Swiss Equestrian
Menü
Pferd+

4. Nationale Netzwerktagung im Zeichen von Ethik im Pferdesport

16 November 2023 12:10

Am 4. November fand die 4. Nationale Netzwerktagung, angeregt von der Aktionsgruppe Pferd und Gesellschaft unter der Schirmherrschaft von «Swiss Equestrian», statt. Organisiert von der Ressortchefin Pferd & Umwelt des OKV, Claudia Weber, wurden die rund 40 Interessierten an den Strickhof in Lindau eingeladen und lauschten dabei den Referaten von Prof. Dr. med. vet. und OKV-Präsident Michael Hässig und Dr. med. vet. Heinrich Binder zum aktuellen und wichtigen Thema «Ethik im Pferdesport».  

Michael Hässig eröffnete sein Referat mit der Grundsatzfrage «Darf man Pferde noch Reiten». Er stellt fest, dass sich die Beziehung zwischen Menschen und Pferd in den letzten Jahren stark verändert hat. Früher war das Pferd als «Nutztier» auf dem Bauernhof unentbehrlich. Heute haben die Maschinen das Pferd ersetzt, aber als Freitzeitpartner steht es weiterhin in der Obhut des Menschen und soll beschäftigt und bewegt werden. Gleichzeitig sei die Wertschätzung für das Pferd deutlich gestiegen: «Das ist auch nötig», führte Michael Hässig aus. «Denn wir als Pferdehalterinnen und Pferdehalter sind uns unserer Verantwortung dem Lebewesen gegenüber bewusst und fühlen uns verpflichtet, gut zu unseren Pferden zu schauen, obwohl wir unsere Pferde «nutzen». Denn eines ist klar, sobald wir ein Pferd halten, nutzen wir es. Dafür brauchen wir kein schlechtes Gewissen zu haben. Man kann sagen, dass die Pferde dank der Nutzung - gesund sind, korrekt gefüttert und artgerecht beschäftigt und gehalten werden. Es ist sogar unbestritten, dass es ohne eine artgerechte Nutzung in unseren Breitengraden überhaupt gar keine Pferde mehr geben würde. Stellt man uns daher die Frage, ob man Pferde noch reiten darf, oder ob das Reiten ethisch vertretbar sei, so können wir die Frage zurückstellen: «Nun, was ist denn überhaupt ethisch vertretbar?» Man muss das Thema hier beginnen, weil die oftmals sehr offen gehaltene Definition von Ethik viele unterschiedliche Interpretationen mit sich bringt.»

Ressortchefin Pferd & Umwelt des OKV, Claudia Weber, eröffnet die Tagung (Bild: Julia Brunner) Ressortchefin Pferd & Umwelt des OKV, Claudia Weber, eröffnet die Tagung (Bild: Julia Brunner )

Auf diese Frage ging der zweite Referent, Dr. med. vet. Heinrich Binder ein. Er kennt sich sehr gut mit dem Schweizer Tierschutz aus und hat in den letzten Jahren die Entwicklung des Tierschutzgesetztes massgeblich mitgestaltet. Eines ist für ihn klar: Rein mit dem Einhalten der Mindestanforderungen in der Tierschutzgesetzgebung, ist die Würde unserer Tiere definitiv noch nicht garantiert: «Es ist unsere Aufgabe, weiterzugehen als das gesetzliche Minimum und unseren Pferden ein gesundes, abwechslungsreiches und respektvolles Leben mit genügend Bewegung in der Natur zu ermöglichen», meint Heinrich Binder. «Auch wenn das Reiten von Pferden grösstenteils noch unbestritten ist, müssen wir mit unserem guten Handeln der Gesellschaft zeigen, dass wir unsere Pferde gut behandeln. Wir sind aber nicht geschützt vor neuen gesellschaftlichen Trends, welche uns Pferdeleuten zunehmend kritisch begegnen. Immer mehr Leute, welche Berufe ausüben, die uns Pferdebesitzer betreffen - zum Beispiel bei Behörden und Gemeinden -haben keinen landwirtschaftlichen Background. Dies bringt eine ganz andere Einstellung mit sich, welche einen grossen Einfluss auf die Haltung, die medizinische Pflege und unsere Rechte als Pferdenutzerinnen – und Nutzer haben können. Denn ja, wir als Reiterinnen und Reiter, Fahrerinnen und Fahrer, oder Pferdehalterinnen und Pferdehalter nutzen unsere Pferde. Nutzen in dem Sinne, dass sie in der Natur nicht so leben, wie sie es in unserer Obhut tun.»

Weiter führte Heinrich Binder aus, dass es eine grosse Schwierigkeit darstellt, dass es für immer mehr Leute keinen moralischen Unterschied mehr gibt zwischen Menschen und Tieren und sie daher unser Tun aus diesem Blickwinkel betrachten und beurteilen: «Als Pferdeliebhaberinnen und -Liebhaber oder als Besitzerinnen und Besitzer ist es unsere Aufgabe, der Gesellschaft zu erklären, dass wir mit unseren Pferden gut umgehen und alles daransetzen, um ihnen würdig zu sein, ihnen Respekt entgegenzubringen und ihren Bedürfnissen bestmöglich entgegenzukommen», ergänzte Heinrich Binder. «Im Wissen, dass wir die freie Wildbahn nie ersetzen oder übertreffen können. Die Tierschutzgesetzgebung enthält viele offene Formulierungen, die unterschiedlich ausgelegt werden können und zu Konflikten mit anderen Gesetzen führen können, wie dem Raumplanungsgesetz. Dies gibt der individuellen Interpretation freien Raum. Durch die schnelle Verbreitung und falsche Darstellung - auch in den Medien - können Informationen sehr schnell falsch interpretiert werden. Und dies ist der Hauptgrund für viel Unwissen gegenüber den Pferden und der Pferdehaltung. Umso wichtiger ist, dass wir die Öffentlichkeit aufklären und positive Emotionen verbreiten. Tun wir dies nicht genügend, so ist es für einige Menschen nicht mehr klar, ob wir unsere Pferde auch in Zukunft noch reiten können.»

OKV-Präsident Michael Hässig im Gespräch mit Heinrich Binder (Bild:Julia Brunner ) OKV-Präsident Michael Hässig im Gespräch mit Heinrich Binder (Bild: Julia Brunner )

Die Tagung hat die Diskussion rund um die Ethik im Umgang mit dem Pferd in eine nächste Runde gebracht. Das Thema muss jetzt aber «am Leben gehalten werden» und auch in den regionalen Verbänden und Vereinen aufgenommen werden. Nur gemeinsam können wir der Gesellschaft zeigen, dass wir unsere Verantwortung kennen und gut mit unseren Pferden umgehen. Sind wir uns dessen bewusst, werden auch zukünftige Generationen Freude am Umgang mit dem Pferd in der Natur haben.

Enya Dessibourg ZKV-Chefin Pferd und Gesellschaft

Informationen über Ihre Daten
Auf dieser Webseite werden zur Verbesserung der Funktionalität und des Leistungsverhaltens sowie zu Statistikzwecken Cookies eingesetzt. Durch Klicken auf den Akzeptieren-Button stimmen Sie der Verwendung von Cookies auf dieser Webseite zu.