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Podcast: Fokus Pferd

«Fokus Pferd» ist ein Podcast-Format von Swiss Equestrian. Die einzelnen Folgen gewähren lebensnah und authentisch einen Blick hinter die Kulissen des Verbands. Gemeinsam mit spannenden Gästen werden wir über aktuelle Brennpunkte und Neuerungen sprechen, Zusammenhänge aufzeigen und Menschen im Pferdesport von einer ganz privaten Seite beleuchten. So facettenreich die Leidenschaft Pferd ist, so viele Geschichten gibt es zu erzählen. In welcher Form auch immer wir uns mit dem Pferd befassen – wir sind eine Community.

Pilotfolge mit Damian Müller, Präsident SVPS

Textversion 

Der Verbandspräsident Damian Müller spricht in der Pilotfolge dieser Podcast-Serie über seinen Bezug zum Pferdesport und wie er – eigentlich ganz ungeplant – zum Präsidenten eines Sportverbandes wurde, den er als Pferdesportbegeisterter viele Jahre lang ausschliesslich von aussen betrachtet und beurteilt hat.   

Herzlich Willkommen, Damian Müller. Möchtest du gerne ein paar Worte über dich erzählen? Vielleicht etwas, was man nicht direkt deinem Lebenslauf entnehmen kann?  

Danke für die Einladung zu diesem Gespräch. Angefangen habe ich im Alter von 14 Jahren als Speaker an Pferdesportveranstaltungen und bin so Schritt für Schritt an den Pferdesport herangekommen. Parallel dazu bin ich auch in freien Spring-Prüfungen gestartet und habe viel Fussball gespielt. Heute reite ich immer noch, nicht mehr ganz so oft wie früher, aber wenn möglich gehe jeweils Samstag auf einen lockeren Ausritt, um zusammen mit dem Pferd etwas die Seele baumeln zu lassen.  

Wie kamst du zum SVPS und was war deine Motivation dabei? 

Dadurch, dass ich seit über 25 Jahren an Pferdesportveranstaltungen als Speaker tätig bin, hatte ich immer eine Verbindung zum Pferdesportverband. Eines Tages kam der damalige Präsident Charles Trolliet auf mich zu und lud mich zu einem Gespräch nach Bern ein, anlässlich dessen er mich fragte, ob ich Lust hätte, das Amt des Vize-Präsidenten im Vorstand des SVPS zu übernehmen. Wenn ich dann die Arbeit «ordentlich» machen würde, könnte es sein, dass ich seine Nachfolge antreten würde. Dies war für mich damals aber nicht Priorität und ich hätte auch nie damit gerechnet, jemals Präsident dieses Verbandes zu werden. Umso mehr ich mich mit dem Pferdesportverband und auch mit den Menschen rundherum auseinandersetzte, stieg die Lust, für diesen Sport, für den Verband Leistung zu erbringen. Nicht direkt mit dem Pferd, aber für das Pferd, für die Pferdesportlerinnen und Pferdesportler. Das ist meinte tägliche Motivation, zusammen mit dem Team, zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle diesen Verband zu gestalten und vorwärtszubringen.  

Wie würdest du Nicht-Pferdemenschen die Organisation und Struktur der SVPS erklären? 

Die Strukturen des Verbandes sind kompliziert. Er ist der Dachverband des Pferdesports, der auch die Regionalverbände, Zuchtverbände und Fachverbände vereint. Die Regionalverbände sind zuständig für den Nachwuchsförderung und sind der Basisreiterei verpflichtet. Ihnen angeschlossen sind wiederum die Reitvereine, welche als ganz wichtige Aufgabe haben, ein Gefäss für alle Pferdesportler zu sein und eine Gemeinschaft bilden, die insbesondere lokal einen grossen Einfluss auf die Ausübung des Pferdesports haben kann. Und wir haben den Leistungssport auf der anderen Seite: unsere Athletinnen und Athleten in den Kadern der verschiedenen Disziplinen, aus welchen dann Teams an die Championate wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen entsandt werden, um die Schweiz und unseren Verband zu repräsentieren. Daneben ist der Verband zuständig für die korrekte Durchführung von Pferdesportveranstaltungen – also eine Durchführung nach unseren Reglementen. Dies ist ein wesentlicher Aspekt der Aufgaben des SVPS. Es ist also eine riesengrosse Bandbreite an Aufgaben, wo die Gefahr der Verzettelung immer besteht, und der Fokus beibehalten werden muss. Hierzu gehört insbesondere die Ausbildung des Nachwuchses sowie die Weiterbildung aller Pferdesporttreibenden.  

Du hast bei deiner Beschreibung zuerst mit den Vereinen angefangen und nennst diese sehr wertschätzend. Der Verbandsname suggeriert ja, dass der Sport an erster Stelle steht, aber dies ist demnach nicht ausschliesslich der Fall? 

Die Reitvereine haben eine unheimlich wichtige Rolle, sie bieten seriöse Ausbildungskurse an, motivieren junge Mitglieder für die Teilnahme an der Brevetprüfung des SVPS, welche den Zugang zum Wettkampfsport öffnet oder dann auch für das Erlangen der Lizenz für Starts in den höheren Leistungsklassen. Ich bin der Auffassung, dass die Grundausbildung und das Brevet für alle Pferdesporttreibenden wichtig sind, um fundiertes Wissen im Umgang und der Haltung von Pferden zu erlangen.  

Auf deiner Homepage steht dein Motto: «Packt an, setzt um». Wo möchtest du beim SVPS anpacken und umsetzen? 

Wenn du meine Website ansprichst, ist das nicht eine Website als Verbandspräsident, sondern als Politiker. Es ist aber schon so, dass dieses Motto ein Markenzeichen von mir ist. Im Wissen darum, dass man im Verbandswesen oft etwas mehr Geduld haben muss, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Ich habe vor meiner Wahl immer klar ausgedrückt, dass ich als Verbandspräsident des SVPS die Steine, die in den letzten zehn Jahren gelegt worden sind, nicht einfach unberührt liegenbleiben lasse, sondern Stein für Stein umdrehen werde, um zu sehen, ob er auf dem Fundament noch passt oder nicht. Deswegen wurde auch die Strategie 2030 lanciert, um zu sehen, wo der Verband heute steht, respektive wo er hingeführt werden soll und was es braucht, um den Sport weiterhin ausüben zu können. Zentral sind hier sicher auch Themen rund um Ethik und Animal Welfare, sprich Tierschutz. Ich glaube, es besteht viel Potenzial um den Verband als Know-how-Drehscheibe des Pferdesports in der Schweiz zu entwickeln. Ganz wichtig sind mir dabei die uns nicht angeschlossenen respektive nicht-integrierten Freitzeitreiterinnen und -reiter. Diese dürfen sich aber nicht ihrer Verantwortung entziehen, sondern müssen ihren Beitrag leisten am «Gemeinwohl» für das Pferd. Sprich, dazu gehört auch das Engagement in einem Verein, um gemeinsam Verantwortung zu tragen. Diese Pferdesporttreibenden stehen genauso wie Kaderreiter im Rampenlicht, wenn es darum geht, ob sie ihr Pferd gut versorgen, gut behandeln, oder wie sie sich im öffentlichen Raum bewegen. Ich sage es immer etwas provokativ: Ich gehe davon aus, dass ein Top-Spitzenpferd viel besser betreut ist als ein Freizeitpferd. 

Herzlichen Dank, Damian Müller für das interessante Gespräch. Im Rahmen der Podcast-Serie sprechen wir in der nächsten Episode genau über das zuletzt angesprochene Thema, nämlich Ethik für Pferdemenschen. Ich freue mich auf dieses kommende Gespräch.  

Episode 1 mit Damian Müller, Präsident SVPS

Textversion

Der Verbandspräsident Damian Müller spricht in dieser Podcast-Folge über Ethik für Pferdemenschen. Jeder, der Umgang mit Pferden als Sport-, Freizeit- oder Arbeitspartner pflegt, würde von sich behaupten, dass er das Beste für das Tier möchte. Aber Hand aufs Herz: Trifft das auch auf jede Handlung und jede Entscheidung zu? Wissen wir immer so genau, was das Pferd gerade braucht? Sicher ist: Das domestizierte Pferd ist vom Menschen abhängig und ihm gewissermassen auch ausgeliefert. Diesem Umstand gilt es Rechnung zu tragen.

Damian Müller, aktuell herrscht eine gewisse Unruhe rund um den Pferdesport und die kritischen Stimmen werten immer lauter. Wie siehst du die Gesamtsituation und wie trittst du ihr als Verbandspräsident entgegen?

Wir haben die Tierschutzgesetzgebung, die für die gesamte Gesellschaft gilt, egal ob es sich um Hunde, Katzen oder eben auch Pferde handelt. Darin ist klar geregelt, was man darf und was man nicht darf. Für den Schweizerischen Verband für Pferdesport bedeutet das ganz klar, dass man sich an all diese gesetzlichen Bestimmungen halten muss und diesbezüglich auch eine Nulltoleranz gilt.

Auf der anderen Seite ist es eine Tatsache, dass Sportunfälle passieren können – sei es bei uns Menschen oder eben leider auch bei den Pferden. Das bedeutet, dass man auch in diesen Fällen zusammen mit dem Tierarzt, der auch am Turnier immer auf Platz ist, die für das Pferd beste Entscheidung treffen muss. Das kann im schlimmsten Fall heissen, dass man darüber entscheiden muss, ob das Tier weiterleben kann.

Für uns als Pferdesportverband ist das auch eine grosse Herausforderung. Bereits bei der Nachwuchsförderung animieren wir die Athletinnen und Athleten dazu, sich mit dem Wohlergehen der Pferde auseinanderzusetzen. Dazu gehört auch die Einschätzung der Fitness des Pferdes, aber auch des Reiters. Es darf nicht sein, dass übersteigerter Ehrgeiz dazu führt, dass Pferde überfordert werden. Im Gegenteil trägt man als Pferdesportler die Verantwortung für das Pferd und spürt dann auch, ob ein Pferd überfordert ist oder nicht.

Ethik ist ein sehr schwammiger Begriff, der jeder für sich selbst anderes definiert. Was bedeutet Ethik für dich?

Ethik ist ein sehr weiter Begriff. Beim SVPS haben wir die Ethik in drei Bereiche unterteilt: Ethik im Umgang mit dem Pferd, Ethik im Umgang mit den Menschen im Pferdesport und Ethik im Wettkampsport. Letzterer steht natürlich besonders im Fokus der breiten Öffentlichkeit. Das Wohlergehen des Pferdes im Sport, aber auch die sportliche Fairness haben im Wettkampf stets Vorrang gegenüber dem persönlichen Ehrgeiz und auch den kommerziellen Interessen. Das bedeutet auch, dass wir unsere Offiziellen, die am Wettkampf darauf achten, dass die Reglemente eingehalten und die teilnehmenden Pferde fit sind, weiter sensibilisieren und ihre Aus- und Weiterbildung fördern. Auch unsere Reglemente wurden in der Vergangenheit immer wieder angepasst und optimiert. So gibt es beispielsweise im Concours Complet die Möglichkeit, bei hohen Temperaturen über 30 Grad die Cross-Strecke zu kürzen. Die Wissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse hervorgebracht bezüglich der optimalen Leistungsfähigkeit von Pferden. Das betrifft nicht allein den Pferdesport, sondern auch andere Sportarten wie Leichtathletik, Fussball oder Eishockey. Die Technik wird gezielt trainiert, die Ernährung angepasst etc., um dann zum richtigen Zeitpunkt Topleistungen erbringen zu können. Man darf nicht vergessen: Hinter jedem Pferd steht ein ganzes Team, nicht nur der Reiter oder die Reiterin, sondern auch beispielsweise die Pferdepfleger, die schon am Morgen sehen, ob das Pferd fit ist für den Wettkampf oder ob es vielleicht ein bisschen müde oder besonders sensible ist an diesem Tag. Das gibt es beim Pferd genauso wie beim Menschen. Umso wichtiger ist es, die Erkenntnisse der Wissenschaft beispielsweise aus der Trainings- und der Ernährungslehre einfliessen zu lassen, damit das Pferd unter allen Bedingungen optimale Leistungen erbringen kann.

Dann könnte man zusammengefasst sagen, dass Ethik für dich bzw. für den SVPS bedeutet, dass man dem Pferd mit möglichst optimalen Bedingungen entgegenkommt?

Es bedeutet vor allem, dass man eine Sensibilität dafür entwickelt, ob nicht nur das Pferd, sondern auch ich als Reiter fit bin bzw. welche Ansprüche ich an mich selbst stelle und ob ich selbst überhaupt in der Lage bin, diese umzusetzen. Vielleicht bin ich ja noch gar nicht so weit, über ein Hindernis von 1.20 Metern zu springen! Deshalb hat der Ethik-Codex des SVPS so viele Komponenten und stellt sowohl das Pferd als auch die Athleten ins Zentrum.

Ich habe selbst gesehen, dass am CC Bern sogar die Einsteigerprüfung aufgrund der hohen Temperaturen gekürzt wurde. Ein schönes Zeichen, dass auch auf diesem Niveau darauf geachtet wird!

Gerade in den Disziplinen, die derzeit neuen Aufschwung erleben – und dazu gehört der CC – müssen wir darauf achten, dass insbesondere die Einsteiger sich selbst und ihre Pferde nicht überfordern. Da muss man gezielt auf die äusseren Bedingungen Rücksicht nehmen.

