tierpsychologischen Beratung überwiegend geantwortet, dass sie nie herangezogen wurden (89% bzw. 97% Schweiz und 90% bzw. 97% Deutschland). Auf die Frage, wie oft die Dienstleister im letzten Jahr gewechselt wurden, antworteten 75% aus der Schweiz und 57% aus Deutschland, nie gewechselt zu haben. Personen in beiden Ländern wechseln ihre Dienstleister weniger mit einer steigenden Alterskategorie (ab 30 Jahren).

Die klassische tierärztliche Dienstleistung: Lahmheitsuntersuchung. Foto: HAFL Die klassische tierärztliche Dienstleistung: Lahmheitsuntersuchung. Foto: HAFL

Wie viel verschiedene Dienstleister kommen in den Stall?

Umfrageteilnehmende aus der Schweiz bezogen jährlich durchschnittlich 4,5, aus Deutschland durchschnittlich 5,5 verschiedene Dienstleistungen, bezogen auf beide Länder wurden pro Jahr durchschnittlich 5 verschiedene Dienstleistungen in Anspruch genommen.

Es konnte nachgewiesen werden, dass Bildung, Einkommen und Land der Umfrageteilnehmer einen Einfluss auf die Anzahl von Dienstleistungen pro Jahr haben, aber nicht das Alter der Umfrageteilnehmenden. Im Rahmen der Bildung beziehen Personen mit einem höchsten Bildungsabschluss von einer obligatorischen Schule oder einer Anlehre weniger Dienstleister als beispielsweise Fachhochschulabsolventen. Deutlich wird auch, dass Personen mit einem geringeren Einkommen weniger häufiger Dienstleister konsultieren.

Die am zweithäufigsten genutzte Dienstleistung im Gesundheitsbereich
 beim Pferd: die Zahnbehandlung. Foto: NPZ/CEN Bern Die am zweithäufigsten genutzte Dienstleistung im Gesundheitsbereich beim Pferd: die Zahnbehandlung. Foto: NPZ/CEN Bern

Wandel in der Gesundheitspflege beim Pferd

Die Zeiten, in denen nur der Tierarzt und der Hufschmied für Routineuntersuchungen oder bei gesundheitlichen Problemen in den Pferdestall kamen, sind vorbei. Junge Erwachsene informieren sich häufig über das Internet über verschiedene Behandlungsmethoden, und es zeichnet sich eine hohe Nachfrage nach manuellen Therapien sowie alternativen Heilungsverfahren ab. Wissenschaftliche Studien über den Heilungserfolg dieser Behandlungsmethoden zum einen und Untersuchungen über die Ausbildungsqualität von Dienstleistern im Tiergesundheitsbereich zum anderen drängen sich auf. Die Ergebnisse über die Ausbildungsqualität möglicher Studien sollten Pferdebesitzenden bzw. -haltenden in leicht verständlicher Form zugänglich gemacht werden, da es dem Laien kaum möglich ist, das grosse Angebot fachlich zu bewerten.

Originalartikel mit weiterführenden Informationen: Pferdeheilkunde-Equine Medicine 34, 5, 439-446 (2018) http://www.pferdeheilkunde.de/de/fundus/

Josie Siegel, Conny Herholz und Christoph Kopp

Josie Siegel hat ihre Bachelorarbeit dem Thema «Dienstleister im Gesundheitsmanagement beim Pferd» gewidmet                «Schon von klein auf wurde ich mit dem Pferdevirus infiziert. Bis heute ist es nicht nur ein Hobby, sondern eine Leidenschaft. Ich freue mich über jede Stunde, die ich mit diesen faszinierenden Tieren verbringen darf.» Um meine Leidenschaft zum Beruf zu machen, entschied ich mich für das Studium «Pferdewirtschaft» an der HfWU in Nürtingen. 2017 schloss ich das Studium erfolgreich an der HAFL in Zollikofen ab. Seit dem Abschluss konnte ich verschiedenste praktische Erfahrungen in der Pferdebranche sammeln.

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