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Springen

Neue Weisung regelt erstmals den Einsatz von Trensen und Zäumungen im Springen

19 August 2020 09:00

Im Springreglement des Schweizerischen Verbands für Pferdesport (SVPS) heisst es bezüglich Trensen und Reithalfter «Zäumung frei». Angesichts der wachsenden Sensibilisierung der Pferdesporttreibenden und der breiten Bevölkerung rund um das Tierwohl hat der SVPS-Vorstand 2019 die Disziplin Springen beauftragt, eine neue Weisung über den Einsatz von Trensen und Zäumungen zu erarbeiten. Diese liegt nun vor und tritt 2021 in Kraft.

Die Hebel einer Hackamore dürfen nicht länger als 22 cm sein. Eine Hackamore darf - wenn sie in Kombination eingesetzt wird - nur mit einer Trense ohne Hebelwirkung und maximal einem zusätzlichen Nasenband verwendet werden.  |  © FEI/Lukasz Kowalski Die Hebel einer Hackamore dürfen nicht länger als 22 cm sein. Eine Hackamore darf - wenn sie in Kombination eingesetzt wird - nur mit einer Trense ohne Hebelwirkung und maximal einem zusätzlichen Nasenband verwendet werden. | © FEI/Lukasz Kowalski

Nachdem in der jüngeren Vergangenheit bereits der Einsatz von Schlaufzügeln, Hinterbeingamaschen und Nasenbändern am Turnier aus tierschützerischen Erwägungen reglementiert worden war, rückten in der Disziplin Springen die Trensen und Zäumungen in den Fokus. Anders als in der Dressur gibt es im Springen diesbezüglich bisher keine Vorschriften, sodass man auf den Concoursplätzen vereinzelt abenteuerliche Gebisskonstruktionen sieht. Dies soll sich ab dem 1. Januar 2021 ändern.

 

Repräsentative Arbeitsgruppe

Damit alle Aspekte und Standpunkte rund um die Thematik in die Erarbeitung der Weisungen über Trensen und Zäumungen der Disziplin Springen einfliessen konnten, wurde eine breit abgestützte Arbeitsgruppe eingesetzt mit Vertreterinnen und Vertretern der Verbandsführung, der betroffenen Disziplinen, der Tierärzteschaft, der Pferdeberufe sowie der Reiterinnen und Reiter bis Niveau Elitekader (siehe Kasten). Zudem wurden die Regionalverbände in die Erarbeitung der Weisung involviert und konnten ihre Gedanken und Einschätzungen einfliessen lassen.

Diese Arbeitsgruppe nahm den Auftrag des Vorstands mit viel Respekt entgegen. «Wir waren uns der Wirkungsvielfalt, die das riesige Angebot an Zäumungen und Gebissen mit sich bringt, bewusst. Zudem fehlten zu dieser doch sensiblen Thematik fundierte wissenschaftliche Studien, auf die man sich hätte abstützen können», erläutert die Chefin Technik der Disziplin Springen und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Monika Elmer.

Eine Liste der erlaubten oder nicht erlaubten Trensen zu erstellen, kam für die Arbeitsgruppe aufgrund der bestehenden Angebotsvielfalt und der laufend hinzukommenden Neuheiten nicht infrage. Eine Kategorisierung nach Ausbildungsstand der Reiterin bzw. des Reiters (B/R/N) oder aber nach Kategorie oder nach Alter des Pferdes wurde zwar diskutiert, jedoch verworfen. Die Arbeitsgruppe war sich einig, dass die Reiterhand über die massgebende Wirkung entscheidet. Zudem wäre die Kontrolle für die Offiziellen schwierig geworden, insbesondere in den gemischten Prüfungen (B/R, R/N).

So nahm sich die Arbeitsgruppe die Zeit, die Wirkungsweise einzelner Gebisse im Detail zu studieren. Im Wesentlichen wurden aber über die ganze Palette der Trensenangebote Leitplanken bezüglich Mindest- und Höchstmasse gesetzt.