Vom SVPS als Dachverband wird erwartet, dass er für die Einhaltung der ethischen Grundsätze zuständig ist. Das stelle ich mir schwierig vor. Wie setzt ihr das um und was passiert bei einem ethischen Fehlverhalten?

Wir müssen hier unterscheiden. Es gibt die ethischen Grundsätze, zu deren Einhaltung sich unsere Topathleten verpflichten. So sind in der Kadervereinbarung, die sie unterschreiben, auch ethische Grundsätze festgehalten. Auf der anderen Seite gibt es unsere Offiziellen, d.h. die Richter auf den Turnierplätzen, die ein Auge darauf haben, wie die Athleten mit diesen ethischen Grundsätzen umgehen. Wenn diese nicht eingehalten werden, werden die Athleten von den Offiziellen ermahnt, was auch in den Juryrapporten vermerkt und somit hier in Bern gemeldet wird. Wenn wir dann einen wesentlichen Verstoss feststellen, kann dies zu einer Anzeige führen, insbesondere wenn tierschutzrelevante Verfehlungen festgestellt werden.

Passiert das oft?

Nein, das passiert sehr selten. Es gibt Einzelfälle, aber die werden gezielt bereits an der Veranstaltung von unseren Offiziellen angesprochen und die Betroffenen unter Umständen direkt nach Hause geschickt. Aber auch hier sprechen wir von einem sehr geringen Prozentsatz. Man muss hier nochmals festhalten: Gut 98% der Pferdesportlerinnen und Pferdesportler machen einen hervorragenden Job, weil sie ihr Tier lieben und sie wissen, was es heisst, Verantwortung zu übernehmen. Daneben gibt es ein paar «schwarze Schafe», denen man etwas mehr Aufmerksamkeit schenken muss. Ihnen muss man klar aufzeigen, dass es Grenzen gibt und dass, wenn man diese Grenzen überschreitet, es gnadenlose Konsequenzen hat.

Der Pferdesport ist etwas ganz Besonders, weil man mit einem Tier zusammenarbeitet. Mach der SVPS einen Unterschied, ob sich ein Fehlverhalten gegen das Pferd oder gegen einen Menschen richtet?

Ja, da gibt es Unterschiede. Bei Fehlverhalten gegenüber dem Pferd kommen die ethischen Grundsätze bzw. die Tierschutzgesetzgebung zum Zug. Im Falle von zwischenmenschlichen Problemen hat das Bundesamt für Sport zusammen mit Swiss Olympic die unabhängige Meldestelle «Swiss Sport Integrity» geschaffen. Wenn es also beispielsweise zu Fehlverhalten zwischen Trainer und Athlet kommt, kann man dies dort melden. Das betrifft unter anderem sexuelle Übergriffe, wie sie in jüngster Vergangenheit in anderen Sportarten publik wurden. Das führt dann zu einem Verfahren, das unter Umständen auch in ein Strafverfahren münden kann. Aber auch wenn beispielsweise der Leistungsdruck zu gross ist, kann man sich an diese Meldestelle wenden. Die Vorfälle werden dann von Fachleuten untersucht – das ist nicht nur ein Blatt Papier, das in einer Schublade verschwindet. Den Vorwürfen wird gezielt nachgegangen. Diese Meldestelle existiert in dieser Form seit Anfang Jahr und es sind offenbar schon sehr viele Meldungen aus unterschiedlichsten Sportarten dort eingegangen.

Auch im zwischenmenschlichen Bereich müssen wir sehr sensibel sein, denn die Leistungsbereitschaft und der Leistungsdruck haben einen wesentlichen Einfluss darauf, ob man die gewünschte Leistung zum richtigen Zeitpunkt auch wirklich abrufen kann.

Ich sage jetzt etwas Gefährliches: Ich denke, ich war auch schon unfair zu meinem Pferd. Es gibt diese Momente – das ist menschlich. Das passiert manchmal auch aus Drucksituationen heraus. Wenn ich also in der Lage bin, mich selbst und meine Leistungsfähigkeit besser einzuschätzen, dann kommt dies ja auch dem Pferd zugute.

Genau deshalb ist es wichtig, dass wir uns nicht nur für die Pferde in unserem Sport interessieren, sondern auch für die Athletinnen und Athleten. Sie stehen unter einem persönlichen Leistungsdruck. Deshalb bieten wir unseren Kaderathleten immer auch an, ihnen einen Mentaltrainer zur Verfügung zu stellen. Diese arbeiten dann in speziellen Leistungssituationen mit dem Athleten zusammen und schauen an, wie sie mit dem Druck, den sie sich selbst machen, umgehen können, beispielsweise mit Prüfungsnervosität, die wir wohl alle auch schon erlebt haben. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass man mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Mentaltrainer einen wesentlichen Benefit erzielen kann, damit die Athleten dann zum richtigen Zeitpunkt ihre Leistung auch mental abrufen können.

Ich habe den Eindruck, der Pferdesport ist ein Spannungsfeld zwischen rosa Schabracken, krank gefütterten Pferden und viel zu kleinen Boxen, damit sich das Pferd ja nicht verletzt. Wie siehst du das?

Gewisse Punkte, die du ansprichst, sind klar im Tierschutzgesetz geregelt, beispielsweise die Boxengrösse oder dass Pferde nicht allein gehalten werden dürfen. Hier konnten wir in den letzten Jahrzehnten Entwicklungen in die richtige Richtung beobachten.

Über Schabrackenfarben oder glänzende Helme und Zaumzeuge kann man streiten. Ich glaube unter dem Strich muss das Interesse im Zentrum stehen, dass der Athlet einen fairen und respektvollen Umgang mit dem Partner Pferd pflegt. Das hat für mich erste Priorität. An den offiziellen Veranstaltungen sehe ich persönlich die Pferde noch immer am liebsten mit weisser Schabracke, bei internationalen Starts mit dem Schweizerkreuz drauf. Das schafft Identität und Verbundenheit und wir fiebern mit für die Schweiz.

Das ist wahrscheinlich eine etwas männliche Sicht …

Das ist gut möglich – Pink ist tatsächlich nicht meine Lieblingsfarbe. Das ist jedem selbst überlassen. Man muss sich auch vor Augen führen, dass in anderen Sportarten wie im Fussball oder im Radsport viel mehr reglementiert wird, bis hin zu der Sockengrösse. Das gibt es im Pferdesport nicht. Aber eine gewisse Disziplin muss da sein. Ich spreche bewusst von Disziplin, denn wenn man sich entscheidet, Pferdesport zu treiben, erfordert dies ein hohes Mass an Selbstdisziplin – Disziplin, wie ich mit mir selbst umgehe und wie ich mit dem Pferd umgehe. Dann spüre ich auch, wie gross die Leistungsbereitschaft des Pferdes ist. Es ist klar, auch das Pferd muss sich an den Reiter gewöhnen können, damit die beiden zu einem eingeschworenen Team werden. Und wenn dieses Team solide ist, können sie gemeinsam Leistungen erbringen, die man am Anfang gar nicht erwarten würde.

Ethik im Pferdesport betrifft ja nicht nur die Nutzung, sondern auch die Haltung und das Management der Pferde. Vieles ist in der Tierschutzgesetzgebung und den Sportreglementen festgehalten. Da sind wir in der Schweiz ja auch sehr vorbildlich. Dennoch ist es doch so, dass jedes Pferd ein Individuum ist und man versuchen muss, jede Situation emotional losgelöst zu beurteilen. Ist es also überhaupt möglich das Thema Ethik in Gesetzen und Reglementen zu regeln?

Die wesentlichen Punkte kann man ethisch und moralisch regeln. Da kann man sich auf Erfahrungswerte aus der Vergangenheit berufen. Dann gibt es aber noch die «weichen Faktoren», die jede und jeder in Eigenverantwortung regeln muss. Das betrifft aber nicht nur die Pferde, sondern auch beispielsweise unsere Hauskatzen oder Hunde. Ich muss mich fragen: «Was braucht dieses Tier, damit es ihm gut geht und es überlebensfähig ist?» Und da meine ich, ist der Pferdesport anderen Menschen, die Haustiere halten, meilenweit voraus. Das hat man gerade während der Corona-Zeit gesehen: Einfach nur eine Katze kaufen – damit ist es nicht getan.

Wir haben den Gegenwind, den der Pferdesport derzeit erfährt, vorher schon angesprochen. Denkst du, der Pferdesport könnte verboten werden?

Ich wehre mich dagegen, dass wir uns selbst einreden, dass wir bald nicht mehr reiten können. Denn wenn wir so denken, wird dies wohl tatsächlich eintreffen. Wir sollten vielmehr selbstbewusst voranschreiten und sagen: «Jawohl, wir reiten und halten uns dabei an die ethischen Grundsätze und die Tierschutzgesetzgebung.» Und wenn es hier Verfehlungen gibt, müssen diese zur Anzeige gebracht werden. Und wer nicht in der Lage ist, ein Pferd oder sonst ein Haustier zu halten, dem sollte dieses auch weggenommen werden. Ende der Diskussion.

Ja, als Sportverband wollen wir, dass man weiterhin Turniersport betreiben, aber auch durch die Weiten im Jura und durch unsere Wälder reiten kann. Das betrifft also auch die Freizeitreiter.

Wer uns aber nur Vorschriften machen will, wie viel Auslauf ein Pferd haben muss und wo das Pferd gehalten werden darf, der ist ein hervorragender Schreiber, hat wohl aber kaum je wirklich mit Pferden zu tun. Denn sonst wüssten sie, dass jedes Pferd seinen eigenen Charakter hat, auf den man individuell eingehen muss. Deshalb bin ich überzeugt, dass die Spitzenpferde unserer Topathleten genau so individuell behandelt werden, auch wenn sie beispielsweise ins Ausland transportiert werden. Heute verfügen beispielsweise die grossen Pferdetransporter sogar über eine Klimaanlage und Lüftungssysteme. Wenn ich bedenke, dass die Pferde vor 50 oder 60 Jahren in Bahnwagen zum Concours gefahren wurden, und sie heute in diesen hervorragend ausgestatteten Lastwagen reisen, dann muss mir kein Tierschützer sagen, dass wir nichts für das Pferdewohl tun.

Sollen wir als Reiter also versuchen, weniger defensiv und mehr proaktiv aufzutreten, und darauf hinweisen, dass wir zwar reiten, dies aber gut machen, nach bestem Wissen und Gewissen?

Ja absolut! Das bedeutet auch, dass unsere Reitvereine zusammen mit den Regionalverbänden und nicht zuletzt wir als Dachverband eine grosse Verantwortung haben. Wir sind eine einzige Community, eine grosse Familie. Das heisst, wir alle müssen die Menschen, die nicht mehr mit Pferden aufwachsen, aufklären. Bis in die 1970er Jahre gab es noch die Kavallerieschwadron. So hatte fast jede Familie, sei es über das Militär oder auf dem Bauernhof, Kontakt zu Pferden. Sie wussten noch, dass die Haltung von Pferden etwas Natürliches ist, ob sie nun mit den Kühen auf der Weide stehen oder ob sie im Schritt, Trab und Galopp gearbeitet werden. Da haben wir heute eine andere Ausgangslage. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil aus politischen Gründen neue Pferdesportanlagen nur noch in der Gewerbezone gebaut werden können und nicht mehr in der Landwirtschaft. Das ist aus meiner Sicht eine absolute Fehlentwicklung. Denn mit dem Pferdesport würde man gerade auch der Landwirtschaft eine marktwirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit bieten.

Deshalb sollten Reitvereine, die Veranstaltungen organisieren, auch Leute aus der Politik und die breite Bevölkerung einladen, damit sie sehen, was man mit dem Pferd machen kann. Macht aus eurer Veranstaltung ein Volksfest! Das ist die beste Werbung und Kommunikation von Reitvereinen zur Bevölkerung. Und wenn es dann wieder einmal darum geht, Investitionen zu tätigen, die eine Gemeindeabstimmung erfordern, ist die Gemeinde viel eher bereit, etwas für den Pferdesport zu tun – und nicht nur für den Fussballclub…

Auf der einen Seite gibt es den Sport, auf deren anderen Seite ist das Pferd aber auch eine fantastische Lebensschule. Man kann das Pferd nicht einfach wegstellen wie ein Fahrrad, wenn man gerade keine Lust hat. Pferde sind sehr feinfühlige Wesen, deshalb muss man auch als Mensch ihnen gegenüber sehr sensibel sein. Und das sind wir! Die paar wenigen Prozent, die das nicht tun, denen kann und muss man das auch klipp und klar mitteilen. Aber ich lasse nicht zu, dass unsere Pferdesportfamilie von Menschen beeinträchtigt wird, die denken, sie wissen, wie man mit Pferden umzugehen hat, selbst aber nie mit Pferdenzu tun hatten.

Übrigens: Wer unethisches Verhalten im Pferdesport beobachtet, erlebt oder aus verlässlicher Quelle davon erfährt, ist angehalten, sich bei der nationalen Melde- und Untersuchungsstelle für Ethikverstösse im Schweizer Sport zu melden. Alle Infos dazu finden Sie auf der Website https://www.sportintegrity.ch/

Episode 2 mit Sandra Wiedmer, Geschäftsführerin SVPS

Textversion

Die Geschäftsführerin Sandra Wiedmer spricht in dieser Episode unseres Podcasts über ihren Alltag im Schweizerischen Verband für Pferdesport und wie es zum Job in Bern kam.  

