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Wertvolle Arbeit der Schweizer Rassenverbände

16 Juli 2019 10:00

Gemäss «Kennzahlen der Schweizer Pferdebranche» von Agroscope gab es 2016 in der Schweiz über 105 000 Equiden (Pferde, Ponys, Kleinpferde, Esel und Mulis) aus rund 180 Rassen. Diese grosse Vielfalt ist nicht zuletzt dem unermüdlichen Einsatz der zahlreichen Schweizer Rassenverbände zu verdanken.

Islandpferde in der Weite ihres eindrücklichen Heimatlandes. Islandpferde in der Weite ihres eindrücklichen Heimatlandes. (Foto: S. Zippo)

Den grössten Teil des Bestandes machen die Warmblutpferde des Sportpferdetyps aus, gefolgt von den Freiberger Pferden und Ponys aller Art. Entsprechend ist selbst in der Reitszene vielen nicht bekannt, dass in der Schweiz auch Rassen wie Araber, Friesen, Islandpferde, Lipizzaner oder iberische Pferde mit eigenen Verbänden vertreten sind.

Die Robusten aus dem Norden

Mit über 1400 Mitgliedern gehört die Islandpferde-Vereinigung Schweiz - kurz IPV CH - zu den grösseren Rassenverbänden. Der Grundstein für die heutige IPV CH wurde in den späten 1950er-Jahren gelegt, als die ersten Islandpferde in die Schweiz importiert wurden. Sandra Zippo von der IPV CH erzählt: «Die ersten Schweizer Islandpferdebesitzer waren Pioniere, die für die Anerkennung dieser eindrücklichen Robustpferde aus dem hohen Norden kämpften.» Vermutlich sei es diesen Wikingerpferden zu verdanken, dass sich die Gruppen- und Auslaufhaltung in der Schweiz etabliert habe, so Sandra Zippo weiter. Islandpferde gibt es in allen Farben, ausser Tigerschecken. Sie sind leistungsfähig, vielseitig einsetzbar und gelten als sehr verlässlich.

Hauptziel der IPV CH ist, das Wissen und den richtigen Umgang in Haltung und Nutzung des Islandpferdes zu fördern - insbesondere die pferdegerechte Gruppenhaltung, den Erhalt des Robustpferde-Charakters und eine pferdeschonende Reitweise in allen Gangarten. Ein weiteres Ziel ist die Verbreitung und Pflege des kulturhistorischen Erbes einer der ältesten Reinzuchtrassen Europas in enger Verbindung zum Stammzuchtland Island. Sandra Zippo erklärt: «Wir sind der Reinzucht und der artgerechten Haltung der Islandpferde verpflichtet. Zudem ist es unsere Vision, die Faszination für die Islandpferde zu fördern und noch mehr Menschen für das Gangpferdereiten zu begeistern.» Hierbei besteht die grösste Herausforderung gemäss Sandra Zippo darin, die Vorurteile gegenüber den Islandpferden zu überwinden: «Viele Reiter können sich nicht vorstellen, dass man mit ihnen auch springen oder sie dressurmässig reiten kann. Zudem gibt es immer noch Leute, die Islandpferde wegen ihrer Grösse belächeln.»

Auch dank der Arbeit der IPV CH ist es seit einigen Jahren möglich, die Ausbildung zur Pferdefachperson EFZ Fachrichtung Gangpferdereiten zu absolvieren. Gemäss Eve Barmettler, der Verantwortlichen der OdA Pferdeberufe, entscheiden sich jährlich rund ein halbes Dutzend Lernende für diese Fachrichtung. Der grösste Teil davon lernt in Islandpferdebetrieben, einige wenige in Paso-Fino-Betrieben. Und auch im Islandpferdesport spielt die Schweiz eine wichtige Rolle. So fanden immer wieder internationale Turniere hierzulande statt, zum Beispiel 2009 die Islandpferde-WM und 2014 die Mitteleuropäischen Meisterschaften.