 

Nicht jedes Detail geregelt

Von der Bestimmung «Zäumung frei» zur Weisung «Trensen und Zäumungen», wie sie heute vorliegt, ist es ein Meilenstein. Dennoch sind im neuen Regelwerk nicht alle Einzelheiten reglementiert, da dies schlicht nicht möglich wäre. Man hat versucht, gewisse für den Springsport allgemeingültige Standards festzuhalten, ist sich jedoch bewusst, dass damit auch Grauzonen bestehen bleiben. Monika Elmer dazu: «Die neue Weisung soll ein Dokument sein, das sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Wir werden nach einer ersten Einführungszeit aufgrund der Rückmeldungen der Offiziellen und Reiter entscheiden, ob weitere Anpassungen daran nötig sind.»

Zu den konkreten Vorschriften gehören beispielsweise, dass Kopfstücke grundsätzlich aus Leder oder lederähnlichem Material gefertigt sein und im Originalzustand verwendet werden müssen. Maximal sind - abgesehen vom Kehlriemen - zwei Riemen zulässig, z. B. Nasenband und Sperrriemen. Auch technische Spezifizierungen wie die maximale erlaubte Zungenfreiheit und die maximale Länge der Anzüge bei Kandaren sind geregelt. Im Zusammenhang mit gebisslosen Zäumungen, die weiterhin zulässig sind, wurde unter anderem festgelegt, dass die Hebel einer Hackamore nicht länger als 22 cm sein dürfen und Letztere, falls in Kombination verwendet, nur mit einer Trense ohne Hebelwirkung und maximal einem zusätzlichen Nasenband eingesetzt werden darf.

Selbstverständlich gilt auch im Springsport weiterhin die per 1. Januar 2020 eingeführte Regel, wonach jedes Nasenband so verschnallt sein muss, dass zwischen Nasenband und Nasenrücken ein Abstand von 1,5 cm mittels des genormten SVPS-Messinstruments gemessen werden kann.

Verbindungsstege, die zwei gleichseitige Trensenringe (z. B. Pelham) miteinander verbinden, sind in allen Kategorien zulässig, sofern durch die Verbindung keine Funktionseinbusse oder Störung der Gebisse entsteht, die sich negativ auf das Pferd auswirken könnte.
Gebissscheiben aus Kunststoff oder Gummi, die zwischen dem Maulwinkel des Pferdes und dem Gebissring positioniert werden, sind zulässig. Sie müssen beidseits identisch sein. Die Innenseite (die dem Pferd zugewandte Seite) muss glatt sein.  |  © Soraya Exquis Gloor Verbindungsstege, die zwei gleichseitige Trensenringe (z. B. Pelham) miteinander verbinden, sind in allen Kategorien zulässig, sofern durch die Verbindung keine Funktionseinbusse oder Störung der Gebisse entsteht, die sich negativ auf das Pferd auswirken könnte.
Gebissscheiben aus Kunststoff oder Gummi, die zwischen dem Maulwinkel des Pferdes und dem Gebissring positioniert werden, sind zulässig. Sie müssen beidseits identisch sein. Die Innenseite (die dem Pferd zugewandte Seite) muss glatt sein. | © Soraya Exquis Gloor

Ponys in Kinderhänden

Die Weisung «Trensen und Zäumungen» unterscheidet grundsätzlich nicht zwischen verschiedenen Leistungsklassen oder Alterskategorien.

Eine spezielle Knacknuss bei der Erarbeitung der Weisungen waren jedoch die Kinderponys. Gerade im Springsport sind diese kleinen Cracks regelrechte Energiebündel, und dem Sicherheitsaspekt wird in dieser Kategorie ganz besonders grosse Beachtung beigemessen. Zudem ist es manchmal unmöglich, dass Erwachsene aufgrund ihrer Grösse Ponys professionell ausbilden.

Aus diesem Sicherheitsgedanken heraus erlaubt die neue Weisung auch weiterhin den Einsatz von Gebissen, die auch bei weniger kräftigen Kinderarmen eine relativ starke Wirkung entfalten. Jedoch ist in Pony-Prüfungen lediglich ein Zügel gestattet, da Kinderhände kaum in der Lage sind, eine korrekte doppelte Zügelführung zu gewährleisten. Verbindungsstege, die zwei gleiche Trensenringe (z. B. Pelham) miteinander verbinden, sind aber auch in Ponyprüfungen zulässig. Diese Regelung gilt im Übrigen auch für brevetierte Reiterinnen und Reiter.