Herzlich Willkommen, Sandra Wiedmer. Sandra, du bist Geschäftsführerin und Generalsekretärin des SVPS. Unter deiner Leitung arbeiten hier in Bern 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und du bist zudem die erste Frau in diesem Amt. Wie bist du zu dieser Stelle gekommen? 

Ich bin von Haus aus Anwältin und habe zuvor bei einer internationalen Unternehmung in Zürich gearbeitet, bin gleichzeitig aber immer auch geritten. Nach Abschluss eines MBA war meine Idee, zurück nach Bern zu gehen, eventuell auch, um mich selbständig zu machen. Da bin ich auf diese Stellenanzeige gestossen. Ich habe mich beworben, da diese Stelle wunderbar meine Passion und meinen Beruf umfasste. Man suchte einen Juristen mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung, eine Anforderung, die ich voll erfüllte, ausser dass ich eine Frau war. Man suchte klar nach einem Mann in der Stellenausschreibung, auch auf Grund dessen, dass man auf der Geschäftsstelle eine Durchmischung wollte, da die Mitarbeitenden zu der Zeit - wie heute übrigens auch - fast ausschliesslich weiblich waren und zudem mein männlicher Vorgänger und sein Stellvertreter den Verband gerade verlassen hatten. Als ich mich bewarb, war ich zudem davon überzeugt, dass sie bei allen Änderungsvorschlägen meinerseits antworten würden, dass Altbewährtes funktioniert und es in erster Linie um das Verwalten von Bestehendem geht. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Verband aber gerade in einer Umbruchsphase. Beispielsweise wurde der Vorstand verkleinert und man suchten jemanden, der die Geschäfte effektiv führt, Change Management betreibt und neuen Wind in den Verband bringen würde. Also nicht nur eine Generalsekretärin gegenüber dem internationalen Dachverband FEI. So kam es zu meiner Einstellung und seit nunmehr 11 Jahren müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Frau leben statt mit einem Mann, aber ich glaube, das funktioniert recht gut.  

Wie war der Start in diese Funktion, gerade als Frau? 

Als Frau in der Geschäftsstelle diese Funktion zu übernehmen, war eigentlich kein Problem. Aus einer amerikanischen Firma kommend habe ich sogleich das Du eingeführt, was zuerst nicht für alle so stimmte. Ich traf mich dann mit jeder Mitarbeiterin, um mehr über ihre Aufgaben zu erfahren und das lief alles recht gut. An Anlässen im Umfeld des Schweizer und internationalen Sports ist man als Frau klar untervertreten, was mir aber nie grosse Probleme oder Nachteile bereitet hat. Auch heute noch sind die Männer in der Mehrzahl, sowohl in nationalen wie auch in internationalen Gremien, wobei man doch auch eine Veränderung in die andere Richtung spürt. 

Hältst du heute immer noch Pferde respektive reitest du noch? 

Ja, ich reite immer noch und habe nebst meinem aktuellen Reitpferd noch eine pensionierte Stute auf der Altersweite und von ihr ein leider für mich etwas zu klein geratenes Fohlen, welches ich wohl verkaufen muss. Das Reiten ist immer meine Passion geblieben, ansonsten würde ich diesen Job wohl nicht machen. Ich glaube, wenn man den Pferdesport liebt, gibt man umso mehr auch in diesem Job dafür. Mit guter Organisation schaffe ich es auch, dass ich trotz vieler Termine und Sitzungen genügend Zeit zum Reiten finde, damit ich den Ausgleich mit Sport und Natur habe, den ich brauche und bei dem ich abschalten kann. 

Es ist sicher von Vorteil, wenn man sich inhaltlich so stark mit seinem Beruf identifizieren kann? 

Ich glaube, es ist möglich, diesen Job ohne Pferdesporterfahrung auszuüben, aber man ist so oft und an so vielen Anlässen rund um Pferd und Reiter präsent, dass es schwierig wird, wenn man daran nicht wirklich Freude hat. Für mich ist es auch ein Vergnügen und ich gehe in den meisten Fällen gerne an diese Veranstaltungen, wo man in dem Sinne das persönliche Interesse mit dem Beruf verbinden kann. Ganz ohne dieses Interesse und ohne Kenntnisse der Pferdeszene, die doch sehr ihre eigenen Themen und Prioritäten kennt, würde es wohl schwierig werden.  

Wie sieht denn ein normaler Arbeitstag von dir aus? 

Den normalen Arbeitstag gibt es in diesem Sinne eigentlich nicht, was mir grundsätzlich gefällt. Die Tage sind geprägt von vielen Meetings und Telefonaten und natürlich auch von normaler Büroarbeit. Hinzu kommen Abendsitzungen mit Kommissionen oder dem Vorstand oder auch externe Sitzungen sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland, wenn ich an Treffen des europäischen Verbandes oder der FEI gehe.  

Wir sitzen für dieses Gespräch in deinem Büro und ich sehe da hängt eine ganze Sammlung von Akkreditierungen für internationale Wettkämpfe. Du bist in diesen letzten 11 Jahren wohl viel in der Welt herumgekommen? 

Ja das ist so, ich behalte diese Akkreditierungen auch als Erinnerung an diese Anlässe und an Begegnungen, manchmal auch vom anderen Ende der Welt, wo die Ansichten über den Sport sehr unterschiedlich sein können, und auch die Probleme zum Teil andere, zum Teil aber auch die gleichen sind. Man kommt in Kontakt mit vielen verschiedenen «Rösselern», auch aus sehr unterschiedlichen Disziplinen. Das ist sehr spannend und zwingt einen, über die eigene Nasenspitze hinauszuschauen.  

Würdest du deinen Job – aus Sicht einer Reiterin – als Traumjob bezeichnen? 

Ich sage immer: «Ja, ich habe meinen Traumjob.» Für wie lange, weiss ich nicht, aber bis jetzt dauert es an. Es ist wunderbar, das Hobby mit dem Beruf zu verbinden. Aber es hat auch Gefahren, man muss sich abgrenzen und auch Dinge machen, die mal nicht mit Pferden zu tun haben. 

Du bist, wie eingangs unseres Gesprächs erwähnt, auch Generalsekretärin des Verbandes. Was ist darunter zu verstehen? 

Als Geschäftsführerin führe ich die Geschäfte des Sportverbandes und bin entsprechend als diese im Handelsregister eingetragen. Generalsekretärin bin ich gegenüber der FEI. Jedes Land stellt einen Generalsekretär respektive eine Generalsekretärin. Dabei vertrete ich die Schweiz an den Generalversammlungen der FEI, bin diejenige, die Selektionen für internationale Championate gemeinsam mit dem Präsidenten unterzeichnet, und ich bin an diese Anlässe jeweils auch eingeladen. Für den Vorstand war aber der Titel «Geschäftsführerin» insofern zentral, als dass die Erwartungshaltung vorhanden war und ist, dass ich die Geschäfte führe, eigene Ideen einbringe und die Entwicklung der Geschäftsstelle und deren Dienstleistungen aktiv mitgestalte.   

Gibt es Dinge, die du besonders gerne machst? 

Ich mache sehr viele Dinge gerne, meine Stärken liegen sicher in der Problemlösung, das kann ich besser als nur «verwalten». Daher habe ich gerne herausfordernde Situationen und Dinge, die ich weiterentwickeln kann. In dem Moment, wo etwas die Spannung zu sehr verliert, wäre ich wohl nicht mehr die richtige Person dafür. Aber in den letzten 10 Jahren gab es immer wieder Baustellen, die sich eröffneten und die wir angegangen sind. Der Verband hat sich enorm weiterentwickelt und ich bin sicher, das tut er auch in den nächsten 10 Jahren.   

Welches sind denn im Moment die Baustellen und welches die Herausforderungen? 

Wir haben einen neuen Präsidenten und sind am Aufbau einer neuen Strategie, die wir seit sicher drei Jahren intensiv am Vorbereiten sind. Dies mit dem Ziel, den Verband noch professioneller und moderner aufzustellen, nicht als Selbstzweck, sondern damit es wirklich gut funktioniert. Wir wollen gute Dienstleistungen erbringen und unsere Aufgaben wahrnehmen können resp. überhaupt definieren können, welches unsere Aufgaben sind. Denn das Umfeld – auch mit Tierschutzverbänden – wird immer schwieriger, auch politisch müssen wir uns vermehrt positionieren. Für die Ausarbeitung der Strategie wurden anlässlich des Tags der Zukunft vor einem Jahr alle Mitgliederverbände; Kommissionen und Leitungsteams eingeladen, ihre Meinung zu äussern. Ihre Meinung darüber, welches denn die Aufgaben des Verbandes in Zukunft sind und wo die Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Wir haben zusammen mit dem Vorstand daraus eine Strategie erarbeitet, die beispielsweise auch beinhaltet, dass die Geschäftsstelle moderat um zwei zusätzliche Stellen ausgebaut werden darf, um mit diesem Schritt die ehrenamtlichen Gremien noch besser entlasten zu können. Das heisst, dass wir von der Geschäftsstelle aus mehr Aufgaben übernehmen und professioneller strukturieren. Dies bedingt ein paar Veränderungen auch in der Zusammenarbeit mit den Kommissionen. Alles mit dem Ziel, den Sport noch besser zu unterstützen – und nicht nur den Sport, sondern alle Aufgaben, die wir als Verband haben.  

Was werden die Auswirkungen sein der Strategie 2023 des Dachverbandes auf jemanden wie mich von ausserhalb, der sich eher als Breitensportlerin auf Amateurstufe bezeichnet? 

Ich hoffe, dass du zufrieden bist mit den Dienstleistungen, die du von uns beziehst und glaube nicht, dass du über die gesamte Strategie im Detail informiert sein musst. Ich hoffe, der Verband wird auch in Zukunft positiv wahrgenommen. Aber gerade im Bereich Breitensport haben wir, wie auch Swiss Olympic, konkrete Ziele, insbesondere um die vielen unorganisierten Sportler, also Sportler ohne Vereinszugehörigkeit – darunter natürlich auch Pferdesportler – zu inkludieren. Man geht davon aus, dass sich in der Schweiz rund 200'000 Menschen mit Pferden beschäftigen. Davon sind rund 60'000 in unseren Mitgliederverbänden abgebildet. Das heisst auch, dass 140'000 uns unbekannt sind. Aber gerade für politische Themen wäre es wichtig, eine breite Lobby zu haben, so dass man sich vereint für das Pferd einsetzt, damit wir auch in Zukunft beispielsweise die Naherholungsgebiete noch nutzen dürfen. Ein weiterer Punkt ist die Raumplanung und dass wir Pferde weiterhin in der Landwirtschaftszone halten dürfen und nicht nur in Industriezonen. Es ist aber schwierig für uns, an diese nicht-organisierten Personen heranzukommen. Wir versuchen beispielsweise mit einer gerade lancierten Online-Umfrage herauszufinden, was diese Personen interessiert und welche Dienstleistungen für sie hilfreich wären. Wir wollen diese Personen nicht als Sportreiter gewinnen, aber wir möchten gerne besser verstehen, was ihre Bedürfnisse sind. Uns ist wichtig, diese Personen auch im Bereich der Ausbildung mit uns im Boot zu haben und für den allgemeinen Zusammenhalt.  

Die Schweiz ist ein kleines Land im Vergleich zu Europa. Du hast viel Kontakt mit Generalsekretären aus ganz Europa und der Welt. Wie wird da die Schweiz wahrgenommen? 

Vor ein paar Jahren, ziemlich am Anfang meiner Tätigkeit als Geschäftsführerin, war ich in Deutschland bei der deutschen FN zu Gast zwecks Austauschs und um mich zu orientieren, wie andere FNs organisiert sind. Der damalige Sportchef meinte damals zu mir, dass sie eigentlich lieber mir zuhören und wissen würden, wie wir so organisiert wären. Da wir ja ein viel kleinerer Verband mit ähnlich guten Resultaten im Sport, insbesondere im Springsport, seien. Und das ist auch so: Die EEF hat kürzlich Statistiken veröffentlicht, wo man sieht, dass die Schweiz als kleines Land im Vergleich sehr erfolgreich ist. Wir haben für unser Land auch eine gute Dichte an Turnieren. Alle westeuropäischen Verbände haben aber auch ähnliche Probleme. Deshalb ist der Austausch unter uns so wichtig, so dass das Rad nicht immer neu erfunden werden muss und man gegenseitig Ideen und Lösungsansätze untereinander austauscht und die Probleme gemeinsam diskutiert. So habe ich auch regelmässig Calls mit meinen Kollegen aus dem Ausland. Unterdessen kennt man sich so gut, dass man auch spontan mal zum Hörer greift und um Rat fragt.  

Kannst du mir noch etwas über die Struktur des Verbands erzählen? Oder besser: Wie erzählst du eigentlich Nicht-Reiterfreunden, was du beruflich machst und wie der Verband strukturiert ist? 

Nun, ich sage meistens, ich bin Geschäftsführerin des Pferde-«Sport»-Verbandes, wir beschäftigen uns mit Sport. Das heisst mit der ganzen Administration des Sports und den Reglementen. Dabei betreuen wir acht Disziplinen, die auch vom internationalen Dachverband FEI reguliert werden, darunter drei olympische Disziplinen. Wir sind zuständig für die ganzen Selektionen oder auch Weiterbildungen und vieles mehr. Wir haben daneben auch sehr viele Mitgliederverbände, die uns aus politischen Gründen angeschlossen sind, wie beispielsweise die Isländer, der Damensattelverband, die Galopper und weitere Verbände. Sie sind uns nicht angeschlossen, weil wir ihre Disziplinen administrieren, sondern weil wir Pferdesport im Sinne von jeglicher Aktivität mit dem Pferd sehen und bei uns natürlich Themen verschiedenster Couleur zusammenkommen. Vernehmlassungen und politische Themen werden bei uns behandelt. Mit ihrer Mitgliedschaft sind diese Verbände bei uns eingebunden in die Beschlussfassungen, sodass gemeinsame Antworten auf Vernehmlassungen eingereicht werden können. So können wir zusammen etwas für das Pferd erreichen, was sehr wichtig ist.  