Die Präsidentin des Schweizer Lipizzaner Verbands Deborah Meyer mit ihren vier weissen Schönheiten. Die Präsidentin des Schweizer Lipizzaner Verbands Deborah Meyer mit ihren vier weissen Schönheiten. (Photo: D. Meyer)

Die edlen Weissen

Eine noch junge Organisation ist der Schweizer Lipizzaner Verband, der 2017 gegründet wurde. Im Fokus des Verbands steht die Zucht. Er richtet sich in erster Linie an Aktivmitglieder mit Zuchtambitionen, als Passivmitglieder sind aber auch alle Lipizzaner-Freunde willkommen. Vizepräsidentin Edith Pintér erläutert: «Unser Ziel ist die Kontaktpflege zu Lipizzaner-Besitzern, Züchtern und Zuchtverbänden im In- und Ausland sowie zu den Staatsgestüten. Der Verband dient ausserdem als Anlaufstelle für Fragen rund um den Lipizzaner.» Eine weitere Aufgabe sei die Führung des Zuchtbuches dieser Kulturpferderasse in der Schweiz sowie die Zucht von reinrassigen Lipizzanern nach dem Ursprungszuchtbuch der Lipizzan International Federation (LIF).

Die meist weissen Lipizzaner - selten kommen auch Rappen und Braune vor, nur sehr selten Füchse und Falben - gelten als intelligent, gutmütig, gehorsam und ausdauernd, aber auch als sensibel und häufig überschäumend im Temperament. Wenn sie einmal Vertrauen gefasst haben, werden die sehr menschenbezogenen Lipizzaner zu absoluten Verlasspferden. Sie werden in der klassischen Dressur und im Fahrsport eingesetzt und sind als Freizeitpferde beliebt. Man trifft die Lipizzaner in der Schweiz aber nicht sehr oft an: Gemäss Edith Pintér leben hierzulande derzeit deren 182 (Stand Agate Februar 2019). «Viele kennen die Lipizzaner nur als Pferde der Spanischen Hofreitschule und wissen gar nicht, dass sie auch von Privaten gezüchtet und genutzt werden», bedauert die Vizepräsidentin. Eigentlich seien Lipizzaner prädestiniert für den Dressursport, erklärt Pintér weiter. «Leider sieht man sie aber kaum noch im Dressurviereck, da dort der Fokus auf den Warmblütern liegt. Da der Lipizzaner ein etwas anderes Gangbild aufweist als der Warmblüter, verringern sich seine Chancen auf gute Platzierungen.»

Eine kleine Schönheit, die zeigt, dass Friesenpferde nicht umsonst schwarze Perlen genannt werden. Eine kleine Schönheit, die zeigt, dass Friesenpferde nicht umsonst schwarze Perlen genannt werden. (Foto: U. Alig)

Schwarze Perlen

So werden Friesenpferde gerne genannt. Seit den 1980er-Jahren erfreuen sie sich auch in der Schweiz zunehmender Beliebtheit. Der heutige Schweizer Friesenpferde-Verband wurde 1991 gegründet und zählt rund 130 Mitglieder. Über 400 Friesenpferde sind im Schweizer Pferderegister gemeldet. Auch der Friesenpferde-Verband ist in erster Linie ein Zuchtverband und fördert die reinrassige Zucht gemäss den Richtlinien der Koninklijke Vereniging Het Friesch Paarden Stamboek (K.F.P.S.) sowie der World Friesian Horses Organisation (W.F.H.O.). Die Präsidentin Andrea Rogenmoser sagt dazu: «Unsere Aufgabe ist es, die Richtlinien der K.F.P.S.- und W.F.H.O.-Satzung mit der schweizerischen Gesetzgebung rund um die Pferdezucht zu vereinbaren und den interessierten Züchtern eine möglichst gute Ausgangslage zu bieten.» Weiter wolle der Verband auch die Weiterbildung der Friesenpferde und ihrer Besitzer fördern, unter anderem durch ein reichhaltiges Kursangebot. Herausfordernd ist für die Präsidentin allerdings die geringe Teilnehmerzahl an den Kursen. Sie erklärt: «Die meisten Pferdehalter sind sehr beschäftigt und haben kaum Zeit für Weiterbildung. Zudem ist die Pferdehaltung ein teures Hobby, sodass oft kein zusätzliches Geld für Kurse ausgegeben wird.» Es sei auch schwierig, Mitglieder für die Vereinsarbeit zu motivieren, weil Fronarbeit oft zu wenig wertgeschätzt werde und darum die Bereitschaft dazu fehle.