 

Fehlendes Wissen vermitteln

Die Listen der Reithalfter und Gebisse in den Katalogen der Pferdesportausstatter sind heute unüberschaubar. Jeder Hersteller preist die Vorzüge seiner Produkte an, ohne dass die Wirkungsweise für den Laien immer nachvollziehbar ist. Einige Ausführungen sind so komplex, dass allein die richtige Montage eine Herausforderung darstellt - und noch schwieriger ist es, deren genaue Wirkung zu verstehen.

So kann es passieren, dass Reiterinnen und Reiter scharfe Gebisse oder für das Pferd schmerzhaft verschnallte Reithalfter einsetzen, obwohl ihnen das Wohl ihrer vierbeinigen Sportpartner am Herzen liegt. Dies geschieht oft aus Unwissen, und wenn Konkurrentinnen und Konkurrenten am Turnier auf «unkonventionelle» Zäumungen angesprochen werden, sind sie sich manchmal gar nicht bewusst, dass sie damit beispielsweise starken Druck auf das Pferd ausüben.

Auf dem Nasenrücken angebrachte Nasenpflaster sind gestattet.  |  ©FEI/Lukasz Kowalski Auf dem Nasenrücken angebrachte Nasenpflaster sind gestattet. | ©FEI/Lukasz Kowalski

Schulung der Offiziellen

In der neuen Weisung «Trensen und Zäumungen» sind nicht alle Gebisse und Reithalfter abschliessend reglementiert - das wäre angesichts des ausufernden Angebots und der unerschöpflichen Kreativität der Hersteller gar nicht möglich. Dennoch soll die Weisung den Springreiterinnen und -reitern sowie den Offiziellen auf den Concoursplätzen als Richtschnur dienen, um Equipment sachlich und fundiert beurteilen zu können.

Die Offiziellen werden im Hinblick auf die Umsetzung dieser Weisung per 1. Januar 2021 geschult, wobei gerade zu Beginn der Einführung auch eine gewisse Kulanz gelten soll. Die Jurymitglieder sind keine Polizisten, sondern setzen in einem ersten Schritt auf Aufklärung. Im ruhigen Gespräch sollen sie Reiterinnen und Reiter auf unzulässiges Equipment aufmerksam machen. Zeigen sich die Konkurrenten einsichtig und passen Gebisse oder Reithalfter an, bleibt der Zwischenfall ohne weiteren Folgen. Bei schwerwiegenden Zuwiderhandlungen gegen die Weisungen oder bei uneinsichtigen Reiterinnen und Reitern hat der Jurypräsident jedoch die Möglichkeit, eine offizielle Verwarnung (die sogenannte «gelbe Karte») auszusprechen und im Juryrapport zu vermerken. Auch ein direkter Ausschluss ist in Härtefällen möglich.

Die Offiziellen setzen sich bei ihren Einsätzen während ihrer Freizeit nach bestem Wissen und Gewissen für das Wohlergehen der Pferde auf den Concoursplätzen ein. Für sie bildet die neue Weisung eine wichtige Grundlage, um nötigenfalls im Sinne des Pferdes einschreiten und durchgreifen zu können. Sie haben den Respekt aller Konkurrentinnen und Konkurrenten verdient; ein höfliches Auftreten ihnen gegenüber muss Ehrensache sein!

Die beste Prävention eines missbräuchlichen und ethisch bedenklichen Einsatzes von Trensen und Zäumungen ist jedoch die solide Ausbildung von Reiter und Pferd - und die geschieht bekanntlich nicht auf dem Turnierplatz.

Die neuen Weisungen sind ab Oktober 2020 auf der Website des SVPS verfügbar.

Cornelia Heimgartner

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe «Trensen und Zäumungen»

– Monika Elmer (Vorsitzende der AG): Chefin Technik der Disziplin Springen
– Dominik Burger: Disziplintierarzt und Kaderverantwortlicher Elite der Disziplin Concours Complet
– Thomas Fuchs: ehem. Elitespringreiter, Coach Elitekader Springen
– Martin Habegger: SVPS-Vorstand Nachwuchsförderung sowie Aus- und Weiterbildung, Reitlehrer
– Fabian Huwiler: Disziplintierarzt Springen
– Evelyne Niklaus: Sportmanagerin des SVPS
– Yann Panchaud: Mitglied der VETKO des SVPS
– Sascha Stauffer: Vorsitzender PKO und Mitglied GAKO SVPS, Swiss Horse Professionals, OdA Pferdeberufe, Reitlehrer

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