Der SVPS ist ein Verein. Wie in jedem Verein ist die Mitgliederversammlung das oberste Gremium, welches den Vorstand wählt, sowie die Sanktionskommission und das Verbandsgericht, da diese Gremien unabhängig vom Vorstand sein müssen. Der Vorstand wiederum stellt die Geschäftsführung an, welche wiederum die Mitarbeitenden auf der Geschäftsstelle anstellt. Daneben haben wir die Kommissionen und Leitungsteams, deren Mitglieder im Ehrenamt jeweils für eine Amtsperiode von vier Jahren vom Vorstand gewählt werden. Mit diesen Kommissionen und mit den Leitungsteams für jede Disziplin, die in Zukunft «Technische Komitees» heissen – arbeitet insbesondere die Sportmanagerin mit ihrem Team eng zusammen. Ich selbst habe zum Beispiel viel mit der Veterinärkommission, der Sanktionskommission oder dem Vorstand zu tun. Wir haben auch eine Grundausbildungskommission und weitere Kommissionen, die alle auf unserer Website zu finden sind, ich zähle sie hier jetzt nicht einzeln auf. Im Endeffekt ist es eine Zusammenarbeit zwischen Ehrenamtlichen und einer professionellen Geschäftsstelle. Die Organisation folgt dabei den Zielen des Verbandes.  

Würdest du an dieser Struktur etwas ändern, wenn das möglich wäre? 

Wir haben uns laufend verändert, seit ich da bin und auch vor meiner Zeit. Zum Beispiel wurde der Vorstand verkleinert, dann haben wir die ganzen Grundausbildungskommissionen in eine neue Struktur gebracht, aktuell wandeln wir die Leitungsteams in Technische Komitees um. Es ist notwendig, Strukturen dem Laufe der Zeit anzupassen. Aktuell diskutieren wir, ob es eine Ethikkommission braucht oder ob dies Sache des Vorstandes ist und dort behandelt werden soll. Ethik wie Tierschutz sind Themen, die immer wichtiger werden und unseren Sport stark beeinflussen. Darauf müssen wir vorbereitet sein.   

Was sind deine Pläne für deine nächsten 11 Jahre im Amt? 

Ich frage mich jedes Jahr, ob mir meine Arbeit noch Spass macht und daraus entscheidet sich dann, ob ich noch  bleibe oder nicht. Bis jetzt macht es mir weiterhin viel Spass. Es macht auch Spass, mit dem neuen Team Projekte zu entwickeln und in Angriff zu nehmen. Aber wie ich schon sagte, für mich ist es wichtig, gut aufgestellt zu sein, so dass wir Step für Step in die richtige Richtung gehen und uns dem Umfeld anpassen. In den Jahren, seit ich hier bin, hat sich das Umfeld bereits unglaublich verändert, oder auch seit ich reite. Als ich mit reiten begonnen habe, wurden Pferde noch in Ständen gehalten, das hat niemanden gestört und wäre heute nicht mehr akzeptabel. Wir hatten auch keine Weiden, dort wo ich geritten bin. Auch die Bekleidung hat sich verändert: das damalige «Horseland» hatte ganz andere Mode im Katalog, heute ist es hochfunktionelle Ware. Oder auch die Online-Nennungen: Früher meldete man sich auf dem Concours Platz an und zahlte dort die die 25 Franken oder weniger für die Prüfung in bar. Heute ist alles online. Die Welt dreht sich und man muss sich anpassen. Eine unserer Bestrebungen ist es deshalb, am Zahn der Zeit zu bleiben. 

 

Episode 3 mit Evelyne Niklaus, Sportmanagerin SVPS

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Evelyne Niklaus ist Sportmanagerin beim Schweizerischen Verband für Pferdesport. Sie organisiert alle Vorbereitungen für grosse Meisterschaften der Schweizer Pferdesportdelegation. Zu ihren Aufgaben gehört beispielsweise, für alle Athleten, Grooms und Offiziellen und die weiteren involvierten Personen die Akkreditierungen zu besorgen. Sie muss also koordinieren, wer wann und wo Zutritt hat, wer wo sein muss und was wann passiert. Sie ist für die Logistik zuständig, hält den Terminkalender im Auge und sorgt am Wettkampf selbst für reibungslose Abläufe, damit sich die Athleten auf ihre Hauptaufgabe konzentrieren können.

Evelyne Niklaus, willkommen zurück! Du bist eben erst von den Weltmeisterschaften in Herning zurückgekommen. Wie war es? Bist du zufrieden?

Der Anlass an sich war wirklich sehr gut organisiert, es hat sehr viel sehr gut funktioniert. Nach den Weltreiterspielen in Tryon vor vier Jahren waren wir alle ein bisschen angespannt, wie es laufen wird und wie das OK alles managt. Da muss ich wirklich sagen: Die Organisation hat super funktioniert. Schon während den Vorbereitungen war man sehr gut betreut. Diesbezüglich bin ich also sehr zufrieden.

Sportlich gesehen, naja… Wir waren nicht ganz schlecht, aber auch überall nicht ganz dort, wo wir eigentlich gerne gewesen wären. Ich kann daher nicht sagen, wir sind gar nicht zufrieden oder wir sind super zufrieden. Ich glaube, es hat überall auch ein Quäntchen Glück gefehlt.

Unter der Bezeichnung «Sportmanagerin» kann man sich ein bisschen alles und ein bisschen gar nichts vorstellen. Was genau machst du in deinem Job?

Ich bin zusammen mit vier Mitarbeiterinnen für die Betreuung aller SVPS-Disziplinen zuständig. Also: Dressur, Springen, Concours Complet, Fahren, Voltige, Endurance, Para-Dressur, Vierkampf, im Moment auch noch Reining – eine Disziplin, über die verbandspolitisch gerade viel diskutiert wird. Wir betreuen die ehrenamtlichen Leitungsteams, wir haben Sitzungen mit ihnen, wir überarbeiten Dokumente und Weisungen, wir publizieren News, wir organisieren Events oder Tagungen für sie – beispielsweise zum Saisonabschluss oder Kadermeetings. Natürlich organisieren wir auch die grossen Championate, alle vier Jahre Weltreiterspiele oder Olympische Spiele, Weltmeisterschaften usw. Wir arbeiten aber auch sehr eng mit Swiss Olympic zusammen – ein sehr wichtiger Ansprechpartner für uns. Wir arbeiten zudem mit dem internationalen Pferdesportverband FEI zusammen, mit Pferdesportverbänden im Ausland, aber auch mit anderen Schweizer Sportverbänden. Das ist eine sehr bunte und sehr spannende Mischung.

Das klingt nach einer riesigen Aufgabe. Wie bekommst du das alles unter einen Hut?

Es hilft sicher, dass ich schon länger mit dabei bin und dass mich der Pferdesport grundsätzlich sehr interessiert. Man kann natürlich nicht nur sagen, ich interessiere mich für den Fahrsport oder eine der anderen Disziplinen. Man muss wirklich ein grundsätzliches Interesse für den Pferdesport und das Pferd mitbringen.

Natürlich ist es einfacher, wenn man gut organisiert ist und den Überblick hat. Aber in der Realität gibt es viel Unvorhersehbares. Da muss man sehr flexibel sein und auf das reagieren, was gerade passiert.

Reitest du privat auch?

Ja, ich habe ein Pferd, das ich selbst gezüchtet habe. Ich reite regelmässig und nehme auch an Turnieren teil. Aber das mache ich nur zu meiner Freude. Wenn ich mit Springreiten Geld verdienen müsste, wäre ich längst verhungert. Beim Reiten bin ich sicher weniger talentiert als beim Organisieren. Aber ich denke, gerade wenn man im Job so nahe am Sport ist, muss das Interesse für den Sport gross sein – und das kommt auch aus dem privaten Hintergrund heraus.

Wird die Organisation einfacher, wenn man den Sport auch von innen kennt?

Auf jeden Fall. Und mir hilft sicher auch, dass ich während meinem Studentenleben mein Geld als Pferdepflegerin bei einem internationalen Springreiter verdient habe. So weiss ich auch, was man im Stall macht und was die Grooms tagtäglich auf diesen Turnieren von morgens früh bis abends spät leisten. Ich weiss, was es bedeutet, wenn man für vier Pferde jeden Tag zig Wassereimer über 100 Meter schleppen muss. Deshalb schätze ich auch die Arbeit der Grooms so sehr und sehe dort auch dahinter.

Du sagtest, du hast studiert. Wie war dein Ausbildungsweg und wie bist du zu deinem heutigen Job gekommen?

Ich habe an der Universität Bern Medienwissenschaften, Geschichte und Staatsrecht studiert. Anschliessen war ich im Marketing- und Eventbereich tätig. 2006 habe ich dann im «Bulletin» eine Stellenausschreibung gesehen und habe gedacht: «Das ist mein Job!». Also habe ich mich beworben und den Job schliesslich auch bekommen. So bin ich beim Pferdesportverband gelandet. Am Anfang gehörte auch die Kommunikation zu meinen Aufgaben. Aber mit den Jahren hat man gemerkt, dass sich dieser Bereich so stark entwickelt hat, dass das irgendwann nicht mehr unter einen Hut ging. Ich musste mich also zwischen der Zuständigkeit für die Kommunikation oder für den Leistungssport entscheiden und wählte den Leistungssport.

Ich absolvierte dann eine Weiterbildung im Sportmanagement und schliesslich auch noch ein IMBA in allgemeinem Management, wo ich insbesondere in den Bereichen Finanzen und Controlling sicher nochmals stark profitiert habe.

Die Logistik, insbesondere der Pferde, dieser grossen Meisterschaften ist schon eindrücklich. Kannst du das näher erklären? Die Reise nach Herning oder mehr noch nach Tokio war sicher eine Herausforderung. Wie organisierst du das?

Bei solchen Grossanlässen wird meist vom Veranstalter ein offizieller «shipping agent» bestimmt. Das war in den letzten Jahren immer die Firma Peden, die hier sehr viel Erfahrung hat. Die kümmert sich um all die Flüge. Wir bestimmen dann, dass wir zu Zeitpunkt X den Flug Y buchen möchten. Wir müssen die Flüge also nicht selbst organisieren. Die werden vom Veranstalter angeboten. Aber klar: Man muss wissen, welches Pferd fliegt mit welchem anderen, wie kommen sie zum Flughafen etc. Für Tokio mussten die Pferde zudem noch in die Quarantäne vor der Abreise. Für die Dressur-, Paradressur- und Eventingpferde nutzen wir die zentrale Quarantäne in Aachen. Für die Springpferde bauten wir eine eigene Quarantäne in der Schweiz, was die Organisation mit allen Abklärungen, den Tierärzten, den zahlreichen verlangten Bluttests etc. nochmals erschwert hat. Das muss alles haargenau geplant und in den vorgegebenen Fristen erledigt werden. Für Tokio haben wir beispielsweise manchmal das Blut selbst über die Grenze gebracht, um sicherzustellen, dass die Blutsendung ins Labor nicht am Zoll steckenbleibt und man deshalb Fristen verpasst. Es gab auch genau Vorgaben, welches Labor man nutzen musste. Deshalb spannte man dann halt Leute ein, die das Blut über die Grenze nach Deutschland brachten, um es dort zu verschicken, damit es dann rechtzeitig im zuständigen deutschen Labor eintraf.

Das ist sicher jeweils eine nervenaufreibende Zeit…

Das ist der Punkt. Es sind die Vorbereitungen, die aufwendig sind. Es muss alles rechtzeitig parat sein. Der Flug der Pferde an sich, ist da noch die geringste Herausforderung. Die Pferde fliegen eigentlich alle sehr gut. Wir haben da sehr wenige Probleme. Sie müssen auch nicht sediert werden oder so. Die meisten fliegen wirklich total relaxed. Die Flugzeuge mit Pferdfracht starten und landen zudem weniger steil als bei Passagierflügen. Deshalb ist es für die Pferde auch überhaupt nicht anstrengend. Sie haben dann ja auch keine Kurven wie im Strassenverkehr, wo sie ihr Gewicht verlagern müssten, und sind auf den Flügen im Normalfall ganz zufrieden.

Bist du schon einmal mit Pferden mitgeflogen?

Früher, während meiner Zeit als Pferdepflegerin, war ich mit den Pferden unterwegs, auch beispielsweise in die USA oder nach Kanada. Aber damals war das auch noch ganz anders. Wenn ich sehe, wie professionell die Pferde heute verladen werden, mit den Containern und allem Drum und Dran… Bei meinem ersten Pferdeflug mussten die Pferde noch über eine schmale Rampe ins Flugzeug steigen. Wenn da einer abgedreht hätte… Da war man am Ende der Rampe, oben beim Flugzeug, etwa zehn Meter über dem Boden! Aber das war vor 20, 25 Jahren. So etwas gibt es heute nicht mehr. Heute ist das sehr professionell und gut organisiert. Die werden in den Containern mit Maschinen sauber hochgehievt. Das ist für die Pferde kein bisschen anstrengend.