Friesen werden ausschliesslich auf die schwarze Farbe selektiert und dürfen keine weissen Abzeichen an Kopf und Beinen haben. Ein weisser Stern auf der Stirn ist gestattet, aber nicht erwünscht. Friesen haben einen sanften Charakter, eine schnelle Auffassungsgabe und sind lernbereit. Es sind aber auch kräftige und energiegeladene Pferde. Sie werden vorwiegend im Dressur- und im Fahrsport eingesetzt, sie sind aber auch beliebte Showpferde und fester Bestandteil des Marstalls des Schweizer Nationalzirkus Knie.

Kenneth Kronenberg stellt seinen Lusitano-Hengst Bivaque an einer Dressurprüfung vor. Kenneth Kronenberg stellt seinen Lusitano-Hengst Bivaque an einer Dressurprüfung vor. (Foto: H. Gross)

Eindrückliche Lusitanos

Der 2005 gegründete Cavalo Lusitano Switzerland (CLS) ist die offizielle Vertretung des portugiesischen Zuchtverbands APSL in der Schweiz. Aktuell gibt es hierzulande gut 300 Lusitanos. Auf die Frage, was die Ziele des CLS seien, erklärt Kenneth Kronenberg: «Wir bieten Beratung rund um den Lusitano bezüglich Haltung, Umgang und Reitweise, aber auch zur traditionellen Ausrüstung, Reitbekleidung, Kultur usw. Zudem betreuen wir die Züchter, organisieren Zuchtschauen und Körungen und helfen bei der Beantragung und Besorgung von Abstammungspapieren.» Auch Kenneth Kronenberg weist auf die Schwierigkeit hin, freiwillige Helfer für Vereinsarbeit und Veranstaltungen zu finden: «Ich glaube, für einen nationalen Verein wie den CLS ist das wesentlich schwieriger als für regionale Reitvereine.»

Lusitanos werden auf der Iberischen Halbinsel seit über 5000 Jahren gezüchtet und gehören zu den ältesten Reitpferderassen der Welt. Sie sind nervenstark und menschenbezogen. Beides Eigenschaften, die sie ursprünglich als Stierkampf- und Hirtenpferde brauchten. Die üblichen Fellfarben sind Schimmel und Braune. Sie eignen sich besonders für die Dressur bis hin zur hohen Schule, werden aber auch im Fahrsport eingesetzt. Der Schweizer Kaderfahrer Werner Ulrich wurde mehrmals mit vier Lusitanos Schweizer Meister der Vierspänner. Wenig bekannt ist ihre Begabung für den Springsport. Der Lusitano Novilheiro erreichte dabei Berühmtheit. Er wurde unter John Whitaker 1983 British Jumping Champion. Entsprechend fokussiert sich auch der CLS neben seiner Grundfunktion darauf, die Bekanntheit und das Ansehen der Lusitanos in der Öffentlichkeit und im Sport zu fördern; zum Beispiel durch eigene Dressurturniere und an Messen wie der BEA/Pferd. Gemäss Kenneth Kronenberg helfen auch die Auftritte von Lusitanos auf dem internationalen Parkett, wie an den Dressur-Weltmeisterschaften in Caen 2014 und Tryon 2018, die Rasse bekannter zu machen.

 

Wertvolle Arbeit

Die Einblicke in die vier Rassenverbände zeigen, dass sich die hiesigen Pferdebesitzer für verschiedenste Rassen begeistern und diese vielfältig einsetzen. Sie zeigen auch, dass es in der Schweiz Züchter von Liebhaberrassen gibt, die ihre Ambitionen dank der Arbeit der Rassenverbände so umsetzen können, dass ihre Produkte in die Stutbücher aufgenommen und international anerkannt werden. In den Verbänden leisten Fachpersonen und Mitglieder viele freiwillige Arbeitsstunden. Sie bereichern mit ihrer Arbeit das Pferdeland Schweiz und machen es durch die Etablierung vieler verschiedener Rassen bunter.

Barbara Würmli

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