Gibt es sonst noch Veränderungen und Tendenzen im Bereich Pferdetransport und Logistik, die du beobachtet hast?

Die Lastwagen, die heute für den Pferdetransport verwendet werden, sind nicht zu vergleichen mit früher. Die sind heute alle klimatisiert und luftgefedert, man kann die Rampe zum Ein- und Ausladen verlängern, damit sie weniger steil ist, und alles ist viel professioneller. Grundsätzlich ist der gesamte Leistungssport – und da spreche ich nicht nur vom Pferdesport, sondern sportartenübergreifend –  heute viel professioneller. Es wird viel weniger dem Zufall überlassen. Alles ist besser geplant. Aber trotzdem: Es gibt immer wieder Unvorhergesehenes und dann muss man Lösungen finden.

Wenn man dann ein ganzes Team über das Meer gebracht hat, muss das ein Wahnsinnsgefühl sein, oder?

Ja, das ist so. Gerade in Tryon war ich wirklich extrem stolz, denn in der Schweiz hiess es davor: «Man muss doch nicht so viele zeitliche Reserven einplanen.» Ich habe aber insistiert und das so durchgezogen. Und prompt war der Container mit dem Material am Zoll hängegengeblieben – sowas kann immer mal passieren. Er kam aber trotzdem noch gleichzeitig wie der Fahrer Jérôme Voutaz an. Im Gegensatz dazu hatten die Franzosen, die ihren Container eine Woche später verschifft hatten, dann wirklich ein Problem.

Ich bin ein Mensch, der grundsätzlich gerne eine gewisse Sicherheitsmarge einrechnet. Und das hat sich bisher bewährt.

Hast du niemals grossen Respekt vor diesen Aufgaben?

Doch, natürlich! Wenn ich das Beispiel der Olympischen Spiele in Rio nehme, da mussten wir listenweise alle Waren aufführen, die wir importierten. Jeden Reissnagel, jeden Kugelschreiber in der Bürokiste usw. musste ausgewiesen werden. Und wir wussten, dass die extrem streng sein würden am Zoll. Da ist die Erleichterung dann schon gross, wenn du weisst, alles Material ist durch den Zoll durch und vor Ort angekommen.

Der Transport der Pferde selbst macht mir inzwischen fast am wenigsten Angst, denn ich weiss, mit der Firma Peden haben wir eine Partnerin, die das seit vielen Jahren professionell macht. Das funktioniert.

Oder nehmen wir das Beispiel Tokio während der Corona-Zeit. Da änderten die Bestimmungen wöchentlich und dies ab vier Monaten vor der Eröffnung der Olympischen Spiele. Es gab immer wieder Updates, was wie gemacht werden musste, welche Tests noch dazugekommen sind. Die Coronatests durften nur in ganz bestimmte Labors geschickt werden usw. Solche Dinge haben mir im Hinblick auf Tokio Bauchweh bereitet. Man weiss auch von Leuten anderer Delegationen, die dann an der Grenze steckengeblieben sind oder gar nicht ins Flugzeug gelassen wurden, weil sie nicht alle oder nicht die richtigen Papiere vorweisen konnten oder sich irgendwo nicht online registriert hatten. Wir vom Verband können sehr viel vorbereiten, aber gewisse Dinge müssen am Ende die Athleten, die Offiziellen etc. selbst erledigen. Da können wir nicht hinter jedem einzelnen Delegationsmitglied stehen und kontrollieren, ob alles gemacht wurde.

Kannst du am Feierabend gut loslassen? Gerade wenn es auf ein Turnier zugeht, ist es wohl nicht wirklich ein Nine-to-five-Job, oder?

Nein, nine-to-five ist es ganz klar nicht. Aber ich denke, man muss diesen Job einfach gern machen, ungeachtet von Bürozeiten. Aber das macht es ja auch spannend. Vor Tokio beispielsweise bin ich meist morgens um 4 Uhr erwacht und dann fingen die Gedanken an zu drehen – an weiterschlafen war nicht mehr zu denken. Glücklicherweise kann ich abends aber immer gut einschlafen. Das hilft, denn ein bisschen Schlaf braucht man halt einfach. Aber klar – wenn wir beim Beispiel von Tokio bleiben: Wenn ich abends das Büro verliess, erhielt ich weiterhin E-Mails und Anrufe. Das ist ja auch normal, denn die Reiter sind tagsüber meist unterwegs, am Reiten. Und wenn sie sich dann abends um das Administrative kümmern, dann war die Zeit manchmal zu knapp, um zu sagen: «Ich rufe dann morgen zurück.» Dann erledigt man das halt am Abend noch, aber das gehört einfach dazu.

Da braucht es aber auch ein sehr persönliches Interesse, sprich den Faktor Pferd, dass man das auf sich nimmt, oder?

Ganz klar! Man muss sich mit dem Pferdesport identifizieren, man muss die Pferde und den Sport gerne haben, sonst würde man das nicht machen.

Wir haben mit den Pferdebesitzern einen Running Gag, wenn unsere Nerven auf den Championaten einmal mehr etwas arg strapaziert werden. Dann fragen wir uns, weshalb wir eigentlich nicht doch lieber bei einem Grossverteile die Regale einräumen, wo man am Feierabend alles stehen- und liegenlassen kann und nach Hause geht.

Ich habe es ein paar wenige Male mit meinem eigenen Pferd selbst erlebt, was es bedeutet, an ein internationales Turnier zu reisen. Das hat mir schon gereicht. Es ist eine echte Herausforderung. Umso beeindruckender ist es, was du alles leistest!

Aber es macht auch riesigen Spass! Und ich habe schon so manches Championat erlebt – das hilft, um alles etwas gelassener zu nehmen. Trotzdem darf man es nie unterschätzen oder etwas vergessen, weil man es schon so oft gemacht hat. Man muss immer voll bei der Sache sein. Jedes Organisationskomitee und jedes Land hat wieder seine Eigenheiten. Herning war hinsichtlich der Organisation relativ einfach und wir hoffen, dass wir die Olympischen Spiele von Paris 2024 planen können, wenn wir die entsprechenden Quotenplätze zugesprochen bekommen. Das wird sicher einfacher als Rio und Tokio. Aber es ist dann auch weniger herausfordernd.

Nun wird es wie angekündigt beim Verband eine Transformation im Bereich Leistungssport geben. Per Herbst 2023 werden statt Leitungsteams neu Technische Komitees gewählt. Weshalb diese Änderung und was bedeutet das für uns?

Es ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, all die ehrenamtlichen Funktionen, die es in unserem Verband gibt, gut zu besetzen. Und die, die sich dann trotzdem ehrenamtlich engagieren, kommen häufig immer wieder in zeitlichen Konflikt zwischen der Arbeit, mit der sie ihren Lebensunterhalt verdienen, und den Aufgaben im Verband. Das war sicher mit ein Grund, weshalb sich der Verband fragen musste: «Wie soll es weitergehen?» Auf der anderen Seite können wir nicht einfach sagen, wir erledigen jetzt alles auf der Geschäftsstelle und stellen zehn Leute mehr ein. Dafür hätten wir zum einen die Finanzen nicht und zum anderen kann man das ganze Know-how, das die Ehrenamtlichen mitbringen, nicht «einkaufen». Deshalb wird es in Zukunft so sein, dass wir das Know-how, das disziplinenspezifische Wissen der Ehrenamtlichen noch mehr wirklich dort einsetzen wollen, wo es gebraucht wird. Dafür möchten wir die Ehrenamtlichen bei den administrativen Aufgaben entlasten. So können sie sich darauf fokussieren, wo ihre Kenntnisse unersetzlich sind. Wir müssen uns ganz klar bewusst sein: Ohne Ehrenamtliche geht es nicht!

Wie wird diese Transformation konkret angegangen?

Derzeit werden die «Stellenprofile» der einzelnen Mitglieder der Technischen Komitees ausgearbeitet. Daraus leiten sich dann auch Anpassungen bei den Mitarbeitenden auf der Geschäftsstelle ab. Zum einen wird es ein neues Geschäftsleitungsmitglied für den Bereich Ausbildung und Breitensport geben, und zum anderen wird es zusätzliche Aufgaben für die Geschäftsstelle aufgrund der Transformation der Leitungsteams in Technische Komitees geben. Hier geht es nun an die Detailausarbeitung, wie die Aufgabenteilung und -organisation funktionieren wird.

Was wünschst du dir für die Zukunft im Bereich Leistungssport?

Das ist eine schwierige Frage. Ich wünsche mir, dass man sich gegenseitig akzeptiert – auch die verschiedenen Disziplinen untereinander – und sich gegenseitig unterstützt. Ich hoffe, wir finden einen guten Weg, dass wir auch in 10, 20 Jahren noch Pferdesport betreiben dürfen. Und zwar nicht nur im Bereich des Leistungssports, sondern ganz allgemein. Das ist mein grösstes Anliegen.

Wenn wir als Pferde-Community geeint sind, erleichtert das wahrscheinlich auch deine Arbeit, oder?

Ja, das ist so. Und da gehört nicht nur der Leistungssport dazu, sondern es braucht wirklich die gesamte Pferdeszene, in der man sich gegenseitig unterstützt und einander weiterbringt.

Episode 4 mit Franz Häfliger, Vorstandsmitglied SVPS

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Franz Häfliger, Vorstandsmitglied des SVPS, spricht in dieser Podcast-Episode über seine Tätigkeit im Ehrenamt.

Der SVPS betreut in der Schweiz die sieben FEI-Disziplinen Dressur, Springen, Concours Complet, Fahren, Endurance, Voltige und Para-Equestrian sowie Reining und Vierkampf als die zwei Nicht-FEI-Disziplinen. Der «Wettkampfsport» kann aber nicht nur an Medaillen und Resultaten gemessen werden, sondern soll dank und durch die Aktivitäten des Verbandes mit der Zeit gehen. An seiner Klausurtagung vom 14. bis 15. Juli hat der Vorstand des SVPS die Strategie «SVPS 2030» finalisiert. Um den aktuellen Anforderungen und gesetzten Zielen gerecht zu werden, wird die Organisation und Aufgabenteilung im Vorstand und auf der Geschäftsstelle angepasst.  

Der Vorstand wird neu noch mehr als strategisches Organ auftreten. Dies bedeutet insbesondere, dass die Ressorts innerhalb des Vorstands abgeschafft werden. Franz Häfliger, war Ressortleiter «Wettkampfsport» wird sich nun neuen, punktuell spezifischen Projekten zuwenden, um diese als Vorstandsvertretung zu begleiten.  

Franz Häfliger, nebst deinem Ehrenamt bist du aktiver Dressurreiter, Richter, warst mehrere Jahre OK-Präsident des Concours in Lenzburg sowie Vize-Präsident des ZKV. Was motiviert dich, dich so stark den Pferden zu widmen?

Diese Motivation stammt bereits aus meiner Kindheit. Ich hatte schon als kleiner Bub grosse Freude an Pferden. Meine Eltern mussten zu jedem Stall, wo Pferde gehalten wurden, hinfahren, damit ich mir die Pferde anschauen konnte. Als ich dann ins Schulalter kam, gab es in Lenzburg die erste Gelegenheit für mich, Longierstunden zu nehmen. So hat sich das entwickelt. Ich bin anschliessend in den Reitverein Lenzburg eingetreten. Dort wurden auch verschiedenste Veranstaltungen wie Dressur-, Spring- und zu der Zeit auch noch Military-Prüfungen durchgeführt. So übernahm ich nach und nach den einen oder anderen Job, durfte Verantwortung übernehmen und mitorganisieren. So hat sich das einfach entwickelt.

Da ich auch von Lenzburg bin: Wo hast du denn angefangen zu reiten?

Das war der Stall Schneiter, der sich dort befand, wo heute die Regionalpolizei zu Hause ist. Gut, das liegt nun auch schon 45 Jahre zurück. Schneiter war ein Springreiter, der S-Pferde im Stall hatte. Zu dieser Zeit war noch die Kavallerie in der Kaserne Aarau und dort war immer ein Adjutant-Unteroffizier vor Ort, der die Pferde longierte sowie ein Hauptmann, der die Pferde von Herrn Schneiter ritt. Adjutant Moser war derjenige, der mir die ersten Longenstunden auf diesen Pferden gab. Ich bin jedes Mal heruntergefallen, aber wieder aufgestiegen. So habe ich meine ersten Reiterfahrungen sammeln dürfen. Selbst reiten durfte ich nicht, da dies S-Pferde waren und man einem Buben keine solche Pferde anvertraute. Aber später ergab sich in Lenzburg eine Gelegenheit. Die Stadt verfügte damals noch über eine Scheune, die heute nicht mehr steht. Ein Mitarbeiter auf dem Stadtbauamt besass ein Pferd gleich vis-à-vis meinem Elternhaus. Ab dann war klar, dass ich jeden Tag dort vor Ort war und beim Misten und Füttern half, und später durfte ich dort auch reiten.  

Hast du dich ab diesem Zeitpunkt Richtung Dressurreiten orientiert?

Das hat sich nach und nach entwickelt. Als junger Bursche findet man den Dressursport nicht so interessant. Der Reitverein Lenzburg gab auch Springkurse und da bot sich die Gelegenheit, dass ich ein relativ gutes Pferd von einem älteren Herrn – ich muss jetzt aufpassen, denn ich bin unterdessen auch in diesem Alter – reiten konnte. Das Pferd ging über einen Meter zehn oder zwanzig, der Herr selbst konnte aber nicht gut reiten. Er war zwar im Reitverein, wollte aber insbesondere das gesellschaftliche, gemütliche Vereinsleben pflegen. So wendete er sich immer mehr dem Reiterstübchen zu und überliess mir das Pferd für die Reitkurse. Ich ritt damals – natürlich auf tiefem Niveau – auch Military-Prüfungen. Immer auf Grund dessen, dass der erwähnte Pferdebesitzer sich jeweils für die Prüfungen anmeldete, ihn aber der Mut dann kurz vorher verliess und ich dafür in die Bresche springen durfte.

Und dann hat dich später auch das Interesse am Richten gepackt?   

Das hat sich recht spät ergeben. Ich habe mich zuerst vor allem dem Reiten zugewendet. Im Reitverein Lenzburg hatten wir einen altbekannten Dressurrichter, Erich Hediger, der auch ZKV-Obmann Dressur war. Er hat mich laufend begleitet und ich durfte auch Dressurkurse bei ihm besuchen. Er meinte, ich solle etwas mehr aus mir und meinem Pferd holen, so ergab es sich, dass ich die Qualifikationsrunde der R-Schweizermeisterschaften reiten konnte und diese zu meiner eigenen Überraschung und zur Überraschung der anderen auch, bei meiner ersten Teilnahme 1995 in Münsingen, gewann. So entwickelte sich das Ganze mehr in Richtung Dressur. Ich war auch kein begnadeter Springreiter, so bei einem Meter zwanzig, fünfundzwanzig war fertig. Nicht unbedingt wegen eines ungenügend begabten Pferdes, aber wegen meiner eigenen Grenze. Im Springen hatten wir nicht so Erfolg, so sind wir halt in die Dressur. Das war vor 25 Jahren und nicht vergleichbar mit der heutigen Dressur, auch auf R-Niveau nicht. Wenn ein Pferd etwas am Zügel lief, war man schon fast zufrieden, was heute natürlich nicht mehr reichen würde. Auch die Pferde würden heute nicht mehr reichen, das ist ganz klar. Ich richte eigentlich noch nicht lange Zeit – ich muss kurz nachdenken – ungefähr seit 2013 oder so, also rund neun, zehn Jahre.

Es hat mich immer schon interessiert, wie man Richter wird. Ist das eine Ausbildung, macht man da Kurse?

Der Ausbildungsweg ist von der Disziplin Dressur klar geregelt. Wenn man als Dressurrichter einsteigen will, beginnt man als Anwärter. Das heisst, man sitzt bei und muss alles erst selbst mal «erleben». Seinerzeit brauchte man auch Unterschriften der entsprechenden Dressurrichter, sprich Bestätigungen, dass man etwas von der Materie versteht und über das Basiswissen des Dressurreitens sowie des Richtens verfügt. Danach durfte man an eine Prüfung, wo man mitrichtete. Noch nicht als aktiver Richter, dessen Notengebung zählte, sondern als Mitrichter. Die Noten wurden dann verglichen mit denen der offiziellen Dressurrichter. Danach legte man eine theoretische Prüfung ab und wurde Richter-Anwärter. Als Richter-Anwärter richtete man drei Jahre lang offiziell zuerst als GA-Richter, als Seitenrichter dann irgendwann durfte man L richten und als C-Richter amten. Anschliessend folgte die Prüfung mit zwei offiziellen Nebenrichtern sowie dem Prüfling als C-Richter. Nach einer weiteren bestandenen theoretischen Prüfung wurde man schliesslich L-Richter.

Und wie kamst du zu deinem Ehrenamt beim Schweizerischen Verband für Pferdesport?

Das sind dann so Gegebenheiten. Ich war Vize-Präsident beim ZKV und lernte dadurch entsprechend viele Leute kennen. Zudem war mein Vorgänger im Vorstand, Peter Christen, auch viele Jahre lang Präsident des ZKV. Im Vorstand des SVPS amtete er als Chef Wettkampfsport. Wir haben uns sehr gut gekannt, er fragte mich infolgedessen an, ob dies eine Aufgabe für mich sein könnte. Ich nahm mir genügend Zeit, um darüber nachzudenken, informierte mich auch, was dies für einen zeitlichen Aufwand mit sich bringen würde – ein Aspekt, der sicher nicht zu vernachlässigen ist. So bin ich dann von der Mitgliederversammlung ins Amt gewählt worden.

Jetzt ist es so, dass eine Transformation im Vorstand ansteht. Die Vorstände sollen zu sogenannten Konsulenten werden, das heisst, sie können gemäss ihrem Know-how für Projekte beigezogen werden. Wo siehst du dabei deine Stärken?

Grundsätzlich sehe ich meine Stärken weiterhin im Wettkampfsport-Bereich, ich bin aber auch beruflich Geschäftsführer und kann selbstverständlich auch Finanzzahlen interpretieren, dort könnte ich sicher meinen Beitrag leisten. Wobei meine Vorstandskollegin Gisela Marty in den Finanzen tätig ist und natürlich einen noch tieferen Einblick hat. Ich sehe sicher im Sportteil meine Stärke, da ich selbst aktiv Dressur reite und den Blick des Teilnehmers und Athleten auf die Dinge habe. Ich bin zudem relativ nah an der Organisation von Wettkampfveranstaltungen dran und als Offizieller sehe ich auch, was die Bedürfnisse der Offiziellen sind.

Wie würdest du das Wettkampfgeschehen in der Schweiz beschreiben? Wo stehen wir?

Ich denke, unser System ist grundlegend gut. Selbstverständlich gibt es immer wieder Dinge, die angepasst werden müssen, sei dies bei den Reglementen oder bei den Konkurrenten. Vor allem auch bezüglich der Leistungsniveaus: Wer darf oder muss über welche Hindernisshöhen starten. Wir kennen das Gewinnpunktesystem, welches sich meistens auf das Pferd bezieht und nicht primär auf den Reiter. Es gibt auch die Paarpunkte, die man einsetzen kann, aber normalerweise limitiert man die Gewinnpunkte des Pferdes, damit der Reiter entsprechend in einer höheren Kategorie starten muss. Man schaut dort weniger auf den Reiter. Im Moment läuft eine Diskussion darüber, wie man es machen könnte, damit eben auch die Paar-Gewinnpunkte zählen. Ein Beispiel: Wenn ein junger Reiter, beispielsweise frisch ab Lizenzprüfung, mit einem guten Pferd startet, nehmen wir an, ein Pferd mit Klassierungen über 1 Meter 20 oder 25, muss der junge, unerfahrene Reiter auf dieser Höhe einsteigen. Er hat nicht die Möglichkeit, sich nach und nach die notwendige Erfahrung und Praxis zu holen und sich nach und nach mit dem Pferd auf diese Höhe zu entwickeln. Mit den Paarpunkten wäre dies hingegen möglich. In der Dressur haben wir das beispielsweise bereits, dort gibt es nur Paar-Gewinnpunkte, die zählen.  

Da ich selbst nicht in Dressurprüfungen starte, bin ich erstaunt. Ich dachte, das sei über die Disziplinen hinweg einheitlicher geregelt?

Nein, das können die Disziplinen selbst bestimmen. Die Reglemente, also die Reglemente Wettkampfsport der einzelnen Disziplinen werden von diesen erstellt, nicht vom Vorstand. Reglementsänderungen werden jeweils mit den Regionalverbänden besprochen und von der Reglementskommission des SVPS verabschiedet.

Ich würde gerne nochmals auf das Ehrenamt zu sprechen kommen. Du hast am Anfang gesagt, es nimmt viel Zeit in Anspruch, etwas, das oft vergessen geht. Wie sieht es bei dir aus, betreffend Work-Live-Balance?

Ich muss es so sagen: ich habe einen guten Arbeitgeber, mit dem abgesprochen ist, dass ich die Vorstandstätigkeit im SVPS wahrnehme. Insbesondere weil das Amt tagsüber auch eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Unabdingbar ist, dass man den Tag klar planen muss – das liegt mir. Und zum Glück brauche ich auch nicht viel Freizeit. Alles, was ich nebst der Arbeit mache – auch die Vorstandstätigkeit, das Richten oder das selbst Reiten gehört für mich zur Live-Balance. Auch wenn das Richten beispielsweise geistig anstrengend ist, um eine korrekte Beurteilung der Ritte zu machen, ist das für mich trotzdem nicht das Gleiche, wie wenn ich im Job tätig bin oder Vorstandstätigkeiten ausübe. Selbstverständlich ist das Reiten noch einmal etwas ganz anderes. Auch wenn ich trainiere, ist es eine andere Anspannung, eine andere Konzentration. Wenn ich mit dem Pferd arbeite, oder ausreite, muss ich mich auf das Pferd und auf seine Bewegung konzentrieren und fokussieren, um die Verbindung aufrecht zu erhalten. Ich glaube, das ist etwas, wo Reiten gegenüber anderen Sportarten ein Vorteil hat. Man hat einen Partner, der positive Anforderungen stellt, damit man sich mit dem Pferd respektive dem Partner entsprechend abgibt, nonverbal oder verbal kommuniziert.

Ich habe jedes Mal Freude, wenn ich in den Stall gehe und meine drei Pferde den Kopf zu mir drehen, der eine oder andere leise wiehert und mich begrüsst, nur weil sie mich schon am Schritt erkannt haben. Natürlich gibt es auch immer ein «Guteli» von mir zur Begrüssung. Aber wenn ich eines der Pferde parat mache fürs Training, machen sich die anderen beiden bemerkbar im Stil von: «Vergiss mich dann nicht, ich will auch nach draussen!» Das ist in meinen Augen ein wunderbares Feedback. Das kann jemand, der nicht mit Pferden oder Tieren arbeitet, nicht nachvollziehen. Das führt uns auch zum Thema Tierschutz: Dem SVPS ist es sehr wichtig, dass der Umgang mit dem Tier korrekt ist. Darauf wurde in den letzten Jahren – auch bereits vor meinem Amtsantritt – grosses Gewicht gelegt und wir pflegen einen regen Austausch mit dem Schweizer Tierschutz. So können auch schlechte Beispiele gemeinsam diskutiert werden. Wenn Offizielle nicht eingeschritten sind, ist das nicht gut, sie haben den Auftrag, bei Verstössen einzuschreiten und werden laufend auf das Thema sensibilisiert. Auf allen Concoursplätzen sind nun auch Abreitplatz-Offizielle im Einsatz, welche das Abreiten beobachten und einschreiten, wenn etwas nicht pferdegerecht oder tierschutzkonform ist.

Hast du als Richter viele Momente erlebt, wo du einschreiten musstest?

Nein, auch wenn ich hätte pingelig sein wollen, nein. Die Reiter wissen schon mit der Präsenz eines Offiziellen auf Platz, dass sie unter Beobachtung stehen. Auch das Einschreiten meiner Kolleginnen und Kollegen ist eher in bescheidenem Rahmen. Klar, Konfliktpotential ist immer vorhanden, wenn jemand glaubt, er tue das Richtige, der Offizielle dies aber anders sieht. Aber hier geht es darum, dem Reiter zu sagen, was er falsch macht und wie er sein Verhalten ändern muss. Ich denke, wichtig ist auch die Art und Weise: «C’est le ton qui fait la musique». Also: den Reiter freundlich zu sich rufen, ihm mitteilen, was man festgestellt hat, und eine Begründung darlegen.

Gibt es einen Meilenstein oder ein Highlight, welches dir immer in Erinnerung bleiben wir aus deiner Zeit im Ehrenamt?

In dem Sinn einen Meilenstein werden wir mit der Strategie 2030 setzen, wo wir diesen Wandel nun in die Realität umsetzen. Eine Strategie, die wir gemeinsam mit den Mitgliederverbänden und den Offiziellen gestaltet haben. Ich denke, das ist einer der wichtigsten und wohl auch grössten Meilensteine, die ich bisher begleiten durfte. Im Moment bin ich noch Verantwortlicher für den Wettkampfsport, aber das wird sich dann in den nächsten 12 Monaten ändern. Wir werden als Vorstandsmitglieder zu Konsulenten und die Leitungsteammitglieder werden von gewissen Aufgaben entlastet. Wie man so schön sagt: Es ist mit einem lachenden und mit einem leicht weinenden Auge, dass ich nicht mehr so stark Einsicht haben werde in das Tagesgeschäft der Disziplinen. Es gibt dafür wieder neue Aufgaben, der Alltag verändert sich, man muss sich neu und noch mehr auf die Zukunft ausrichten und sich überlegen, wie man diese gestalten will. Und auf diese Aufgabe freue ich mich.

Kann sich eigentlich jeder für ein Ehrenamt bewerben?

Genau, jeder der interessiert ist, kann sich bewerben. Es ist so, dass man ein Motivationsschreiben, analog einer üblichen Jobbewerbung, mit seinen persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen, aber auch Ideen zum Amt, einreicht. Dies wird anschliessend geprüft, ob diese Anforderungen zum jeweiligen Ehrenamt auch passen. Die Wahl in das Ehrenamt nimmt dann nicht der Vorstand vor, sondern die Mitgliederversammlung, die schlussendlich das neue Mitglied, wenn es sich um ein Vorstandsamt handelt, wählt. Wenn es sich um ein Ehrenamt in der Disziplin handelt, ist es anders. Die Bewerbungen gehen dort an den zuständigen Vorstandsausschuss, welcher diese begutachten und eine Empfehlung zu Handen des Vorstandes abgeben. Anschliessend nimmt der Vorstand die Wahl vor.  

Bewerben sich in der Regel viele Personen?

Das ist genau das Thema. Je nachdem, um welches Ehrenamt es sich handelt, ist es zeitintensiv, oft auch tagsüber. Für viele Leute wird die bereits angesprochene Work-Live-Balance zudem immer wichtiger.

Was würdest du sagen, wie gross ist der zeitliche Aufwand in Prozent für dein Ehrenamt?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Zeiten, in denen der Aufwand gering ist, und wenn es dann irgendwo brennt, ist der Aufwand grösser. Über den Daumen gepeilt würde ich hier 20 bis 25% einer normalen Arbeitswoche nennen.

Das wäre nun hier ein Aufruf an alle, die Lust hätten und den Anforderungen entsprechen!
Gibt es zusätzliche Rahmenbedingungen, die du dir für die Zukunft des Reitsports respektive des Wettkampfsports wünschen würdest?

Grundsätzlich legen wir ein grosses Gewicht auf die Ausbildung mit dem Ziel, dass der Reiter versteht, wie er ein Pferd durch den Ausbildungsweg führen muss, um Spitzenleistungen zu erreichen. Das muss einhergehen mit einem pferdegerechten, tiergerechten Umgang. Wir haben gute Reitlehrer und müssen diese stärken. Die jungen Reitlehrer und Ausbildner dürfen wir dabei keinesfalls vergessen. Dies ist etwas vom Wichtigsten, dass die klassische Reitkunst – ich spreche nicht von Dressur, Dressur ist in jeder Disziplin die Basis – dass diese klassische Reitkunst unbedingt erhalten bleibt. Dann folgen auch gute Resultate im Wettkampfsport. Alles andere ist eigentlich Beigemüse. Wenn die reiterliche, die pferdesportliche Ausbildung nicht vorhanden ist, gelingen uns auch keine guten Resultate.

In meinen bisherigen Gesprächen und nun auch mit dir, kommt das Thema Pferdewohl und Ethik im Reitsport immer wieder zur Sprache…

Das hat sich in den letzten zwanzig, dreissig Jahren massiv gewandelt, auch das Bewusstsein der Pferdesportler hat sich gewandelt. Früher schaute man ein Pferd als ein «Gerät» an, welches arbeiten muss. Das Pferd ist aber von einem Arbeitstier zu einem Sportpartner geworden. Und ich glaube, die internationalen Koryphäen und Opinion Leader, die wir im Spitzensport haben – egal in welcher Disziplin, zeigen auch, dass der korrekte Weg funktioniert, wenn man eine partnerschaftliche Beziehung mit dem Pferd pflegt.

Episode 4 mit Gisela Marty, Vorstandsmitglied SVPS

Deutsche Übersetzung in Textversion

In dieser Episode unseres Podcasts spricht die Finanzverantwortliche des SVPS, Gisela Marty, über Zahlen und Fakten im Pferdesport und warum Vereine für alle Vereinsmitglieder attraktive Angebote anbieten sollten.

Liebe Gisela, ich freue mich sehr darüber, dass wir uns heute kennenlernen. Magst du dich unseren Hörerinnen und Hörern kurz vorstellen?

Sehr gerne! Ich bin Gisela Marty, ich habe vor langer Zeit eine kaufmännische Lehre gemacht und war schon immer fasziniert von Zahlen. Ich habe lange in der Buchhaltung gearbeitet und später einen Fachausweis in Berufsbildung absolviert. Am Ende meiner Karriere war ich Verwaltungsassistentin an einer Berufsschule im Kanton Fribourg. Zahlen waren mir immer wichtig und ich habe mich in diesem Zusammenhang viel engagiert. Als ich vom Schweizerischen Verband für Pferdesport angefragt wurde, ob ich für das Finanzressort verantwortlich sein möchte, habe ich sofort Ja gesagt.

Um beim Thema «Zahlen» zu bleiben: Könntest du mir erklären, wie der SVPS finanziert wird?

Der Schweizerische Verband für Pferdesport wird erstens natürlich durch die Reiterinnen und Reiter finanziert, die Lizenz- oder Brevetbeiträge zahlen. Der SVPS erhält auch Geld von Swiss Olympic. Ausserdem gibt es private Sponsoren. Ziel ist es aber, dass das Geld in Angebote für die Reiterinnen und Reiter und zur Erhaltung des Sports refinanziert wird.

Wie bist du eigentlich zum Verband gekommen?

Ich war damals im Vorstand des Freiburger Pferdesportverbandes und dann wurde ich direkt angefragt, ob ich Lust hätte. Es war sehr interessant und ich habe echt viel gelernt. Man lernt doch immer etwas, wenn man sich für eine Sache engagiert.

Was bedeutet Reiten für dich im Allgemeinen?

Wir hatten schon immer Pferde zu Hause und deshalb bin ich mit den Pferden aufgewachsen. Ich bin nie im grossen Stil geritten, aber mochte das Ausreiten und die alltäglichen Dinge um den Pferdesport. Jetzt habe ich mit dem Reiten aber aufgehört – es gibt für alles ein Alter. Dennoch gehe ich sehr gerne an Turniere und helfe viel bei der Organisation von Veranstaltungen mit. Mein Sohn ist aktiver Reiter, genauso wie seine Frau und seine Kinder. Ich begleite sie sehr gerne. 

Du musst sehr stolz sein als Mutter, dass er reitet!

Ja das stimmt. Reiten war in meinen Augen aber nie ein Muss, ich habe es immer als Erholung betrachtet. Mein Mann und ich haben tagsüber gearbeitet und abends ging es zu den Pferden. Obwohl es mit den Tieren natürlich auch Arbeit ist, aber wenn jeder mithilft, dann klappt es ganz gut.

Der Pferdesport trägt das Vorurteil, ein Sport der Reichen zu sein. Wie stehst du dazu?

Es wäre falsch zu sagen, dass es ein Sport für die Armen ist. Es kommt immer darauf an, wie man den Sport pflegt. Ob man das Pferd zum Beispiel zu Hause hat oder in einer Pension, ob man Sponsoren hat oder für alles selbst aufkommen muss. Wenn ich mir manchmal vorstelle, wie es wäre, wenn jemand zwei Mal im Jahr mit seinem Flugzeug ins Ausland fliegt und dort Urlaub macht – das liegt für uns manchmal nicht drin. Wir haben immer etwas zu tun mit den Pferden und manchmal gar keine Zeit, um Geld auszugeben oder immer auswärts zu essen. Das Geld, das wir haben, geben wir anders aus. Aber klar – es gibt Reiche, die reiten, doch es gibt auch solche, die keine Pferde haben. Was man nicht abstreiten kann ist, dass die Pferde einen gewissen Preis kosten.

Ja, ich sage auch immer, die Tatsache, dass ich ein Pferd besitze, ist ein Luxus.

Das ist richtig, es ist ein Luxus. Als wir das Pferd für unseren Sohn gekauft hatten, mussten wir auch schauen, dass es aufgeht. Aber er war begeistert von Pferden und hatte so vielleicht andere Dummheiten nicht gemacht.

Genau, wenn man reitet, hat man wirklich keine Zeit für anderen Blödsinn. Ich habe auch gelesen, dass du das dienstälteste Mitglied im Vorstand des Reitvereins Buecha bist?

Das ist korrekt, der ehemalige Präsident des Clubs war sogar 31 Jahre im Amt! Ich bin seit 22 Jahren dabei und natürlich habe ich mir schon paar Mal überlegt, wie es zukünftig weitergehen soll. Wir sind ein toller, dynamischer Verein, der viel für seine Mitglieder macht. Aber es ist nicht einfach, neue und vor allem junge Leute zu finden. Freiwillige für die Pferdesporttage finden wir dagegen problemlos. Ich glaube, wir müssten Jugendliche im Alter von 12 Jahren anwerben können und es schaffen, dass sie stolz darauf sind, Teil des Vereins zu sein.

Was hat dich dazu gebracht, so lange im selben Verein zu bleiben?

Oh! ich mag die Leute, wir sind ein tolles Team! Ich wüsste wirklich nicht, warum ich etwas ändern sollte. Auch mein Mann ist Mitglied im Verein, genauso wie mein Sohn.

Im Gespräch mit Damian Müller, dem Präsidenten unseres Verbandes, habe ich verstanden, dass es in der Schweiz viele Reiterinnen und Reiter gibt, die nicht Vereinsmitglied sind. Und ich habe mich gefragt: Was könnte man tun, um mehr Reiterinnen und Reiter zu motivieren, einem Verein beizutreten?

Das ist ziemlich schwierig und ich denke, dass das Rezept dafür noch nicht gefunden wurde. Oft gibt es in den Vereinen vor allem Turnierreiter, da für diese eine Vereinspflicht besteht. Diese sind natürlich auch besser up to date über bestehende Regelungen oder Neuerungen. Ich möchte nicht sagen, dass reine Freizeitreiterinnen und -reiter nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Aber es muss zum Beispiel ein Respekt vor der Natur gelehrt werden oder auch, wie man sich im Sattel auf dem Ausritt zu verhalten hat. In einem Verein versucht man neben dem kollegialen Austausch auch, in die Ausbildung der Mitglieder zu investieren. Damit man weiss, was darf ich, was darf ich nicht. Der Reitsport hat ein schlechtes Image, das ist sehr schade. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir einen Konsens untereinander finden. Dafür sind die Vereine da. Hier kann man sich auch untereinander helfen, wenn jemand ein Problem hat.

Was glaubst du, könnten die Vereine selbst machen, um attraktiver zu werden?

Gute Frage. Unser Reitverein macht zum Beispiel regelmässige Informationsveranstaltungen, an denen man mehr über das Pferd lernt. Also nicht nur: es hat vier Beine und einen Schweif, sondern auch: wie erkenne ich Rückenschmerzen? Oder: was mache ich im Winter? Ausserdem darf man jene Mitglieder nicht vergessen, die zwar nicht mehr aktiv reiten, aber dennoch engagiert sind. Oder schulpflichtige Jugendliche. Für sie muss man auch etwas organisieren.

Alles klar, also gibt es auf diesem Gebiet noch viel zu tun.

Auf jeden Fall und das Patentrezept haben wir bisher noch nicht gefunden.

Du wohnst in Freiburg oder?

Genau, das heisst ich lebe genau an der Sprachgrenze.

Ich habe oft gehört, dass es Unterschiede gibt zwischen Reiterinnen und Reiter aus der französischsprachigen und der deutschsprachigen Schweiz. Wie siehst du das?

Meiner Meinung nach gibt es keine fühlbaren Unterschiede. Es gibt Unterschiede zwischen den Reiterinnen und Reitern, aber es ist nicht die Sprache, die es ausmacht. Wir wollen alle denselben Sport ausüben und wenn möglich in einer guten Umgebung geniessen.

Am Ende des Tages sind wir alle Reiterinnen und Reiter mit derselben Leidenschaft. Und klar gibt es auch manchmal Witze unter den Kantonen, aber vielleicht liegt es auch an meiner Person. Ich provoziere nicht gern.

Unsere Unterschiede machen die Schweiz ja auch so einzigartig!

Absolut!

Liebe Gisela, es war sehr spannend mit dir. Vielen Dank für das Gespräch!

Episode 5 mit Thomas Järmann, Vorstandsmitglied SVPS

Textversion

Bis vor Kurzem hat Thomas Järmann das Ressort Aus- und Weiterbildung sowie Nachwuchsförderung vom Schweizerischen Verband für Pferdesport geleitet. Neu ist auch er Konsulent und unterstützt den SVPS mit seinem Erfahrungsschatz. Im wahren Leben ist Thomas gelernter Bereiter und führt ein eigenes Reitsportzentrum in Gwatt bei Thun.

Thomas, was hat dich zum Reitsport gebracht?

Mein Vater hatte einen Bauernhof und war aktiver Dragoner. Wir hatten immer Pferde zuhause und so kam ich damals auch zum Reiten. Später habe ich mich dann für die Bereiterlehre entschieden. Damals war ich fasziniert vom Springreiten: gegen die Zeit und im Wettbewerb mit anderer Paaren zu reiten finde ich immer noch spannend. Mein Ziel war immer ein eigener Betrieb. Das Reitsportzentrum ist daher ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Vor allem jetzt mit der eigenen Familie und meinem Sohn. Auch wenn er später nicht in eine landwirtschaftliche Richtung geht, wird er es bestimmt schätzen, so aufgewachsen zu sein.

Was für einen Umfang hat dein Betrieb?

Wir haben Platz für 34 Pferde und besitzen eine tolle Infrastruktur. Im Rahmen des Neubaus haben wir die bestehenden Boxen nur vergrössert und keine zusätzlichen gebaut. Wir haben viele Reitschüler, aber sind kein klassischer Reitschulbetrieb, da wir keine eigenen Schulpferde zur Verfügung stellen. Die meisten Reiterinnen und Reiter kommen mit ihren eigenen Pferden. Unsere Haupteinnahmequelle sind die Pensionspferde.

Es klingt, als wäre immer etwas los!

Das ist so, aber das war mir immer klar. Als ich im Jahr 2010 als Betriebsleiter das Gwatt übernahm, bildete ich mich noch zum Spezialisten in der Pferdebranche weiter. Das ist eine tolle und lehrreiche Ausbildung, die ich jedem empfehlen würde. Dort lernte ich auch, dass die Betriebsführung nicht immer nur «ein Traum» ist.

Du warst im Vorstand des Verbandes verantwortlich für das Ressort Aus- und Weiterbildung sowie Nachwuchsförderung. Wie war das für dich?

Eigentlich beschäftigt mich das Thema Ausbildung von Pferd und Reiter seit ich die Lehre gemacht habe. Deshalb konnte ich mich auch sofort für dieses Ressort begeistern und nahm die Rolle gerne an, als ich angefragt wurde. Wie gesagt, beschäftige ich mich sowieso tagtäglich damit und habe oft Ideen, die mir während dem Tag in den Sinn kommen. Diese muss ich dann immer aufschreiben und manchmal ausprobieren, weil nicht alles auf Papier funktioniert. Riesige Änderungen habe ich in meinem Amtsjahr nicht vollbracht, aber das ist in Ordnung.

War die Ausbildung von Pferd und Reiter früher besser?

Ich denke nicht, dass früher alles besser war. Man probiert im Verband, den Pferdesport an die Modernisierung der Gesellschaft anzupassen. Generell glaube ich schon, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Heute ist auch das Verhältnis anders, vielleicht war man früher mit weniger zufrieden oder hat halt damit gearbeitet, was man hatte. Heute braucht man den schöneren Reithelm und die besseren Hosen.

Die Aussenwirkung wird immer wichtiger.

Genau, richtig. Wir haben in der Reithalle auch ein Restaurant und ich höre die Leute oft sagen: «Nein, heute kann ich nicht reiten, die oder der sitzt oben.». Klar, auch ich probiere dann, mir mehr Mühe zu geben, wenn andere zuschauen, aber das ist für mich grundsätzlich kein Problem.

Ich weiss, was du meinst, ich höre das oft von Freundinnen. Es geht um den Vergleich, vor allem wenn man Sport macht. Ich wage zu sagen, dass wir Reiter nicht das einfachste Volk sind – es gibt viele Expertinnen und Experten an der Bande, die schnell über Dinge urteilen, über die sie keine Ahnung haben. Auch auf Turnieren.

Das hat auch mit den Medien zu tun. Manchmal ist man im Ziel und die Leute im Internet wissen dein Resultat schneller als du selbst. Also es ist in Ordnung, ich habe nichts dagegen, aber man ist viel mehr in der Öffentlichkeit.

Bist du auch im Sport aktiv?

Ja, aber seit ich den Betrieb übernommen habe, stellte ich den Sport etwas ein und bin heute vor allem regional unterwegs. Aktuell merke ich, dass mir der Sport fehlt. Ich habe ein paar gute Pferde, bei denen ich Hoffnungen habe und glaube, dass da noch mehr geht. Mein grösster Erfolg war Schaffhausen im Jahr 2011 als ich die Elite-CH-Meisterschaft mitreiten durfte. Das war sehr speziell, weil ich gegen die Besten der Schweiz reiten konnte.

Hast du dir nie überlegt, etwas anderes als mit Pferden zu machen?

Doch doch, mehrmals. Aber den Schritt habe ich nie wirklich gewagt. Ich «flicke» gerne und baue Dinge um. Am liebsten würde ich von morgens bis abends auf der Baustelle stehen. Durch den eigenen Betrieb darf ich meine handwerkliche Ader ausleben. Das Bauen ist mein Ausgleich zum Reiten und gewissermassen ein Hobby.

Du bist auch Trainer – was gibst du den Schülern am meisten auf den Weg?        

Es liegt mir sehr am Herzen, dass ich die Schülerin oder den Schüler mit einem guten Gefühl aus dem Platz schicke. Vor allem jetzt während der Turniersaison möchte ich, dass sie raus gehen und sagen: ich bin ready für das Wochenende. Das ist nicht immer einfach. Und in erster Linie passe ich mich immer dem Pferd-Reiter-Paar an, damit nichts passiert.

Weißt du, was deine Schüler über dich sagen?

Da gibt es sicher beide Seiten, daher denke ich, dass nicht alles schlecht sein wird an meinem Training. Es gibt Leute, die kommen seit 20 Jahren zu mir und dann gibt es andere, da passt einfach die Chemie nicht und das ist auch in Ordnung. Ich hoffe, dass meine Schülerinnen und Schüler die Abwechslung schätzen, die ich versuche in das Training einzubauen. Und ich lege viel Wert auf Pünktlichkeit. Das wissen meine Schülerinnen und Schüler auch.

Gibt es etwas, was du in den Ausbildungsangebot in der CH ändern würdest?

Es geht sehr viel über die finanzielle Situation und ich sehe manchmal versteckte Talente, die in einer anderen Ausgangslage ganz woanders wären, aber mit ihrem Pferd und den bestehenden Mitteln klarkommen müssen. Allgemein glaube ich, dürfte es wieder mehr um das Tier gehen und weniger um das Prestige.

Episode 7 mit Nayla Stössel, Vorstandsmitglied SVPS

Textversion

Nayla Stössel war die Verantwortliche für internationale Angelegenheiten im Vorstand des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport und wird jetzt neu zur Konsulentin. Ausserdem ist sie im Vorstand der European Equestrian Federation und seit 2012 Präsidentin des CSIO St. Gallen.

Herzlich Willkommen, Nayla! Könntest du mir in zwei Minuten die Geschichte deines Lebens so detailliert wie möglich erzählen?

Das ist eine Challenge! Ich bin in der Ostschweiz aufgewachsen und dort auch nach wie vor beheimatet. Doch ich bin auch viel unterwegs und beschäftige mich mit internationalen Themen. Ursprünglich habe ich Politikwissenschaftlich studiert, in Lausanne und Florenz. Das Pferd war immer eine Konstante in meinem Leben und ich hatte das Glück, dass ich damit aufwachsen durfte, weil wir zu Hause eine Vollblutaraberzucht haben. Ich bin also keine Springreiterin und organisiere dennoch den CSIO St. Gallen, das lässt viele staunen. Aber ich sage immer: die Basis als «Rösseler» verbindet uns alle.

Wie ging es nach dem Studium weiter?

Ich blieb noch etwas beim Politischen und habe im Europarat ein Praktikum absolviert. Das Supranationale hat mich schon immer interessiert. Nach dem Kapitel in Strasbourg kam ich zurück in die Schweiz und sah im Berner Oberland noch kurz in den Polosport ein, das war eine tolle Erfahrung. Danach kam ich retour nach St. Gallen, wo ich in der Unternehmensberatung tätig war, bevor ich die Präsidentschaft des CSIO St. Gallen annahm.  

Das klingt sehr idealistisch! Hast du eine Vision, wie die Dinge sein sollen?

Ich war schon immer ein Generalist und glaube daher, dass Kommunikation extrem wichtig ist. Egal ob Unternehmensführung oder Politik, die richtige Kommunikation ist ein Schmiermittel, sozusagen ein Mittel zum Zweck. Man muss richtig kommunizieren können, wenn man etwas erreichen möchte. Aber ich mag wie gesagt auch das Vermitteln, die Sprachen und schlage gerne Brücken, damit die passenden Dinge oder Menschen zueinander finden.

Beim SVPS warst du auch Vorständin für internationale Angelegenheiten. Das hat demfall wunderbar gepasst.

Ja. Der Verband ist letztlich auch eingeordnet in den Weltverband, also die FEI. Ich war mit vielen Stakeholdern bereits im Austausch, und auch durch die Aufgabe als Präsidentin beim CSIO, brachte ich das Netzwerk und die Skills für diese Aufgabe mit.

Du hast erwähnt, dass du aus der Araberszene kommst. Wie ist hier dein Background?

Meine Mutter hat ihr Herz an das arabische Pferd verloren. Ich hatte quasi keine Wahl – mit den Arabern bin ich aufgewachsen und mit ihren besonderen Charakteristiken bin ich vertraut. Diese Pferde können zwar nicht im grossen Springsport mithalten, aber dafür als Veredler oder wenn es um Leistungssport geht. Disziplinen wie Endurance oder CC, hier sind sie stark. Ich fiebere immer für die Araber mit! Es sind einfach tolle, menschenbezogene Pferde!

Hast du noch eigene Pferde?

Aktuell beschäftigen mich meine zwei kleinen Kinder und das Reiten musste leider arg zurückstehen. Doch ich bin sehr zuversichtlich für die nahe Zukunft und hoffe, dass ich bald wieder öfters in den Sattel komme. Wir haben aktuell wieder viele Pferde zu Hause in der Schweiz. Die Zucht ist ja in Spanien.

Magst du mir noch etwas vom CSIO St. Gallen erzählen? Wie kam es dazu, dass du Präsidentin geworden bist?

Mein Vater hatte diese Fuktion vor mir 25 Jahre inne und hat mir immer gesagt: eine Aufgabe ist erst erfüllt, wenn man für eine gleichwertige oder bessere Nachfolge gesorgt hat. Als mein Vater mir seinen Posten angeboten hatte, habe ich es mir gut überlegt und schliesslich zugesagt. Die Aufgabe vereinigt sehr viele spannende Aspekte. Zwei Jahre (2011 und 2012) haben wir im Co-Präsidium gearbeitet, danach durfte ich offiziell übernehmen.  

Was sind deine Ziele mit dem CSIO?

Ich würde dem CSIO gerne infrastrukturell mehr Platz bieten. Das Gründenmoos ist kein reines Reitstadion und wir stehen immer wieder an, weil wir dem Wetter exponiert sind. Es wäre genial, wenn wir eine feste Anlage hätten. Sei es nur für gewisse Teile der Veranstaltung, wie zum Beispiel die Jungpferdeprüfungen. Ich setze mich deshalb im Moment für den Bau eines nationalen Pferdezentrums in St. Gallen ein. Das ist eines der hoch gesteckten Ziele. Ansonsten soll der CSIO attraktiv bleiben und natürlich wirtschaftlich.

Dann haben sich aber deine Tätigkeit im Vorstand des SVPS und die Präsidentschaft des CSIO St. Gallen eigentlich ziemlich gut ergänzt.

Gewissermassen war das schon ein Vorteil. Doch man muss sich selbst gut massregeln und sich immer bewusst sein, welchen «Hut» man geraden an hat. Durch die verschiedenen Funktionen sehe ich die Dinge natürlich automatisch aus verschiedenen Perspektiven: als Veranstalterin, als Reiterin oder aus Sicht einer Vorständin. Wichtig ist, dass man die Individualinteressen zurückstufen kann. Ein sehr grosser Teil beider Posten ist die Netzwerkarbeit. Das braucht aber seine Zeit und ich betone immer, dass es eins bis zwei Lehrjahre braucht, in denen man beobachten und lernen muss. Aber wenn man erst mal angekommen ist, wirkt die Welt wieder klein. Es ist eine erhebliche Erleichterung, wenn man das «Who is Who» kennt.

Ich mache kurz den Sprung zurück zu den internationalen Angelegenheiten des Verbandes – was blieb dir aus deiner Zeit als Vorständin am meisten in Erinnerung?

Es ist schwierig eine einzige Sache explizit herauszunehmen. Es gab immer wieder brisante Themen und die jeweiligen Diskussionen bleiben natürlich in Erinnerung. Da merkt man wieder, dass die Reglemente und der Sport an sich auf verschiedene Arten verstanden wird. Und wenn man etwas im internationalen Kontext beleuchtet, fällt extrem auf, wie viele Facetten da sind. Für mich ist es immer lehrreich wenn ich merke, wo ich selbst im Kontext stehe und wie sehr die Perspektiven je nach Thematik wechseln können.

Ich frage mich gerade in Bezug auf den internationalen Kontext: Wie stark ist das Pferd im Fokus und wie viel ist Politik?

Eine berechtigte Frage! Hier glaube ich ist uns in den letzten Jahren immer bewusster geworden, dass wir uns als grosse Familie des Pferdesports verstehen müssen. Wir lieben das Pferd und schätzen die Leistungserbringung von Tier und Mensch. Und das ist die Essenz, das Pferd muss immer im Fokus stehen.

Gilt im internationalen Vergleich nicht: andere Länder, andere Sitten?

Natürlich und doch versucht man im internationalen Kontext, eine einheitliche Policy zu etablieren. Die Diskussion in diese Richtung ist sehr wertvoll und es ist für mich persönlich sehr spannend all die positiven Entwicklungen der letzten Jahre mitzuerleben. Auch wenn andere Ansichten und Realitäten aufeinander treffen, haben wir ein Ziel und das ist, dass wir den Pferdesport international und korrekt betreiben können.

Du hast bestimmt schon viele inspirierende Persönlichkeiten kennengelernt. Welche glaubst du, müsste ich auch unbedingt treffen?

Da gibt es ein paar! Aber ich glaube Sabrina Ibáñez, die Generalsekretärin der FEI wäre eine tolle Gesprächspartnerin. Eine beeindruckende Frau, die dem internationalen Verband vorsteht und ihn sehr taff und kompetent führt. Sie hat viel Know-How und starke Management-Skills, um heterogene Gruppen zu bewegen und vorwärts zu bringen.      

Was war denn dein bisher grösster Erfolg?

Da würde ich sehr gerne auf den europäischen Verband eingehen – die EEF. Die Organisation ist sehr jung und war am Anfang sozusagen ein Gentlemans Club, aber heute würde ich eher von einer Gruppe aus Idealisten und Visionären sprechen. Die EF ist nicht bürokratisch, also am Schluss ein kleiner Raum aus Pferdemenschen, die sich austauschen und Europa im globalen Kontext stärken möchten. Ich freue mich wirklich sehr, Teil davon zu sein und die EEF weiter zu entwickeln.

 

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